Читать книгу Also schrieb Friedrich Nietzsche: "Zuletzt wäre ich sehr viel lieber Basler Professor als Gott; aber ..." - Christian Drollner Georg - Страница 24
Die Nachwehen der Emerson-Infektion
ОглавлениеDie beharrliche Weigerung der N-Verherrlicher, Emerson in der ihm gebührenden Weise als prägendes Jugenderlebnis von N zur Kenntnis zu nehmen - und entsprechend herauszustellen! - ist eines der typischen Elemente eben dieser Verherrlichung, welche im Bewusstsein von der Bedeutung Emersons für N in der überkommenen und bisher üblichen Form nicht länger aufrecht zu halten ist. Wird Emerson als Programm in Ns Lebensplan eingebunden, stellt sich in diesem - und in seinem „Werk“! - zwangsläufig vieles vollkommen anders dar, als unter der Annahme, dass Ns Lebensablauf das Produkt seiner eigenen „Erfindung“ gewesen wäre: Denn das war er nicht!
N lebte, was und auch wie es ihm von Emerson vorgeschrieben war - oder schlichter: Wie es bei Emerson geschrieben stand! Er erfüllte in ungewollt „freiwilliger“ Auswahl - entsprechend der Legende um seinen für Jahrtausende „erfolgreichen Erzkonkurrenten“, - das Christentum! - „die Schrift“ - das, was ihm bei Emerson über alle Maßen und seinen „Ehrgeiz bis zum Defekt“ NR.320 befriedigend, - als ins Große und Größte gezeichnet, als Vorgabe so sehr hatte gefallen wollen, dass er - im Austausch gegen „Luther“ und anstelle eines selbstbestimmten Lebens! - und weil er ohnehin zu solchen Nachahmungen neigte! - dieser Illusion wahnhaft verfiel.
Das Wahnhafte war durch Ns Neigung zu realitätsferner Maßlosigkeit und die auf extreme Weise so speziell für seine Existenz als auf angenehmste Weise „gültig“ empfundenen Vorgaben von Emerson gegeben. Überdies war N von seinem ganzen Herkommen auf eine hohe Bedeutung des „Glaubens“ angelegt, dem er wegen seines unterentwickelten Talentes für alles Naturwissenschaftliche in besonderer Weise ausgeliefert sein musste. Zu alledem kam noch die autistische Gefühlsblindheit als „Behinderung“ im Nachempfinden der Belange und Gefühlslagen „der Anderen“, denen gegenüber Er - auch als Maskierung tiefer innerer Unsicherheit! - mit überheblicher Abwehr und Abwertung zu begegnen neigte. Das ergab insgesamt ein recht explosives Gemisch an verhaltensmäßigen Unüblichkeiten, für die seine Mutter sehr wohl, wie manche ihrer Äußerungen verraten, ein Auge hatte und für sie Grund zu vielerlei Sorgen war, womit sich allerlei Überversorgung ihres in praktischen, also der Realität verpflichteten Dingen auffallend unbeholfenen Sohnes verband.
Damit, dass N in einem ziemlich empfindlichen Entwicklungsalter in Nürnberg ausgerechnet in die Fänge Emersons geriet, war nicht zu rechnen und da er sein ihn erleuchtendes Erlebnis geheim hielt, war seine weitere Entwicklung schon von daher abgeschirmt gegen eventuell korrigierende Einflüsse seitens „der Anderen“. N befand sich daher von mehreren Seiten her in einem Teufelskreis, aus dem es - besonders infolge seiner Kritikunfähigkeit an Emerson! - keine rechtzeitig zu ergreifende Möglichkeit gab, zu entkommen. Es kann nicht behauptet werden, N hätte sich - auch oder wegen seiner im April 1862 niedergeschriebenen Jungendaufsätze! - mit Emerson auseinandergesetzt. Eine solche Darstellung entstellt Ns Verhalten: N hat Emerson ohne jeden Ansatz zur Kritik, die bei ihm sonst überall ihren Ausschlag gab, übernommen. Er war erfüllt von allem, was ihm daran gefallen hat!
Was wusste N aber von dem schicksalhaft zufällig gefundenen Emerson als Mensch und Autor? Sicherlich von nirgendwoher mehr, als im Vorwort von dessen „Essays“ in der Ausgabe des Jahres 1858 zu lesen stand, denn damals war Emerson, trotz eines frühen, 13-zeiligen Eintrages in Pierer’s Universal-Lexikon der 4. Auflage 1857–1865, in Deutschland alles andere als ein namhafter Autor und damit keine „Instanz“, - was allerdings Ns ästhetizistische Neigung zu ihm als etwas Besonderes, ihm allein Gehöriges nur verstärkte! Zudem ergab sich, dass dem bis zum 14. Lebensjahr hauptsächlich unter Frauen aufgewachsenen N der wesentlichste Bewusstseins-Impuls seines Lebens - in Gestalt des Phänomens Emerson! - ausgerechnet durch die - übersetzend weiblich empfindende! - Vermittlung einer Frau - die sich hinter dem Pseudonym G. Frabricius verbarg! - bekannt gemacht wurde. Dem damaligen Bewusstsein in Deutschland war Emerson weitgehend unbekannt, was für N dem Verhältnis zu dem Amerikaner, der als Philosoph galt, einen privaten, intim erlesenen Charakter gab! Das war nicht Allerwelts-Meinung, sondern besaß etwas sehr Persönliches, Rares, Elitär-Separiertes, - ein in ästhetizistische Seltenheitsverehrung gebettetes Flair erhebender Besonderheit, wie N es liebte und als wäre es auf seine Besonderheiten hin nur für ihn und ihm auf den Leib geschrieben, enthielt Emersons Weisheit doch alle Geheimnisse von Ns Leben! Ein solches mit niemandem geteiltes Verhältnis passte zu seiner „herrscheramtlichen“ Erwähltheit, der ein „die Anderen“, die Nichteingeweihten ausschließendes Vertrauen beschwor. In dem von der Übersetzerin mit dem Pseudonym G. Fabricius verfassten, 4 Seiten langen Vorwort hatte N gelesen:
Emerson bringt uns nur die Blüten zurück, deren Samen er durch sein Studium des deutschen Volkes und seiner geistigen Produkte einsammelte. Geht es doch so mit manchen Blumenarten, die sich in fremdem gesundem Boden und neuen klimatischen Verhältnisse zu doppelter Schönheit entfalten.
Durch seinen Ausspruch, dass er die Deutschen für das tiefste und bedeutendste Volk hält [obgleich der Schwerpunkt seiner Europareisen stets außerhalb von Deutschland lag!], hat er Teil an unserm Besten gewonnen, wie wir stets durch die Erkenntnis Teil an allem Großen und Guten gewinnen. Man wirft uns Deutschen vor, zu demütig gegen andere Völker zu sein und dennoch ist es nur diese Macht des Erkennens und Verstehens, also Aufnehmens, was uns demütig macht, uns aber zu gleicher Zeit die Herrschaft gibt. So Emerson, er beherrscht durch die Demut der Erkenntnis [gepaart mit bildhaften Übertreibungen in der Darstellung!] und muss uns dann als ein großes und bedeutendes Genie [vor allem wegen seinem nachbiedermeierlichen Überschwang besonderes Aufsehen erregenden, überhobenen bis maßlosen Sprüchen] auch überholen.
Wenn wir also durch die Übersetzung von Emersons Werken unsere eigenen Blüten und Früchte heimtragen [so schwärmte die Übersetzerin], - so sind sie doch gereinigt und verklärt [aber auch aufgeblasen und sowie sich auch nur die Gelegenheit bot heillos übertrieben!], denn möchte man es auch gern leugnen, unsere [deutschen] weltlichen Philosophen und kirchlichen Moralisten trennen sich meistenteils immer mehr in einer schweren und eingerosteten Form von der Denkweise gesunder, natürlicher und aus echtem Instinkt empfindender Menschen und verhindern auf diese Art, dass wir Kraft und Leben aus ihnen trinken [was N nur zu gerne zu ändern bereit gewesen ist].
Nur der Geist sollte heilig sein [das war in diesem Zusammenhang ein gefährliches Wort weil N seinen Geist für heilig hielt!], wie es sein Ursprung bedingt, wird es aber die Form in falscher Weise [es steht dort wörtlich so!], so zeugt dies von einem mangelnden Zufluss inneren Lebens, sie [die Form?] erstarrt vollständig und tötet noch den letzten Rest innewohnender Inspiration. Nicht so Emerson; man fühlt, dass der andauernd wie ein Quell aus der Brust der Natur sich füllende Geist sich in Gedanken und Form stets neu entfaltet; man fühlt, dass alles, was er redet, zu einem [wenig kritischen] Volke gesagt [oder doch eher gepredigt?] ist, das in Wahrheit die Räume, in welchen er zuweilen Vorlesungen hält, bis zum Dache füllt, das seinen Reden aufatmend lauscht und ihm durch Aufmerksamkeit und Zutrauen die natürliche Weihe eines Predigers [eben!] und Propheten erteilt. Und dies möchte man den gesunden Boden nennen, in welchem der bei uns gesammelte Same sich entfaltet. Diese Begierde nach Entwicklung und Belehrung, welche Emerson von allen Seiten umdrängt.
Ein Prophet, nicht in der prätentiösen [anmaßend selbstgefälligen] Bedeutung gebraucht, die nur die Vergangenheit, die Heiligkeit vieler Jahre erteilt, ist Emerson wohl zu nennen. Er ist es nicht allein weil er Geist besitzt, denn wir haben viele lebende Autoren, die auch damit gesegnet sind; während wir jedoch hinter jenen uns selten einen Charakter denken können und nur ihre, in den Spinnennetzen der Literatur waltende Feder verfolgen, so denken wir uns hinter seinen Worten einen leuchtenden strahlenden Charakter verborgen [entsprechend seinen glanzvollen Tiraden!]. Ja noch mehr, wir ahnen ein großes Herz voll Anmut und Liebe, das sich allein dem Fortschritt der Menschheit gewidmet hat [was aber willig in ihn hineininterpretiert wurde!].
Hätte er bei großen Talenten nicht Künstler, nicht Dichter werden können, indem er sich egoistischer Weise mehr auf Werke richtete, die er für sich und seinen Ruhm der Welt zugewendet hätte? Wir glauben gewiss, dass solche Werke auch Prophetenwerke sein können und dass wahre Dichter die Prophezeienden sind und die Welt belehren können. Aber Emersons Liebe war zu unmittelbar, er erkannte mit dem echten Instinkt des Genies, dass es sein Beruf sei, sich der Menschheit [was muss das für ein Ansporn für N gewesen sein!], seinen Gefährten und Brüdern direkt zuzuwenden. Und dies [das ausschweifend Maßlose?] gibt ihm gerade jene besondere Frische, welche so reizt und anzieht und so augenblicklich auf unser Herz wirkt, schon im Augenblick, wo wir zu lesen beginnen. Es ist, als schritte ein Freund über die Schwelle und verlöre sich mit uns in die tief ernstesten Gespräche, die durch die Nähe seines lebenden und treuen Wesens eine doppelte Kraft gewinnen [was sich in der Beziehung Ns zu seinen Gesprächspartnern - seiner vielen großspurigen Tiraden wegen? - wiederholte].
Künstler, Dichter, müssen durch vielfache Kämpfe gehen, ihre Gedanken verändern und abschwächen, um sie der Form einzuverleiben. Ihre Werke machen dann oft momentan nur einen stummen Effekt und manchmal erst nach Jahren entwickelt sich der in uns gelegte Keim oder öfter reizen sie nur begabte Naturen wieder zu bedeutenden Werken, ja manchmal ist’s, als schriebe der Künstler nur für Künstler.
Bei Emerson überlassen wir es dem Leser, zu beobachten, wie er selbst die einfachsten Naturen zu unmittelbarem Denken [oder doch eher nur zum Nachfühlen!] bewegt; und ist dies nicht eine segensreiche Eigenschaft? Wir können nur wünschen, wenn wir an die Wirkung der Emersonschen Werke denken, dass sich ihm in Deutschland ein gleicher Wirkungskreis wie in Amerika und England eröffnen möge und dass er auch bei uns die Menschen, die seiner bedürfen könnten, tröste und erhebe. In schnellem Lauf durchmisst er in seinen einzelnen Aufsätzen: „Geschichte“, „Selbstvertrauen“, „Geistige Gesetze“ usw. den Kreis einzelner moralischer Anmerkungen, die wir selbst über diese Dinge in uns trugen, nur voller, reicher und im Zusammenhang und schließt sie harmonisch ab.
Auch diese ihrem Tonfall nach so begeistert überredende Vorrede, die das Erhebende, das Profane der Jetztzeit, die moralische Selbständigkeit und ein Streben nach Ewigkeit, wie von Emerson selbst, nicht ausließ, war N - genauso wie die nachfolgenden Emerson-Texte! - gewissermaßen aus seiner und in seine anbetungsbereite Seele geschrieben. Es ist zu bedenken, dass mit diesen rundum für Emerson eingenommenen Einleitungs-Tönen für N die erste verführerisch erlebte Begegnung mit scheinbar neuzeitlichem „philosophischem“ Denken begann, jedenfalls war er bereit, das Gelesene dafür zu halten, denn er ahmte Emersons beredten „Überredungs-Stil“ nach. Über Emerson war daraus bisher nicht viel Persönliches zu erfahren gewesen, aber die Bewunderung der Übersetzerin war so wohlklingend vorgebracht, dass alle nur denkbare Sympathie für Emerson wachgerüttelt wurde und irgendwelche Kritikasterei an ihm gar nicht aufkommen konnte. Die Form dieser Vorrede ebnete Ns Einstellung gegenüber Emerson, verhielt er sich ihm gegenüber doch genau so, wie von der Huldigungs-Hymne der Übersetzerin empfohlen war. Und dies im Zusammenhang mit dem überwältigenden „Großstadt-Erlebnis“ Nürnberg, jenseits der engen Grenzen seiner allseits pfarreilich auf Gemütlichkeit und Behaglichkeit ausgerichteten und davon beherrschten Provinzidylle, - als ihm zum ersten Mal „die Welt“ entgegentrat.
Wie werden ihm, der ehemals nur dem höchst zweifelhaften „Ruhm“ ausgesetzt war, ein kleiner Pastor, allenfalls ein Luther zu werden - sich nun aber in der pubertären Phase des Aufstandes und des Widerspruchs befand - die superlativistischen, gar auf die Menschheit fixierten und seinen „Ehrgeiz bis zum Defekt“ NR.320 aufstachelnden Wortfolgen gefallen haben, die da lauteten „das tiefste und bedeutendste Volk“ und „Teil an unserm Besten“ und „stets durch die Erkenntnis Teil an allem Großen und Guten gewinnen“ und die Bezeichnung Emersons als „ein großes und bedeutendes Genie“. Man berücksichtige auch, dass N schon ziemlich genau drei Jahre lang im Bewusstsein seines Schönburger „Herrscheramtes“ lebte! Wie muss da der Vorwurf gewirkt haben, „zu demütig gegen andere Völker zu sein“ und dazu die selbstbewussten Sprüche, es wäre „nur diese Macht des Erkennens und Verstehens, also Aufnehmens, was uns demütig macht, uns aber zu gleicher Zeit die Herrschaft gibt“. Da mochte N wohl erkennen, dass es „Werke“ geben kann, die man „für sich und seinen Ruhm der Welt zugewendet“ hätte.
Dem so überaus wortgläubigen N kann derlei nicht unsympathisch, nicht fremd und vor allem nicht gleichgültig, sondern nur erstrebenswert gewesen sein, wenn er las „möchte man es auch gern leugnen, unsere weltlichen Philosophen und kirchlichen Moralisten trennen sich meistenteils immer mehr in einer schweren und eingerosteten Form von der Denkweise gesunder, natürlicher und aus echtem Instinkt empfindender Menschen [genauso, wie N es und sich selber fühlte!] und verhindern auf diese Art, dass wir Kraft und Leben aus ihnen trinken.
Des Weiteren war N da kundgetan „nur der Geist sollte heilig sein, wie es sein Ursprung bedingt …..“, und „wir ahnen ein großes Herz voll Anmut und Liebe, das sich allein dem Fortschritt der Menschheit gewidmet hat“ und „dass wahre Dichter die Prophezeienden sind und die Welt belehren können“ und „durch vielfache Kämpfe gehen müssen“ sowie dazu die Zukunftsbotschaft: „erst nach vielen Jahren entwickelt sich der in uns gelegte Keim“, wie sie „ihm schon allein durch die Wahrheit der Tugend für ewig teuer und verehrungswürdig zu werden“! Das alles war N auf den Leib geschrieben. Derart verführerisch geartete Sätze verfehlten ihren Eindruck auf ihn nicht und legten ein gutes Maß an Vertrauensseligkeit gegenüber Emerson in Ns Seele, zumal deren Andersartigkeit gegenüber dem N seit jeher bekannten Predigerton nicht unbedingt revolutionär ausfiel, sondern einen reibungslosen Übergang in recht gleichlaufenden, inhaltlich aber abenteuerlich Anderes versprechenden Bahnen möglich erscheinen ließ.
N vernahm hier die Lobpreisungen bis an die Grenzen des Menschseins, bis in die Höhen von deren Superlativ: „Menschheit“: „Emersons Liebe war zu unmittelbar, er erkannte mit dem echten Instinkt des Genies, dass es sein Beruf sei, sich der Menschheit, seinen Gefährten und Brüdern direkt zuzuwenden.“ Wenn das dem 17-jährigen nicht nachahmenswert erschien? Und auch „In schnellem Lauf durchmisst er in seinen einzelnen Aufsätzen [den „Essays“]: „Geschichte“, „Selbstvertrauen“, „Geistige Gesetze“ usw. die N nachweislich durch Jahre hindurch immer wieder „verschlungen“ hat, und im ersten Anlauf spuckte er deren Geist ein paar Monate später, in seinen Ostern 1862 geschriebenen, „berühmten Jugendaufsätzen“, aus als ob es um seine eigenen Erfindungen und Gedanken gegangen wäre. Emersons Wortergüsse waren danach angetan in vielerlei Hinsicht mit Ns „herrscheramtlichen“ Vorstellungen und „Umgangsformen“ zu verschmelzen. Er fand sich, sein Eigenstes darin wieder, als gehörte er selber - und das alles schon längst! - in „den Kreis einzelner moralischer Anmerkungen, die wir selbst über diese Dinge in uns trugen, nur voller, reicher …..“
N las tief beeindruckt weiter: „Wenn wir nun auch nicht immer beistimmen können, so bringt er [Emerson dem Leser, - das galt ganz speziell für N, der dazu neigte, das ihm Gefallende voll und ganz auf sich zu beziehen!] uns doch die sonst verlorenen Gedanken zum Bewusstsein und weil er abschließt, lernen wir abschließen, indem wir zu gleicher Zeit sehen, dass es einem Menschen, selbst in unserer profanen Zeit, möglich ist, unter seinem Volke die moralische Selbständigkeit eines heiligen Mannes zu gewinnen und ihm schon allein durch die Wahrheit der Tugend für ewig teuer und verehrungswürdig [und vorbildhaft!] zu werden.
Diese verehrenden Töne müssen Labsal für Ns Seele gewesen sein, bewunderns- und nacheifernswert und nicht allzu weit entfernt von den Tugenden, die seine Umgebung bisher bei jeder sich ergebenden Gelegenheit an ihn gestellt hatte. Auf diesen anhimmelnden, für Emerson werbenden Teil folgt, gerade eine Druckseite lang, noch die Mitteilung einiger biographischer Fakten:
Geboren wurde Emerson in Boston 1803 und schon in seiner Jugend trat die Originalität und das gedankenreiche Wesen bei ihm hervor, welches seine späteren Jahre bezeichnet. Er machte in seinen Studien außerordentlich schnelle Fortschritte und erlangte bereits in seinem achtzehnten Lebensjahr den Grad eines Baccalaureus artium [den ersten akademischer Grad] auf dem Harvard College [da erwies er sich als wesentlich erfolgreicher als N!]. Seine Aufmerksamkeit wandte sich sodann der Theologie zu; später aber gab er sich ganz der literarischen Tätigkeit hin und suchte die Resultate seines Nachdenkens teils in Schriften, teils durch Vorlesungen zu verbreiten [daher wohl auch der auf N so elementar wirkende Predigerton!]. Im Jahr 1833 machte er seine erste Reise nach Europa.
Er besuchte Italien, Frankreich und England und ging nach letzterem Lande später im Jahre 1847 einer Aufforderung zufolge noch einmal hin, um dort Vorlesungen zu halten. In Deutschland war er nicht. Goethe [als ein 1832 ausgefallener Superlativ!], der, wie er selbst einmal ausspricht, Veranlassung für sein Kommen gewesen wäre, lebte nicht mehr. Wie tief er aber dennoch das Wesen der Deutschen erfasst hat, davon geben seine Schriften vielfache Beweise [von denen aber nicht viele speziell in den „Essays“ zu finden sind]. Schon seit dem Beginn seiner literarischen Tätigkeit hat er sich in Concord, einem Dorfe in Massachusetts unweit Boston, zurückgezogen, wo er ein reizendes Wohnhaus besitzt. Hier, an der Seite seiner [zweiten!] Gattin und im Kreise weniger Freunde, führt er, fern von allem beengenden Zwange der Gesellschaft, ein Leben in der Natur. In einem seiner Essays gibt er ein kurzes Bild von diesem Leben und von der Stille und Einsamkeit, in der er sich glücklich fühlt.
Emerson in seiner dichterischen Eigentümlichkeit zu übersetzen, dazu bedürfte es eines Genies. Der Übersetzer glaubte am besten zu tun, wenn er sich ganz wortgenau an seine Sache hielt und nicht durch ein falsches Surrogat [einen nicht vollwertigen Ersatz] den Schwung, die Anmut und die Schönheit von Emersons Sprache zu ersetzen suchte. Berlin, am 1. Mai 1858
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Von diesem Vorwort schon ging aus, dass der Stil den „Inhalt“, die Aussage des Geschriebenen, überleuchten und überglänzen sollte und durfte, - wie immer man es jeweils formuliert sehen mochte; - und dass es völlig legitim wäre, „es“ glänzen zu lassen, oder „mit Stil“ zu überzeugen. Dies hat N ziemlich früh zu beherzigen und mit dem überzeugten Schwung seines Vortrages einen guten Teil angebrachten Widerspruchs im Keim zu ersticken verstanden. Wer so zu argumentieren versteht, dem glaubt man gerne, dass er auch viel „von der Sache“ verstünde und demnach wohl Recht haben müsse! Dieser Eindruck drängt sich bei geschicktem Umgang mit Sprache unwillkürlich auf. Jemand, der zwar viel von einer Sache, aber sich nicht „mitreißend“ verständlich zu machen versteht, hat gegen jede Art wortgewandter Oberflächlichkeit so gut wie fast immer das Nachsehen.
In dem kurzen Vorwort zur „Führung des Lebens“, die N nachweislich zur Zeit der Bekanntschaft von Emerson zugänglich war, stand für ihn zu lesen:
Emerson ist der Prophet einer geistigen Jugend, seine Lehre der Ausdruck jener ungestümen, verworren brausenden Jugendkraft [lauter Worte und Begriffe, die auch N beflügelten!], die erst von einer späteren Zeit Gestaltung, Licht und feste Ziele erwartet. Er ist der Vorläufer, nicht der Vollender einer neuen Ordnung und es steht nicht zu erwarten, dass in ihm selbst das Ideal sich klären werde, nach dem er ringt, sondern dass erst ein späterer Jünger [N?] fest begründen und in geschlossene Systeme bringen würde, was Emerson groß aber unvollkommen gedacht. Sicher ist in seinem Buch [hier die „Führung des Lebens, Gedanke und Studien“] Manches, das da hätte anders gesagt sein möge und manches Andere, das besser nicht gesagt worden wäre. Es kam mir der Gedanke, die Spreu vom Weizen zu sondern, zu scheiden und zu sichten nach bestem Wissen und Gewissen. Ich habe es nicht getan. - Wer in den hochkreisenden Gedankenbahnen unsres Philosophen nicht selbst die leitenden Ideen zu finden, seine eignen Sterne auszuwählen versteht, verdient nicht, ihn zu lesen; und vielleicht hat unser Dichter seinen herrlichen Gedanken absichtlich eine dunkle Folie gegeben, um auf einem düstern Hintergrunde seine leuchtenden Geistesblitze um so greller, überraschender und machtvoller hervortreten zu lassen.
Hier wurde das die Gefahren in Emersons Geschriebenen hingewiesen; - das was sicher ein Anreiz für N, sich das Gelesene besonders zu Herzen zu nehmen. Auch hier trat N viel aufreizend Zukunfsträchtiges entgegen und weckte kampfbereite Lust.
Aus der Einleitung einer 1915, 15 Jahre nach Ns Tod erschienen, um etliche Kapitel verkürzten Ausgabe von Emersons „Essays“ in der Fabricius-Übersetzung - herausgegeben von einem Mario Spiro - lassen sich zwischen den Biographien Emersons und Ns einige Parallelen erkennen, deshalb seien die dortigen, weit ausführlicheren Angaben zu Emersons Leben hier nachgetragen. Zusätzliches dürfte sich für den heutigen Leser in diesem Zusammenhang kaum als „von Interesse“ erweisen:
Ralph Waldo Emerson wurde am 25. Mai 1803 zu Boston in Massachusetts als zweiter von fünf Söhnen eines angesehenen Predigers geboren. Es gibt in Amerika [wie auch in anderen Ländern] Familien, in denen der Lehr- und Predigerberuf „erblich“ ist. Auch Emerson entstammte einer solchen „Gelehrten-“ und Pastorengeneration. Trotzdem der Vater bald starb [im Jahr 1813], wurden vier Söhne auf die Universität geschickt. Bei Ralph - später ließ er sich lieber Waldo nennen - zeigten sich früh poetische Anlagen [wie bei dem „kleinen Pastor“ N?]. Von großem Einfluss auf seine geistige Entwicklung war die stolze, fromme, etwas exzentrische Tante Mary Moody Emerson, in deren Aufzeichnungen wir vielen Stellen begegnen, die ganz die Art des späteren Ralph Waldo Emerson ausdrücken.
1817 [also vierzehnjährig, in dem Alter, in welchem N nach Pforta kam!] bezog Ralph die Universität, 1821 bestand er das erste Examen. Sein um zwei Jahre älterer Bruder William hatte in Boston eine Schule für höhere Töchter eröffnet und der achtzehnjährige Ralph trat als Lehrer ein. 1825 aber setzte er [dann zweiundzwanzigjährig] seine Universitätsstudien wieder fort und vertiefte sich in Plato [428-347, ein griechischer Philosoph aus Athen, Schüler von Sokrates und Überlieferer von dessen Denken und Methoden], Augustinus [354-430, einer der bedeutendsten christlichen Kirchenlehrer] Tillotson [1630-1694, ein englischer Theologe], Jeremy Taylor [1613-1667, ein englischer Geistlicher] und Montaigne [1533-1592, ein bedeutender französischer Politiker, Philosoph und Begründer der Essayistik in verständnisvoll kritischer Betrachtung des menschlichen Lebens]. In seinem [Emersons] Tagebuch heißt es einmal ….. [über Montaignes „Essays“]: „Es war mir, als habe ich das Buch selbst in irgend einer Präexistenz geschrieben, so völlig drückte es meine Gedanken und Erfahrungen aus. Kein Buch ist mir früher oder später so viel gewesen wie dieses.“ [Von Michel de Montaigne war also das Buch, in welchem Emerson sich so „zu Hause und in seinem Hause gefühlt“ 9.588 hat, wie N sich in den „Essays“ von Emerson.]
1826 wurde Emerson als Prediger approbiert [zugelassen]. Der Gedankenreichtum, die tiefe Überzeugungskraft und die rednerische Gewandtheit seiner Predigten wurden allgemein anerkannt. Nur litt er viel an kranken Augen, Rheumatismus und vollends an einer Lungenaffektion, dass es fast schien, als müsse er seinem Beruf aus Gesundheitsgründen entsagen. Auf dem Landsitz von Achille Murat, dem Sohn von Napoleons Schwager, erholte sich Emerson etwas.
Bei einer seiner Predigerreisen lernte er in Concord Ellen Louise Tucker kennen, die er 1829 ehelichte. Gleichzeitig nahm er einen Ruf als Pfarrer an die alte Kirche Cotton Mathers in Boston an. In seiner freien Zeit las er Hume [David Hume, 1711-1776, ein schottischer Philosoph, Ökonom und Historiker, einer der bedeutendsten Vertreter der britischen Aufklärung und der philosophischen Strömung des Empirismus, eine erkenntnistheoretische Richtung, die alle Erkenntnis aus Sinnes-Erfahrung ableitet. Er übte starken Einfluss aus auf die Philosophie Immanuel Kants], Coleridge [Samual Taylor Coleridge, 1772-1834, ein englischer Dichter der Romantik, Kritiker und Philosoph], Swedenborg [Emanuel von Swedenborg, 1688-1772, ein schwedischer Wissenschaftler, Mystiker und Theologe] und in den englischen und schottischen Zeitschriften tauchte damals der Name Thomas Carlyles auf, der ihn interessierte [Thomas Carlyle, 1795-1881, ein schottischer Essayist und Historiker mit erheblichem Einfluss im viktorianischen England, später ein Freund von Emerson und nebenbei angemerkt eine Figur, die N fürchterlich „auf dem Kieker“ hatte!].
Emersons Eheglück sollte nur von kurzer Dauer sein. Seine Frau Starb 1831 an Auszehrung. Zu diesem schweren Verlust kamen tiefe innere Konflikte mit seinem Beruf. Die vorgeschriebenen Gebete im Gottesdienst, die mechanisch absolviert werden mussten ohne Rücksicht auf die innere Stimmung, der Ritus der Kirche, der im Laufe der Jahrhundert zu leeren Formen geworden war, quälten ihn. Er schlug seiner Gemeinde vor, bei der Feier des heiligen Abendmahles von dem Gebrauch von Brot und Wein abzusehen. Das führte zu ernsten Folgen und Emerson flüchtete in die Natur, in die Berge, um mit sich und seinen Pflichten ins Reine zu kommen.
Als er zurückkehrte, hatte er die Kraft gefunden, seine Existenz, seine Stellung und seine freundschaftlichen Beziehungen seinen Zweifeln zu opfern. Er schrieb in sein Tagebuch: „Es ist mir mitunter der Gedanke gekommen, dass man, um ein guter Priester zu sein, sein Predigeramt niederlegen müsse.“
Die angegriffene Gesundheit und die Sehnsucht, einige von den Männern aufzusuchen, deren Werke ihn so stark ergriffen hatten, Coleridge, Landor [Walter Savage Landor, 1775-1864, ein englischer, politisch liberaler Schriftsteller klassischer Epigramme, Aphorismen, Gedichte und Dramen in geschliffener Prosa], Wordsworth [William Wordsworth, 1770-1850, ein britischer Dichter und führendes Mitglied der englischen Romantikbewegung zusammen mit Coleridge] und vor allem Carlyle, trieben [lockten vielmehr] Emerson auf Reisen [zu ihnen]. Am Weihnachtstag 1832 segelte er von Boston aus nach Malta. Über Sizilien, Neapel, Rom, Florenz und Frankreich kam er nach England. Und zwischen den einsamen Hügeln und Mooren von Nithsdale vergraben, fand Emerson [1833] den weltflüchtigen Carlyle. Was aus ihrer Freundschaft wurde, zeigt der durch 37 Jahre geführte Briefwechsel.
In London und Edinburgh predigte Emerson. Er empfand die geistige Überlegenheit Europas, er fühlte aber auch die größere Entwicklungsfähigkeit der Neuen Welt in religiöser Hinsicht. Und so kehrte er nach Hause zurück mit der Erkenntnis, der Alten Welt die Antwort schuldig zu sein auf die Frage: wie muss die Religion sein, deren die Menschheit harrt und für die die Zeit reif ist. „Ich bin sehr froh,“ heißt es in seinem Tagebuch, „dass meine Reise zu Ende ist. Wenn man auch noch nicht alt ist, so fühlt man sich dennoch zu alt zum Herumvagabundieren. Die Leute, die mitten in ihrer Arbeit stehen und deren Berufstätigkeit ich mit meinen Empfehlungsschreiben unterbreche, scheinen mich mit vorwurfsvollem Blick zu fragen, warum ich meine Arbeit verlassen habe, um die ihre zu stören.“ [Emerson war also, sehr anders als N, von seinem Wesen her sehr bescheiden, auch wenn er großartige Dinge beschrieb, - sie waren nie auf ihn selbst bezogen.]
Fast hätten die Unitarier von New Bedford [Anhänger einer christlich protestantischen Gruppe, welche die Lehre der Trinität, der Dreieinigkeit von Gott Vater, Sohn und Heiligem Geist, ablehnten und die Einheit Gottes betonten] Emerson zu ihrem Prediger bestellt. Aber er sah seine Aufgabe klar vor sich: in der Natur und an der Natur stark zu werden und allen Menschen die Verkündigung zu bringen, die frei ist von den erstarrten Traditionen der Kirche. Um jene Zeit werden in den meisten Städten Amerikas Lyzeen [höhere Lehranstalten für Mädchen] gegründet, an denen sich für Emerson die Gelegenheit fand, vor einem freien Publikum frei zu sprechen. „Lyzeen sind - wenn die Leute einen sagen lassen, was man denkt - so gut wie nur irgendeine Kanzel“, heißt es im Tagebuch.
Und da fügte es sich auch, dass Emerson in der Heimat seiner Ahnen ansässig wurde. Das kleine Städtchen Concord [Eintracht] - es klingt eine Symbolik des Zufalls aus dem Namen - wurde das Refugium seines Lebens. Ein einfaches, viereckiges, hölzernes Häuschen an der Straße nach Boston, auf der die Engländer 1775 [zu Beginn des nordamerikanischen Unabhängigkeitskrieges gegen die britische Kolonialmacht, bis 1783] hatten den Rückzug antreten müssen, wurde sein eigen. Kastanien umschatteten es, tannenbestandene Hügel schlossen es in stillere Einsamkeit. Hier wurde [im Sinne von „entfaltete sich“] der Menschenlehrer und Essayist Emerson. Seine ersten Vorlesungen hatten „das Wasser“ und „die Beziehungen des Menschen zur Erde“ zum Thema. In Boston sprach er über Luther [Martin Luther, 1483-1546, ein deutscher theologischer Urheber und Lehrer der christlich-evangelischen Reformation – was N nach häuslichen Wünschen vom Format her N eigentlich werden sollte!], Milton [John Milton, 1608-1674, ein einflussreicher englischer Dichter, der umfangreichen Gedichte, „Das verlorene Paradies“ und „Das wiedergefundene Paradies“, verfasste und überdies Staatsphilosoph war], Burke [Edmund Burke, 1729-1797, ein irischer Schriftsteller, Staatsphilosoph, Politiker und brillanter Redner, Begründer des „Konservatismus“, der Bejahung und Erhaltung der bestehenden Ordnung], Michelangelo [Buonarroti, 1475-1564, ein bedeutender italienischer Bildhauer, Maler, Architekt, Dichter und bedeutendster Repräsentant der italienischen Hochrenaissance] und George Fox [1624-1691, einer der Gründerväter der Quäker, ursprünglich eine eschatologische, auf die Vollendung des Einzelnen und der gesamten Schöpfung setzende Erweckungsbewegung zum wahren christlichen Glauben]. 1835 hielt er zehn Vorlesungen über englische Literatur, 1836 zwölf über Philosophie der Geschichte, 1837 zehn über die menschliche Kultur.
Aus diesen Vorlesungen entstanden Emersons Bücher. Und wie man bei Shakespeares Dramen öfters den Schauspieler durchfühlt, so verraten auch Emersons Essays die Technik des Redners, der seine Zuhörer mit hundert Mitteln für eine Stunde fesseln will. Sein erstes Buch „Natur“ [1836, es enthält viele seiner Essays] zeigt ihn als Idealisten und Dichter mit einem Hang zur Mystik. Die geistige Bewegung, die Emerson mit seinen Schriften anregte, wird Transzendentalismus [vom deutschen Idealismus beeinflusste, philosophische und literarische Strömung in Nordamerika um 1835-1860] genannt und seine Anhänger gaben die Zeitschrift „The Dial“ [Sonnenuhr, Zifferblatt, 1840-1844, „Medium für neue Ideen und Äußerungen, die ernsthafte Denker in jeder Gesellschaft interessieren“] heraus. Zu den bekannten Namen gehören Margaret Fuller [1810-1850, eine US-amerikanische Journalistin, Kritikerin und Aktivistin für Frauenrechte. Sie starb jung mit ihrem Mann und ihrem Sohn bei einem Schiffsuntergang vor New York], William E. Channing [1780-1842, ein US-amerikanischer Prediger und Theologe, bekannt als „Apostel des Unitarismus, ein Gegner der Lehre von der Dreieinigkeit Gottes] und Henry Thoreau [1817-1862, ein US-amerikanischer Schriftsteller, Philosoph und Freund von Ralph Waldo Emerson].
Emerson selbst definiert den Transzendentalismus einfach als Idealismus [eine Weltsicht, die das eigentlich Wirkliche in den „Ideen“ erkennt; was „gesehen“ wird, wären nur Abbilder davon], als Idealismus von 1842. Die Grundlage für Emersons Philosophie, die um ihrer poetischen Konzeption und ihrer Systemlosigkeit manchmal zu Nietzsche in Parallele gestellt wird, ist der Platonismus [Übernahme der Platonischen Philosophie, besonders der Ideenlehre von den „Urbildern der Dinge“ in andere philosophische Systeme]. Einen Überblick seiner Lehren gibt die folgende Auswahl [von Essays der Ausgabe von 1915, zu der diese Einleitung gehört].
1835 heiratete Emerson noch ein zweites Mal. Die Zurückgezogenheit von Concord unterbrachen nur wenige Reisen. Emersons Schriften wurden schon zu seinen Lebzeiten internationales Gemeingut . In seinen letzten Jahren befiel ihn eine große Gedächtnisschwäche und die einfachsten Dinge konnte er nicht beim Namen nennen. Schließlich erschöpfte eine starke Erkältung seine alternden Kräfte. Als er im Fieber lag, fielen sein Blicke auf Carlyles Porträt: „Der gute Mann - mein Freund“ konnte er nur sagen. Am 27. April 1882 starb er [79-jährig] als Heiliger von Concord wie Tolstoi als Heiliger von Jasnaja Poljana starb. Und das einfache Dorf Concord ist zum Delphi [die Stadt des Orakels im alten Griechenland, damals Mittelpunkt der Welt sowie der Kult und Weissagungsstätte für verbindliche Entscheidungen, analog zu heutigen, entmythifizierten höchstinstanzlichen Gerichten] von Neu-England geworden.
Wenn N diese Einleitung auch unbekannt gebelieben ist, so wird er doch - wenn es ihn überhaupt interessiert haben sollte! - das ein oder andere von dem hier genannten im Lauf der Jahre in Erfahrung gebracht haben. Was dem 17-jährigen N mit Emersons „Essays“ und später zwei drei anderen Büchern von ihm in die Hände gekommen war - weitere haben ihm kaum gefallen, weil es darin nichts gab, mit dem er sich und seine Sehnsucht nach Größe hätte identifizieren können - wäre - besonders unter den Interpretationen, die N all dem angedeihen ließ! - in der Umgebung der kleingläubigen familien-pastorlich gepflegten Gedankenläufe im Naumburger Haus Am Weingarten 18, wenn man davon erfahren hätte, wohl nicht nur schief angesehen worden, sondern auf dem „Index“ der geltenden Moralvorstellungen gelandet.
Das verborgene „Dynamit“ in diesen Texten, besonders hinsichtlich seiner Wirkung auf Ns zu autistisch auf sich selbst bezogenem Verhalten neigenden charakterlichen Anlagen, war für andere nicht leicht zu entdecken und da er seine „Erfahrungen“ daraus sehr bewusst als höchst persönlichen „Schatz“ verschwiegen für sich behielt, ist in seiner Umgebung auch niemand dahintergekommen, dass er mit Haut und Haaren einem eigenen, persönlichen, nur ihm bekannten Erlöser verfallen war. Inhaltlich und formal ist N - auch mit den Aussagen in seinen „Werken“! - genau so, wie im gesamten Verlauf seines Lebens - wie sich zeigen wird - mit Sätzen von Emerson vollumfänglich beschreibbar, denn er hat „für sich“ vollzogen was - und vielfach auch wie dies! - bei Emerson geschrieben stand. Er hatte, mit anderen Worten, das, was ihm an dem Amerikaner gefiel, zu seinem „Schulgesetzt“, zu seiner Lebensrichtschnur erkoren, „verwirklicht“ und erhoben. Das war’s fürs Erste, was für N in Sachen Emerson auszuführen war.
Dass dieser Emerson-Abschnitt solche Ausmaße angenommen hat und annehmen musste, ist nur dadurch zu rechtfertigen, dass darzulegen war, in welch vollkommenem Umfang der unbefangen drauflos „philosophierende“ Amerikaner einen nachhaltigen Einfluss auf Ns Existenz gewann: Ohne Emerson wäre N sicherlich ein sehr anderer geworden, hätte ihm doch ohne dessen Belehrung auch dessen geradezu größenwahnsinnige Rückenstärkung mit gleichzeitig schmeichelhaftester Rechtfertigung seiner weit außerhalb der „Norm“ liegenden Veranlagung zu einem geradezu wild gewordenen, in sich selbst verliebten Subjektivismus gefehlt. Es ist sehr fraglich, ob N sich ohne Emersons „Hilfe“ - wie nun einmal geschehen - auf gleiche oder auch nur annähernd ähnliche Weise hätte „entfalten“ können. In so gut wie all seinen Texten glüht, wenn man genauer liest, lebhaft Emersons Neigung zu außergewöhnlicher, unbedachter, ja bedenkenloser Subjektivität der Betrachtungsweisen sowie die Neigung, mit zu großen Worten, für das jeweils Auszudrückende bis an die Grenzen der dafür nutzbaren Begriffe zu gehen. Und immer ging es bei N, wie bei dem jungen Emerson, um besondere wirklichkeitsferne Momente, um den Himmel, um Erhöhung und um das Streben nach oben, in eine von unnatürlichem Licht erhellte und überhöhte Welt.
Immer wieder umkreisen die Texte die gleichen Themen-Varianten: Die Bedeutung des „Besonderen“ für die und gegenüber der unerträglich normalen Menschheit! Daraus bestand Ns zentrale Problemstellung, sein Leben lang. Es war ihm von Emerson her auf den Leib geschnitten. So, wie andere konkret Lokomotivführer oder Lehrer werden wollen, war Ns Sehnsucht und Ehrgeiz - ohne konkreten Inhalt! - nur darauf angelegt ein nach Emersons Auslegung „Bedeutender“ zu sein; - eigentlich egal wie, - ohne auch nur annähernd fest umrissenen Inhalt! Diese, ihm mittels frühestem und nicht immer bloß unterschwellig wirkendem Leistungsdruck in seiner familiären Umgebung anerzogene Haltung wurde verstärkt durch einen nicht unwesentlichen Anteil seiner ehrgeizigen Veranlagung, die neben etlichen als besonderer Antrieb wirkenden Begabungen auch schwer zu kompensierende Minderwertigkeitskomplexe umfasste, welche aus dem ständigen Erleben resultierten, doch sehr „anders“ als „die Anderen“ zu sein und sich etwas - nur was aber? - einfallen lassen zu müssen, was zu tatsächlich anerkannter Größe, zu deren Inhalt gewissermaßen - führen würde, - denn Derartiges war eigentlich - abgesehen vom „natürlichen“ Höherentwicklungsziel der gesamten „Menschheit“! - von nirgendwoher vorgegeben!
Der „kleine Pastor“ als Erziehungsprodukt und dessen Bedarf nach „Schulgesetzen“ als Richtschnur wo es langzugehen hätte im Leben, sowie eine weit über das übliche Maß hinaus ausgeprägte „autistische“ in sich selbst gefangene Veranlagung“ mit einer erheblichen Portion Ehrgeiz, hinderten N daran, einen üblicherweise entwickelten und „gepflegten“ Zugang, Umgang und Halt mit und in dem Chaos der ganz normalen Unterschiedlichkeit des Einen gegenüber „den Anderen“ zu finden oder aufzubauen. Eine auf diese Weise „schief gewickelte“ Grundhaltung erklärt als „Standardmotiv“ seinen gesamten Lebenslauf, bruchlos, kontinuierlich, getragen von einem „Ehrgeiz bis zum Defekt“ NR.320, um sich und „den Anderen“ immer wieder vormachen zu müssen sich eben diesen „Anderen“ voraus, das heißt „ihnen überlegen“ zu erweisen, - wegen nichts anderem, als darum, sich in seiner überehrgeizig „herrscheramtlichen“ Gestricktheit wohl, zufriedengestellt und auch bestätigt zu fühlen, denn in Wirklichkeit war er dies nicht. Seine Erwartungen und seine Selbsteinschätzung lagen immer weit über dem, was ihm realiter entgegenzubringen war. Er hat sich zwar selbst mit gekonnten Argumenten in unglaubliche „Höhen“ geredet und es gab etliche, die ihm dieses Gerede mit dem Nutzen, selber anbeten zu können und auch „zu dürfen“, auf zwar gewährten, nicht aber wirklich eingelösten Kredit hin abgekauft haben: Alles nur „Wie besehen“! Auf guten Glauben hin!