Читать книгу Seniorenknast - wir kommen! - Christa Mühl - Страница 13

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Paul sieht Katharina voller Hass an. Doch sie konzentriert sich auf die Fahrt. Was man so Fahrt nennt – sie rast noch immer wie eine Wildsau. Schon zweimal hat er versucht, sie anzusprechen. Ohne irgendeine Reaktion ließ sie ihn links, oder besser gesagt, rechts liegen. Beziehungsweise sitzen.

Außer sich brüllt er nun los. „Eigentlich wollte ich nicht im Verkehr mein Leben beenden!“

Ganz und gar umsonst. Eisiges Schweigen.

Schließlich versucht er es auf eine sanftere Tour.

„Sag mal, hast du noch alle Klammern im Hefter?“ Keine Reaktion.

„Warum mischst du dich denn ein?“

Kein Kommentar.

„Na ja, das kennt man ja von früher: Frau Hauptkommissarin Katharina die Große hat alles im Griff!“

Sie nickt grinsend und rappelt sich endlich zu einer Antwort auf. „Grüß dich, Paul! Nett, dich mal wieder zu treffen!“ Er schluckt. Nach einer Weile versucht er, ihr die Sache irgendwie zu erklären. Es sah alles so gut aus. Endlich am Ziel. Das war der 6. Versuch. Sechs ist eine Superzahl – diesmal hätte es geklappt! Wenn sie sich rausgehalten hätte …

Katharina sieht ihn schief an und fragt, ob er in Behandlung sei. Paul kotzt dieses Gerede an. Also, Klartext: „Ich wollte endlich eingebuchtet werden!“

Katharina fährt fast gegen eine schlecht geparkte Luxuslimousine und tritt auf die Bremse. Dem dicken Mercedes hinter ihr gelingt ein Ausweichmanöver. Der Fahrer kriegt die Kurve und zeigt ihr einen Vogel. Den merk ich mir, denkt sie. Und notiert das Kennzeichen auf einem vollgekritzelten Zettel, der über dem Autoradio befestigt ist. „Bist du nun in Behandlung“, fragt Katharina noch einmal, leise. Paul sieht sie fassungslos an. Die hat echt eine Mattscheibe! Dabei war sie ihm früher nicht gleichgültig. Da kann man mal sehen, was das Alter aus den Leuten macht … Fast steigen ihm Tränen in die Augen. Katharina entgeht der Umschwung seiner Gemütsverfassung nicht. Sie bereut ihre grobe Fragerei und ist nun selbst dem Heulen nahe. Sie sehen sich kurz an – und fast wäre es schon wieder zu einem Auffahrunfall gekommen.

„Früher hast du gesagt, die Alten sollten ab 65 noch einmal den Führerschein machen!“ faucht Paul.

Katharina schüttelt den Kopf. Das soll sie früher mal gesagt haben? „So ein Schwachsinn! Hat dir irgendwer in die Zentrale gekackt – oder was?“

Paul ist endlich wieder in der Wirklichkeit angekommen. Das ist Katharina!

„Du redest noch immer so, wie im vorigen Jahrhundert. Und du reißt den Fall an dich – wie in alten Zeiten. Ich will aussteigen!“ Katharina tritt kräftig aufs Gaspedal. Jetzt mischt der sich ein – wie früher.

Sie zupft ihn am Ohr. Wie früher.

„Was für’n Fall, Paul?“

Er schweigt.

Katharina fährt langsamer. Sie überlegt, sucht nach einem Plan. Früher fiel ihr in solchen Situationen sofort etwas ein. Aber nun … Nun hilft ihr der Zufall!

„Da vorn ist eine Dönerbude.“

Sie hat den Besitzer mal aus einer schlimmen Situation gerettet. Ob es ihn noch gibt? Ob der sie noch kennt? Ob sie an diesem gefragten Ort eine Parklücke findet? Ob Paul abhaut?

Paul wittert seine Chance. „Döner find ich gut!“

Katharina nickt zufrieden. Und dann hat sie auch noch Glück: Direkt vor der Bude fährt gerade ein großes Auto raus. War das nicht dieser Mercedes – sie schaut auf ihren Zettel. Das war er. Scheiße! Aber die Lücke ist frei. Sie parkt gekonnt rückwärts ein.

Paul überlegt einen Moment. Er sieht das saftige Fleisch am Drehspieß. „Ich hau nicht ab!“

Katharina steigt aus und stellt sich an. Der Laden scheint gut zu laufen, es gibt eine Schlange. Wie damals im Osten, denkt sie. Doch in diesem Moment entdeckt sie der Mann, der gerade Tomaten, Salat und Rotkraut auf das saftige Fleisch in ein Fladenbrot stopft. Er läßt alles fallen, rennt aus der Bude.

Die anstehenden Kunden kriegen vor Schreck die Münder nicht mehr zu.

Er fasst Katharina bei den Händen, sie zu umarmen wagt er nicht. „Frau, Frau …“

Die Türken kriegen wohl auch Alzheimer, denkt Katharina. Sie drückt ihn fest an sich. Er riecht gut – nach Zwiebeln, Knoblauch und altmodischem Rasierwasser. Sie flüstert ihm was ins Ohr. Er stürzt zurück in seine Bude.

Katharina bekommt gerade noch mit, wie Paul langsam aber entschlossen, die Autotür öffnen will. Sie drückt auf die Fernbedienung. Paul nickt mehrmals und versucht eine versöhnliche Entschuldigungsgeste.

Da nähert sich das Geräusch eines Sondersignals. Katharina entsichert schnell die Türen und steigt in ihr Auto, startet den Motor. Ein Krankenwagen fährt lautstark an ihnen vorbei. Katharina atmet auf, da klopft es an ihre Scheibe. Sie sieht die Plastiktüte, darin zwei Alu-Päckchen, lässt das Fenster herunter und greift nach ihrer Tasche. Der Dönerbudenchef ist schneller. „Geht aufs Haus!“

Er wirft ihr einen Handkuss zu und ist schon wieder weg. Katharina reicht die Tüte an Paul weiter. Der schaut auf die lachenden Kunden und den winkenden Dönermann.

Er betrachtet die windschiefe Bude. „Haus… Na ja.“

Zum erstem Mal an diesem Tag vergisst Paul seinen Plan und schaut Katharina an. Mit seinem unwiderstehlichen Lächeln fragt er: „Zu dir – oder zu mir?“

Seniorenknast - wir kommen!

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