Читать книгу Also schrieb Friedrich Nietzsche: "Zuletzt wäre ich sehr viel lieber Basler Professor als Gott; aber ..." - Christian Drollner Georg - Страница 23
Оглавлениеsprach aber nicht von einer Tatsache, sondern in Wirklichkeit über sich selbst, über eine Vision oder richtiger Illusion, die er sich von sich selber machte: Über seine Rolle hinter der „Maske“ dieses Zusammenhangs mit der Sphinx und mit Emerson, - von dem das alles ja stammte.
Ein halbes Jahr später, Anfang 1882, notierte N sich - thematisch eng hier zugehörig! - und weitgehend in gleichem Wortlaut, anlässlich einer Reihe von Auszügen aus Emersons „Essays“ eine leichte Abwandlung zu seiner Notiz auf der Emerson-Seite 25, - entweder weil er vergesslich war, oder weil sie ihm so sehr viel bedeutet hatte:
Es ist viel, zu antworten, wenn ein solches [wohl „größtmögliches“, superlatives, die ganze Menschheit betreffendes und damit „Welterlösendes“!] Rätsel aufgegeben wird: und es ist viel [nämlich sehr mutig und wohl auch vermessen!], zu glauben, solch ein Rätsel gelöst zu haben [wie er inzwischen überzeugt war, das Rätsel - wozu die Menschheit bestimmt wäre! - mit seiner im Herbst 1881 endlich entdeckten „neuen Moral“ - auf der Grundlage der „Ewigen Wiederkehr“ und dem Ziel des „Übermenschen“! - gefunden zu haben]. Schon bei dem Mute der Antwort auf das Rätsel des Lebens [dem eigenen, wie N meinte!] stürzt sich die Sphinx hinab (ego). 9.668
Das wurde hier - gewissermaßen als Gütesiegel für seine Ansicht, Aussage und Feststellung! - mit dem auf ihn selber bezogenen „Identifikationsfaktor“ „ego“ - Ich! - versehen: Passend zu dem „Mut“ seines Bekenntnisses „nie hörte ich Göttlicheres!“ FW.341 als die Wahrheit der von ihm gefundenen „Ewigen Wiederkehr“ und die darin enthaltene „Erlösung“ von der nihilistischen Sinnlosigkeit dieser Welt! - zwar nicht für die Menschheit, wie N vorgab, aber immerhin doch für seine bevorzugte Existenz! -
Selbstverständlich nahm N die um Leben und Tod gehende, ernsthafteste Rätsellösung zum Anlass, von eigener „Not“ zu berichten. Er hat sich in all seinen „Werken“ vorgeblich mit „Menschheitsproblemen“, das heißt mit superlativisch grundlegendsten, nicht zu überbietenden Problemen für alle Menschen beschäftigt und eine - seine! ihm passende! - „Lösung“ gesucht, wie die Menschheit vor ihrem - in Wahrheit aber seinem! - „Untergang“ zu „retten“ wäre. Diese Situation beschreiben so gut wie alle Notizen und bekunden damit, wie schwer die „Aufgabe“ auf ihm lag, obgleich es nicht seine Aufgabe war! - und auch nicht sein konnte!
Letztlich war es seine Lust, ein wahnhafter Zwang, dem er folgte! Aus Gründen des „moralischen Ansehens“ konnte er mit dieser Tatsache allerdings nicht an die Öffentlichkeit gehen und seine Selbstsucht zugeben, ohne sich als großer, moderner Philosoph zu demontieren und sich lächerlich zu machen: Deshalb brauchte er die Legende der „Erfüllung“ einer ihm - von wem aber nur? - gestellten „Aufgabe“. Das verriet er immer wieder, in verschiedensten Formen, - auch darin, wie viele Zweifel es gab, an seine eigens zusammengebastelte „Rätsellösung“ - die ja keine war! - zu glauben und die Gefährlichkeit der Sphinx um Erfolg oder Misserfolg! - mit seiner Idee überwunden zu haben, - wie es einst der Königssohn Ödipus getan haben sollte. Emersons Text war für N wieder einmal nur der Anlass, von sich zu reden, was er schließlich gestand, - indem er sein von sich selbst besessenes „ego-Ich“ an das Ende hängte.
Im Wesentlichen wurde N von Emerson auf gewissermaßen 2 „Ebenen“ unmittelbar und intensiv angesprochen und „geistig“ mit Beschlag belegt: a) auf der Ebene seiner jeglicher Rationalität entzogenen „Allzusammenklangsmomente“, deren Bedenklichkeit sich seinen eigenen Analysefähigkeiten gegenüber als völlig unzugänglich erwies und b) auf der Ebene des ja nicht bloß rein sprachlich gemeinten Umgangs mit delikat ehrgeizigen Maßlosigkeiten in der Beschreibung dessen, was seinem nun einmal „herrscheramtlich“ angelegten aber ihm voll bewussten Gefühlsleben entsprach, - sein „Selbst“ - gleichsam in der Tradition römischer Kaiser! - „an der konkaven Sphäre des Himmels sichtbar werden“ lassen zu wollen, wo denn sein so haltloses Ich eins werden sollte „mit dem Umlauf der Sterne“. EE.113
Die enge Verzahnung von Emersons „Weisheiten“ - vornehmlich [zu hoch in den 90%!] aus den „Essays“ aber auch aus den Kapiteln der hier gar nicht weiter in die Betrachtung einbezogenen „Führung des Lebens“ - mit Ns Wertschätzungen, „Erkenntnissen“, Lebensgrundsätzen und Verhaltensregeln, also „Schulgesetzen“ - und das unverändert sein Leben lang! - das stellt ein bedeutsames Faktum dar. Bis in die letzten, tollsten und mehr als nur auf die Spitze getriebenen Widerspruchs-Eskapaden seiner Welt- und Wirklichkeitsverneinung hinein lässt sich N absolut nicht mehr als ein selbständig „freier Geist“ betrachten, sondern als ein wahngebundener XXL-Egozentriker, wenn nicht gar als ausgemachter, aber verdeckter Autist, der nicht über die Außenseite seiner eigenen Haut hinaus empfinden, geschweige denn denken konnte - und in der Gefangenschaft seiner ihm selbst einzigartig erscheinenden Existenz erhebliche Schwierigkeiten erlebte, mit der Welt zurechtzukommen, - dank Emerson aber die Lösung seiner Probleme darin sah, die Welt so zu verändern, sie so anders darzustellen und zu betreiben, dass sie seinem Sinn und seinen Absichten angepasst schien, um mit dieser „Wahnvorstellung von “ihr“ am Ende, Anfang 1889, „seinen Frieden“ machen zu können, - was ihm zuletzt in und mit seinem geistigen „Sich-Verabschieden“ schließlich „gelang“.
Bis dahin hatte N, ausgehend von Emerson, noch einen langen Weg voller „geistiger“ Volten und Purzelbäume zurückzulegen. Die Tatsache, dass N an den „Essays“ von Emerson, welche er - oder welche ihn? - als erste erwischte, so ausschließlich und dermaßen intensiv sein ganzes Leben hindurch festhielte, gibt in Bezug auf das, „was da an Identifikation passiert sein musste“ auf besondere Weise zu denken. Warum wurden Emersons „Essays“ für N dermaßen bestimmend? Warum gab es danach keine wirklichen Weiterungen, kein Reifen, gegenüber Emersons spektakulären Ansichten und Auslassungen bis hin zur ernüchternden Bewältigung? Wenn N bei all seinen Überwindungen - auf die er sich so viel zu gute hielt! - etwas nicht „überwunden“ hatte, dann waren es Emersons Weltsichten und -Darstellungen! Dieser Umstand weist darauf hin, dass N besonders die Maßlosigkeiten in Emersons Darstellungsweise irreparabel beeindruckt hatten. Diese gibt es allerdings auch in Emersons „Führung des Lebens“, wo aber, außer für die Jugendaufsätze, später entfernt nicht so viel Bedeutungsvolles herstammte, wie eben aus den erstkonsumierten „Essays“. - Es hat da auf eine unglaubliche Weise geschnappt, als wäre ein Haken eingerastet in eine Falle, - unlösbar, unmerklich und jeder Kontrolle entzogen!
Am Ende von dem, was 1861 mit der Emerson-Infektion als eine gut 27 Jahre währende Rebellion gegen die bestehende Welt begann, war N Anfang 1889 mit der Welt endlich zufrieden, auch wenn er - immer noch nicht ganz zufrieden, dann doch „sehr viel lieber Basler Professor“ 6.1.89 geblieben wäre, als in aller Bescheidenheit den Gott einer von ihm neu erschaffenen Welt spielen zu müssen! - Sein Drang, die Welt anders, mehr für sein Dafürhalten passend, haben zu wollen als sie ist, war im Laufe des Jahres 1888 so gut wie erloschen, d.h. Ns Vorstellung davon, eine auf von ihm erlassene Wahrheiten neu gebaute Welt erschaffen zu haben, war - infolge des fortgeschrittenen Realitätsverlustes, an dem er durch all die Jahre litt! - so dominant geworden, dass ihn die Diskrepanz zu den tatsächlichen Verhältnissen um ihn her nicht mehr erreichte. N hat diese Welt nicht angesehen, wie andere Schriftsteller - um nicht von Philosophen zu reden! -, sondern sie lediglich, wie er bereits im August 1858 schrieb - als einen Spiegel seiner selbst „erkannt“ und nie verstanden, dieser Welt deshalb nicht mehr geben zu können, als nur ihn selbst, - statt ihr zu geben, was sie brauchte, ihr nutzte, gut für sie war! Im Leben „sich zu erkennen [gerichtet nur auf sich selbst und seine Gefühle für sich selbst!], möchte‘ ich das erste nennen, wonach wir nur auch streben.!!“ BAW1.32 - das hieß, dass N nie ein Thema außerhalb seines eigenen Ich gefunden hatte, auf das er seine Energie, seine Erkenntniskraft, seine Einsichten, einen Zugewinn an Wissen gerichtet hätte. Zum Ersatz dafür hat er sich eine gewaltsam auf zukünftige Ideale zurechtgezwungene Welt erträumt, - in der allerdings störende, realistisch verfasste Menschen keinen Platz zugewiesen erhielten, denn N war zu phantasielos, um sich vorstellen zu können, dass „die Anderen“ ganz andere Ideale und Träume haben könnten, als er selbst!
Die so verhängnisvoll infizierte Ausgangslage - nochmals 1862 dann, genau und umfassend feststellbar bei dem dann gut Siebzehnjährigen anhand seiner Jugendaufsätze und damit seiner ahnungslos hinterlassenen Zeugnisse zu dem, was so seine „Gedanken“ und vor allem seine Gefühlswelt und die Herkunft von all dem durchzog! - das lässt sich schwer widerlegbar durch seinen gesamten Lebensweg verfolgen. Emerson wird, weil er Ns ständiger geistiger Begleiter und Ratgeber war, in dieser Darstellung von Ns großem „Werden“ immer wieder erscheinen müssen.
Das „Nürnberger Handexemplar“, das Zeugnis von den Anstreichungen des Siebzehnjährigen bis ins Jahr 1874 hinein hätte geben können, ist N, wie schon erklärt, mitsamt seiner Reisetasche im August 1874, auf der Rückreise von einem Besuch bei Richard Wagner in Bayreuth zu seiner Professorenstelle in Basel auf dem Bahnhof von Würzburg gestohlen worden. N berichtete darüber niemandem außer dem in sein Emerson-Geheimnis ein klein wenig eingeweihten Freund Carl von Gersdorff am 24. September 1874:
Der treffliche Emerson, welchen ich mit in Bergün hatte [wo er in einem hochgelegenen Schweizer Bergdorf während der Semesterferien Erholung gesucht hatte], ist mir samt meiner ganzen vollen Reisetasche gestohlen worden: das schöne Exemplar vom Ring des Nibelungen (mit Wagners Widmung) war auch dabei. Moral: man soll seine Reistasche auf Bahnhöfen nicht unbehütet liegen lassen, sonst ist gleich ein schändliches und tückisches Tier da, welches Reisetaschen auflauert.
Auf „ein schändliches und tückisches Tier“ lud N in hilflosem Scherz ab, was sein schwach ausgeprägter Umgang mit den Realitäten des Lebens ihm eingebrockt hatte, indem er seine Reisetasche auf dem Bahnhof „unbehütet liegen“ ließ, was ja wohl ein hohes Maß an Vertrauensseligkeit oder Unbekümmertheit verrät. Das aber nur nebenbei. Er besorgte sich umgehend das bis heute überlieferte neue, vor allem ihm gewohnte Exemplar der Fabricius-Übersetzung von 1858 in dem er sich so „zu Hause“ fühlte, was nebenher zu belegen scheint, dass es nur die für N wirklich heiligen „Essays“ von Emerson waren, die er nach Bergün mitgenommen hatte und nicht auch die für ihn deutlich weniger wichtige „Lebensführung“ aus dem Jahr 1862.
Der Verlust seines „Erst-Exemplars“ der „Essays“ bedeutet zugleich auch den Verlust der Anstreichungen, Notizen, Bemerkungen und nicht zuletzt auch der Gebrauchsspuren, die N darin im Verlauf von 13 Jahren, die das Buch in seinem Besitz war, aller Wahrscheinlichkeit nach vorgenommen beziehungsweise hinterlassen hatte. Sicherlich wäre es aufschlussreich, davon erfahren zu können. Von Auszügen und auf Emerson-Texte bezogene eigene Notizen in den nachgelassenen Schriften vor August 1874 ist bis auf die so vielsagenden Emerson-Zitate zum Thema der Verherrlichung von „Schopenhauer als Erzieher“ nichts bekannt.
Im erhalten gebliebenen Nachlass erfolgte die erstmalige Nennung des Namens Emerson erst in der Zeit Frühling-Sommer 1878, also knapp 4 Jahre nach Anschaffung des neuen „Essay“-Exemplars, mit dem Wortlaut „Ich weiß es, dass die Unabhängigkeit des Denkens auf der Erde vermehrt ist und dass wer gegen mich sich erklärt - v. Emerson Goethe p. 9.“ 8.488, nämlich unter Bezug auf ein anderes, von N gelegentlich gelobtes Buch von Emerson: Bei diesem handelte es sich um das 1857 erschienene Buch „Goethe und Shakespeare“, deutsch von Herman Grimm, 1828-1901, einem deutschen Kunsthistoriker und erfolgreichem, sehr bekannten Publizisten und Sohn von Wilhelm Grimm. Er korrespondierte mit Emerson und hat viel über Goethe veröffentlich. An der in Ns Notiz gemeinten Stelle „p. 9.“ bewunderte N den Goethe bewundernden Emerson! - welcher dort über Goethe - nach den auf Ns Seele feinstens zugeschnittenen Anfangsworten „In meinen Augen steht der Schriftsteller als ein Mann da, dessen Stellung beim Aufbau der Welt vorgesehen war …..“ mit wiederum für N so typischen und heroisch klingend formulierten Worten:
Eine Ahnung des Zukünftigen, ein Drang nach vorwärts belehrt ihn [Goethe]. Wie ein heißer Strom durchdringt es unsre Brust, wenn wir die zum ersten Mal sich offenbarende Wahrheit zu erfassen glauben, es ist der durchdringende Strahl einer geistigen Sonne, der in die Tiefe des Bergwerks den Weg gefunden hat. Jeder Gedanke, aufdämmernd in unsrer Seele, sobald er in vollem Licht auftaucht, zeigt durch sein bloßes Erscheinen an, ob er nur ein flüchtiger Einfall oder eine dauernde Macht sei. Findet sich aber auf der einen Seite der Drang, ihm ein Dasein zu geben, auf der andern empfängt ihn schon die menschliche Gesellschaft, die seiner bedarf und begierig auf seinen Inhalt ist. Denn Eins erwarten wir mit Sehnsucht zu allen Zeiten: einen Mann mit der Macht, sich auszusprechen, begabt und mit der Kraft, die Dinge, bei denen die Leute den Kopf verloren haben, zu zeigen, wie sie sind und sie auf ihr altes Maß zurückzuführen.
Auch diese himmelhoch schwärmerischen, abgesehen von ihrem Brimborium eigentlich nicht viel sagenden Worte waren nach Ns Herzen! Auch darin durfte er sich wiedererkennen. Auch das beschrieb den von ihm zur Zeit seiner Notiz bereits eingeschlagenen Lebensweg. Die Nachwelt kennt nur Ns Umgang mit Emerson aus dem 1874-er Ersatz-Exemplar, aus dem nicht mehr hervorgehen kann, was N von Anbeginn an im Detail exakt so besonders an Emerson gelegen war. Davon allerdings können Ns durchaus kaum eigene „Gedanken“ über „Fatum und Geschichte“ und „Willensfreiheit und Fatum“ in seinen berühmt-berüchtigten, angeblich ja so viel jugendliches Genie verratenden beiden Jugendaufsätzen aus den Osterferien 1862 unfreiwillig rückschließend einige Auskunft geben. Von diesen deshalb später mehr.
Die nächste, 2. Emerson-Erwähnung im Nachlass erfolgte im Sommer 1878 und lautet:
Emerson, p. 328 (Essays) „das Auge des abrundenden Geistes“. 8.538 „welches diesen oder jenen Menschen zu einem Vorbild oder Vertreter der Humanität macht, mit dem Namen eines Heroen oder Heiligen“ ….. So geht der Text bei Emerson fort. Es ist also die alte, gewohnte und hauptsächlich gepflogene Leier. N dürfte es nur darum gegangen sein, an ihm gefallenden Formulierungen festzuhalten.
Die 3. erhaltene Erwähnung Emersons betraf dessen auf Seite 331 bereits erwähnte Feststellung, dass „das Leben der Wahrheit kalt ist und insofern traurig, aber es ist nicht der Sklave usw.“ 8.540
Zeitlich dazwischen findet sich eine bemerkenswert selbstmittelpunktlich unreflektierte Notiz, die sich auf Emerson bezieht ohne ihn zu nennen. Sie lautet:
Wie sehr wir [freien Geister?] auch die [derzeit gültige!] Moralität zersetzen [dieses Wort allein verrät etwas darüber, dass N sehr wohl wusste, was er tat und was seine Absicht war!] - unsre eigene [„Moral“], im ganzen Wesen [in seinem!] eingenistet, kann dabei nicht zersetzt werden. [Mit der Begründung:] Unsre Art, wahr und unwahr zu sein, bleibt [totalitär!] undiskutierbar. „Der Ton des Suchens ist einer und der Ton des Habens ist ein anderer.“ 8.539 Das zitierte Emerson-Original stammt aus dem Essay „Die höhere Seele“ und findet sich auf Seite 211 der Essays.
Die 4. Erwähnung von Emersons Namen bezieht sich auf den gleichen Essay:
Emerson p. 201 die „Überseele“ ist das eigentlich höchste Cultur-Resultat, ein Phantasma an dem alle Guten und Großen gearbeitet haben. 8.562
Auf Seite 201 hatte Emerson u.a. so maßlos wie immer aber von N sehr zurückhaltend mit eher zaghaften seitlichen Anstreichungen versehen folgendes ausgeführt:
Die geringste Tätigkeit der intellektuellen Kraft erlöst uns in gewisser Hinsicht von dem Einfluss der Zeit. [Man muss gläubig sein, um derlei Unsinn für weise zu halten. Ns Verhalten diesen Ausführungen gegenüber bewies das Gegenteil!] hören wir in Krankheit, in Niedergeschlagenheit nur eine Spur von Poesie oder eine tiefe Sentenz [bei des es in unserem Sinn etwas wichtiges zu denken gibt], so sind wir wie neue belebt; oder gib uns einen Band von Plato oder Shakespeare oder erinnere uns nur an ihre Namen und augenblicklich kommt ein Gefühl wie von langem Leben über uns [was durchaus nicht jedem ernst zu nehmenden Menschen so eher ästhetizistisch beeinflussbar geschehen muss!] Sieh, wie der tiefe, göttliche Gedanke [z.B. in den Allzusammenklangsmomenten, oder als so etwas, wie „Das größte Schwergewicht“ aus dem 341. und eigentlich vorletzten Aphorismus der „Fröhlichen Wissenschaft“!] Jahrhunderte und Jahrtausende niederreißt und sich durch alle Zeitalter hindurch bemerkbar macht [was sollte denn das gewesen sein, wenn N dabei nicht ausgerechnet an so Maßloses wie die beiden angeführten Beispiele dachte?] ….. Und so ist immer die Skala der Seele eine; und die Skala der Sinne [Intuition und Wissenschaft?] eine andere. Vor den mächtigen [seit alters her gefühlten und geglaubten!] Offenbarungen der Seele schrumpfen Zeit, Raum und Natur zusammen [und auch der Verstand, - den auch N von Immanuel Kant aufgefordert war, zu gebrauchen!! - N jedoch wollte, als Wissenschaftsfeind, der er war, in die von Bauchgefühlen bestimmte Zeit vor der Aufklärungswissenschaft zurückflüchten!] ….. Die Dinge, die wir jetzt als unumstoßbar ansehen, werden eins nach dem andern [darauf beruhten Ns Hoffnungen!], gleich der reifen Frucht, sich [durch Ns Absichten sollten sie das!] von unserer [seiner neu gewonnenen] Erfahrung ablösen und fallen [da sie durch keine „objektive“ Methode bewiesen wären!] ….. Die Seele sieht beständig vorwärts [in Richtung auf das von N erkannte Ziel der Evolution hin?], indem sie immer eine Welt vor sich schafft und immer Welten hinter sich zurücklässt [was - wie immer! - wieder nur aus Ns - die Aufklärung vergessen lassen wollenden! - selbstmittelpunktlichen Wünschen und Absichten heraus, beurteilt war! Denn in diesem Sinn hatte er das zur Kenntnis genommen!] …..
Gleich danach notierte N, als 34-Jähriger, im Herbst 1878:
Emerson meint, „der Wert des Lebens [was eigentlich - nur für N nicht! - eine unmögliche Zusammenstellung von 4 Worten ist! - denn wie und wonach sollte ein solcher „Wert des Lebens“ ermittelt werden? - Er] läge in den unergründlichen Fähigkeiten desselben: in der Tatsache, dass ich niemals weiß, wenn ich mich zu einem neuen Individuum wende, was mir widerfahren mag [was ein winziges Zipfelchen preisgibt von den Schwierigkeiten, die N mit „Anderen“ hatte - weil er zwischen Superlativen befindlich im Relativen nicht abschätzen konnte, was zu erwarten sei!].“ Das ist die Stimmung des Wanderers [damit meinte N sicherlich sich, in der Stimmung des Autors von „Der Wanderer und sein Schatten“, der 2. Aphorismen-Fortsetzung zu „Menschliches, Allzumenschliches“, mit welcher er zu jener Zeit gerade beschäftigt war!]. p. 311 bei Emerson wichtig, die Angst vor der sogenannten Wissenschaft - der Schöpfer geht durch eine Tür hinein bei jedem Individuum. 8.562 [weil N diese Angst beschlich, vor der so ganz seinen ihn total befriedigenden, ungerufenen, unverhofften, nicht zu kontrollierenden Allzusammenklangsmomente gegenteiligen Gewöhnungen?]
Nach Emersons himmelschreiend großartigen Erklärungen konnte N sich nicht vorstellen, dass diese Zustände ihm als ein Defekt eigen waren, - da es sich dabei doch um Anzeichen des Auserkoren-seins und der Erwähltheit für hohe Dinge handeln sollte!
Was N hier aus Emersons Essay „Erfahrung“ zitiert hatte und in Höhe des Wortes „Individuum“ von ihm in seinem Handexemplar seitlich angestrichen worden war, steht nicht auf der Seite 311, sondern auf Seite 310 ziemlich weit unten und findet seine Fortsetzung in den Worten: „Ich halte die Schlüssel zu meinem Schloss in der Hand [was eine gewisse Abriegelung signalisierte und nachfolgend seine Ergänzung fand in der recht neurotisch wirkenden Ausführung:], bereit sie meinem Herrn zu Füßen zu legen wo und in welcher Vermummung er auch immer erscheinen mag. Ich weiß, er ist in der Nähe unter Vagabunden [Landstreichern, Herumtreibern] versteckt.
Mit diesen Worten, denen nicht sonderlich genau nachzugehen ist, geht Emersons Seite 310 zu Ende. Was Emerson - soweit N ihn zitierte! - vermittelt hat, ist die von N zögerlich und unsicher aufgenommene Feststellung, dass der „Wert des Lebens“ - eine an sich schon, damit umgehend, hoch gewagte Erwägung! - die allerdings eine Milderung erfährt in der Einsicht, dass dieser „in den unergründlichen Fähigkeiten“ des Lebens läge. Grundthema davon ist Verunsicherung, die verdeutlicht wird durch das Geständnis, niemals zu wissen, was einem durch ein unbekanntes Individuum widerfahren kann und damit Ns prinzipielle Verunsicherung mit „den Anderen“ thematisierte, - weil N diese „Anderen“ aus seinem eigenen Erfahrungsschatz und wegen seiner übergeozentrischen Gefühlsblindheit nicht sicher einzuschätzen verstand und deshalb jedes Mal mit erheblichen Überraschungen/Verunsicherungen/Enttäuschungen rechnen musste! - Wie das bei Emerson Nachfolgende, von N nicht Zitierte, neurotisch Unbestimmte und eigentlich Fragen aufwerfen müssende, auf Seite 311 Beginnende auf N gewirkt haben musste, ist nicht überliefert.
Die für N als eigentlich wichtig angesehene Seite 311 beginnt mit den Worten:
Soll ich mir meine Zukunft rauben, dadurch, dass ich mich aufs hohe Pferd setzte und freundlich meine Unterhaltung dem Bau der Köpfe [dem „Inhalt“ von diesen wohl, - von den Gesprächspartnern, was ja „die Anderen“ wären!] anpasse? Wenn es dahin mit mir kommt, so sollen die Doktoren [der Anatomie!] mich für einen Cent kaufen ……
Daran gab es für N keinerlei Anstoß zu nehmen, denn das war typisch impulsiv-maßloser Emerson-Stil, bei dem man sich - außerhalb seiner extremen Gültigkeit für den hier letztlich mehr als 30-jährigen N! - nicht allzu viel denken darf. Emerson fuhr so fort und es war eben dieser Stil, der N faszinierte, weil er weitgehend seiner eigenen Haltung entsprach:
Ich traue weder den Tatsachen noch den Folgerungen [die in Ns gefühlsmäßigen Einschätzungen zu oft sehr anders ausfielen als bei seinen Zeitgenossen! - Die damit zugegebenen Verunsicherungen dürften es gewesen sein, dass N sich mit seiner wissenschaftsfeindlichen Einstellung in dieser Aussage Emersons wiederfand!]. Temperament [Lebhaftigkeit, Munterkeit, Schwung, Gemütserregbarkeit, das Emotionale, - kurz das bei N so sehr vorherrschende Gefühl!] ist das Veto [der offizielle Einspruch], oder die beschränkende Macht in der Konstitution [der Anordnung, der Zusammensetzung, der körperlichen Beschaffenheit und Verfassung], sehr richtig dazu verwendet, ein gegenüberliegendes Übermaß in der Konstitution [von anderen] zurückzuhalten, aber vernunftwidrig als Riegel vorgebracht für urwesentliche Billigkeit [womit aus Ns Sicht ausgedrückt wäre, dass es - für ihn! - keinen Grund gab, die Ansichten der anderen billigen zu müssen!]. Wo Tugend vorhanden ist, schlafen alle untergeordneten Mächte …..
Ich weiß nicht, wenn ein Mensch einmal in dieser Schlinge sogenannter Wissenschaften [gegen die auch Ns fürs Logisch-Mathematische unterbelichtete Emotionalität große Vorbehalte aufbrachte!] gefangen ist, wie er noch irgendein Entrinnen aus den Banden physischer Notwendigkeit [die nicht einfach nur auf geschickte Weise weg-zu-argumentieren war!] für ihn möglich ist. Wenn ein solches Embryo [im Anfangsstadium seiner Entwicklung befindlicher Keim] gegeben ist, muss eine solche Geschichte [Ergebnis, Produkt] folgen. Auf dieser Plattform lebt man in einem Stall von Sensualismus [eine Lehre, nach der alle Erkenntnis allein auf - von außen kommende! - Sinneswahrnehmungen zurückführbar wird! - was nicht in Ns Sinn sein konnte, weil dabei die „Feuerbläser seiner Inspiration“ und Erfindungsgabe zu kurz kommen würden!] und würde bald zum Selbstmord kommen. Aber es ist unmöglich, dass die schaffende Macht [das für ihn eigentlich Wichtige, zu ihm Passende, aus seinem Gefühl heraus Gültige! - das, was er sich selbst ausgedacht hatte!] sich selbst exkludieren [ausschließen] sollte. Jede Intelligenz hat eine Tür [so auch Ns!], die niemals geschlossen ist, durch welche der Schöpfer eingeht [und an dieser Schöpferkraft war N als dem Eigensten von alledem besonders gelegen und deshalb hatte er die Metapher der „Tür“, durch die jemand eingeht, wörtlich von Emerson übernommen!].
Der Verstand, der Sucher des unbedingt Wahren [an dem N sich, besonders wenn es in Superlativen daher kam, am ehesten orientieren konnte!], oder das Herz, der Freund des unbedingt Guten, kommt zu unserer Hilfe herbei, und bei einem bloßen Flüstern dieser erhabenen Mächte erwachen wir von fruchtlosem Kampfe mit diesem Alp. Wir schleudern ihn in seine eigne Hölle zurück und können uns nicht wieder zu einem solchen Standpunkt hin erniedrigen. Das Geheimnis der Täuschung liegt in der Notwendigkeit einer Aufeinanderfolge von Stimmungen oder Gegenständen. Mit Freuden wollten wir ankern, aber der Ankergrund besteht aus Flugsand ….. EE.311
Dieser Emerson-Text wirkt - ohne die Kommentare, mit denen die Perspektive des zu dieser Zeit ca. 30 Jahre alt gewordenen N versehen sind! - wie ein irritiertes und irritierendes Gerede über Problemstellungen, die man nicht zu haben braucht. N aber hatte diese und hat sie auch als für ihn „wichtig“ bezeichnet! Das ist dokumentiert und damit Fakt. Beschrieben hat Emerson in seinem Text eine verunsicherte Situation, wo er selber die Orientierung verloren zu haben schien oder zumindest eine solche suchte. N fand darin seine Situation vor, für die er Abhilfe fand und mit seinem Buch „Morgenröte“ ja auch auf dem Weg war, eine solche zu gestalten.
Wenige Einträge weiter folgte die nächste, 5. Notiz zu Emerson. Sie lautet:
„Man muss zu Fuß zu Markt tragen, was man mit Mühe erarbeitet hat“ Emerson. 8.563
Im Original steht da nur ein E. Das Zitat jedoch stammt nachweislich aus Emersons Essay „Klugheit“, steht ziemlich genau auf der Mitte der Seite 173 und lautet:
Die Gesetze der Welt stehen für ihn [den gemeinen Mann] auf einem jeden Stück Geld geschrieben, das er in seiner Hand hält. Da ist nichts was nicht gut für ihn zu wissen wäre und wäre es nur die Weisheit des armen Richard [eine naiv bodenständige, für viele populäre Lebensmaximen und Sprichworte gute Leit-Figur, die Benjamin Franklin, 1706-1790, ein nordamerikanischer Drucker, Verleger, Schriftsteller, Naturwissenschaftler, Erfinder, Staatsmann und Diplomat, für den von ihm ab 1739 herausgegebenen jährlichen Almanach erfunden hat]; oder diese kleine Staatsklugheit, das, was man durch Mühe und Arbeit errungen hat, nachher zu Fuß zu Markte zu tragen; oder die Wirtschaftlichkeit des Landmanns, der dann und wann den Baum ausschneidet, weil er so besser wächst; oder die Klugheit, welche darin besteht, mit wenig Mühe, geringer Zeit, einer kaum zu rechnenden Habe und kärglichem Gewinn es dennoch weit zu bringen …..
Im Juli 1879 folgte die 6. Erwähnung Emersons, - als Charakterisierung. Es heißt da:
Durch Jean Paul [1763-1825, einen deutschen Schriftsteller zwischen Klassik und Romantik, der die zerfließende Formlosigkeit des Romans auf die Spitze trieb und zu Selbstgesprächen machte] ist Carlyle [Thomas, 1795-1881, ein schottischer Essayist und Historiker von großem Einfluss] zu Grunde gerichtet und zum schlechtesten Schriftsteller Englands geworden [weil N auf dessen Erfolg neidisch war?]: und durch Carlyle wieder [auf den N eifersüchtig war, weil er ein guter Freund Emerson gewesen ist!] hat sich Emerson, der reichste Amerikaner, zu jener geschmacklosen Verschwendung verführen lassen, welche Gedanken und Bilder händevoll zum Fenster hinauswirft 8.588 [was N aber dennoch beeindruckt hatte, weshalb wohl seine Kritik an ihm auch auffallend mild ausfiel!].
Die 7. Emerson-Erwähnung betrifft dessen auch wieder maßlos ausgefallenen Tirade der Freundschafts-Bewunderungen im Essay „Freundschaft“, speziell auf der Seite 149, verbunden mit der aus dem Herbst des Jahres 1880 stammenden Aufforderung an sich selbst die „Die Freundschaft höher hinaufheben“ 9.315
Die 8. Erwähnung besteht aus der im Herbst 1881 abgelegten Beichte, wie sehr N sich bei Emersons Essays „zu Hause und in seinem Hause“ fühlte, sie aber nicht loben dürfe, da sie ihm zu nahe stünden. 9.588
Da glaubte N noch, seinen „Zarathustra“ im Stil von Byrons „Manfred“ schreiben zu können.
Die 9. Emerson-Erwähnung betrifft die lang anhaltende Beschäftigung mit dem „Meister“, die Notizen im Handexemplar, die Exzerpte, also die teilweise umgestalteten Merkposten zu den beiden ersten Emerson-Essays im Umfang von fast 7 Druckseiten. 9.666-672
Die 10. Erwähnung Emersons erfolgte Februar-März 1882, war wieder ein hochheiliges Lob und wurde zum vorübergehenden Motto der „Fröhlichen Wissenschaft“ mit 4 Büchern. 9.673
Die 11. Emerson-Erwähnung erfolgte in der intensiven Zarathustra-Zeit Frühjahr bis Sommer 1883 und betraf den Essay „Natur“. Es heißt da bei N:
Die ganze Ehrfurcht, die wir bisher in die Natur gelegt haben, müssen wir auch empfinden lernen bei der Betrachtung des Leibes: es ist erbärmlich, sich von „groß“ und „klein“ so tyrannisieren zu lassen! Was der Wald, das Gebirge uns zu sagen hätten - und die fernen Himmelskörper „die uns in die Einsamkeit rufen“ (Emerson) - „diese Entzückungen sind heilsam, sie machen uns nüchtern“. 10.290
Angeregt war N hier speziell von Emersons Essay-Seite 392, wo sehr romantisch und weltflüchtig im Essay „Natur“ zu lesen steht:
Beim Eintritt in den Wald ist der erstaunte Weltling [der zumeist in der Stadt wohnende Mensch] gezwungen, seine großen und kleinen, weisen und törichten Dinge, auf die er Wert in der Stadt legte, dahinten zu lassen. Der Knappsack der Gewohnheit fällt von seinem Rücken mit dem ersten Schritt, den er in dies[en] Bereich hinein tut. Hier ist eine Gottesfurcht [zu der N in seiner Notiz den Bezug auf Gott beiseiteließ], die unsere Religion beschämt …..
Hier finden wir [als echte Romantiker!], dass die Natur der Umstand ist, der jeden andern Umstand klein für uns macht und dass sie einem Gotte gleich alle Menschen richtet, die zu ihr kommen ….. Die Bäume, die unfähig sind, sich mitzuteilen, fangen an uns zu überreden, dass wir mit ihnen leben sollen und unser Leben voll feierlicher Kleinigkeiten verlassen. Hier liegt keine Geschichte, keine Kirche, kein Staat zwischen dem erhabenen Himmel und dem unsterblichen Jahr [aber was macht ein so töricht Überredeter im Winter?] Wie leicht könnten wir weiter hineinschreiten in die [weite amerikanische] Landschaft, die sich vor unsren Blicken, vertieft in neue Bilder und in Gedanken, die schnell aufeinander folgen, bis nach und nach die Erinnerung an das Haus [in der Stadt? - d.h. die Zivilisation?] von uns genommen wäre, unser Gedächtnis verwischt durch die Tyrannei des Gegenwärtigen und wir so im Triumph von der Natur geleitet würden. Diese Entzückungen sind heilsam, sie machen uns nüchtern und tragen zu unserer Genesung bei ….. EE.392
Das war wieder Realitätsflucht pur und kam in ihrer Einseitigkeit gut an bei N! - In der Umgebung seiner Notiz dazu wetterte N übrigens sehr gegen die „Verachtung des Köpers“ 10.291, von der befreit er hoffte, gesund zu werden.
4 Seiten weiter, noch im Frühjahr-Sommer 1883, notierte N anlässlich der 12. Erwähnung Emersons:
„Für den Weisen verwandelt sich die Natur in ein ungeheures Versprechen“ Emerson. Nun, du selber bist Natur und versprichst mit ihr das Ungeheure und hütest dich wohl, dein eignes Geheimnis vorschnell auszukundschaften! 10.294
Das hält sich im gleichen Stil.
Die 13. Erwähnung erfolgte noch in der gleichen Zeit, allerding in einem Abstand von knapp 30 Druckseiten und war bezogen auf Emersons 4. Essay über „Geistige Gesetze“ ;
Viel weniger Absicht in unseren Taten als wir vorgeben (Eitelkeit in der Annahme von Zwecken!). Emerson, p. 99.
Auf Emersons Seite 99 steht u.a. als für N typisch und teilweise von ihm unterstrichen zu lesen:
Die Leute stellen die Tugend als einen Kampf dar und bilden sich auf ihre Geistesgaben sehr viel ein und wenn eine edle Natur gerühmt wird, so wird überall die Frage breit ausgesponnen, ob der Mensch nicht besser sei, der gegen die Versuchung streitet? Aber es liegt kein Verdienst darin. Entweder Gott ist da [an derlei erkennt man den Prediger Emerson!], oder er ist nicht da. Wir lieben Charaktere in dem Verhältnis wie sie selbsttätig sind und vom Impuls [vom Feuerbläser der Inspiration!] getrieben werden. Je weniger ein Mensch seine Tugenden kennt und an sie denkt, desto mehr lieben wir ihn. Timoleons Siege [411-337 v. C., ein griechischer Politiker und Heerführer auf Sizilien, der über die Karthager siegte] sind die besten Siege, welche kamen und flossen gleich Homers Versen, sagt Plutarch [45-125, ein griechischer Schriftsteller, der gern die Lebensläufe von namhaften Griechen und Römern verglich]. Wenn wir eine Seele erblicken, deren Handlungen alle königlich, anmutig und lieblich sind wie Rosen, so müssen wir Gott danken [Herrgott, was war das für ein antiquierter Käse, dem N sich da hingab! - Warum hat N sich mit derlei so dringend beschäftigt?], dass so etwas sein kann und ist und nicht sauer auf jenen Engel hinsehen und sagen: „Der Lahme, der murrend allen seinen ihm von Natur innewohnenden Teufeln Gehör gibt, ist ein besserer Mann.“
Nicht weniger augenfällig ist das Übergewicht der Natur über den Willen im ganzen praktischen Leben. In der Geschichte liegt weniger Absicht als wir hineinlegen [„gut“ hat N daneben geschrieben!] Wir schreiben Cäsar und Napoleon tief angelegte, weitsichtige Pläne zu, aber ihre hauptsächliche Macht lag in der Natur und nicht in ihnen. Menschen von außerordentlichen Erfolgen haben in ihren redlichen Momenten immer gesungen: „Nicht uns, nicht uns“. Dem Glauben ihrer Zeit gemäß haben sie dem Glück, dem Schicksal, oder dem heiligen Julian [von welchen es im Lauf der Jahrhunderte so viele gab, dass es dahingestellt bleiben mag, welchem davon man] Altäre erbaut. Ihr Erfolg lag in ihrer Ebenmäßigkeit mit dem Lauf der Gedanken, der bei ihnen ungehindert Eingang fand; und die Wunder deren sichtbare Vollstrecker sie waren, erschien dem Auge als ihre Taten ….. EE.99 [Neben diesen Schwachsinn hat N, ihm zustimmend, „ja“ an den Rand geschrieben!]
Was konnte N, wenn er denn ein moderner Denker gewesen oder geworden wäre, davon gehabt haben, sich die von ihm gemachten Unterstreichungen zu leisten? Ist das auf irgendeine - gar philosophische? - Weise für Ns Zeit von Bedeutung gewesen? Bedeutend war es allenfalls für seine Beschäftigung damit, wie er zu „Größe“ kommen würde und könnte und das hat ihn übersehen lassen, mit was für einem unzeitgemäßen Schwachsinn er sich als inzwischen knapp 40-jähriger da tatsächlich abgegeben hat! Es ging auch hier nicht um etwas, das sachlich zu betrachten war, sondern um ihn selbst!
Die 14. Erwähnung Emersons erfolgte offiziell im Sommer bis Herbst 1883 - oder eher noch etwas später. Zu der Zeit war N mit dem 3. Teil seines Zarathustra beschäftigt, dessen 1. Kapitel, „Der Wanderer“ überschrieben, vor allem dem „Weg seiner Größe“ gewidmet war. Der Prozess der Enthemmung war inzwischen merklich fortgeschritten, folglich formulierte N seine Ansichten massiver, gereizter, ungeduldiger, mit mehr Selbstverständlichkeit versehen, als früher und schrieb in einer Reihe zusammenhängender Notizen:
Zarathustra 3. wenn du auch nur dein Ideal willst, musst du alle Welt dazu zwingen. du erniedrigst deine Handlung, wenn sie nur um eines Zwecks Willen getan wird [denn der Zweck entheiligte das gehobene, ästhetizistisch bedeutungsvolle „Nur-um-seiner-selbst-willen“!] Die Masse muss man zu ihrer Vernunft [aber das war doch nicht ihre, sondern seine „Vernunft“!] zwingen [obgleich er selber zu nichts gezwungen sein wollte!] und selbst zu ihrem Nutzen noch peitschen [was Ns Bereitschaft zur Gewalt in der Durchsetzung seiner Interessen belegt!]
Zarathustra - ich verlernte [in krankhafter Reflexion auf sich selbst!] das Mitgefühl mit mir. das Selbst vergessen. Emerson p. 237
Zarathustra 3 der Schenkende der Schaffende der Lehrende - das sind Vorspiele des Herrschenden.
Welchem Unglück bin ich nicht gewachsen? Man erlebt immer nur sein Unglück [ja wessen denn sonst?]
Zarathustra 3 gegen die Autorität. Als keine Stimme mehr redete, machtet ihr ein Gesetz daraus [das könnte in der bei N üblichen uneindeutigen Kürze auf das Kapitel „Der Genesende“ gemünzt sein; - ist aber egal, denn es folgt noch eine weitere, geplante Idee, allerdings zu:]
Zarathustra 4. Eine Kraft [dieses Wort hat N mehr als 800 Mal in seine Texte gesponnen!], die du denken kannst, muss endlich sein und bestimmt - aber unvergänglich. 10.486
Auch das war an Uneindeutigkeit kaum zu überbieten! - Ns Bezug auf Emersons Seite 237 der „Essays“, wo es um das Ende des Kapitel „Kreise“ ging, erhellt sich in vollem Umfang, wenn auf der Seite 236 mit der Darstellung begonnen wird: Da heißt es, ab der Mitte der Seite, wie von N unterstrichen:
Der Unterschied zwischen Talent und Charakter liegt in der Geschicklichkeit einerseits, den alten einmal betretenen Weg [der Größe, womit N das erste Kapitel des 3. Zarathustra-Teils füllen sollte!] weiter fortzugehen und dem Mut und der Kraft andererseits, einen neuen Weg zu neuen und besseren Zwecken anzubahnen [das bot N Rückendeckung für das Kapitel seiner Größe!]. Der Charakter schafft ein überwältigendes Gegenwärtiges, eine entscheidende Stunde, die voll frohen Mutes ist und die allen den Menschen ebenfalls Mut und Kraft verleiht, die nun [was normalerweise Sinn, Inhalt und Aufgabe von Predigten ist!] sehen, dass Vieles möglich und vortrefflich ausführbar ist, was sie nicht für möglich gehalten hatten [weil N selbst es mit dieser Rückendeckung von Emerson bei seinen Tiraden über seine Größe gefühlsmäßig - entsprechend seinen Unterstreichungen! - so ergangen war!]. Der Charakter schwächt den Eindruck, den besondere Umstände auf uns machen [frei nach dem dazumal noch unausgegorenen Spruch: „Was mich nicht umbringt, macht mich stärker“? 6.60] Wenn wir den Sieger sehen [auch hier war der Betrachter-Position der Vorrang gegeben!], so denken wir nicht mehr an Kampf und Erfolg. Wir sehen, dass die Schwierigkeit uns übertrieben groß vorgekommen war. Ihm war es etwas Leichtes. Der Große unterliegt weder Konvulsionen [Schüttelkrämpfen] noch sonstiger Pein. [Was aber erst hinterher gilt! Nicht von vornherein!] Er steht so hoch da, dass die Umstände ohne besonderen weiteren Eindruck an ihm vorübergehen [weil sie vorübergegangen waren! Andernfalls würde von diesem „ihm“ als Verlierer kein Mensch mehr reden oder je geredet haben!]
Die Menschen sagen zuweilen: „Sieh, was ich vor mich gebracht habe; sieh, wie voll freudigen Mutes ich bin; sieh, welchen vollständigen Sieg ich über jene düsteren Ereignisse davongetragen habe [sieh her, wie toll ich bin!]. Nicht wenn sie mich noch an jenes düstere Begebnis erinnern können, - nicht dann haben sie gesiegt.
Auch dies waren Feststellungen im Nachhinein, - in denen N sich da sonnte!
Ist [und ab dem nächsten Wort beginnt die Seite 237:] das Sieg, wenn man ein schönes und geschmücktes Grabmal ist, oder eine Witwe, die der Schmerz so zerstört hat, dass sie in ein hysterisches Lachen ausbricht? Der wahre Sieg ist der, dass auf ein Gebot von mir jenes schwarze Gespenst erst schwächer wird und dann ganz verschwindet, wie eine frühzeitige Wolke, die von unbedeutendem Einfluss ist auf eine so unbegrenzte fortlaufende Historie [aus unsinnig theoretischem Geschwafel?].
Das Eine, was wir [und damit konnte N sich wieder innig identifizieren!] mit unersättlichem Verlangen erstreben, ist, dass wir uns selbst vergessen, über uns selbst erstaunt sind, unser ewiges Gedächtnis los werden [was wieder klingt, wie der das Vergessen suchende „Manfred“ des Lord Byron!] und [inspiriert] etwas tun ohne recht zu wissen, wie oder warum; kurz, dass wir einen neuen Kreis ziehen [wobei das Kreise-ziehen bei Emerson so viel zu bedeuten hatte, wie geschichtliche Wirkung zu erzielen!]. Nichts Großes wäre jemals ohne Enthusiasmus [leidenschaftliche Begeisterung, Schwärmerei] vollbracht worden. Der Weg des Lebens ist wundervoll. Er ist es durch ein völliges Dahingeben. Die großen Momente in der Geschichte [wenn sie denn mit den Momenten des Allzusammenklangs konkurrieren wollten und man folglich an sie glaubt!], wie die Werke, die im Genie oder in der Religion ihren Ursprung gefunden haben, sind die Leichtigkeit in der Ausführung durch die Kraft des Gedankens. „Ein Mann“, sagte Oliver Cromwell [1599-1658, der bereits erwähnte Lordprotektor in England, Königsmörder und Tyrann], „erhebt sich niemals höher, als wenn er nicht weiß, wohin sein Weg ihn noch führen kann“ [das ging N ganz persönlich an, denn seine Grenze war frühestens am oberen Ende des höchst-denkbaren Superlativs erreicht, - bei Gott! - der N werden musste, weil der höchste aller möglichen Superlative allein in diesem Wort enthalten und zu „erfassen“ war. Es gibt keinen Begriff über diesen hinaus!]. Träume und Trunkenheit, der Gebrauch des Opiums wie des Alkohols sind die äußere Gestalt und das Ebenbild von diesem Orakel sprechenden Genius, und daher die gefährliche Anziehungskraft, die sie für die Menschen [und für N vor allem!] haben. Aus demselben Grund rufen diese die wilden Leidenschaften zu Hilfe, wie im Spiel und im Krieg, um doch in irgendeiner Weise dieses Feuer [als Teufel der Inspiration?], welches aus dem Innern stammt [denn es ging darum, dieses „Feuer“] und diesen Seelenadel nachzuäffen. EE.237
Das war es, worin der zu dieser Zeit fast 40-jährige N, 4 Jahre vor seinem „erlöschen“, seinen geistigen und seelischen Halt fand, was er für sich als gültig erachtete und dem nachlebte, - und dabei dumm genug war, sich in diesen fein verzweigten, naiven Abhängigkeiten von Emerson für den klügsten Menschen aller Zeiten zu halten!
Die nächste 15. Erwähnung des Namens von seinem geistigen Meister, Dompteur und Richtungsgeber Emerson erfolgte ebenfalls im Herbst 1883 anlässlich der bereits erläuterten phantastischen Überflüssigkeit des Staates durch die Anwesenheit des „Weisen“, wie N es auf der Essay-Seite 426 gelesen hatte. 10.512
Das 16. Mal, dass N in seinen nachgelassenen Notizen Emersons Namen erwähnte betrifft - ebenfalls schon besprochen! - Ns Seligkeit, die Armen durch sein sich Ausströmen reich zu machen 10.551, bezogen auf die Emerson-Seite 383.
In der 17. Erwähnung Emersons bezog N sich in einer nachgelassenen Notiz zu Szenen, die im 3. Teil des Zarathustra dann doch nicht vorkommen sollten. N hatte sich da, vorübergehend, ausgedacht:
Chor der Narren d.h. der Weisen, die zeitweilig sich unwissend und töricht fühlen
Chor der Armen d.h. der Geringen Überflüssigen, deren Joch leicht ist. - Emerson p. 283. 10.614
N hat es nicht fertig gebracht, dazu etwas zu „dichten“ und auszuführen. Auf der angegebenen Seite steht im Band der „Essays“ auch nichts, worauf N hätte reflektieren können. Der Verweis richtet sich, ohne das anzugeben, auf die von N wenig geschätzten „Neuen Essays“ aus dem Jahr 1876, wo N zuvor, auf Seite 282, die „Leichtigkeit des Vollbringens“ als Merkmal von Größe unterstrichen und auf der Seite 283 die bereits anlässlich seiner Frage, „ob er die Menschen liebe“ 10.550, auf die von Emerson ausgeführte „Macht des Redners“ verwiesen hatte.
Der 18. Bezug auf Emerson findet sich in Ns Nachlassnotiz aus dem Winter 1884-85 in einem Entwurf zum 4. Teil des „Zarathustra“ im Kapitel „Vom höheren Menschen“, in dem N auf die Frage nach seiner Menschenliebe zurückkam und sie in seine „Zarathustra-Dramaturgie“ einzubringen gedachte, es aber dann doch unterließ, - weil dafür seine Distanz zu sich selbst nicht ausgereicht hätte. Es heißt dort:
„- liebe ich denn die Menschen? Aber sie gehören zu meinem Werke. - oh ihr Weisen, die ihr lerntet ob eurer Torheit zu frohlocken! Oh ihr Armen, Geringen, Überflüssigen, deren Joch leicht ist! Em<erson> 283 [aus den „Neuen Essays“, siehe oben] - als aber der Alte so sprach, griff Zarathustra nach seiner Hand, welche zitterte und küsste sie „Weiche von mir, mein Versucher“, [was wieder mal eine Bibelstellenimitation und Nachahmung war, so] sprach er dann und lächelte - denn mitten in seinem Schmerz kam ihm eine scherzhafte Erinnerung ….. 11.378 [mit anschließenden Ausfällen gegen christliche Vorkommnisse.]
Zum 19. Mal nannte N in seinen Notizen Emersons Namen erst wieder in der Zeit von November 1887 bis März 1888 13.21 im Zusammenhang mit der Erwähnung Emersons in seiner „Götzen-Dämmerung“. 6.120 Da heißt es über ihn in der ursprünglichen Fassung der Notiz:
Emerson, viel aufgeklärter, vielfacher, raffinierter, glücklicher, ein Solcher, der instinktiv sich von Ambrosia [eine in der griechischen Mythologie den Unsterblichen vorbehaltene Götterspeise] nährt und das Unverdauliche in den Dingen [d.h. wohl zugleich alle Widersprüchlichkeiten darin nicht weiter beachtend?] zurücklässt [so, wie N es tat]. Carlyle, der ihn sehr liebte [und Emerson lange ein Brief-Freund war], sagte trotzdem von ihm „er gibt uns nicht genug zu beißen“: was mit Recht gesagt sein mag, aber [für N] keineswegs zu Ungunsten Emerson’s [gelten sollte, - bot er N doch genug „zu beißen,, d.h. genug Rechtfertigung und Anerkennung, Sinn und persönliche Bedeutung!] ….. 13.21
Ganz so innig und nur huldigend wie in dieser Notiz fiel die letzte Erwähnung Emersons, in der der „Götzen-Dämmerung“ in Gegenüberstellung mit Carlyle und Lop des Vega nicht aus.
Im Jahr 1888 fand sich Emersons Name zum 20. und 21. Mal in Ns Notizen noch 2 Mal in belanglosem Zusammenhang.
Das waren die Stellen und Gelegenheiten, wo N sich, durch sein ganzes Leben hindurch veranlasst sah, den an sich sehr weitgehend verschwiegenen Emerson in seinen Notizen zu erwähnen. Darüber hinaus gibt es Zitate und Auszüge, zu denen N die Herkunft von Emerson nicht angegeben hat. Bei der Seltenheit der Namensnennung - in der Schrift „Schopenhauer als Erzieher“ am Ende, in der „Fröhlichen Wissenschaft“ beiläufig im 92. Aphorismus und in der „Götzen-Dämmerung“ mit einem eigenen Aphorismus, aber dennoch höchst beiläufig, waren die 21 Erwähnungen in den Notizen viel. Dagegen übertrifft die Bedeutung Emersons für N und seine Abhängigkeit von Emerson diese bewusst und konsequent betriebene Geheimniskrämerei um ein Zig-faches, denn das gesamte Gedankengut Ns ist von Emerson wie von einem Krebsgeschwür durchsetzt und durchwuchert.
Die wichtigste Erkenntnis aus und zu all diesen für N als „Vorbild“ gewirkt habenden Emerson-Sätzen - es fragt sich, inwieweit dies dem Leser bereits selber aufgefallen sein müsste? - ist, dass auch in diesen und noch verstärkt in dem, was N sich daraus zu eigen zu machen entschlossen hatte, - dass also darin „die Anderen“, die neben und außerhalb seiner Existenz vorhandenen - Emerson nannte sie Neben-Menschen! - so gut wie nicht vorkommen und mit keinem einzige Gedanken bedacht worden sind!
„Die Anderen“ sind innerhalb von Ns Art, auf die Welt zu blicken, einfach nicht vorhanden - oder nicht bis ins Zentrum seiner absolut geltenden Selbstmittelpunktlichkeit gedrungen. Sehr betont geht es nur um den Einzelnen, besonders aber um den Einen, um den sich mit Emersons Ansichten identifiziert habenden N selber! Um niemanden sonst! Mit einem derartigen „Tunnelblick“, der nur sich selbst im Visier hat, stellt sich die Welt natürlich grundlegend anders dar, als für jemanden der auch „die Anderen“ auf seiner Rechnung und in seine seelischen Beziehungen einbezogen hat.
Die Emerson-Sätze, die Ns nun einmal so einseitig gelagerte Weltsicht „unterstützten“, wurden zu seinem Katechismus, - zu seinem „Leitfaden“ in der Erfüllung seines bereits Jahre zuvor eingenommen „Herrscheramtes“, das die für ihn so wichtigen Fragen nach „Größe“, „Rangordnung“ und einem „Prinzip des zweierlei Maß“ in einer dafür gelten sollenden „neuen Moral“ absichern und argumentativ rechtfertigen sollten, damit er in seiner gesamten - und für untadelig gehalten! - Existenz als vorbildlich gelten konnte! Das Argumentative dieser „Aufgabe“ hat N trotz seines flüssigen Stils viel zu schaffen gemacht und ihn Band für Band allerhand Gehirnschmalz gekostet. Er hat diese Mühen im Zusammenspiel mit dem ihm trotz allem tief eingeschriebenen und beharrlich verdrängten schlechten Gewissen gegenüber dem, was ihm anerzogen worden war, als immer wieder betonte „Selbstüberwindung“ erlebt, empfunden und darüber auch schmerzlich zu klagen verstanden.
Das schon von dem gerade Vierzehnjährigen zur zentralen Aussage eines ihn sehr berührenden Gedichtes gemachte „Herrscheramt“ ist das zentrale „Motiv“ für alle „Verbrechen“, die N im Laufe seines „Philosophierens“ begehen sollte. Das „Herrscheramt“ als Sinnbild seiner ersehnten und auch erlebten Sonderrolle im Leben - herrschend, von niemandem beherrscht! - Spitze der Pyramide zu sein - wie seine - ebenfalls reichlich geheim gehaltene! - pubertäre Lieblingsfigur „Manfred“ von Lord Byron - und je totalitärer, umso eindringlicher, umso mehr im Gegensatz zu „den Anderen“, - und umso genussreicher konnte er das empfinden! Ohnehin drängt jedes Herrscheramt auf totale Unterdrückung jeglicher Kritik, das erlebt man - zu allen Zeiten! - immer wieder. Groß sein, Größter sein, das war für N - in seinem an den Tag gelegten „Ehrgeiz bis zum Defekt“! NR.320 - der Antrieb für alles, was er unternommen hat, selbst in der persönlich-praktischen Zurückhaltung und Bescheidenheit, Sanftmut und Rücksichtnahme gegenüber anderen Menschen, womit er ebenfalls das bei „den Anderen“ Übliche überbieten wollte!
Emerson war für N - unbewusst! - unter der Maske des Ideals! - ein Mittel. Emersons Texte waren für N so etwas wie „Werkzeuge“, um mit ihnen die in ihm liegenden Extreme in Worte und von dort aus in das, was ihm „Tat“ war, umzusetzen: Fahrplan und Gebrauchsanweisung in einem. Alles andere ließ er beiseite. Wie bei seinem früh schon gezeigten Umgang mit Zitaten, welche er bedenkenlos „verbesserte“ um seinem eigenen Dafürhalten mehr Bedeutung zu verschaffen, - ungeachtet das, was deren Autoren eigentlich ausdrücken wollten. Diese grundsätzlichen Gestricktheiten Ns werden sich in ihrer Gebundenheit an Emerson in vielen Lebenssituationen zeigen und nachweisen lassen.