Читать книгу Also schrieb Friedrich Nietzsche: "Zuletzt wäre ich sehr viel lieber Basler Professor als Gott; aber ..." - Christian Drollner Georg - Страница 21

Der Hintergrund gewisser „Momente“

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Eine Stunde unseres Lebens ist verschieden von der andern in ihrer Autorität [und Bedeutung!] und mithin auch in ihrer Wirkung [hier wirkte also ein Zweierleimaß von ganz besonderer Art!]. Unser Glaube kommt auf Momente; unser Laster ist eingewurzelt. Dennoch liegt etwas Tiefes in jenen kurzen Momenten, welches [als eindringliches Gefühl für ihre Tiefe und ihre Bedeutung!] uns zwingt, ihnen mehr Realität als allen andern Erfahrungen [aus Schule, Lehre, Lesen etc.] zuzuschreiben.

Das war für N ein gewaltiger Satz, - denn darin beschrieb Emerson etwas, das auf die von N so oft erlebten „Momente des Allzusammenklangs“ zutraf, wie bis dahin noch nichts, was N darüber erfahren hatte!!

Aus diesem Grunde ist das Argument, welches immer bereit ist, diejenigen zum Schweigen zu bringen, die sich außerordentliche Hoffnungen vom Menschen machen, nämlich, die Berufung auf [logisch folgerichtige?] Erfahrung, für immer invalide [krank, gebrechlich, schwach] und vergeblich [weil - wie bei Emerson geschrieben steht! - der „Erfahrung“ aus den angesprochenen „kurzen Momenten mehr Realität zuzuschreiben“ ist als den so allgemein - d.h. auch von für N inexistenten „Anderen! -also von allen zu machenden „Erfahrungen“!! - Auch das war ein wichtiger, tief in Ns Seelentiefen dringender Satz!]. Eine mächtigere Hoffnung vernichtet die Verzweiflung. Wir überlassen die Vergangenheit dem Gegner und dennoch hoffen wir. Er [„unser“ oben genannter „Glaube“ und das „Tiefe“ in diesem!] muss diese Hoffnung erklären. Wir geben zu, dass das menschliche Leben armselig ist; aber woher wissen wir schon mit Bestimmtheit, dass es armselig ist? Was ist der Grund von dieser unserer Unruhe; [die sich für N - so weit gehen da die Details! - wie er der Mutter schrieb als „das Unangenehmste ….. die häufige Aufregung, in die ich gerate“ 25.8.62 äußern! - Zugleich gibt es also neben der genannten Unruhe das Gefühl] von dieser alten Unzufriedenheit? Was ist das allgemeine Gefühl des Mangels und der Unwissenheit anderes, als die feine Anspielung auf ungeheure Forderungen, die die große Seele macht? ….. EE.196f

Wenn die hier beschriebenen Erlebnisse der „großen Seele“ (denn N kannte keine so gut wie die seine!) - welche N auf seine Weise nicht unbekannt waren, weil er solche verschwiegenen, für ihn noch nie zur Sprache gekommenen „Erfahrungen“ hatte! - auch noch „ungeheure Anforderungen“ machte, stand N dadurch - zusätzlich dazu, zu einem „Luther werden zu sollen“! - unter erheblichem Druck.


Bis hierher erst einmal, um sich dessen zu vergewissern, was da eigentlich unter Benutzung vieler ausgefallener Worte inhaltlich hochwichtiges geschrieben steht und was da einerseits heraus, andererseits aber auch, was da hinein zu lesen wäre:

Mit nüchternen Worten wiedergegeben wurde in dem Absatz von Emerson eine N vor allem wichtige „Tatsache“: Nämlich die, dass gewissen „Momenten mehr Realität als allen andern [überdies als krank, gebrechlich, schwach und vergeblich erkannten] Erfahrungen“ zukommen würde: Das bedeutet, dass ihnen unterschiedliche Grade der „Bewertung“ oder „Autorität“, also mindestens Zweierleimaß, in Hinsicht auf „das Leben“ zuzuschreiben wären; - da „unser Glaube“ - zu dem man sich bekennen sollte! - da dies als etwas Eigentliches in diesen „kurz“ nur währenden „Momenten kommt“, - ansonsten aber, auf Dauer, unser „Laster eingewurzelt ist“: Gemeint war damit unser - auf der von außen kommenden „Erfahrung“ beruhender - geistiger und seelischer Trott, unsere keine „höheren“ Aufwände erfordernde „Gewöhnlichkeit“, unsere nicht als etwas Besonderes wahrgenommene, alltägliche geistige „Schlamperei“ des „eingewurzelten Lasters“, in und mit der wir unser Leben zubringen ohne dabei irgendwelche und schon gar keine geistigen und ewigkeitswürdigen „Höhenflüge“ - der Überseele nach! - erleben! - Emerson hat diesen „Dauerzustand“ nicht ohne Absicht vergleichsweise abwertend „invalide und vergeblich“ und auch „eingewurzeltes Laster“ genannt!

„Dennoch liegt etwas Tiefes in jenen kurzen Momenten“ heißt es. Das „tief Empfundene“ dieser „kurzen Momente“ erhält ein besonderes Gewicht gegenüber jenen Verhaltensweisen, die wir während des Trottes, der Gewohnheit, der geistigen Schlamperei, kurz außerhalb „jener kurzen [so sehr hervorgehobenen und hervorzuhebenden!] Momente“ pflegen beziehungsweise „erleben“! Emerson behauptete auch, dass eine „mächtigere Hoffnung [aber welche? Die eigenen illusionären Ideale?] die Verzweiflung [über was? - Über die Banalität des Realen?] vernichtet“.

Diese an Geheim-Codes erinnernden Informationen waren N insofern verständlich, weil er „wusste“, erfahren hatte, das Gefühl kannte, das sich einstellt, wenn nach den kurzen, lichtüberfluteten „Momenten“ des Entrücktseins der „Allzusammenklangs-Anfälle“, die er ab und an erlebte, die nicht leicht erträgliche, weil so irritierend widersprüchliche Realität wieder in die Wahrnehmung drängte: in die gerade genossenen Empfindungen harmonischen, widerspruchslosen Allzusammenklangs, dem seine Sehnsucht so gerne ausdauernde „Verwirklichung“ „als vorherrschen sollend“ verschaffen würde.

Ein Echo zu dieser Beschreibung Emersons am Beginn seines Kapitels über „Die höhere Seele“ bildet ein Absatz aus frühen Schriften Ns, die er zur Zeit seiner vielen „Gedanken“ zur „Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik“ als noch sehr junger Professor in Basel, während der kurzen „Sanitäter-Dienstzeit“ im französisch-deutschen Krieg 1870 und in den darauffolgenden Monaten der Genesung von dem dabei eingehandelten Kranksein dann noch bis 1871 entstanden. Als eins von etlichen Bruchstücken dazu schrieb N unter dem Titel „Die dionysische Weltanschauung“ aber gleichlautend auch in „Die Geburt des Tragischen Gedankens“ die anlässlich von Emersons Ausführungen unbedingt als bemerkenswert sich erweisenden Sätze:

Die Verzückung des dionysischen Zustandes mit seiner Vernichtung der gewöhnlichen Schranken und Grenzen des Daseins [genau das hatte auch Emerson beschrieben!] enthält während seiner Dauer [gegenüber dem Gewöhnlichen!] ein lethargisches [teilnahmsloses, abgestumpftes - entrücktes!] Element [während solcher Momente sank auch der Vater im Stuhle zurück und hatte anschließend von dem Ganzen angeblich nichts mehr gewusst. Wie N berichtete - weil Es sich an seine Momente der Verklärung erinnern konnte! - war ein] Element, in das sich alles in der Vergangenheit Erlebte [also das Widersprüchlichste widerspruchsfrei] eintaucht. So scheidet sich durch diese Kluft der Vergessenheit die Welt der alltäglichen und der dionysischen Wirklichkeit [seiner „Anfälle“, seiner Absenzen, seiner „Momente des Allzusammenklangs“] voneinander ab [da gab es - wie bei Emerson! - genauso die beiden Wertigkeiten und Unterschiede davon, was wirklicher und angenehmer als das andere erschien!]. Sobald aber jene alltägliche Wirklichkeit wieder ins Bewusstsein tritt, wird sie mit Ekel als solche empfunden [auch das wiederholte - durch das eigne Erleben mit stärkeren Worten beschrieben! - das, was Emerson als „höhere Seele“ beschrieben hatte]: eine asketische, willenverneinende Stimmung [N war zu der Zeit, als er dies schrieb, zusätzlich zu seiner Emerson-Infektion ein blindwütiger Schopenhauerianer und benutzte für das, was er nicht aus Emerson und aus sich selbst heraus erklären konnte, gerne dessen Vokabular! „Eine asketische, willenverneinende Stimmung“ also] ist die Frucht jener Zustände. Im Gedanken [die aber nur auf Gefühlszuständen beruhten!] wird das Dionysische als eine höhere Weltordnung [bei Emerson von bedeutenderer „Autorität“!] einer gemeinen und schlechten entgegengesetzt: der Grieche [dem und überhaupt denen N das, was er aus rein eigener Erfahrung beschrieb, einfach so unterstellte] wollte absolute Flucht aus dieser Welt der Schuld und des Schicksals [die aber von ihren mit viel Gültigkeit versehenen Göttern in ihrem Olymp von ihnen so eingerichtet waren!]. Er [der von N erdachte Grieche aus den Zeiten, zu denen N als Philologe deren Texte las und interpretierte] vertröstete sich kaum auf eine Welt nach dem Tode [wie es auf christliche Weise üblich war?]: seine Sehnsucht ging höher, über die Götter hinaus, er verneinte das Dasein samt seiner bunt gleißenden Götterspiegelung [tat er das wirklich je?]. In der Bewusstheit des Erwachens vom Rausche [erwachend aus dem gerade mal wieder erlebten beseligenden Zustand des Allzusammenklangs] sieht er überall das Entsetzliche oder Absurde des Menschenseins [à la Schopenhauer?]: es ekelt ihn ….. 1.566 u. 594f

Auf diese Weise hatte sich N - von seiner ersten Schrift an! - die auf Defekten beruhende Problematik seiner Absenzen „philosophisch“ zu höherwertigen Leistungen - die ihn natürlich auch ansonsten vor allen Anderen auszeichnen würden! - zurechtstilisiert! Das war der psychologische Hintergrund seines „Philosophierens“!

Wäre N anlässlich seiner „Allzusammenklangs-Momente“ auch ohne Emersons vorteilhafte Erklärung auf das „Dionysische“ gekommen? Hätte er ohne Emerson überhaupt den Mut gehabt, seine Zustände als „dionysische“ zu zelebrieren? - was für den Philologen relativ einfach war, sich das Unerklärliche in „klärenden“ und zugleich verklärenden Begriffen von der Seele zu reden! War nicht die von Emerson stammende stilvoll vorteilhaft wertende Interpretation nötig für das, was N der Mutter gegenüber als „das Unangenehmste ist mir die häufige Aufregung, in die ich gerate“ 25.8.62 beschrieben hatte und damit gestand, dass das „häufig“ geschah? So dass also erst die Emerson‘sche Legitimation ermöglichte, das nun erklärbare in den Rang des „Dionysischen“ zu erheben? Es dürfte auch sehr wahrscheinlich sein, dass Ns „Übermensch“ eine erhöhte Ausgeburt und Fortführung erlebter „Überseelen-Zustände“ als sehnlichst erwarteter Dauerzustand am Rand von Ns Horizont auftauchte.

Sowohl Emerson als auch N beschrieben - mit sehr unterschiedlichen Worten! - so ziemlich das Gleiche: Erhebende, beglückende, als überaus wichtig und bedeutsam empfundene kurze, Entzücken auslösende Momente der Entrücktheit aus dieser Welt mit machtvoller Vernichtung von deren gewöhnlich gegebenen Grenzen und Schranken sowie anschließend das enttäuschende Gefühl der „lasterhaft eingewurzelten“, mit Bestimmtheit „armseligen“ Realität, der gegenüber dem gerade erlebten Glück als sattsam bekannte Schalheit nur mit dem Gefühl abgrundtiefen Ekels begegnet werden konnte und dass aus diesem Erlebnis das Bedürfnis blieb, dass eine mächtigere Hoffnung die Verzweiflung vernichten möge, was zugleich, ohne besondere Sprache und Anforderung von N verlangte, sich dafür einzusetzen, dass dies geschehen soll und dem Er ja dann auch mit all seinen Schriften bereit war, Folge zu leisten. Erst knapp 18 Jahre später, in seinem letzten Frühjahr, 1888, war es N - nach „ewiger“ Beschäftigung mit dem Thema! - gelungen, diesen schwierigen Umstand wirklich knapp und genau darzustellen:

Mit dem Wort „dionysisch“ ist ausgedrückt: ein Drang zur Einheit, ein Hinausgreifen über Person, Alltag, Gesellschaft, Realität, als Abgrund des Vergessens, das leidenschaftlich-schmerzliche Überschwellen in dunklere vollere schwebendere Zustände; ein verzücktes [schon in der vorigen „Definition“ wurde die „Verzückung“ des dionysischen Zustandes betont! - ein] Jasagen zum Gesamt-Charakter des Lebens, als dem in allem Wechsel Gleichen, Gleich-Mächtigen, Gleich-Seligen; die große pantheistische [Gott und die Welt in eins begreifende] Mitfreudigkeit und Mitleidigkeit, welche auch die furchtbarsten und fragwürdigsten Eigenschaften des Lebens gutheißt und heiligt, aus einem ewigen Willen zur Zeugung, zur Fruchtbarkeit, zur Ewigkeit heraus: als Einheitsgefühl von der Notwendigkeit des Schaffens und Vernichtens … 13.224


Aus dieser späten Notiz geht ziemlich eindeutig hervor, dass es sich um vom Vater ererbte, ihn immer wieder anrührende - im „Leben“ nicht übliche! - „Zustände“ gehandelt hat; dass N also von Erlebnissen sprach, die nicht jedermanns Sache, sondern eher eine krankhaft zu nennende Veranlagung waren, was N aber als Erwähltheit zu derlei Höhenflügen interpretierte. Das Wort „dionysisch“ war N aus seinen philologischen Erfahrungen mit den alten Griechen während der Jahre in Pforta sowie auf den Universitäten in Bonn und Leipzig geläufig. Er erhielt damit Gelegenheit, sich „unverfänglicher“ Begriffe bedienen zu können, um den wahren Hintergrund dessen, was er da aus eigener, sehr wichtig genommener Lebenserfahrung heraus beschrieb, zu maskieren und damit ansehnlich und annehmbar zu machen und war der Not enthoben, Emerson als einzig „legitime“ und legitimierende Berufungsinstanz für deren Werthaltigkeit anführen zu müssen und sich in ein denn doch reichlich fragwürdiges Licht gerückt zu finden. Direkt, ohne geschichtlich erkennbare und anerkannte Ummantelung und Überhöhung wäre es unmöglich gewesen, sich darüber zu äußern ohne allzu subjektive Fragwürdigkeiten durchblicken zu lassen. Ns Trick, dies alles als ein Problem der Griechen darzustellen, half ihm erheblich „über die Runden“, obgleich er doch, so gut wie immer, nur von sich selber sprach!


Aus seinen eigenen, vielfach gemachten „Erfahrungen“ und Erlebnissen heraus „wusste“ N also um die von Emerson angesprochene, vergleichsweise zwangsläufige „Armseligkeit“ und auch „mit Bestimmtheit, dass sie armselig ist“! - Er nahm keinen Anstoß an diesen Texten: Kannte Er doch die so viel reicheren Augenblicke, in denen sich all das Störende der Realität in einem leuchtenden Allzusammenklang aufgehoben fand. Und er hatte aufgrund eignen Erlebens ebenso eine Ahnung davon, dass seine anschließende „Unzufriedenheit, das Gefühl des Mangels und der Unwissenheit“ glanzvoll berechtigt war und seine „groß gewordene Seele“ an die armselige Welt „ungeheure Forderungen“ der „Verbesserung“ stellen durfte! - worin - nebenbei und als festigender Verbund! - sein Wille zum „Herrscheramt“ eine unverhoffte Aufwertung, eine Aufgabe, eine Berechtigung, ja, eine „Notwendigkeit“ zugewiesen bekam. Es gab somit für ihn etwas, wofür dringend mit allen Kräften und Mitteln „sich einzusetzen“ und „zu kämpfen“ war.

Emerson ging es offensichtlich in seinem ersten Absatz zur „höheren Seele“ darum, zwei grundverschiedene Erlebnis-Ebenen bewusst zu machen, indem er die eine, subjektive, so krass gegen die andre, allgemeine als die Wichtigere stellte und dass es die „Realität“ der „kurzen“ hervorgehobenen „Momente“ ist, die jeden solches Erlebenden aus dem Trott des Alltäglichen heraushebt, gewissermaßen in eine andere, natürlich „höhere“, bessere, klarere, wesentlichere und genialere „Welt“, aus der heraus gefühlsmäßig Anlass gegeben war, das, was außerhalb dieser „Momente“ erlebt wird und erlebt werden kann - „realistisch“, wie immer wieder erlebt, als minderwert, als ungenügend, als unvollständig, brüchig, dem Bereich des Trottes, der Gewohnheit, der geistig alltäglichen „Schlamperei“, wie sie „die anderen“ pflegen, zuzuordnen! Alles andere gering zu schätzen, gegenüber der Hochgestimmtheit, die kennengelernt zu haben ihn zu der Hoffnung verführte, dass das von ihm „zugegebenermaßen armselige Leben“ der Alltäglichkeit nicht alles sein kann, was „das Leben“ ausmacht und zu bieten hat. Es gäbe also in diesen „kurzen Momenten“ einen „Bereich höherer Sphären“, welche denjenigen, der sie erfahren hat - und an ihnen teilnehmen durfte! - berechtigterweise in „Unruhe“, „Unzufriedenheit“ und folglich in „hoffnungsvolle“ Sehnsucht - nach dieser „Gnade“! - versetzt, mehr vom Leben erwarten zu dürfen als die pure Gewöhnlichkeit; - was die Feststellung erlaubte, dass „das allgemeine Gefühl des Mangels und der Unwissenheit“ an dieser Welt, das all sein Dichten und Trachten trug, „als die feine Anspielung auf ungeheure Forderungen, die die große [nämlich solcher Erfahrungen fähige - und begnadete! - höhere!] Seele macht“ absolut berechtigt war; - sodass derlei späterhin keinerlei Kritik bedurfte!


Selbstverständlich war Jung-N nicht sofort und augenblicklich so weit, dies so eingehend, so detailliert und darin umfassend zu begreifen und zu verstehen! Er hat all das aus eigenem Erleben wiedererkannt ohne es im Einzelnen begreifen zu müssen! All das braute sich in den folgenden gut sieben Monaten bis zu den Jugendaufsätzen in ihm zusammen und ergab deren heftige „Eruption“, deren vulkanischen Ausbruch aus scheinbar wohlbehüteter Christlichkeit, die unter der Hand längst „ersetzt“ war, durch eine „Glaubenslage“, die mit Ns Lebensrealität der „besonderen Augenblicke“ und seiner enormen Selbstmittelpunktlichkeit näher und „realistischer“ verbunden war, als alles, was das zuvor Kennengelernte ihm zu bieten gehabt hatte. Der endgültige Verlust seines alten, mütterlich übertragenen Glaubens konnte nicht auf erkennbare Weise schmerzen, weil ihm dank Emerson ein neuer, besserer, ihm Alles an ihm aus einem sich und ihn selbst erklärenden Glauben zugefallen war und in diesem sah er - wie alle in jedem Glauben! - über die auch dort enthaltenen Abgründe, Widersprüche und ungereimten logischen Unsinnigkeiten hinweg! Das ging „glatt“ ab, ohne Probleme, ohne Krise, ohne eigentliche orientierungslos gereizte Aufmüpfigkeit, denn er hatte gefunden, bevor er richtig verloren hatte.


Genauer und stocknüchtern nach dem Inhalt von Emersons Absatz gefragt: Was sollten das für „kurze Momente“ sein, - von denen sich derjenige kaum eine Vorstellung machen kann, der nicht Gelegenheit hatte, „sie“ oder dergleichen „am eigenen Leib“ oder durch direkte Beobachtung zu erfahren? - Woran denkt hier jemand, der solche „Momente“ nicht aus unmittelbarer Erfahrung kennt? Ist überhaupt festzulegen, was diese - oder ja vielleicht auch irgendwelche ganz anders gearteten, gar mit tausendfach verschiedenerlei Inhalten belasteten - „kurzen Momente“ zu bedeuten, zu erfüllen, zu verklären, auszumachen und zu veranlassen haben? Das wurde nicht näher zum Ausdruck gebracht und somit dem weiten Feld der Beliebigkeit überlassen: Jeder mag darunter verstehen, was ihm behagt, ihm nahe liegt, bewegt, bedrängt, nach Erklärung verlangt, - wenn sich solches denn in einem wie auch immer betroffenen persönlichen Erlebnisbereich ereignet! - aber für den Gewöhnlichen, „normalen“, ein unzugänglich theoretisches Konstrukt bleiben muss.


Zwar wird bei Emerson und bei N die Tatsache derartig „kurzer Momente“ angesprochen, ansonsten aber mit Schweigen bedeckt, welcher Art und welchen Wesens sie sind, sein dürfen, sein sollten, sein können, - religiös, fanatisch, erwählt, verpflichtend, missionarisch oder nur besserwisserisch? Und so fort. - Nur ganz wenig darüber hinausgehend wird ohne Begründung festgestellt, welche relative und selbstmittelpunktlich beurteilte Wertigkeit ihnen innerhalb der Gesamtwahrnehmung der Welt zukommen sollte und unvermittelt ist damit ein Zweierlei-Maß-System installiert und legitimiert - gewissermaßen zur allgemeinen Benutzung freigegeben! Das ist eigentlich alles. Jemand, der keinerlei persönliche Berührungspunkte mit solchen „kurzen Momenten“ hatte, hat und oder sogar haben kann, liest leicht darüber hinweg ohne sich von dem universalen „philosophischen“ Unsinn, der in dieser Pandora-Büchse steckt, eine verständliche Vorstellung machen zu können. - N schien nicht nur solche Berührungspunkte und Erfahrungen gehabt zu haben, er hatte sie. Das ergibt sich aus diesen und vielerlei nachfolgend anzuführenden Äußerungen und Zusammenhängen und in diesen wurzelt Ns Heftigkeit, Festigkeit und unverbrüchliche Dauerhaftigkeit sowie die bei ihm so auffällig ungewohnte, vollkommene, ja geradezu „hörig“ zu nennende Kritiklosigkeit und Anhänglichkeit in seinem lebenslangen Verhältnis zu Emerson: Und dies - im krassen Gegensatz zu allem sonstigen! - berührt und klärt auch die Frage der Geheimhaltung des ganzen „Komplexes“ Emerson. Es hat „ums Verrecken“ keinen Grund gegeben, irgendjemanden hinter diese letztlich doch als etwas zu Intimes empfundenen Zusammenhänge blicken zu lassen!


Die zwangsläufig nächste Frage, die sich zu Emersons Einleitung zur „höheren Seele“ stellt, richtet sich auf die Art, den Inhalt und den „Gehalt“ dieser offenbar außerhalb der Norm des Alltagslebens liegenden „kurzen Momente“. Dabei geht es um Ereignisse, Vorgänge und Zustände, über welche bis zum Zeitpunkt, wo N Emerson erstmals zur Kenntnis nahm, nur sehr wenige aufschlussreiche Hinweise vorliegen: Nämlich aus dem einfachen Grunde, weil N diese ihm gar nicht mit verständlich erscheinenden Worten „zu fassen bekam“, das heißt ausdrücken konnte! In wenigen Andeutungen werden sie auch erst im Nachhinein, aus späteren Auffälligkeiten erkenntlich und „verständlich“. Sucht man nach derlei - eben außerhalb der gesunden, „normalen“ Lebensalltäglichkeit! - beispielsweise im Pfortaer Krankenbuch, so gibt es dort bis 1861 nur wenige und zudem inhaltlich spärliche Einträge:


„1859 Rheumatismus 15.-20.3.; Katarrh 2.-9.11.“ Unbekannt sind die Symptome des Unwohlseins. Für 1860 wurde notiert: „Katarrh (30.12.1859) 5.-16.1.; Rheumatismus (4.12.) 12.-26.6.“ J1.128 Das sagt nicht viel aus. Es belegt nur, dass die von der Schwester übermittelte Legende vom stets überwältigend gesunden N nicht stimmen konnte. Nach einer „Erkältung“ vom 18.1.1861 mit nicht unerheblichen Kopfschmerzen „vom 19. bis 27. Januar 1861“ J1.128 war N nach einer Unterbrechung von knapp drei Tagen „vom 30. Januar bis zum 17. Februar“, wieder wegen heftiger gewordenen, angeblich „rheumatischen Hals- und Kopfschmerzen“, auf der Krankenstube, die unter den Kameraden - nie aber von N! - auch die „Krankelei“ genannt wurde, stationiert, was bei den unzimperlichen Pfortaer Erziehungsmethoden nur passierte, wenn es wirklich nicht zu umgehen war. Danach wurde N, weil die Kopfschmerzen immer wieder auftraten - „Ich habe es nun wahrhaftig satt mit diesen Kopfschmerzen; es wird nicht besser und kommt immer wieder. Die kleinste Anstrengung des Kopfes macht mir Schmerzen“ 16.2.61 - zu weiterer Genesung „als Rekonvaleszent nach Hause (Naumburg)“ und somit auch aus der Teilnahme am Schulunterricht für die Zeit bis Ende Februar entlassen.


Nachdem er dann, in den letzten Tagen des Februar, wieder in Pforta war, schrieb er: „Meine Kopfschmerzen sind nur ein paar Mal wiedergekehrt; es wird schon gehen ….. Mit dem Arbeiten will es heute Morgen noch nicht recht gehen, die Kopfschmerzen haben sich auch wieder eingestellt. Ich muss mich allmählich daran gewöhnen.“ 26./27.2.61 Vom 4. bis zum 16. November desselben Jahres machten N die Kopfschmerzanfälle schon wieder zu schaffen und sollten sich - nach und nach bösartiger werdend! - zu einem lebenslang schweren Leiden entwickeln. Irgendetwas war da also nicht so, wie bei anderen Jungen in seinem Alter. Mehr ist aus dem Pfortaer Krankenbuch für diese Zeit kaum ableitbar.


Die eigentlichen Hinweise auf Besonderheiten in Ns Anlagen kamen von ganz woanders her und aus wesentlich späteren Zeiten, denn aus den Massen der schriftlichen, Fakten bildenden Materialien, die während seiner Lebenszeit angefallen waren, geht sonderbarerweise - von Ns hochsubjektiven, aus jeweils unterschiedlichen und auch widersprüchlichen Stimmungen heraus gefällten Urteilen abgesehen! - kaum etwas hervor, woraus sich auf irgendwie Verlässliches, klar Nachweisbares schließen ließe.

Dass N, neben der vom Vater ererbten, extremen Kurzsichtigkeit und überdies, wie sich bei weiteren Ahnen zeigte, auch in seinem Wesen auffällige Verhaltensweisen zeigte, wie beispielsweise dass er extrem „schulgesetzbedürftig“ sowie auch ausgeprägt „herrscheramtlich“ veranlagt war und in seinem ebenfalls extremen Verlangen nach „Einsamkeit“ und seinem „Ehrgeiz bis zum Defekt“ NR.320 - was aber erst einem späteren Freund Ns in Basel als besonderes Merkmal an ihm auffiel - „begabt“ oder auch „belastet“ war, jedenfalls mit seinen Anlagen in mancherlei Hinsicht ziemlich weit abseits der Norm lag, ist bereits deutlich geworden beziehungsweise wird es in weit stärkerem Maße noch werden. Eine früheste „Bedingung“ für all das dürfte weit mehr als in seinem Umfeld, in seinen ererbten Anlagen zu suchen sein: Aber die Hinweise darauf brachte erst der offensichtliche, durch nichts mehr zu überspielende und nicht mehr in Genialität umzudeutende Ausbruch seines geistigen Krankseins im ab da hilfsbedürftigen Zusammenbruch Anfang 1889: Die völlige Unfähigkeit, mit der Realität des einfachen Lebens zurechtzukommen und diese Tatsache auch nicht mehr mit herrlich stilvollen Argumentationen verschleiern zu können, brachte es an den Tag! Allerdings erhielten vorerst und lange Zeit vor allem von außen kommende und genommene Begründungen für Ns Versagen den Vorzug, weil solche der angeblich bis zum Zusammenbruch makellos funktionierenden „Geistigkeit“ eines unvergleichlichen „Denkers“ damit kein Schaden zugefügt werden konnte.


Im Laufe der Jahrzehnte häuften sich allerdings die Nachforschungen und Meinungen und trotz der unermüdlichen und sogar rabiaten Gegenwehr der in Kleinbürgermanier alles schön und kerngesund redenden Schwester kam, besonders nach deren Tod allerlei Fragwürdiges und Psychopathisches im Stammbaum der Familie N ans Licht: Dass ein ‚Bruder der Mutter in einer Nervenheilanstalt starb, eine ihrer Schwestern Selbstmord beging, ein anderer Bruder wahnsinnig geworden sei und die Schwestern des Vaters hysterisch und exzentrisch gewesen waren. Darüber hinaus berichtete der Leipziger Neurologe, Psychiater und Philosoph Paul Julius Möbius (1853-1907) bereits im Jahr 1904 in seinem Buch „Nietzsche“, dass die Mutter dem Hausarzt erzählt habe, ihr Mann sei „von Zeit zu Zeit im Stuhle zurückgesunken, habe nicht gesprochen, starr vor sich hingesehen und hinterher von dem ganzen Zufalle nichts gewusst.“ Wie weit aber hat das „Erlebnis“ dieser wiederkehrenden Momente das Verhalten des Vaters beeinflusst? Möbius schloss aus der Aussage der Mutter: „Wir haben also einen Mann in den mittleren Jahren, der jahrelang kleine epileptische Anfälle hat …..“ Mö.14


Dazu passt eine 1889, nach dem geistigen Zusammenbruch Ns gemachte Eintragung im „Krankenjournal“ der Irrenanstalt von Jena, wo unter dem Datum „5. September“ festgehalten wurde, dass der Patient „behauptet, bis zum 17. Jahr an epileptischen Zuständen ohne Bewusstseinsverlust gelitten zu haben“, - wozu wiederum diverse Äußerungen Ns passen, die wiederkehrend Lichterscheinungen und Gefühlszustände „großen Zusammenklangs“ beschreiben, in denen alle Widersprüche, alles Belastende, Fragwürdige und Störende aufgehoben zu sein schien und er sich daran erinnerte! Die weit ab jeder vollständigen Gewissheit „nachgewiesene“ spätere syphilitische Infektion mag dabei außer Acht gelassen bleiben. Sie hat im Zusammenhang mit den hier darzulegenden frühen Grundzügen für das, was sich als Ns ja nur bruchstückhaft vorliegende „philosophische Prinzipien“ bezeichnen lässt, sicherlich keinen nennenswerten, Ns Art und Weise des „Denkens“ bestimmenden Einfluss gehabt. Überdies gibt es Belege, dass N von Halluzinationen, das sind mehrere bis alle Sinne betreffende, nicht durch äußere Sinnesreize hervorgerufene, jedoch für den Betroffenen Realitätscharakter besitzende Wahrnehmungen, beispielsweise Stimmenhören, heimgesucht wurde und darüber hinaus weitere, höchst bedenkliche „geistigen“ Absonderlichkeiten hervorkehren konnte.


Das lebenslang „streng durchgehalte“ Schweigen über jegliche Art möglicher - wetterunabhängiger Ursachen! - denn vieles wurde von N später einfachheitshalber auf Wetterumstände projiziert! - stand im krassen Gegensatz zum Umgang mit Ns immer wiederkehrenden, oft tagelang andauernden, völlig regellos auftretenden Kopfschmerzanfällen mit endlosem Erbrechen, obgleich es gar nichts mehr zu erbrechen gab. N - und auch die vielen reichlich wahllos zugezogenen Ärzte! - erkannten nicht, was die Ursache seines Leidens sein konnte. Es ist schwer vorstellbar, dass - wie zum Thema Emerson! - über all dem ein bewusstes und gezieltes Verschweigen waltete. Sicherlich hätte sich der Eine oder Andere, auch N selbst, irgendwann und wie - wie in vielen anderen Fällen ja auch! – mit der einen oder anderen Bemerkung verplappern und verraten können. Gleiches müsste eigentlich auch eine syphilitische Infektion samt aufwendiger Behandlung betroffen haben. Stattdessen gibt es eine Fülle von Hinweisen auf überhöhte, besondere, von der „Normalität“ zu unterscheidende „Momente“ von der Art, wie sie auch von Emerson angesprochen worden waren: Ausnahme-Momente, Erhobenheiten, Herausgerücktheiten aus der Lebensalltäglichkeit, immer wieder, Momente, die N in Emersons Beschreibungen einfach nur wiederkannte! Aufgrund dieser „Momente“ - die den meisten von Emersons Lesern wohl herzlich wenig sagten! - wusste N - oder glaubte auch nur - aber das auf sehr Emerson’sche Weise sehr genau! - zu wissen, was Emerson meinte! Aller Wahrscheinlichkeit nach bestand Ns gesamtes, mit dem Namen „Emerson“ verbundenes Erlebnis sogar nur daraus, dass er von dem Amerikaner etwas ihm bis dahin Unerklärtes und Unheimliches als eine „höhere“ Ebene des Erlebens und Seins, als eine Auszeichnung „vor Anderen“, kurz: als ein Erwähltsein zu Höherem erklärt bekommen hatte! Rechtfertigte ein solches Erlebnis subjektiv nicht sämtliche Zustimmung zu diesem einmaligen, begnadeten, unvergleichlichen und als innigsten, ja sogar heiligen, zu tabuisierenden Schatz zu bewahrenden „Lehrer“, Meister und Weisen, welcher so unglaublich viel von den Geheimnissen und Beunruhigungen und Aufregungen seiner jungen, unerfahrenen Seele wusste und von deren anderweitig nicht besser belehrten, „herrscheramtlich“ veranlagten Besonderheit zu verstehen schien?


Derart tief greifende Gemeinsamkeiten verbinden, - ein Leben lang! Damit war der 17-jährige N den „Weisheiten“ Emersons hoffnungslos ausgeliefert: Mit Haut und Haaren! Deshalb nahm er Emersons „Essays“ als neuen „Katechismus“, als neues religiöses Lehrbuch, aus welchem ihm zu allen Fragen, die gestellt wurden oder gestellt werden konnten, die schmeichelhaftesten Antworten zuteilwurden, welche erstmals seinen eigenen Erfahrung entsprachen und somit als richtig zu betrachten waren: Es gab da kein Zweifeln, keinen Widerspruch. N fühlte und erlebte sich verstanden, wie sonst nirgends, eben „in meinem Hause“ 9.588, nach 20 Jahren und viel länger noch! Er hatte somit alles Recht der Welt, sich als Eingeweihter zu fühlen, - dazugehörig und erwählt zu ganz Besonderem, ihm von vornherein, „geburtsadelig“ gewissermaßen mitgegebenem und zugänglichem Wissen, weit über alles Mögliche Luthertum hinaus! - so dass er sich getrost „allen voraus“ fühlen konnte, denn es war bei ihm alles Gefühl, über das es klug war, nicht allzu viel Komplikationen weckend nachzudenken, sondern vertrauend anzunehmen, was so großzügig gegeben war! Entsprechend benahm sich N, - ohne falsche Scham und unangebrachte Zurückhaltung: Als Alleswisser, als Alleskenner, als inspirierter und privilegierter Allesversteher - einfach aufgrund der offenbarten Besonderheit seiner Existenz! Er hätte doch für ewig als blind und feige gelten müssen, wenn er die Herausforderungen der direkten Ansprache etlicher - oben angeführter - Emerson-Passagen nicht anzunehmen bereit gewesen wäre! - Zumal dafür unter den gegebenen Umständen nicht wirklich viel Mut aufzubringen war, - solange man über die Hintergründe fein säuberlich Schweigen bewahrte.


Noch nach 20 Jahren - im Herbst 1881! - lauteten Ns Urteile: „Emerson Ich habe mich nie in einem Buch so zu Hause, in meinem Hause gefühlt als - ich darf es nicht loben, es steht mir zu nahe.“ 9.588 Und „der gedankenreichste Autor dieses Jahrhunderts ist bisher ein Amerikaner gewesen (leider durch deutsche Philosophie verdunkelt - Milchglas)“ 9.602 gemeint war Emerson, ohne ihn direkt zu nennen - und niemand sonst! Und aus etwa den gleichen Tagen stammt Ns Notiz: „Emerson sagt mir nach dem Herzen: Dem Poeten, wie dem Heiligen sind alle Dinge befreundet und geweiht ….. “ 9.673 was er dann, etwas umgemodelt, zum Motto seines dazumal bevorstehenden neuesten Buches - der „Fröhlichen Wissenschaft“ - machte, aber dies Bekenntnis einige Jahre später zurücknahm und durch ein anderes Motto ersetzte, was aber nicht hieß, dass Emerson inzwischen in Ungnade gefallen wäre.


Wen hatte N je so hoch und so ausdauernd gelobt? Schopenhauer und Richard Wagner nicht! An Allen hatte er über kurz oder lang etwas auszusetzen, zu bemängeln und zu berichtigen! Nur in Emerson hat Er sich zeitlebens wiedergefunden, ihn immer wieder gelesen und sich mit ihm bis zur Verwechselbarkeit identifiziert. Mit so wenigen Einschränkungen, Anpassungen, Verdeutlichungen wie Emerson Ns Ideale beschrieb, so maßlos vorbildlich wollte N selber sein und seinem Vorbild nacheifern, „auf das erfüllet werde, was dort so letztgültig und nachahmenswert geschrieben stand“, - von Ihm - der verstanden hatte wie sonst keiner! - „vor allen Anderen“! Genau so sah er sein „Herrscheramt“ in Vollendung - und auf diese maßlose Weise kam seine sowohl unglaublich ehrgeizig als auch missionarisch gestrickte Seele in ihrem „Mach-es-wie-ich-Gefühl“ auf ihre nicht zu überbietenden Kosten. So wollte N sein, - wie das nicht zu überbietende Ideal, das Emerson in seinen Essays immer wieder mit stürmischer Leidenschaft beschrieben, heraufbeschworen hatte und „an der konkaven Sphäre des Himmels sichtbar werden ließ, wo es eins ist mit dem Umlauf der Sterne! EE.113 - Das war Ns Wunsch, Sehnsucht und innere Überzeugtheit, die ihn auch trieb, sich im Frühjahr 1862, in seinen neuen Grundsätzen in zwei bisher völlig verkannten Jugendaufsätzen über „Fatum, Willensfreiheit und Geschichte“ auszuprobieren und zu demonstrieren, wie problem- und spannungslos er sich vom häuslich christlichen Gott, der nach der bedeutungslosen - ohne annähernd ähnliche Gefühlsaufwallungen über die Bühne gegangenen Konfirmation! - einfach abgelegt worden war, wie ein alter, unansehnlich gewordener, zerschlissener Hut. Aus all diesen Gründen konnte N sich davon problem- und spurenlos lösen, - weil all das N - verglichen mit den Versprechungen Emersons - anstelle „der konkaven Sphäre des Himmels“ nichts weiter zu bieten hatte, als nur die wenig verführerische Wirklichkeit einer „jetztzeitigen“, nichts als jedermann zugängliche Realität bietenden Institution Kirche - die weit weg war von jeder Art selbst betriebenster „Lutherei“!


Dass N - belastet mit der „Hypothek“ seiner vom Vater ererbten „leichten“, tief genug gehenden epileptischen „Anfälle“ - ausgerechnet auf Emersons maßlosesten „Essays“ stoßen musste und von ihm die doch sehr seltsame aber schmeichelhaft wunderbar passende „Erklärung“ dafür erhielt, was es mit seinen ihn in Aufregung versetzenden „Momenten“ 25.8.62 auf sich hätte, war schicksalhaft! Niemand wusste darum! Niemand brauchte es zu wissen! Niemand sollte es wissen! N verschloss Emerson in seinem Herzen und machte ihn zu seinem großen, universalen und bestgehüteten Geheimnis, das sich allerdings in den als so ungeheuer genial erachteten, plötzlich, wie aus dem Nicht heraus, explosionsartig auftauchenden „Jugendaufsätzen“ der Osterferien des Jahres 1862 so deutlich wie sonst kaum, aller Welt - sofern diese nicht schon von N unabhängig von Emerson wusste! - verriet. Allerdings mit dem Zufalls-Vorteil, dass dazumal kaum jemand Emerson ausreichend genug kannte und es somit ziemlich lange dauerte, bis „man“ so nach und nach „dahinterkam“.


Nicht nur auf diese Weise wurde N seinerzeit von Emerson unmittelbar angesprochen. Auch die neben den geschilderten Details um die bewussten Ausnahmemomente in den Schriften Emersons immer wieder vorkommenden Maßlosigkeiten der Ansprüche, die von jedem an das Leben zu stellen wären und angeblich Erfüllung fänden, hatten es N angetan: Das versprach ihm ein Leben „vor allen Anderen“ und in Anwendung aller nur erdenklichen Superlative „im größten Stile“ und mit einem eigenen Sternbild am sich um die Welt bzw. um ihn drehenden Firmament: „es ist mir zu schwer zu leben, wenn ich es nicht im größten Stile tue, im Vertrauen gesagt, mein alter Kamerad! Ohne ein Ziel, welches ich nicht für unaussprechlich [eben superlativ und weit außerhalb von allem Möglichen für] wichtig hielte, würde ich mich nicht oben im Lichte und über den schwarzen Fluten [nämlich ohne sein ihm notwendig gewesenes Zweierleimaß! - oberhalb der gewöhnlichen Masse „der Anderen“!] gehalten haben! Dies ist eigentlich meine einzige Entschuldigung für diese Art von Literatur, die ich seit 1876 [seit seiner Aphoristen-Masche in seinen „Menschliches, Allzumenschliches“-Versionen] mache: es ist mein Rezept und meine selbstgebraute Arznei gegen den Lebensüberdruss [von dem er sich - herausragend aus der Masse! - heilen wollte!]. Welche Jahre! Welche langwierigen Schmerzen! Welche innerlichen Störungen, Umwälzungen, Vereinsamungen! Wer hat denn so viel ausgestanden als ich?“ 15.7.82 Rundweg einmalig! In Allem und Jedem!


Jedoch zurück zu den bis zur Emerson-Begegnung stattgefundenen - ab und an aber wieso und warum? - meistens aus heiterem Himmel heraus vorkommenden, nirgendworan klar definierbaren „Momenten“, über welche - wie beim Vater! - weiter kein Aufhebens gemacht worden war, als sie sich zu ereignen pflegten, denn es war erstens nichts eigentlich Beunruhigendes daran, waren sie doch im Handkehrum wieder vorüber. Die normale Welt ereignete sich danach jeweils fort und nach den Gefühlen, Stimmungen und Entbehrungen dessen, dem so geschah, wurde nicht weiter gefragt. Es war N den es drängte diese Dinge doch irgendwie zu artikulieren; - vor „die Anderen“, um daraus seine ehrgeizbefriedigenden „Zinsen“ zu schlagen! Zweitens war ihrem Inhalt, der gleichsam „einer anderen Welt“ angehörte, mit umgangssprachlichen Worten ohnehin so gut wie unmöglich beizukommen. Und drittens gab es für denjenigen, welcher dergleichen erlebte, - dem Inhalt nach! - zweierlei sehr unterschiedliche bipolare „Stimmungen“, „Zustände“, „Erlebnisformen“ - denn beides waren, den eigenen Empfindungen nach, „Wirklichkeiten“! - von denen sich schwerlich - woran auch? - bestimmen ließ, welche denn - vor allem nach welchem Erklärungsmuster - „wirklicher“ als die Andere wäre, - da es sie beide doch tatsächlich gab!

Beide wurden erlebt, - ohne dass es dazu konkret etwas zu „denken“ gab! - Wenn sich ergab, dass die Eine, voll lichtdurchflutet, ohne Probleme dabei, die „Welt“ mitsamt dem eigenen Ich als Mittelpunkt wesentlich anders erscheinen ließ als die Andere in ihrer alltäglichen Beiläufigkeit der eigenen Person, in der das Ich allenfalls eine periphere Rolle zu spielen hatte, dann konnte nur das reine Gefühl entscheiden, da half kein Verstand: Dann ging es um „angenehmer“ oder „unangenehmer“, um mehr oder weniger spannungsvoll zu Entscheidungen zwingende Stellungnahmen zwischen mehr oder weniger beglückendem „Verstehen“ dessen, was Einen dabei „umgab“ an Zusammenhängen und Zwängen und es wirkte das „Sich-mehr-oder-weniger-sicher-sein“ aus, als Beigabe zu den ohne Krankheitsbewusstsein vorhandenen Gefühlen von Selbstverständlichkeit, Zweifelsfreiheit, Erwartungen und nicht zuletzt von Wohlgefühl als wesentlicher Entscheidungshilfe zur geschmacklichen Gewichtung dessen, was als „das Wichtigere“, Bessere, Eigentlichere, auf der einen Seite den Schwerpunkt und auf der anderen Seite eher das Ungemach „des Lebens“ ausmachen sollte.


Bei N lief - unterstützt durch Emersons Wertung aufgrund einer Vielzahl von Äußerungen - die Entscheidung immer wieder darauf hinaus, dass die für ihn gegebenen „Wirklichkeiten“ der zumeist erhebend beglückenden „Momente“ vorzuziehen waren vor denjenigen einer in vielen Punkten und Hinsichten eindeutig unzufriedenstellend, abscheulich und frustrierend wirkenden Nüchternheit der sich so gut wie jedes Mal - also „normalerweise“! - den phantasielosen Zwängen der Realität beugen müssenden und deshalb unbedingt verbesserungswürdigen „Welt“.


N lieferte und wiederholte ununterbrochen seine Beanstandungen, Kritiken, „Erkenntnisse“ und Änderungswünsche, wie mangelhaft bestellt es mit dieser „Welt“ rund um ihn her doch sei! Wie wenig sie zugeschnitten war auf speziell seine Bedürfnisse, Empfindungen, Wünsche und Wertungen - auf seinen Geschmack letzten Endes! - Das alles lässt kaum einen anderen Schluss verständlich erscheinen, als den, welchen er zog! Schließlich musste ihm von irgendwoher ja stets erneut Veranlassung und vor allem ein „Vergleichsmaß“ für diese elementare Grundhaltung des Anstoßnehmens „dem Leben“ gegenüber zugekommen sein, denn ohne einen gleichsam außerhalb oder neben „diesem Leben“ vorhandenen „Erfahrungsquell“, wäre er schwerlich zu dem ihm nun einmal eigenen Maß an Veränderungs- und Umwertungsbedarf getrieben worden, sondern hätte sich, stattdessen, mangels einer solchen „Extra-Erkenntnis-Quelle“ gefügt, - weil er es nicht anders, nicht „besser“ gewusst hätte und ihm nichts von dem, wonach er sich sehnte, bekannt gewesen wäre!


Nach diesen Gegebenheiten zu schließen, hat es in Ns Leben etwas „Besonderes“, ein zusätzliches, aufstörendes Erfahrungselement gegeben, dass in Form schwer greifbarer „Momente“ letzten Ende unbekannten „Inhalts“ in seinem Wesen wirksam war: - Etwas, das bei ihm - zusätzlich zu seinen „herrscheramtlichen“ Neigungen! - gründlich anders spurte als bei den meisten anderen Menschen! Aus einem völlig durchschnittlich „normalen“ Lebensgefühl heraus kann sich ein unbewusstes Widerspruchsbedürfnis, wie N es an den Tag gelegt hat, schwerlich entwickeln, denn es würde bei „normal“ funktionierender Logik eines unerhörten Aufwandes an Energie bedürfen, die ununterbrochenen Kraftakte einer solchen Widerspruchsexistenz - die ja nicht zum „Nulltarif“ zu haben ist - durchzuhalten! Es brauchte dazu einen stets wieder aufladenden und aufgeladenen Antrieb aus „ewig wiederkehrenden“ Erlebnissen, die immer wieder neu zu ungeduldig grundsätzlichem Widerspruch aufstachelten und motivierten um innerlich zu Zufriedenheit und „Einverständnis“ - zumindest mit sich selbst, wenn eben nicht mit der Welt - gelangen zu können.


Hinweise auf solche - am ehesten wohl mit N „dionysisch“ zu nennenden „Momente“ oder auch ganz schlicht „Zustände“, Zufälle oder „Anfälle“, - gab es bei N in großer Zahl. Sie sind immer versteckt, maskiert, verborgen hinter „etwas Anderem“ - aussprechbaren! - weil sie, zwar vollkommen unvergleichbar mit der „Alltäglichkeit“, dennoch aber mit „gewöhnlichen“ Worten - wenn überhaupt! - nicht zu beschreiben waren: Deshalb treten die Nennungen und Schilderungen als oft recht schwer verständliche „Gebilde“ auf. Von diesen gibt es viele „Arten“. Immer aber geht es um „Momente“, die - wie bei nur sehr wenigen „Anderen“ - auf besondere Art zu den Inhalten von Emersons „Essays“ passend auch zu Ns Leben gehörten:

So gab es für - und bei! - N immer wieder ernsthaft behauptete und niedergeschriebene Sonderbarkeiten wie beispielsweise gewünschte, vorgegebene oder tatsächlich gehabte „Wahrträume“ - im Zusammenhang mit dem Tod des zweijährigen Bruders, den der tote Vater sich in sein Grab geholt hätte und der anderntags tatsächlich starb BAW1.6 - angeblich geträumt 1850, mit knapp 6 Jahren, erinnert und schriftlich belegt aber erst 1858! - sowie 1859, nach Angaben der Schwester, einige Monate vor dem Tod des Großvaters in Form der allein und zurückgeblieben unter den Trümmern des Pfarrhauses in Pobles sitzenden Großmama J1.85.

Außerdem hätte N „Als Kind Gott im Glanze gesehn“ 8.505, dies angeblich zwölfjährig, also 1856 - dokumentiert aber erst 1878, mit einer Verspätung von 22 Jahren! Auch hatte er seine Zustände mit „Blutandrang nach dem Kopfe“ - erstmals beklagt 1862 J1.128 - und unerklärlich unangenehme „häufige Aufregung, in die ich gerate“ 28.8.62, darüber hinaus die Halluzination einer „schrecklichen Gestalt hinter meinem Stuhle“ mit einer „schauderhaft unartikulierten und unmenschlichen“ Stimme: „Ja wenn sie noch redete [im Sinne von „reden würde“], wie Menschen reden!“ BAW5.205 aus der Endzeit seines Studiums beziehungsweise kurz vor Antritt der Basler Professur, aber noch in Leipzig, im Herbst 1868 bis Frühjahr 1869. Dazu notierte N sich vierzehn Jahre später - im Sommer 1883! - noch lebhaft an die Erscheinung dieser „Gestalt hinter dem Stuhl“ erinnert: „Der Furchtsame weiß nicht, was Alleinsein ist: hinter seinem Stuhle steht immer ein Feind“ 10.390 was in seiner Summe doch zu belegen scheint, dass diese „Gestalt hinter seinem Stuhle“ nicht nur eine vorübergehende Erscheinung war. Überdies träumte und erzählte er von zwanghaft zu verschluckenden Kröten und dass er durch seine Hand gleichsam hindurchsehen könnte.


„Für Frau Cosima Wagner“ - und nur ihr, der für N damals zur wichtigsten und zugleich unerreichbarsten Frau der Welt gewordenen, sehr verehrten und heimlich wohl auch „für sie in Liebe erglüht“, also platonisch „geliebten“, auf alle Fälle enorm bewunderten Frau seines derzeitigen Sternen-Freundes Richard Wagner gegenüber, hat N sein Innerstes in einer Offenheit „bekannt“, wie er es erst kurz vor seinem Überschnappen, 1888, in seinem „Ecce homo“, wieder nach außen zu kehren wagte: Hier sprach er zu Weihnachten 1872 ohne Maske frei von der Leber weg von sich und dem, was ihn wirklich bewegte: Er sprach von dem, was ihn mit Notwendigkeit zu seinem Ruhm drängte und unbeabsichtigt auch darüber, warum er etwas liefern musste: Seinen Betrug an der Philosophie, seine Parallelwelt als Zukunftsvision für die ganze Menschheit, - zumindest! Aus dem so offenbarten Grund musste er etwas bereithalten, was so deutlich wie möglich nach etwas aussah, als wären es neue Gedanken, die er sich jedoch alle - von Emerson angeregt! - aus Umkehr und maximaler Umwertung erschuf: Eine gefälschte Welt, in der er als deren Mittelpunkt glänzen und alles überstrahlen konnte!

So überreichte er Cosima, wenig versteckt, beinahe unmaskiert, „in herzlicher Verehrung und als Antwort auf mündliche und briefliche Fragen, vergnügten Sinnes niedergeschrieben in den Weihnachtstagen 1872“ in der ersten von insgesamt „fünf Vorreden zu fünf ungeschriebenen [und nicht zu schreibenden] Büchern“ unter dem ja nur gedachten schwülstigen Titel „Über das Pathos der Wahrheit“ den folgenden, sonderbar eindeutigen Text, der ohne das „Lebensgefühl“ der gewissen, Emerson-nahen „Momente“ nicht wirklich erklärlich ist. Er tat dies im sicheren und unbeirrbaren Glauben daran, von Cosima, der in ihrer von Wagner dominierten Kunstwelt herrschenden „Frau von Welt“ aufs Beste verstanden zu werden, und begann, als ginge es um eine ganz „normale Aussage“ mit einer wie „im Vertrauen“ gestellten Frage:

„Ist der Ruhm wirklich nur der [für N superlativ] köstlichste Bissen unserer Eigenliebe? [damit war N - auf dem kürzesten Wege wieder einmal! - bei dem Thema, das ihn wie nichts sonst in seinem Leben beschäftigt hat: Bei seiner Eigenliebe und der Notwendigkeit seines Ruhmes!] - Er [der Ruhm] ist doch an diese seltensten Menschen [als welchen N sich, von Emersons Erklärungen bestätigt, da längst schon verstand und sah], als Begierde, angeknüpft und wiederum an die seltensten Momente derselben [zu denen man doch, um überhaupt von ihnen reden zu können, aus eigener Erfahrung in irgendeiner Weise „einschlägige“ Kenntnis haben musste, - sonst käme man doch gar nicht darauf!] Dies sind die Momente der plötzlichen Erleuchtungen [in absoluter Wahrheitsgewissheit, wenn der Betroffene „geistig“ beiseitetrat und seine lichtdurchfluteten Allzusammenklänge erlebte!], in denen der Mensch [nach Faser und Maser beispielhaft sein „Herrscheramt“ erlebend!] seinen Arm befehlend ausstreckt, Licht aus sich schöpfend und um sich ausströmend. Da durchdrang ihn [den gerade beschriebenen „seltensten Menschen“, - und N sprach dabei von sich und seiner Erfahrung!] die beglückende Gewissheit, dass das, was ihn so ins Fernste hinaushob und entrückte, also die Höhe dieser einen Empfindung [Empfindung! - es ging ganz klar nicht um Gedanken oder dergleichen! - Es war gefühlt, beruhte auf Empfindung und diese wurde reinweg als so wesentlich erachtet, dass sie] keiner Nachwelt vorenthalten bleiben dürfe; in der ewigen Notwendigkeit dieser seltensten Erleuchtungen für alle Kommenden erkennt der Mensch [das war wieder N selber!] die Notwendigkeit seines Ruhmes; die Menschheit, in alle Zukunft hinein, braucht ihn und wie jener Moment der Erleuchtung der Auszug und der Inbegriff seines [im Superlativ!] eigensten Wesens ist, so glaubt er als der Mensch dieses Momentes unsterblich zu sein, während er alles Andere, als Schlacke, Fäulnis, Eitelkeit, Tierheit, oder als Pleonasmus [in einer rhetorischen Wendung ein eigentlich überflüssiges, wiederholend, nur zur Verstärkung hinzugefügtes Wort, dessen Bedeutung aber schon im Hauptwort enthalten ist; - dass er dies alles, das heißt die reale Welt] von sich wirft und der Vergänglichkeit preisgibt. 1.755


Cosima Wagner hatte dies ausnehmend gefallen, obgleich sich in den gewählten Worten, besonders „während alles Andere, als Schlacke, Fäulnis, Eitelkeit, Tierheit“ und „Vergänglichkeit“ eine ungeheuer vermessene Portion an - jedoch aufgrund von was eigentlich? - ein über alles erhabener Hochmut, eine Verachtung, und überhebliche Lust am Zerstören und Niederreißen aussprach! - Aber so waren viele Personen um N in seiner Zeit. Wären sie anders gewesen, hätte jegliche Gelegenheit gefehlt, sie überhaupt in seinen Umkreis geraten zu lassen.

Dies war ein frühes und zugleich überdeutliches Bekenntnis zu dem übertrieben feierlich vorgetragenen Wahn, der in N damals schon unausgegoren, noch nicht zur Sprache gekommen, wirkte und all sein Tun bestimmte: In jedem Satz, in jedem Wort mit dem er sich seinem ehrgeizigen Lebensziel, seiner unsterblichen Besonderheit, Schrittchen um Schrittchen entgegenschrieb. So etwas sind nicht einfach beiläufig hingemalte Ideale und Träume wie man sie halt mal so haben kann! Dergleichen sind leidenschaftlich beteiligte, geständnishafte Erlebnisbeschreibungen! Allein um damit das für ihn „Wirkliche“ und Wichtige seiner Existenz zu betonen: Preisgegebene eigenste „Realität“ eines höchstpersönlich Betroffenen und zugleich Nähkästchengeplauder aus einem Lebensgefühl, das unverzichtbare Schätze zu hüten glaubte und wegen dieser auf gehörige Bewunderung seitens der Bewundernden, die er - mit Ausnahme von Cosima! - zutiefst zu verachten pflegte, direkt versessen war - und all das ohne schon offen „zuzugeben“, dass er Gott sei, - oder doch schon nahe dabei, es einmal zu werden!


Im „Zarathustra“ gibt es im letzten Kapitel des zweiten Teils - entstanden in der 1. Hälfte des Jahres 1883 - im mit „Die stillste Stunde“ überschriebenen Kapitel, noch eine abwegige und „normalerweise“ völlig unsinnig zu nennende, aber neunmal wiederholte eigenartige Schilderung davon, dass „es ohne Stimme zu mir [also zu ihm, N in Personalunion mit Zarathustra!] sprach“.

In einer Notiz aus dem Sommer 1883 hieß es dazu, sprachlich holprig noch: „Der Zeiger rückte, die Uhr meines Lebens holte Atem: nie hörte ich solche Stille um mich: also dass ich erschrak, [obgleich es sich bei dieser Stille noch nicht um seine „furchtbare Herrin“ - wie sogleich! - gehandelt hatte]. Dann sprach es ohne Sprache zu mir: die Stunde kam dir, Erlösung zu predigen von Erlösern. 10.415, [Da ging es noch nicht um die „Stimme“, sondern um die „Sprache“ selbst, was das eingebildete, das halluzinatorische Element darin noch deutlicher zur Geltung kommen ließ:

Um dieses „Ereignis“ in seiner ganzen Tragweite verstehen zu können, bedarf es der Darstellung der „logischen“ Zusammenhänge innerhalb des Zarathustra-Kapitels. Es beginnt mit den Worten: „Was geschah mir, meine Freunde? Ihr seht mich verstört, fortgetrieben, unwillig-folgsam, bereit zu gehen [wie im Theater abzutreten, am Ende des „zweiten Aufzuges“] - ach, von euch fortzugehen! [Vorhang, gewissermaßen, denn Zarathustra befand sich auf dem Rückzug, um in einem dritten und auch noch einemvierten Teil wiederzukommen.]

Ja, noch Ein Mal muss Zarathustra in seine Einsamkeit: aber unlustig geht diesmal der Bär zurück in seine Höhle! Was geschah mir? Wer gebeut [befahl] dies? - Ach meine zornige Herrin will es so, sie sprach zu mir: nannte ich je euch schon ihren Namen? Gestern gen Abend sprach zu mir meine stillste Stunde [was der Titel dieses Kapitels ist]: das ist der Name meiner furchtbaren Herrin.“

Diese „furchtbare Herrin“, die über N damals herrschte, war seine Idee von der „ewigen Wiederkehr“. So wie er sie im vorletzten Aphorismus des 4. Buches seiner „Fröhlichen Wissenschaft“ der Öffentlichkeit im August 1882 kundgetan hatte. Es war sein unsinnig „großer“, Alles und Alle „zermalmender Gedanke“, der allein mittels dieses beigegebenen Eigenschaftswortes den sprichwörtlicher Weise „alles zermalmenden“ Philosophen Immanuel Kant, 1724-1804, herausfordern sollte. Ns „größtes Schwergewicht“, das ihm „eines Tages oder Nachts ….. in seine einsamste Einsamkeit nachschlich und ihm sagte: „Dieses Leben, wie du es jetzt lebst und gelebt hast, wirst du noch einmal und noch unzählige Male leben müssen ….. Die ewige Sanduhr des Daseins wird immer wieder [wann und von wem nach welcher Entscheidung? - denn eine solche müsste dazu geschehen!] umgedreht - und du mit ihr, Stäubchen vom Staube! [womit eine „Instanz“ vorausgesetzt war, die solches bewirken würde und gegen die eine Beschwerde vorzubringen in den Bereich des Möglichen rücken müsste!] - Würdest du dich nicht niederwerfen und mit den Zähnen knirschen und den Dämon verfluchen, der so redete? ….. Wenn jener Gedanke über dich Gewalt bekäme [als deine „furchtbare Herrin“!], er würde dich, wie du bist, verwandeln und vielleicht zermalmen; die Frage bei allem und Jedem „willst du dies noch einmal und noch unzählige Male?“


Das umschrieb den „geistigen“ und angeblich philosophischen Hintergrund von Ns Wiederkunfts-Idee! Es ging um die „Moral“ der „Ewigen Wiederkehr“! Auf diese vollkommen irreale, unmöglich unsinnige, ja geradezu blödsinnige Idee, dass alles ewig wiederkehren würde, folgt in Zarathustras „stillster Stunde“: „Und so geschah’s, - denn Alles muss ich euch sagen, dass euer Herz sich nicht verhärtet gegen den plötzlich Scheidenden! [dessen letzter Auftritt im zweiten Zarathustra-Teil mit diesem Kapitel enden sollte:] Kennt ihr den Schrecken des Einschlafenden? [dieses alle Glieder durchzuckenden „Zack“?] Bis in die Zehen hinein erschrickt er darob, dass ihm der Boden weicht und der Traum beginnt [denn bei N gab es darüber hinaus noch eine viel wesentlichere Verunsicherung:] Dieses sage ich euch zum Gleichnis. Gestern, zur stillsten Stunde, wich mir der Boden: der Traum begann. Der Zeiger rückte, die Uhr meines Lebens holte Atem -, nie hörte ich eine solche Stille um mich [nie fühlte Er, N - und Zarathustra! - die Macht seiner „furchtbaren Herrin“ - die sein „großer“ übermächtiger „Gedanke“ war - stärker wirken und schlagen!]: also dass mein Herz erschrak. Dann sprach es ohne Stimme zu mir: „Du weißt es, Zarathustra?“

Von der „Ewigen Wiederkehr“ sollte Zarathustra wissen, - so verlangte es hier Ns Dramaturgie! Wie aber konnte es zu einer Formulierung kommen, die da lautete: „dann sprach es ohne Stimme zu mir“, wenn jemandem „Sprache ohne Stimme“ so unbekannt war, wie wohl den meisten Menschen? N war das nicht unbekannt, denn er kannte das sprachlose Sprechen aus der Erfahrung seiner Allzusammenklangs-Momente - und wiederholte diesen für ihn tatsächlich gegebenen Umstand in dem Kapitel noch acht weitere Male als unreflektierte Selbstverständlichkeit!

Bei dem, was der gefragte Zarathustra wissen sollte, ging es um Ns damals zentrale ihn in allem bestimmende Wahn-Idee seiner ungeheuren Lehre der „Ewigen Wiederkehr“ zu der er nach ihrer „Ersterklärung“ im Aphorismus 341 der „Fröhlichen Wissenschaft“ zwar immer wieder Anläufe unternahm, sie von Zarathustra selber noch einmal in vollem Glanz und mit bestmöglicher Wirkung verkünden zu lassen! - Das ihm misslang, obgleich er immer wieder „drum rum“ redete. N konnte seine im 341. Aphorismus erbrachte Darstellung nicht überbieten! Die Tatsache, dass es in Ns „Realität“ eine intensive „Auseinandersetzung“ mit einer „Sprache ohne Stimme“ gab, verrät im Zusammenhang mit seinen Wahrträumen und seinen Halluzinationen eine weitere „geistige“ Abnormität oder ganz vorsichtig ausgedrückt Ungereimtheit in seinem Welterleben, dass von vielerlei Brüchigkeiten angeschlagen war. Das, was N, als übermächtig erlebte Wahn-Idee trieb, erlebte er als Sprache, Anweisung, Befehl - der „furchtbaren Herrin“! - ohne Stimme. - Das entsprach dem erlebten Zwang, etwas ihn fremdbestimmendes auszudrücken, ohne angeben zu können, was dazu der in ihm selbst begründete Anlass war! Denn dieser war in ihm und brauchte, hatte gar keine Stimme und Sprache, sondern wirkte sprachlos, zwanghaft und deshalb auch so erschreckend!


Neben diesem Beispiel gab es in Ns Leben eine Reihe bedenkenswerter - nicht nur flüchtiger! - „Aussetzer“ in Wortbedeutungen wie, am deutlichsten im Frühjahr 1883 in zwei nachgelassenen Notizen, wo N, befangen in hochemotionalen Zusammenhängen, eine eigentümliche Buchstabenfolge bis in den veröffentlichten zweiten Teil des „Zarathustra“ hinein mit einer ungeklärten Bedeutungsschwere versah: Es geht um die Zusammensetzung von vier Buchstaben zu „Alpa“, was sich nicht eigentlich als ein Wort bezeichnen lässt, sondern einen Schrei darstellte: „Alpa! schrie ich, so rede doch Stimme. Alpa! schrie meine Furcht und Sehnsucht aus mir.“ 10.369

Niemand außer N wusste - niemand außer N konnte wissen! - was dieser, sein eigener Schrei - den er Zarathustra in den Rachen steckte! - bedeuten sollte. Auch in Ns Selbstdarstellungen zu „Zarathustra“ ist aus dem Zusammenhang heraus nicht zu erahnen, was dieser Laut bedeuten sollte, - so wenig, wie die dabei genannte „Asche“, die „wer [?] zu Berge“ 4.174 tragen sollte? Dazu kam - auffällig oft! - eine Fülle von nur indirekt greifbaren „Bildern“ und - nur auf übertragene Weise zu verstehenden - Beschreibungen immer wiederkehrenden „Lichtüberflusses“, lauter Situationen, Ereignisse und Selbstdarstellungen in Verbindung mit viel, mit sehr viel überströmendem Licht, mit Blitzen und Flammen im Sinn von Erleuchtung und Erleuchtet-sein, was seinen Sinneseindrücken in seinen erhobenen Momenten entsprochen haben dürfte.


In solchen sprachlichen Wendungen beschwor N für seine Beschreibungen des Außergewöhnlichen, Höherstehenden, im erstrebenswerten Gegensatz zur faden jetztzeitigen bloßen, leicht beschreibbaren Befindlichkeit, immer wieder Bilder, in denen Licht- und Erleuchtungsmetaphern eine ein- und aufdringliche Rolle spielen: z. B.:

„Es ist auch gewiss, dass wir so unsern Verkehr mit diesem Ideale beginnen, mit diesen plötzlichen ‚Abständen von Licht und Dunkel, Berauschung und Ekel“ 1.376, die sich a) als Ideal und b) als Wirklichkeit gegenüberstanden. Oder - 5 Seiten weiter, noch an Schopenhauer orientiert: „So hoch zu steigen, wie je ein Denker stieg, in die reine Alpen- und Eisluft hinein, dorthin wo es kein Vernebeln und Verschleiern [keinen unvoreingenommenen Blick mehr gibt und] die Grundbeschaffenheit der Dinge sich rau und starr, aber mit unvermeidlicher Verständlichkeit [wie im „Zustand“ des erlebten und erinnerten Allzusammenklangs!] ausdrückt! Nur daran denkend wird die Seele einsam und unendlich; erfüllte sich aber ihr Wunsch, fiele einmal der Blick steil und leuchtend wie ein Lichtstrahl auf die Dinge nieder, erstürbe die Scham, die Ängstlichkeit und die Begierde - mit welchem Wort [das N selber nicht zur Verfügung stand!] wäre ihr Zustand zu benennen, jene neue und rätselhafte Regung und Erregtheit, mit der sie dann, gleich Schopenhauers Seele, auf der ungeheuren Bilderschrift des Daseins liegen bliebe, nicht als Nacht, sondern als glühendes, rot gefärbtes, die Welt überströmendes Licht“. 1.381

So formuliert 1874 in Ns vergötternd anbetender, seine ersten beiden Emerson-Zitate enthaltender Schrift über den von ihm vollständig missverstandenen Philosophen Arthur Schopenhauer, 1788-1860, in den N sich hineininterpretiert hatte, aber bald darauf beschloss, ihn fast vollständig aus seinem ihn Anerkennen herausfallen zu lassen.


Es gibt von dieser Art dunkler, eigentlich unverständlicher Berichte noch mehr, zum Beispiel in der „Fröhlichen Wissenschaft“, im August 1882 erschienen: Mit beigegebenen aphorismenartigen Gedichten unter dem Titel „Scherz, List und Rache“, wo es in Nr. 62 mit „Ecce homo“ - [seht, welch ein Mensch!] betitelt heißt: „Ja! Ich weiß woher ist stamme! Ungesättigt gleich der Flamme Glühe und verzehr ich mich. Licht wird Alles, was ich fasse, Kohle Alles, was ich lasse: Flamme bin ich sicherlich.“ 3.367 Eigentlich müsste es ja heißen: Es wird „Asche Alles, was ich lasse“ oder zumindest Verkohltes, - denn keine Flamme der Welt lässt letztlich „Kohle“ zurück, aber das gehört zu Ns immer wieder vorkommenden unrealistischen Wahrnehmungen der ihn umgebenden Wirklichkeit. Sich selbst aber in einem so gelungenen, ja geradezu ergreifenden Gedicht auf diese Weise zu beschreiben, bedarf eindeutiger Erfahrung, aus denen diese Wortzusammenstellungen stammen. Einem Normalsterblichen gelingt dergleichen nicht. Es fehlen jedenfalls dahingehende, entsprechende Beispiele!


Auch im 293. Aphorismus der „Fröhlichen Wissenschaft“ schrieb N - wieder aus seinem ihm seelisch selbstverständlichen „Standpunkt“ heraus gesehen: „Was können wir dafür, dass wir für die ….. reine Luft geboren sind, wir Nebenbuhler des Lichtstrahls und dass wir am liebsten auf Ätherstäubchen, gleich ihm, reiten würden und nicht von der Sonne weg, sondern zu der Sonne hin! Das aber können wir nicht: - so wollen wir denn tun, was wir einzig können: der Erde Licht bringen, „das Licht der Erde“ sein!“ - Geschrieben Ende 1881 bis Anfang 1882.

Oder: Ein Ungestilltes, Unstillbares ist in mir; das will laut werden ….. Licht bin ich: ach, dass ich Nacht wäre! Aber dies ist meine Einsamkeit, dass ich von Licht umgürtet bin. Und dort auch: Aber ich lebe in meinen eignen Lichte, ich trinke die Flammen in mich zurück, die aus mir brechen. 4.136

Und ebenso: „Nacht ist es: ach dass ich Licht sein muss! Und Durst nach Nächtigem! Und Einsamkeit!“ 4.138 aus dem „Nachtlied“ des 2. „Zarathustra“, geschrieben in der ersten Hälfte des Jahres 1883.

Oder, ebenfalls aus „Zarathustra“, dem 3. Teil, aus der zweiten Hälfte des Jahres 1883. Da heißt es unter dem Titel „Vor Sonnenaufgang“, also ist nicht die Sonne gemeint: Oh Himmel über mir [eine Anspielung auf den für N damals auf besondere Weise wichtigen „kategorischen Imperativ“ des echten Philosophen Immanuel Kant?], du Reiner! Tiefer! Du Licht-Abgrund! Dich schauend schaudere ich vor göttlichen Begierden. In deine Höhe mich zu werfen - das ist meine Tiefe!“ 4.207

Und des Weiteren: „Bist Du nicht Licht zu meinem Feuer? Hast du nicht die Schwester-Seele zu meiner Einsicht?“ 4.207 Ebenso: „Ich aber bin ein Segnender und ein Ja-Sager, wenn du nur um mich bist, du Reiner! Lichter! Du Licht-Abgrund! - in alle Abgründe trage ich da noch mein segnendes Ja-sagen.“ 4.209 Und ebendort im Kapitel „Von der großen Sehnsucht“: „O meine Seele, ich gab dir das Recht, Nein zu sagen wie der Sturm und Ja zu sagen wie offener Himmel Ja sagt: still wie Licht stehst du und gehst du nun durch verneinende Stürme.“ 4.278

Im letzten Kapitel des 3. „Zarathustra“-Teils, überschrieben „Die sieben Siegel“, einem „brünstigen“ Liebeslied an die Ewigkeit schrieb N: „Wenn ich ein Wahrsager bin [denn N war willens, seine Einfälle und Ideen als letztlich einzig wirkliche Wahrheiten auch zu beweisen! - davon träumte er!] und voll jenes wahrsagerischen Geistes, der auf hohem Joche zwischen zwei Meeren wandelt, zwischen Vergangenem und Zukünftigem [für welche N Jahrtausende lang gelten wollte!] ….. zum Blitze bereit im dunklen Busen und zum erlösenden Lichtstrahle, schwanger von Blitzen, die Ja! sagen, Ja! lachen, zu wahrsagerischen Blitzstrahlen: - - selig aber ist der also Schwangere [d.h. N persönlich]! Und wahrlich, lange muss als schweres Wetter am Berge hängen, wer einst das Licht der Zukunft zünden soll! 4.287 Und daraus auch noch kündete von und über ihn: „Wenn ich je stille Himmel über mir ausspannte und mit eignen Flügeln in eigne Himmel flog: Wenn ich spielend in tiefen Licht-Fernen schwamm und meiner Freiheit Vogel Weisheit kam: -“ 4.291


Für all das, was N mit seinen „Lichtworten“ mühsam be- und umschreibend zum Ausdruck zu bringen versuchte, gab es keine anderen Worte als die, welche seinem Erleben entstammten. Er hätte sonst gar nichts von dem berichten können, was ihn so tief bewegte und für ihn - wie Emerson anfänglich geschrieben hatte! -, die höhere „Autorität“ besaß und dem Entrückt-Sein seiner erlebten „Momente“, die zu Emersons Ausführungen passten, entsprechen musste. Wer wäre sonst in der Lage solche Sprüche aus dem Wortschatz zu heben, wenn er die „lichtdurchfluteten“ Momente derart „weggetretener“ Augenblicke nicht aus eigenem Erleben, aus eigener Erfahrung kannte? Wer kommt darauf, anderen - die von derlei schwerlich eine Ahnung haben können! - auf diese Weise etwas von für besonders wichtig und ideal gehaltenen Zuständen zu erzählen? N war des Glaubens, dass er mit diesen - ihn adelnden, ihn hervorhebenden, ihn zur Führerschaft bestimmenden! - „Erklärungen“, die keine waren, würde verstanden werden. Dabei steckte all das voller psychologischer Rätsel und macht innerhalb herkömmlicher, nicht durch Gefühle verbogener, schlicht und nüchterner - nicht zu verstiegener „Poetik“ neigender! - „Zwei-mal-zwei-gleich-vier-Logik“ keinen Sinn: Mit den gleichnisartigen Verbildlichungen, die N für das lieferte, worüber er sich mitteilen wollte, halbehrlich, ohne erkennen zu lassen, worum es ihm wirklich ging, - damit öffnete er für jedermann beliebige Möglichkeiten, sich mit eigenen Inhalten in seine Schriften hineinzuinterpretieren und am „Reck“ des Vieldeutigen eigene Gehirnakrobatiken vorzuführen, - während es N doch zweifellos nur darum gegangen war, „höhere“, für ihn geltende, gleichsam metaphysische Wahrheiten vorzutragen! - und sich beispielhaft belobigt als das Eigentliche - auf das es ankäme! - darzustellen; - auch wenn das Erstrebenswerte letztlich ohne Nutzen für das wirkliche Leben war: Nur hoch subjektive Theorie, Phantasie, romantische Sehnsucht, - kurz Flucht aus der Wirklichkeit, die mit derlei „Metakrempel“ nicht das Geringste zu schaffen hat. Im „Zarathustra“, dem wild gewordenen Traumgebilde Ns, - seiner „Dichtung“, seinem „Kunstwerk“, seiner - wie Er glaubte! - Verwirklichung dessen, wovon er träumte, in dem er sich - jenseits sowohl von Gut und Böse als auch jeglicher Logik! - ausgetobt hatte in seinem Züchtungswillen eines unruhig umher rennenden „Übermenschen“, - da häufen sich diese Beispiele, die es aber auch zuvor schon hinter anderen Worthülsen gab.


In der dritten Fortsetzung, in Teil 4 des in seinen 3 Teilen bereits ziemlich erfolglos gebliebenen „Zarathustra“, für den sich dann kein Verleger fand, so dass N ihn in 40 Exemplaren auf eigene Kosten drucken ließ - um von ihm loszukommen! - findet sich aus der zweiten Hälfte des Jahres 1884 noch ein Beispiel, aber schrill geworden, verkrampft, gereizt, im ziemlich in der Mitte stehenden Kapitel „Vom höheren Menschen“, wo es unter Punkt 7 heißt: „Es ist mir nicht genug, dass der Blitz nicht mehr schadet ….. meine Weisheit sammelt sich lang schon gleich einer Wolke, sie wird stiller und dunkler. So tut [schafft?] jede Weisheit, welche einst [wie er es beabsichtigte!] Blitze gebären soll. Diesen [von ihm verachteten!] Menschen von Heute will ich nicht Licht sein, nicht Licht heißen. Die - will ich blenden: Blitz meiner Weisheit [die dafür aber nicht weise genug gewesen zu sein scheint!]! Stich ihnen die Augen aus!“ 4.360

Mach sie blind, damit ich sie leichter führen und verführen kann? Mit dieser Aussage versiegte die immer rauschhafter auftretende Benutzung der Licht-Metaphern. Es gibt danach kaum noch weitere. 1884 war N „geistig“ und „seelisch“ so weit enthemmt und auf der „Höhe“ eines sich nicht mehr zum Begründen verpflichtet fühlenden Freiwegbehauptens angelangt, dass er gar nicht mehr auf die Idee kam, sich Mühe machen zu müssen, für die Richtigkeit seines Dafürhaltens „vernünftig erscheinende“ Gründe, Argumente und schon gar Beweise anzuführen; - das hatte er eh nie wirklich getan, aber sich zumindest um den Anschein Mühe gegeben! So kam schließlich seine oben gemachte Aussage zustande, dass er „diesen Menschen von Heute“ nicht „Licht“ sein wollte. Stattdessen erwachten Rachegefühle in ihm und entluden sich im überhaupt nicht in Frage zu stellenden „Blitz meiner Weisheit! Stich ihnen die Augen aus!“, - denn da blieb ihm, statt zu überzeugen, nur die totalitäre Gewalt, zu „blenden“!


Die auf diese Weise von sich sehr eingenommene Position, Mittelpunkt aller Wahrheit zu sein, betonte N noch einmal in seinem nach den vier Teilen des „Zarathustra“, im Frühjahr 1886 fertig gewordenen, wieder zu seinen geliebten Aphorismen zurückgekehrten „Jenseits von Gut und Böse“, wo er unter der Nummer 260 verlauten lässt: „Im Vordergrund steht das Gefühl der Fülle, der Macht, die überströmen will, das Glück der hohen Spannung, das Bewusstsein eines Reichtums, der schenken und abgeben möchte …..“ 5.209 in missionarischer Überzeugtheit von seinem einzig richtigen Tun; - formuliert aus dem gleichen unerschütterlichen und in keiner Weise durchdachten Gefühl, wie zuvor die Berichte und Beispiele von Licht und Erleuchtung.


Zwei im Jahr 1886 verfasste „Vorreden“ enthalten noch einmal Beschreibungen von lichtvollen Augenblicken: Durch einen nach langen Streitereien erreichten Verlegerwechsel ergab sich für N die Gelegenheit, die vielen unverkauften, noch auf Lager liegenden Exemplare seiner Schriften mit neuen Vorreden zu versehen und so aufgefrischt und mit Neuigkeiten versehen dem Markt wieder zuzuführen. Es heißt da, zu seinem ersten Aphorismenwerk „Menschliches, Allzumenschliches“ aus den Jahren 1878 und 1879:

Von dieser krankhaften Vereinsamung [in die N seit der 1879 erfolgten Aufgabe seiner Basler Professur auf der vergeblichen Suche nach einer kopfschmerzfreien Lebensform unter unbewölktem Himmel geraten war!], von der Wüste solcher Versuchs-Jahre ist der Weg noch weit bis zu jener ungeheuren überströmenden Sicherheit und Gesundheit [in die ihn, wie er meinte, inzwischen seine angeblichen „gedanklichen Erfolge“ geführt hätten], welche der Krankheit selbst nicht [völlig, oder eher kaum] entraten mag, als eines Mittels und Angelhakens der Erkenntnis, bis hin zu jener reifen Freiheit des Geistes [die ihm aber doch nur in einem engen Rahmen rund um Emersons Grundlinien vorgegeben war!], welche ebenso sehr Selbstbeherrschung und Zucht des Herzens ist und die Wege zu vielen entgegengesetzten Denkweisen [in ungelösten Widersprüchen] erlaubt -, bis zu jener inneren Umfänglichkeit und Verwöhnung des Überreichtums, welche die Gefahr ausschließt, dass der Geist sich etwa selbst in die eigenen Wege verlöre und verliebte und in irgendeinem Winkel [von sich selbst] berauscht sitzen bliebe, bis zu jenem Überschuss an plastischen [gestaltbaren], ausheilenden, nachbildenden und wiederherstellenden Kräften, welcher eben das Zeichen der großen Gesundheit ist [in die N sein Elend so gerne umdeutete], jener Überschuss, der dem freien Geiste das gefährliche Vorrecht gibt, auf den Versuch hin zu leben und sich dem Abenteuer anbieten zu dürfen: das Meisterschafts-Vorrecht des freien Geistes [vor allen anderen Menschen, - wohlbemerkt!]! ….. Es gibt einen mittleren Zustand darin, dessen ein Mensch solchen Schicksals [wie dem seinen nämlich!] später nicht ohne Rührung [und Selbstmitleid] eingedenk ist: ein blasses feines Licht und Sonnenglück ist ihm zu eigen, ein Gefühl von Vogel-Freiheit, Vogel-Umblick, Vogel-Übermut [aus hochfliegender Perspektive!], etwas Drittes, in dem sich Neugierde und zarte Verachtung gebunden haben …. 2.17f

So wollte N sich sehen und so wollte er - unabhängig von allem! - letztlich streng nach dem, wie es bei Emerson geschrieben stand! - auch gesehen werden!


In der ziemlich gleichzeitig entstandenen nachträglichen Vorrede zu seinem eigentlich gekonntesten Werk, der „Fröhlichen Wissenschaft“, aus der Zeit 1881/1882, die er mitsamt dieser Vorrede durch ein zugleich angehängtes 5. Buch aber ihres eigentlichen Reizes beraubte, schrieb er hochgestimmt und auf einen nunmehr fälligen Erfolg hoffend:

Leben - das heißt für uns [für ihn und allenfalls so etwas Unvorstellbarem wie seinesgleichen!] Alles, was wir sind, beständig in Licht und Flamme verwandeln, auch Alles, was uns trifft, wir können gar nicht anders. Und was die [Ns ganzes Leben beeinträchtigende] Krankheit angeht: würden wir nicht fast zu fragen versucht sein, ob sie [die Krankheit? - seine Krankheit?] nicht überhaupt entbehrlich ist? Erst der große Schmerz [sein Schmerz!] ist der letzte Befreier des Geistes, als Lehrmeister des großen Verdachtes, der [in hellem Umwertungseifer!] aus jedem U ein X macht ….. 3.350

Was wieder eine Umwertung und ein Widerspruch war, weil gemeinhin nach Sprachgebrauch die Verdrehung das X betrifft, für das man sich kein U vormachen lassen sollte! Wieder gab es keine Begründung dafür, warum das tatsächlich so sein sollte oder gar so sein müsste, N aber in verwirrend freier Vermischung von „Geist“, Gefühl, Schmerz und Gedanke, es für richtig hielt, obgleich Er nicht mehr erlebte, als eben die Konstellation seiner Statur - in Anlehnung an Goethes „Urworte, orphisch“, aus dem Gedicht „Daimon“: „nach dem Gesetz, wonach du angetreten, so musst du sein, dir kannst du nicht entfliehn“.

Zwei Seiten weiter heißt es noch: „Diese Griechen waren oberflächlich - aus Tiefe! Und kommen wir nicht eben darauf zurück, wir Waghalse des Geistes, die die höchste und gefährlichste Spitze des gegenwärtigen Gedankens erklettert und uns da umgesehen haben, die wir von da aus [von seinem immerwährenden „Oben“] herabgesehen haben? [Auf „die Anderen“, - wie schon von den Höhen der Schönburg hinunter, vor dazumal dann rund 28 Jahren]? Sind wir nicht eben darin - Griechen?“ 3.352

Das war durchaus gekonnt formuliert! Aber die überragende Formulierung war auch alles. Mehr ist an diesen Sprüchen nicht dran. Man hüte sich, die Inhalte für das zu nehmen, was N damit zum Ausdruck zu bringen beabsichtigt hat! Sie führen nur bis zu ihm hin und keinen Millimeter über ihn hinaus, denn sein „Herrschaftsamt“, seine Besonderheit plus ein Idealbild der Griechen und die Bewunderung und die Ablehnung von Schopenhauer und Wagner: Das war einschließlich eines sich steigernden Hasses auf das Christentum die erstaunlich enge Welt, in welcher N um sich selber kreiste und sich - hauptsächlich darin! - verausgabte und erschöpfte.


Aus dem Jahr davor, Juni oder auch Juli 1885, nach der Abwendung von seinem „Zarathustra“ entstanden, gibt es eine nachgelassene Notiz, die ebenfalls deutlich von seinen besonderen „Momenten“ berichtet, ja, es ist fast so, als ob die Notiz geradezu aus und in solchen „Momenten“ entstanden wäre! - jedoch ohne noch einmal die Licht-Metapher zu bemühen. Es heißt da, von sich selbst überzeugt wie bis dahin noch nie:

Und wisst ihr auch, was mir „die Welt“ ist? Soll ich sie euch in meinem Spiegel zeigen? [So fragte N sich - nicht den Leser! - und antwortete gleich darauf, - von keinerlei Zweifel dabei getrübt:] Diese Welt: ein Ungeheuer von Kraft [auch dieser Begriff war in dem Sinn, in dem N ihn gebrauchte, so gut von Emerson vorgegeben, so wie aufgebracht von einer Welle manischen Hochgefühls!], ohne Anfang, ohne Ende, eine feste, eherne Größe von Kraft, welche nicht größer, nicht kleiner wird, die sich nicht verbraucht, sondern nur verwandelt, als Ganzes unveränderlich groß, ein Haushalt ohne Ausgaben und Einbußen, aber ebenso ohne Zuwachs, ohne Einnahmen, vom „Nichts“ umschlossen als von seiner Grenze [was nichts als unlogisch leeres Gerede war!], nichts Verschwimmendes, Verschwendetes, nichts Unendlich-Ausgedehntes, sondern als bestimmte Kraft einem bestimmten Raum eingelegt und nicht einem Raume, der irgendwo „leer“ wäre, vielmehr als Kraft überall, als Spiel von Kräften und Kraftwellen zugleich Eins und „Vieles“, hier sich häufend und zugleich dort sich mindernd, ein Meer in sich selber stürmender und flutender Kräfte, ewig sich wandelnd, ewig zurücklaufend, mit ungeheuren Jahren der Wiederkehr, mit einer Ebbe und Flut seiner Gestaltungen, aus den einfachsten in die vielfältigsten hinaustreibend, aus dem Stillsten, Starrsten, Kältesten [lauter Superlativen!] hinaus in das Glühendste, Wildeste, Sich-selber-Widersprechendste [in lauter weitere Superlative, die weder gedanklich noch sprachlich zu überbieten waren!] und dann wieder aus der Fülle heimkehrend zum Einfachen, aus dem Spiel der Widersprüche zurück bis zur Lust des Einklangs, sich selber bejahend noch in dieser Gleichheit seiner Bahnen und Jahre, sich selber segnend als das, was ewig wiederkommen muss, als ein Werden, das kein Sattwerden, keinen Überdruss, keine Müdigkeit kennt -: diese meine dionysische Welt des Ewig-sich-selber-Schaffens, des Ewig-sich-selber-Zerstörens, diese Geheimnis-Welt der doppelten Wollüste, dies mein Jenseits von Gut und Böse, ohne Ziel, wenn nicht im Glück des Kreises ein Ziel liegt, ohne Willen, wenn nicht 11.610f [und ab hier gibt es von dem in lauter Superlativen atemlos Dahinjagenden zwei Versionen! Zuerst die gestrichene! - Also „wenn nicht“:] ein Ring guten Willens ist, auf eigner alter Bahn sich immer [wie N selber!] um sich und nur um sich zu drehen: diese meine Welt, - wer [von den unwissenden, verachteten Anderen!] ist hell genug dazu, sie zu schauen, ohne sich Blindheit zu wünschen? Stark genug, diesem Spiegel seine Seele entgegen zu halten? Seinen eignen Spiegel, den Dionysos-Spiegel? Seine eigne Lösung dem Dionysos-Rätsel? Und wer das vermöchte, müsste er dann nicht noch mehr tun? Dem „Ring der Ringe“ sich selber anverloben? Mit dem Gelöbnis der eignen Wiederkunft? Mit dem Ringe der ewigen Selbst-Segnung, Selbst-Bejahung? Mit dem Willen zum Wieder-und-noch-ein-Mal-Wollen? Zum Zurück-Wollen aller Dinge, die je gewesen sind? Zum Hinaus-Wollen zu Allem, was je sein muss? Wisst ihr nun, was mir die Welt ist? Und was ich will, wenn ich diese Welt - will? - - 14.727

Oder - nachdem er erkannt hatte, dass das denn doch unhaltbar und irre war, ließ er es weg und notierte stattdessen, wesentlich kürzer und „diesseitiger“ wieder, verständlicher, - nach dem „wenn nicht“:

ein Ring zu sich selber guten Willen hat, - wollt ihr einen Namen für diese Welt? [der losgelassenen und koboldig wild gewordenen Superlative und in Vereinheitlichung zusammenklingenden Widersprüche?] Eine Lösung für alle ihre [von N so vielfach unverstandenen] Rätsel? ein Licht auch [in bewährt kumpelhafter Übereinstimmung mit den sich dazuzählen wollenden Lesern!] für euch, ihr Verborgensten, Stärksten, Unerschrockensten, Mitternächtigsten? - Diese Welt ist der Wille zur Macht - und nichts außerdem! Und auch ihr selber seid dieser Wille zur Macht - und nichts außerdem! 11.610f [weil dies das für N Wichtigste - „und nichts außerdem! - war!]


In dem von sich selber berauschten Wortschwall dieser Notiz erlebt der spät erst dazu gekommene Leser wie der sonst so redegewandte N im Grunde genommen stammelt! Hier versuchte N in geradezu trunkenem Gefühlsüberschwang zu beschreiben, was mit den verfügbaren Worten einer Sprache eigentlich nicht allgemeinverständlich zu beschreiben ist! Die sonst glänzende Rhetorik ist gebrochen, verwirrt, überladen und in sich widersprüchlich. Damit wurde offenbar, dass N unhaltbaren Unsinn von sich gab! - was ausreichend Grund war, diesen überladenen und deshalb verräterischen Text nicht zu veröffentlichen. -

Worüber redete N hier verworren in lauter Superlativen aus äußersten und entzückten Erlebnissphären? Er wusste genau wovon er sprach, aber ihm fehlten die dazu gehörenden schlagkräftig beschreibenden Worte, mit denen er sonst so sicher zu jonglieren verstand. Hier berichtete er so deutlich es ihm nur möglich war über die „Wirklichkeit“ seiner „erhobenen Augenblicke“, über das, was er dabei erlebte, zu dem es aber im Rahmen der Normalität einer Verständigung über das, was alle so ungefähr gleichartig erleben, empfinden, sehen, hören und sich gefühlsmäßig davon bewegen lassen, keine fest umrissenen Begriffe gibt - das heißt:, dass auch ihm keine Worte verfügbar waren! - Deshalb die eigentlich sinnlose Flucht in allgemeine Superlativierungen, denn die Normalität der Worte reichte nicht aus, sich kurz und bündig nachvollziehbar verständlich zu machen. Der Bedarf für solcherlei Worte hat seit ewigen Zeiten gefehlt. Sie sind nicht „entwickelt“ worden und nicht „in Umlauf“ gekommen, weil das dort Geschehende den weitaus meisten Menschen unbekannt und deshalb unzugänglich war. Deshalb fehlten N in seinen verstiegenen Momenten feststehende, allgemeinverständliche Begriffe und Chiffren!

Der Umstand, dass N sich mit nicht speziellem, sondern nur allgemeinverständlichem Vokabular behelfen musste, um seine Augenblicke des „Allzusammenklangs“ zu beschreiben, - aber dies nicht wie sonst immer „ohne Weiteres auf die Reihe bekam“, weil die irreale Gleichzeitigkeit von Allem und Nichts, Ebbe und Flut, Oben und Unten und von allem Widersprüchlichen und Gegensätzlichen überhaupt, - so wie er es „erlebte“! - sich nichts „vereinheitlicht“ und in gewohnter Weise überzeugend formulieren ließ! Das offenbart das Fragwürdige dieses „durchgebrannten“ Wortschwalls. - Der fehlende Wirklichkeitsbezug, dem alle „Probleme“ Ns überlassen blieben, wurde deutlich: wie auch Ns fehlende Kraft für die Lösung der von ihm angerissenen „Menschheitsfragen“, für die er gar nicht zuständig sein konnte; - so wenig etwa, wie ihm bei seinen Problemen mit der Welt „der Anderen“ zu helfen war.

Über den von N zusammengeschriebenen Unsinn nicht stutzig zu werden, auch an dem, was Emerson mitzuteilen hatte und was bei N schließlich und endlich daraus werden sollte; - dazu gehört eine wahnsinnige, gegen die Wirklichkeit anflutend immune „Kraft“. - Das auszuhalten, durchzustehen und sich nicht beirren lassen von dem, was sich schwerlich bemessen lässt und für N, der so gerne abwertend kritisierte ein enormes Gegengewicht bedeutet haben muss, gegen die ihm so wenig zusagende und deshalb so herzlich verachtete Welt, - vor der er letztlich doch kapitulieren musste - indem er voller Pathos, Begeisterung und „Selbstsicherheit“ - für sich selbst! - zu eigenem Gebrauch und zu eigener Freude! - diesen Unsinn schrieb! - dazu gehört in der Tat ein gerüttelt Maß einer ihm ähnlichen Mentalität, die eigenen Wunschvorstellungen vor allem anderen walten zu lassen.

Die N in allem - auch im Sprachlichen! - eignende Unbedenklichkeit ließ ihn für den Moment faszinierende Wortflüsse schaffen. Man staunt, was man mit geschickt gesetzten Worten als „Könner“ nicht alles wirkungsvoll zustande bringen kann! Was aber enthalten diese unaufhaltsam, atemlos und betören wollenden, wasserfallartig daher fließenden Folgen von Worten? - Nichts! - Gar nichts, was mit der Realität des Lebens - bis auf seltenste und zumeist krankhafte Ausnahmefälle, die dafür aber mit vielen wichtigeren „Dingen“ des Lebens nicht mehr zurechtzukommen vermögen! - zu schaffen hat! - Nur um dies zu erkennen lohnt es, über sie nachzudenken: Sie geben nichts weiter preis, weil N in seinem Rausch versuchte, absolut Alles in diesen Text hinein zu zwingen: Alles, was - wie die Zustände in den Allzusammenklangsmomenten! - gar nicht beschreibbar ist! Dieser Text beruht auf Gefühlen des Zusammenklangs von etwas, was in der Realität nicht zusammenpassen und -klingen kann. Da redete einer von etwas, das er zwar tatsächlich erlebt zu haben glaubte, - selber aber gar nicht verstanden hatte, - wie seine Wahrträume, seine Halluzinationen, seine Idealvorstellungen, - die alle auf „vollkommene“ Weise nur auszudrücken waren in widersprüchlichsten Bildern aus seiner „dionysischen Welt“ einer unwirklichen Selbstzufriedenheit, in der ihm alle Welträtsel gelöst erschienen, dies aber im Geringsten nicht wirklich waren!


Wenige Wochen vor diesem Wortschwall um nichts, im Zeitraum April bis Juni 1885 - 24 Jahre nach der ersten Bekanntschaft mit Emerson! - notierte sich N etwas, das sicherlich in seelischem Zusammenhang mit seinen Zuständen und mit Emerson zu sehen ist. Er schrieb:

Als ich jung war [etwa 17 Jahre alt, sollte das wahrscheinlich heißen: 1861! - Das war in etwa die Zeit der Emerson-Infektion!], bin ich einer gefährlichen Gottheit begegnet und ich möchte Niemandem das wieder erzählen, was mir damals über die Seele gelaufen ist - sowohl von guten als von schlimmen Dingen [denn diese war geheim und fest in seinem Herzen verschlossen!]. So lernte ich bei Zeiten schweigen, so wie, dass man reden lernen müsse, um recht zu schweigen: dass ein Mensch mit Hintergründen Vordergründe [sprich „Masken“!] nötig habe, sei es für Andere, sei es für sich selber: denn die Vordergründe sind einem nötig, um von sich selber sich zu erholen und um es Anderen möglich zu machen, mit uns zu leben. 11.498

Damit könnte der in Sachen Emerson so verschlossene und so eisern verschwiegene N gut und gerne seine Begegnung mit seinem Abgott und seine auf Verschwiegenheit angelegte Stellung zu diesem beschrieben haben, - denn welche „gefährliche Gottheit“ - der er später, da er von ihr berichten wollte, den Namen des „Dionysischen“ gab! - sollte er sonst gemeint haben, da es für ihn keine Emerson vergleichbar bedeutsame „Gottheit“ gegeben hat? Wenn es „Jemanden“ anderes gab, der so lange „danach“ noch zu beschreiben und in Erinnerung zu bringen war, wer sollte es gewesen sein? N hat ihn nie genannt. Er vergrub den Namen dieses „Gottes“, den er freilich niemals ohne Schaden zu nehmen, als lediglich einen amerikanischen Prediger „verraten“ oder ruchbar werden lassen konnte! Deshalb blieb nur konsequentes, verkniffenes, verklemmtes und vielleicht auch „philosophisches Schweigen“ um hinter seiner Maske als Philosoph angesehen werden zu können! Schließlich hatte N Emersons „Heiligkeit“ - seit Nürnberg! - viel „Wahrheit“, viel „Weisheit“ über seine eigene Existenz zu verdanken!


Es existiert noch ein aufschlussreiches Stück Text von N welches erstmals in der ersten gründlich kritischen Ausgabe nach dem Tod der Schwester Elisabeth von Karl Schlechta herausgegeben worden ist und lautet:


Zu den höchsten und erlauchtesten Menschen-Freuden, in denen das Dasein [sich selbst erhöhend!] seine eigene Verklärung feiert, kommen, wie billig, nur die Allerseltensten und Bestgeratenen [zu denen N sich allerdings zählte, sonst wäre er nicht darauf gekommen, davon auf diese Weise Kunde zu geben!]: und auch diese nur, nachdem sie selber und ihre Vorfahren [Ns pastorale Ahnenreihe mit etlichen höchst fragwürdigen Figuren dazwischen!] ein langes vorbereitendes Leben auf dieses Ziel [auf ihn!] hin [wie sollte das geschehen sein? Hier unterstellte N der Vergangenheit, was er für die Zukunft - den Übermenschen zu züchten! - selber in Angriff genommen zu haben glaubte] und nicht einmal im Wissen um dieses Ziel, gelebt haben ….. diese ganze lange ungeheure Licht- und Farbenleiter des Glücks [hinauf zum Über- und Über-über und dann zum Über-über-übermenschen! - von dem er gar keine Ahnung haben konnte!] nannte der Grieche, nicht ohne die dankbaren Schauder dessen, der in ein Geheimnis eingeweiht ist [so, wie N glaubte, es zu sein!], nicht ohne viele Vorsicht und fromme Schweigsamkeit - mit dem Götternamen: Dionysos. - Was wissen denn alle neueren Menschen, die Kinder einer brüchigen, vielfachen, kranken, seltsamen [und für N so verachtungswürdigen!] Zeit, von dem Umfange des griechischen Glücks, was könnten sie davon wissen! Woher nähmen gar die Sklaven der „modernen Ideen“ [deswissenschaftlichen, an der Wirklichkeit orientierten Denkens!] ein Recht zu dionysischen Feiern! 11.680


Das ist ohne Frage ureigenste N-Formulierung im Original. Aber was wusste N davon mehr, als dass er das alles seinen Lesern als Gefäß für seine Illusionen vor Augen hielt und behauptete, dass Er davon wüsste, wo er de facto doch wieder einmal nur von sich und seinen Empfindungen sprach? Das alles beschrieb persönliche Erlebnisse und „Wirklichkeiten“, die für N ungeheuer bedeutungsvoll waren, aber außerhalb seiner Existenz nur als Metaphern, als blasse, den wahren Gehalt verschweigen müssende Gleichnisse vorzubringen waren und „erklärend wirkten“, während sie sein Leben lang für ihn Gültigkeit besaßen, - gemäß der Empfehlung von Emerson, dass „eine Stunde unseres Lebens verschieden ist von der andern in ihrer Autorität und mithin auch in ihrer Wirkung.“ EE.196


Wenige Wochen bevor sich Ns Geist in den ersten Tagen des Jahres 1889 vollends verwirrte und sein Wahnsinn nicht mehr unter geschmeidigen Formulierungen verborgen zu halten war, schrieb er seine letzte eindeutig in dem hier nach Emersons Vorgaben schon in früheren Ausprägungen vorgeführten Sinn. Es heißt da, nach seinem Geburtstag am 15. Oktober 1888, in zwei Absätzen, die sich ergänzen:

Ein Distanz-Gefühl [des Anders-Sein, des Anders-Erleben,] das zuletzt physiologisch [zu den, vor allem seinen Lebensvorgängen zugehörig] sein möchte[,] bin ich aus der allernächsten Nähe [ein unleserliches Wort] nie los geworden [was so viel heißt, dass es immer da war, sein Leben begleitete und auch bestimmte!]: ich empfinde die Distanz verschieden zu sein in jedem Verstande [rundum, in jeder Regung, in jeder Begegnung, in jeder Empfindung!], gleichsam unvermischbar und obenauf [ein wichtiges Wort besonders in seinem so persönlichen Verhältnis vom eigenen Oben zu unten „der Anderen“!] im Vergleich zu jedem trüben Element [„der Anderen“! Es ist sicherlich nicht ohne Belang, dass N diesen Absatz ohne Satzzeichen enden ließ! Er fuhr danach fort:]

Mein Vorrecht, mein Voraus [das ihn sein Leben lang mit gleicher Selbstverständlichkeit trieb, als „Ehrgeiz bis zum Defekt“ B1.65] vor den Menschen überhaupt ist, eine Fülle höchster und neuester Zustände erlebt zu haben, in Bezug auf welche zwischen Geist und Seele zu trennen ein Zynismus wäre [weil ihm damit das Wichtigste seine Lebens genommen wäre: Der Grund für sein „Voraus“]. Unzweifelhaft muss man Philosoph sein [denn die „Philosophie“ war seine bedeutsamste Maske!], tief sein bis zum [wieder ein unleserliches Wort, - aber wie könnte das lauten, in diesem Zusammenhang? Was wäre vorstellbar? Und ob dieses unleserliche Wort das Gleiche wäre wie im Absatz zuvor? Vielleicht auch ein erfundener Laut, wie der mehrfach ausgestoßene Schrei „Alpa“, beladen mit ureigensten Inhalten, von denen sich niemand ein Bild zu machen versteht?], um von der Lichtfülle herauszutreten [eine eigenartige Formulierung: „herauszutreten von“, was vermuten lässt, dass diese „Lichtfülle“ ihn nicht nur umgab, sondern erfüllte und nicht trennbar war von dem, was in diesen Momenten mit ihm geschah und dessen Wirklichkeit ausmachte und dann folgt, davon zutiefst überzeugt] aber die Richtigkeit des Gefühls [diese unumstößliche Überzeugtheit von dem ans Göttliche grenzenden Gehalt dieses Augenblicks], die lange Tyrannei einer großen Aufgabe [die er zur dauerhaften Verwirklichung der erlebten Erhobenheit und für seinen ewigen Ruhm zu erfüllen meinte] sind die noch unentbehrlicheren Vorbedingungen dazu. 13.597


Mit siebzehn Jahren, 1861, in den mit Emerson getränkten Wochen nach Nürnberg, war N trotz „herrscheramtlicher“ Prägung noch nicht so weit, all das in sich aufzunehmen, zu „verarbeiten“ und zu festigen. Die Dauerlektüre Emersons brauchte Zeit um zu wirken und sie war umfangreich. Was gab es da zu entdecken, denn noch hatte N ja nicht alle Weisheiten der 448 Seiten umfassenden „Essays“ - das heißt das daraus, was ihm als Erklärung zu seiner eigenen Existenz dienlich sein konnte! - aufgenommen, verinnerlicht und als Leitfaden zur eigenen Lebensführung „identifikatorisch“ übernommen. Da fehlte noch allerhand und war ihm reichlich gegeben, sich darin zu erkennen: Was er in Wahrheit sei und werden könne! Denn von dem, was N bei Emerson las, war ihm Vieles wesensmäßig derart vertraut, dass er sich von und bei ihm verstanden und eben auch 20 Jahre später noch, 1881, ohne geringsten Abstrich davon „so zu Hause“ 9.588 fühlte.


An dieser Stelle nun ist endlich der lange Umweg zur Klärung von Ns Tiefen-Verhältnis zu Emerson und zu den von diesem beschriebenen besonderen „Momenten“ zu Ende. Diese Ausführungen mussten unternommen werden, um versuchsweise die verborgenen, schwer fasslichen, nicht einfach eins zu eins belegbaren hintergründlichen Beziehungen aufzuzeigen! Emersons Text über „die höhere Seele“ setzt sich nach der klaren Unterscheidung der beiden Bedeutsamkeiten von Erlebnissen - einerseits die „kurzen höheren Momente“, andererseits das zeitlich überwiegenden „eingewurzelte Laster“ nach einem schwer verständlichen Satz dazwischen auf folgende Weise fort:


Die Philosophie von sechstausend Jahren hat nicht die Kammern und Magazine der Seele untersucht. In ihren Experimenten ist bei der letzten Analyse immer ein Rückstand geblieben, den sie nicht auflösen konnte. Der Mensch ist ein Strom, dessen Quelle verborgen ist. Immer kommt uns unser Sein, wir wissen nicht woher. Der genaueste Berechner hat kein solches Vorwissen, das nicht etwas Unberechenbares gerade den nächsten Moment verändern könnte. Ich bin jeden Augenblick gezwungen, einen höheren Ursprung der Ereignisse anzuerkennen, als den Willen, den ich mein nenne. EE197


Das kann man so sehen. Die Philosophie der Vergangenheit - egal wie weit zurückrechnend man dabei die gewonnenen Erkenntnisse einzubeziehen gedenkt - hat sich in ihren Erklärungsversuchen vor allem dem Denk- und Vorstellbaren zugewandt, welches sich als mehr oder weniger allgemeinverständlich und allgemeingültig erweisen konnte aber dabei die längste Zeit in breitem Strom die gegebenenfalls sehr eigenwilligen und auch gefährlichen Gefühlslagen einzelner Individuen zu wenig berücksichtigt. Dies dürfte im letzten hier von Emerson angeführten Absatz angesprochen worden sein. Dass „in den Experimenten bei der letzten Analyse immer ein Rückstand geblieben“ ist, ließ sich - bezüglich der hier beschworenen Betrachtung der „höheren Seele“ des Individuums! - schon deshalb nicht vermeiden, weil bei der Beurteilung dessen, was dabei als „Wahrheit“ bezeichnet werden kann - für wen? und nicht generell nach mehrerlei Maßen und neben der einzubringenden „Psychologie“! - vor allem abhängig ist von der Parallaxe der unterschiedlichen Sichtweisen und deren Blickwinkeln, die sich ergeben, wenn die „Wahrheit“ unterschiedlicher Individuen und eben nicht - wie bei N! - in totalitären Anwandlungen nur von einem allein betrachtet und also auch nicht bestimmt werden darf; - d.h. dass es notwendig ist, einen verlässlichen „Anker“ für eine vertretbare Allgemeingültigkeit zu bilden.


Dass „der Mensch ein Strom ist, dessen Quelle verborgen“ bleibt, beruht auf nichts anderem, als der Unterschiedlichkeit des Erlebens eines Jeden gegenüber dem zumeist ziemlich grundsätzlich anders ablaufenden Erleben anderer, die zweifelsohne zu dem Ganzen des Welterlebens dazugehören! Schon aus dem Grunde, dass jedes Ich zugleich auch „ein Anderer“ ist: Ein unaufhebbares Zusammentreffen zweier „Wirklichkeiten“ in jedem Ich! Miteinander vereinbaren lassen sie sich nur durch ein kompromissbereit eignes Verhalten, oder man gerät, wie N es erlebt hat, in eine fürchterliche Einsamkeit, bei dem Versuch, einen Teil von sich selbst „im Anderen“ nicht anzuerkennen.


„Unser Sein“ kommt natürlich „wir wissen nicht woher“, weil wir von so etwas wie einem wirklichen und unvergleichlichen „Sein“ - wenn überhaupt! - nur unser eigenes kennen, - im Gegensatz zu „allen Anderen“, von denen wir entfernt nicht die gleiche „Erfahrung“ haben (können), - so wie von uns selbst, - ein Unterschied, den jeder in seinem Leben mehr oder weniger freiwillig auf seine eigene - und insofern auf die ihm gemäß „gleiche“! - Weise verkraften muss! Deshalb hat auch „der genaueste Berechner kein solches Vorwissen“, welches prinzipiell wegen unserer eigenen Unkenntnisse nicht im Voraus berechenbar oder vorherzusehen ist, - „arbeitet“ doch alles Leben mit unvollständigen Informationen und erscheint - auch! - in diesem Punkt „für alle“ in ihrer physischen Verschiedenheit gleich!


„Jeden Augenblick“ ist ein Jeder - auf seine Weise! - „gezwungen, einen höheren Ursprung der Ereignisse anzuerkennen“, weil eben so gut wie nichts nur vom eigenen Ich, sondern auch von „den Anderen“ abhängt, indem Vieles von „ihnen“ veranlasst oder eben zuzulassen ist. Dies zu berücksichtigen ergibt eine Perspektive, die richtig stellt, was die hochsubjektivistische Weltsicht Emersons - und auf wesentlich radikalere und engstirnig totalitär-fanatische Weise N! - vertrat, - indem vor allem N sich alle nur denkbare Mühe gab, „die Anderen“ außer Acht zu lassen, um sich selber umso mehr und besser herauszustellen.


Von dem, was N bei Emerson des Weiteren entgegengetreten ist, sind noch etliche bezeichnende Beispiele zu bringen weil sie wesentliche Charakteristiken Ns in geradezu grausamer und manchmal auch zynischer Vorwegnahme beschreiben. Sie lassen erkennen, wie sehr N Emersons unbedachten Vorgaben nachgelebt hat und wie sehr sie ihn formten:


Die Souveränität dieser Natur, von der wir reden, ergibt sich aus ihrer Unabhängigkeit von jenen Beschränkungen, die uns [in der Realität!] allenthalben hindernd in den Weg treten. Die Seele umschreibt alle Dinge. [Die nächsten beiden Sätze hat N seitlich angestrichen:] Wie gesagt, sie widerspricht aller Erfahrung. In gleicher Weise hebt sie Zeit und Raum auf [aber wie sollte sie das - außerhalb der alles zusammenklingen lassenden aber defekten Momente! - tatsächlich können? Da Zeit und Raum nicht nur „in dieser Seele“ sondern auch außerhalb, bei „den Anderen“, gelten? Dies verdeutlicht, wie sehr sich für N die „bewusst-unbewussten Momente“ außerhalb von Raum und Zeit, also nur innerhalb von Emersons Individualität befanden! - Auch das Folgende hat N seitlich angestrichen:] Der Einfluss der Sinne hat bei den meisten Menschen in einem solchen Grade Gewalt über den Geist [der doch auf die Erfahrungen mit und aus der ihn umgebenden Wirklichkeit angewiesen ist!] geübt, dass die Mauern von Zeit und Raum das Ansehen der Solidität, der Wirklichkeit und der Unübersteigbarkeit bekommen haben; und mit Leichtigkeit von diesen Grenzen zu sprechen, gilt in der Welt als ein Zeichen von Verrücktheit. Dennoch sind Zeit und Raum nur das umgekehrte Maß für die Kraft der Seele. Der Mensch ist fähig, sie beide zu verwerfen. EE.200

Dass in Ns herausgehobenen Glücksmomenten - durchflutet von Licht und Allwissenheit! - so realitätsverbundene Erscheinungen wie Raum und Zeit überblendet waren, gab ihm den doch sehr oberflächlichen und kurzsichtigen Mut zu seiner Unterstreichung dessen, dass „sie beide zu verwerfen“ wären! Es handelte sich ja „nur“ um Realität, die - vor allem für N! - in jeder Hinsicht leicht zu verneinen war!


Die geringste Tätigkeit der intellektuellen Kraft erlöst uns in gewisser Hinsicht von dem Einfluss der Zeit, [diese Art Aussagen hinzunehmen, war N einseitig, kritiklos und oberflächlich genug!] ….. Sieh, wie der tiefe, göttliche Gedanke [dessen Funktion wortgetreu bei Ns Idee von der „Ewigen Wiederkehr“ fast zwanzig Jahre später noch eine Rolle spielen wird und] Jahrhunderte und Jahrtausende niederreißt und sich durch alle Zeitalter hindurch bemerkbar macht [wie Ns Glaube sich überzeugt hielt, nach diesem „Rezept“ so etwas wie Weltwirklichkeit zwangsläufig gestalten zu können!] ….. [Der folgende Satz wurde von N seitlich angestrichen:] Die Emphase [der Nachdruck, der Redeschwung], mit der Tatsachen und Personen auf meine Seele eindringen, hat nichts mit der Zeit zu tun [dafür aber sehr viel mit der eigenen jeweiligen Gemütsverfassung!]. Und so ist immer die Skala der Seele eine; und die Skala der Sinne und des Verstandes ist eine andere. Vor den mächtigen Offenbarungen der Seele schrumpfen Zeit, Raum und Natur zusammen. EE201

Es macht Schwierigkeiten, sich vorzustellen, mit wie viel angeborener Irrationalität solcherlei Behauptungen auszufüllen sind, um ihnen etwas abzugewinnen! In engem Zusammenhang dazu steht:

Die Dinge, die wir jetzt [aber aufgrund von was jeweils?] als unumstoßbar ansehen, werden eins nach dem andern, gleich der reifen Frucht, sich von unserer Erfahrung ablösen und fallen [was N - nur sich aber nicht die „Anderen“ kennend! - als völlig richtig erachten musste, weil Er - aus gutem Grunde! - das wenig veränderliche „Maß des statistischen Mittels“, an dem eben „die Anderen“ beteiligt waren, nicht hatte begreifen wollen]. Der Wind wird sie fortwehen, Keiner weiß wohin. [Das Folgende wurde wieder von N seitlich markiert:] Die Landschaft, die Figuren, Boston, London sind so wandelbare Fakta [nachweisbare Tatsachen] wie irgendeine vergangene Institution, oder irgendein Schimmer von Nebel oder Rauch; und so ist die Welt. Die Seele sieht beständig vorwärts, indem sie immer eine Welt vor sich schafft und immer Welten hinter sich zurücklässt. EE.201

Diese Aussage passte zu Ns Ehrgeiz, alle Werte dieser Welt nach seinen Maßstäben neu zu bestimmen: Er glaubte gewiss, a) dass er das dürfe und b) dass er darin Erfolg haben würde, ja haben müsste.

Emerson sprach hier von geschichtlichen Veränderungen, die von dem kollektiv erbrachten Gesamt des menschlichen Erkenntnis- und Wissenszuwachs bewirkt zu werden pflegen. N aber bezog auch dies - wie so oft und so gut wie immer verkürzt, mit Scheuklappen versehen und unmittelbar nur und ausschließlich auf sich selbst - auf die größtmöglich denkbare Wirkung seiner Fähigkeiten! Von Anfang an traute er sich zu, der - von Emerson gleichsam angekündigt! - „vom großen Gott auf unseren Planeten gesandte Denker“ EE.226 sein zu können, welcher der Welt seine eigenen, als für „neu“ ausgegebenen Maße und Werte zu vermitteln hätte: In vielen Sätzen bezeugte er „sein leidenschaftliches Streben, sich geistig zur Geltung zu bringen“ B1.66 und immer und überall als der Erste zu erscheinen. In diesem Sinn notierte N sich im Herbst 1878:

Emerson p.201 die „Überseele“ ist das eigentlich [und wieder einmal superlativ gedachte] höchste Kultur-Resultat, ein Phantasma [Trugbild, Sinnestäuschung - Ideal?] an dem alle Guten und Großen gearbeitet haben 8.562 [und nach Ns Vorstellung „als ihr sie einzig ausfüllendes Lebensziel „zu arbeiten haben sollten“! Es bedeutete N viel, auch an diesem oder solchem „höchsten Kultur-Resultat“ zu wirken, um selber als vorbildlich „gut“ und „groß“ zu gelten - und auf diese Weise größtmöglich - nämlich mindestens weltgeschichtlich! - „in Frage“ kommen zu können!]


Denn der Seele sind [wenn sie in Ns Sinn zu ihrer „dionysischen“ Entfaltung kommt?] in ihrem lauteren Handeln [denn sie war grundsätzlich ideal und im Einklang mit sich selbst gedacht!] alle Tugenden natürlich und nicht mühsam erworben. Sprich zu seinem Herzen, und der Mensch wird auf einmal tugendhaft. [Das Nachfolgende wurde seitlich von N markiert:] In demselben Gefühl liegt der Keim zum intellektuellen [vor allem aber gefühlten!] Fortschritt, welcher demselben Gesetz [der unangefochtenen Zufriedenheit mit sich selbst?] gehorcht. Diejenigen, welche die Demut, die Gerechtigkeit, die Liebe, das Streben nach Hohem und Gutem [in hoch subjektivem Empfinden!] zu fassen vermögen [und dazu fühlte N sich berufen, wohlan! Diese] sind schon auf einen Gipfel gelangt, von welchem aus sie die Wissenschaften und Künste, Sprache und Poesie, Wirksamkeit und Schönheit [als ästhetizistisch genießende Betrachter!?] übersehen. Denn wer in dieser moralischen [und „herrscheramtlichen“!] Seligkeit [und immer auf der Grenze zu frevelhafter Selbstüberhebung! - „Jenseits von Gut und Böse“ gewissermaßen!] lebt, ist schon im Besitz jener speziellen Kräfte, welche die Menschen so hoch preisen, grade wie die Liebe allen Gaben des geliebten Gegenstandes [überhöhende] Gerechtigkeit widerfahren lässt. EE.203

Von Emerson her wurde das alles weitgehend aus christlich geprägter Selbstverständlichkeit heraus gedacht und dargestellt. Dass sich jemand dessen bemächtigen würde, der - von seinen „herrscheramtlichen“ Selbstverständlichkeiten geleitet! - „die Anderen“ allenfalls als Resonanzboden für den Schall und Klang seiner eigenen Herrlichkeit auf der Rechnung hatte, konnte er nicht ohne weiteres ahnen, auch wenn man dazu neigen mag, dass bei so viel einladender Beliebigkeit mit allerlei Missbrauch und Freveltaten zu rechnen ist. Des Weiteren steht auf dieser Emerson-Seite 203, auch von N seitlich markiert:

Denn indem wir uns zu diesem höchsten und ursprünglichen Gefühl erheben [sein Leben lang ging es N und denen, die er zu faszinieren verstanden hat, um eben diese „Leistungsfähigkeit“, sich so weit als möglich zu er- und auch zu überheben! - so], sind wir von unserm entfernten Standpunkt auf der äußern Kreislinie augenblicklich zum [selbstmittelpunktlichen!] Mittelpunkt der Welt gekommen, wo wir, wie in dem Geheimzimmer Gottes, die Ursachen sehen und eine Vorempfindung von dem Universum [die beliebige, aus den besonderen „Momenten“ stammende „Empfindung“ wieder erleben - und nichts von Logik und Verlässlichkeit sich dabei entfaltet], welches nur eine langsame Wirkung ist. EE.203


Verhandelt wurden auch hier wieder nur Gefühle und Eindrücke, nichts Konkretes, nur subjektiv Beliebiges, vor allem ästhetizistisches Dafürhalten zu eigenem wohltun und aus eigenen Gnaden: Insofern erkannte N sich hier - und sein Leben lang! - in seiner unreflektierten Überzeugtheit von seinem „Herrscheramt“ zutiefst dem Zeitalter des Absolutismus, der Alleinherrschaft eines Einzelnen - als „Vertreter Gottes“ auf Erden! - verhaftet - und hatte von daher von dem aufkommenden, wissenschaftlich orientierten „Geist seiner Zeit“ weder etwas begriffen noch verinnerlicht. Er lebte, die Griechen dafür zu Hilfe nehmend, unerreichbar und unbelehrbar rückwärtsgewandt und ließ des modern erscheinenden Stiles wegen seine stets das Kind mit dem Bade ausschüttende Jetztzeitkritik als fortschrittliche und an nichts gebundene Freigeisterei erscheinen. Der Emerson-Text geht fort mit:

Eine Art und Weise göttlichen Lehrens ist die Fleischwerdung des Geistes [mit der eine altüberkommene Zweiteilung der Welt in Geist und Materie weitergedacht und „Geist“ nicht als die Fähigkeit „des Lebens“ mit Informationen umzugehen, erachtet wurde! - Das zum Einen. Zum anderen steckte für N in der „Fleischwerdung“ seines Geistes auch die Bevorrechtigung seiner Existenz!] in einer Form, - in Formen wie die meinige. Ich lebe in der Gesellschaft; mit Persönlichkeiten, welche mit meinem eignen Denken übereinstimmen oder äußerlich eine gewisse Gehorsamkeit ausdrücken gegen den hohen Instinkt, dem ich lebe. Ich sehe, wie sie von ihm [dem Instinkt!] geleitet werden. Ich bin einer allgemeinen Natur vergewissert; und so ziehen mich diese anderen Seelen, diese getrennten Selbst, an, wie nichts anderes es kann. EE.203f


Auch dieses eigene Empfinden fand N bei Emerson vorgekaut und er war geneigt, dem nachzuleben: Es zu befolgen, denn auf dieser Seite seines Handexemplars notierte er im Herbst 1881, unterhalb des Textblockes: Warum ziehen die entgegengesetzten Naturen mich am heftigsten an? Sie lassen mich das Voll-werden-müssen fühlen, sie gehören in mich hinein. 9.620

War es das? Oder war es - unter dem Zwang, sich mit Emersons Ausführungen identifizieren zu müssen? - die Maßlosigkeit, nichts Gültiges außerhalb seiner selbst ertragen zu können, - es also „in mich hinein“ - nicht „wie jener“ sondern „als jener“ ohne jede Distanz! - zu nehmen und auf diese Weise intensivsten „Anteil“ an dem zu haben oder sogar haben zu müssen, was ihn beeindruckt hatte? Dabei hat N andere nie „verstanden“! Nähere Verhältnisse zu anderen Menschen gerieten ihm mit wenigen Ausnahmen so regelmäßig wie zwangsläufig zu Katastrophen. Von einer derartigen Position aus wird verständlich, wie sehr N sich „bis zum Defekt“ NR.320 hin mühte, vorbildlich und immer voraus zu sein, geistig zu glänzen, zu führen und auch bestimmen zu wollen. Er wollte Vorbild sein, damit „die Anderen“ Veranlassung empfänden, so zu werden wie er, was ihn - einem ihm innewohnenden „Harmonitätsprinzip“ nach - der Verpflichtung enthob, so zu werden, wie die ihm so fremden „Anderen“, was wiederum übereinstimmte mit seiner aus dem gleichen Jahr 1881 stammenden Eintragung auf Seite 1 der Emerson’schen „Essays“, wo er schrieb:

„Oh über unsre Habsucht! Ich fühle Nichts von Selbstlosigkeit, vielmehr ein Alles begehrendes Selbst, welches durch viele Individuen - wie durch seine Augen sieht und wie mit seinen Händen greift, ein auch die ganze Vergangenheit zurückholendes Selbst, welches nichts verlieren will, was ihm [in seiner grenzenlosen Maßlosigkeit!] überhaupt gehören könnte.“ 9.619

Übrigens ist dieser - im Herbst 1881, nach schwersten pathologischen Hochstimmungen gemachte - Eintrag ein Produkt seines Sich-Identifizierens mit etlichen fremden, aber zu seinem „Ideal“ gehörenden Eigenschaften, was ihm einen inneren Halt bot, der ihm aus ihm selbst heraus völlig fehlte! N war - für sich selbst! - nichts. Er existierte nur in und hinter seinen ihm gefallenden, angenommenen, ihn erhöhenden Masken.


Die Handlung der Seele liegt öfter in dem, was gefühlt wird und ungesagt bleibt, als in dem, was in irgendeiner [logisch nachvollziehbaren] Konversation ausgesprochen wird. [Wieder und wieder erfuhr N durch Emerson die Betonung und damit zugleich die Rechtfertigung seines „herrscheramtlich“ veranlagten Gefühls als die „eigentliche Wahrheit“ in dieser Welt, - statt die Welt als bestimmendes oder doch zumindest korrigierendes Element anerkennen zu müssen oder und dann auch maßvoll - d.h. ohne in seine superlativträchtigen Maßlosigkeiten zu fallen! - auch wirklich lernen zu können! Wozu es eben nicht kam! Das so Schiefe, Fehlerhafte bei N liegt in der Einseitigkeit der Darstellung, die stets zu den allenfalls nur halbwahren Schieflagen seiner Ansichten führte:] Sorgfältig liegt es [das Gefühlte und ungesagt Gebliebene] in jeder Gesellschaft verwahrt und unbewusst sucht es jeder in dem Andern. Unser Wissen ist besser als unser Tun. Wir sind noch nicht Herr über uns und wissen zu gleicher Zeit, dass wir viel mehr sind. Wie oft fühle ich dieselbe Wahrheit in der trivialen Unterhaltung mit meinen Nachbarn, nämlich, dass etwas Höheres in einem Jeden von uns auf dieses Intermezzo [diese heiteren, vergänglichen menschlichen „Zwischenspiele“ hienieden] herabsieht und hinter uns hervor Jupiter dem Jupiter zunickt. Die Menschen lassen sich gegenseitig zueinander herab. In ihrem gewöhnlichen und niedrigen Dienst der Welt [die auch von Emerson mit negativ besetzten Eigenschaftsworten in Beziehung gesetzt wurde!], für den sie ihrem angeborenen Adel entsagen, gleichen sie jenen arabischen Sheiks, die in elenden Häusern wohnen und eine äußere Armut affektieren [sich zieren, sich gekünstelt benehmen], um der Raubgier des Paschas zu entgehen und die Entfaltung ihres Reichtums für ihre inneren und bewachten Gemächer aufbewahren. EE.205

Daneben schrieb N ein nicht zu deutendes Wort. Oben auf diese Seite der „Essays“ schrieb N im Herbst 1881 in sein Handexemplar:

Der wirkliche Mensch ist weit hinter dem embryonischen [unentwickelten, unreifen], der aus ihm erst in 3 Geschlechtern entsteht. 9.621

Bemerkenswert ist, dass N - 19 Jahre später noch! - im gleichen logischen Zusammenhang an dem Begriff des „Embryonischen“ seiner Jugendaufsätze von 1862 hängen und „kleben“ geblieben war! Die Aussage selbst ist von lachhafter Einfältigkeit, weil sie offenbar die Überzeugung enthält, dass nur in jedem dritten „Geschlecht“ - womit N „Generation“ meinte! - ein „wirklicher Mensch“ entsteht, und damit der Aussage jegliche Logik fehlt, hat doch jeder, ob er sie kennt oder nicht, wesentlich mehr als nur 3 Ahnen die mit der partnerbedingten Mischung bei ihrer Fortpflanzung alle 6 ihren „Einfluss“ übten, - aber auch das hat N ohne weiter darüber nachzudenken von Emerson übernommen, heißt es doch bei ihm, in der „Führung des Lebens“ auf Seite 114, im Kapitel „Bildung“:

Dass die Knaben, welche jetzt aufwachsen, nicht nur Jahre, sondern zwei oder drei Generationen zu spät darauf vorbereitet worden sind, die besten Gelehrten zu werden …… [und es 8 Zeilen weiter heißt:] So auch ein geachteter Mann sich selbst für einen Gegenstand jener hundertjährigen Verbesserung [das sind so etwa die drei Generationen zu je 30 Jahren, die N erwähnte!] ansehen muss, durch welche das Menschengeschlecht [bei N wird die Daueranwendung dieser „Verbesserung“ konsequenterweise gleich superlativ-verliebt auf die Menschheit bezogen und er meinte demnach, Emerson folgend, dass diese also] verfeinert, veredelt und zivilisiert wird und jede Verschwendung seiner Kräfte für Vergnügen und Gewinn, welche diese Aufspeicherung geselliger und dauernder Tugenden gefährden könnte, ängstlich [und aus „moralischen Gründen“?] vermieden wird. EL.114

Bei N wird das dann die generationenlang nur positiv „akkumulierte Arbeit“ von Geschlechtern aus der dann endlich sein Menschen-Ideal, der „Übermensch“, erstehen sollte!. Ungeachtet dessen, wie viel davon auch der Bildung von Idiotien zuträglich sein könnte!


Alle „Weisheiten“ und Grundsätze Ns laufen letztlich auf Emersons Fundamente hinaus! Auch seine Vorstellung vom „großen Werden“. Wenn Emerson bei der Ausführung seiner Textstellen vor allem - und aller Wahrscheinlichkeit nach! - an Momente versunkener und verantwortungsvoll geistlicher Andacht - die nicht vordringlich der bedingungslosen Selbstfeier gewidmet waren! - gedacht haben mag - denn er war im Grunde ein sehr gläubiger Mensch! - so konnte es doch in Hinsicht auf die Ergebnisse für N daraus nur darum gehen, was sich vom Lesenden - aus dessen Erfahrungen! - auf den Inhalt dieser vielfach recht dunkel gehaltenen Zeilen beziehen ließ: Ein einfach nur ungezielt vorgegebenes „was ihr wollt“! - sozusagen - öffnet jeder Art Beliebigkeit Tür und Tor und ist bei der breiten Palette individueller Ausgeprägtheiten der Leser ein bisschen wenig. In diese Beliebigkeiten hat N - der ohnehin alles in extremer Weise selbstmittelpunktlich-selbstverständlich nur auf sich selbst und sein Erscheinen auf diesem Globus bezog! - sich „hineininterpretiert“, sich und seine Probleme dargestellt gefunden, - nichts sonst daneben oder darüber hinaus! Ihm war von Emerson bestätigt worden, dass das, was ihn zuvor hatte irritieren müssen, nun als das Wesentliche - nicht nur für ihn, sondern sogar „für die Menschheit“! - erschien und im Ganzen ein ihn auszeichnendes Charakteristikum seines Seins ausmachte! Vor diesem Hintergrund waren die Ausführungen Emersons so bedeutsam für die ohnehin tief in Ns Wesen enthaltene und von ihm unbeirrt beibehaltene Grundeinstellung einer extrem hohen Bewertung subjektivistischer „Warheitsempfindungen“ aus dem Quell seines Herzens und seiner „Inspiration“ 6.339 - gegenüber den dagegen geradezu „kulturlos“ zu nennenden Nichtigkeiten der geheimnislosen, jederzeit problemlos nachvollziehbaren, bloß „wissenschaftlich“ realitätsgebundenen Erkenntnisse, die ansonsten vorlagen!


Dass der nach seiner „unterschlagenen“ Konfirmation nicht mehr christlich-gläubig orientierte, aber Alles auf maßlos übertriebene Weise auf seine persönliche Existenz beziehende und „verstehende“ N in diesen „kurzen Momenten“ - die doch für ihn, von seinem Gefühl her, einen hoch bedeutungsvollen Stellenwert besaßen! - etwas sehr anderes „erkennen“ und „verstehen“ wollte, konnte und sogar musste, als Emerson gemeint haben mag, war nicht zu vermeiden! Für ihn galt schließlich als Grundeinstellung, wie er einmal geschrieben hatte: Ein Spiegel ist das Leben [man erkennt darin nur sich!] In ihm sich zu erkennen, Möchte ich das erste nennen, Wonach wir nur auch streben.!! BAW1.32

Geschrieben hatte er das zur Zeit seiner auf der Schönburg eroberten „Herrscheramtlichkeit“! Damit meinte N sich und seine Stellung zum Leben. Warum sollte N - da doch die Beschreibungen Emersons, wenn man dabei „auf nichts Anderes“ und vor allem nicht an „die Anderen“ zu denken kam - so wunderbar genau auf Ns Umstände „passten“, sich dabei etwas anderes denken, als dass Er damit gemeint wäre und ein Recht hätte, darin „sich zu erkennen“ und wie sonst nirgends „so zu Hause und in meinem Hause“ zu fühlen „als - ich darf es nicht loben, es steht mir zu nahe“ 9.588 - so, wie auch das, was Emerson folgen ließ. Denn Emersons an sich naiver Subjektivismus lieferte - selbstverständlich vollkommen unfreiwillig - dem militant subjektivistischen N eine Reihe von Sprüchen und „Weisheiten“ - wofür er sie nahm! - und diese in ihm „angeborener“ Beliebigkeit auch auf seine absence-artigen „Aussetzer“, seine immer wiederkehrenden „höheren Momente“ als innerlich verselbständigte „Erlebnisse“ seiner Seele beziehen konnte. Überdies wurde ihm damit sogar eine schmeichelhaft ins genialisch Elitäre zielende „Wertung“ beschert, - oder, wahrscheinlicher noch! - bedeuteten diese Sprüche für N, gemessen an der Verunsicherung, die ihm die unerklärten „Momente“ in seinem Leben bis dahin geboten hatten, eine gerne angenommene „Aufwertung“, die seine Natur „den Anderen“ voraus zu haben versprach, - wenn er nur daran glaubte! - Und also glaubte er daran! Fest und unabkömmlich!

Aufgrund dieses „Paktes“ innersten Einverständnisses hatte Emerson für N zu einem Tabu zu werden! Emerson aufzugeben hätte für N, entgegen allen anderen aufgegebenen Anhänger- oder Seelenverwandtschaften, wie zu Schopenhauer und Wagner nicht Befreiung, sondern Selbstaufgabe, ja Selbstvernichtung bedeutet! Es gab da keinen Ersatz! Mit Emersons Sprüchen und Rechtfertigungen wären N alle „schulgesetzmäßigen Berechtigungen“ seiner elitär- und radikal-aristokratisch orientierten „Existenz“ abhandengekommen. Das war ausreichend Grund, weshalb der ansonsten unstete, an nichts auf Dauer gebundene N sein Leben lang ohne die geringsten Krisenzeichen oder Emanzipations- oder „Kettenabwurfzwänge“ an Emerson im wahrsten Sinne des Wortes gefesselt und gekettet blieb.


In den vorangegangenen Beispielen von Emerson-Textstellen, die Ns Wesen, Wollen, Vorlieben, ja geradezu seine gesamte Person sowie sein späteres „Philosophieren“ gleichsam durchscheinen lassen, ging es ausnahmslos um Vorrecht, Erwählt-sein, Größe und „Herrschaftsamt“. Es ging um Ns sprichwörtlich gewordenen „Willen zur Macht“, Recht zu haben in jedem Fall und - wie es Richard Wagner im Bereich der Musik an Einfluss scheinbar gelungen war: - um ein wiederum maßlos allmächtiges Wirken des hochsubjektiv empfundenen Ichs „vor allen Anderen“, - in geradezu göttlicher Außerordentlichkeit! Es ging darum - wie von Emerson unterstellt! - ausschließlich dem eigenen Gedanken Glauben zu schenken und nichts sonst gelten zu lassen.


Dass das alles - wie auch „die Feuerbläser der Inspiration“ EE.48 - in der absoluten Subjektivität von Ns Sein verankert blieb, zeigt, wie sehr von ihm die Beziehung seiner besonderen Seele zum von göttlicher Gnade vermittelten Geist und all der damit verbundenen Macht und Heiligkeit - ernsthaft und nie selbstkritisch! - wahrgenommen wurde. Dazu lebte er zu eingeschränkt in sich und nur aus sich - ohne die Position eines Andren wahrzunehmen. Er forderte ein neues „Bewusstsein“, neue Wertungen und Gesetze und das Aufgehen aller Dinge im hochgelobten Einen, - der letztlich aber nur er selber war! Das waren fortwährende Fluchten aus der mit „den Anderen“ vergleichbaren Gewöhnlichkeit in auf hochgestochene Weise übertriebene Ideale, wie man den „Weg der Größe“ 4.194 beschreitet, sich selbst ausreichend wichtig nimmt und immer wieder gegen die triste, so leicht durchschaubare, unverzauberte, durch keine hohlen Phrasen überhöhte Wirklichkeit anrennt - bis hin zu den zuletzt gemachten Erkenntnissen der „höheren Seele“ die Emerson N in herrlichster Überhöhung vorgeführt hatte. Sie wiederholen sich, ergänzen und übertrumpfen einander, aber es blieb immer beim Selben: Bei unkonkret auf nichts Realistischem fußendem Geschwafel von Größe und Besonderheit in tausenderlei Facetten. Dabei sind für Ns seelische Abhängigkeit von Emerson erst Beispiele aus der ersten Hälfte von Emersons „Essays“ vorgeführt. Einige müssen noch folgen. Es ist inzwischen bekannt, worum es N immer wieder ging. Die folgenden Beispiele mögen als bestätigende Zugaben gelten:


Denn wenn die Seele uns mit einer Wahrheit bekannt macht von etwas [das hieß für N: wenn Er sich selbst entschloss, etwas für wahr zu halten, weil es seinen Empfindungen entsprach!], so ist dies das höchste Ereignis in der Natur, denn sie gibt dann nicht etwas von sich, sondern sie gibt [in allzu enger Identifikation!] sich oder wird zu dem Menschen, den sie erleuchtet; oder sie bemächtigt sich seiner, im Verhältnis zu der Wahrheit die er empfängt EE.206 [der dann - aber woran? - unterscheiden kann, ob es sich nicht doch um einen Irrtum handelt? Von Emerson her war diese Aussage von einem christlich Gläubigen gemacht worden, aber N kümmerte diese Art von Moralität nicht! Er benutzte in seiner selektiven Art wahrzunehmen, was er gebrauchen konnte und änderte bzw. korrigierte je nach Bedarf - dabei sich als das Maß aller Dinge und aller Moral nehmend! - wie bereits als Pfortaer Schüler, wo er anderer Meinung war.

All die von Emerson angeführten Elemente des „höchsten Ereignisses in der Natur“, der „Erleuchtung“, der „empfangenen Wahrheit“, waren N wesensmäßig bekannt und von daher problemlos aus selbstmittelpunktlicher Perspektive als Ausdrücke für das eigne Befinden zu benutzen und sich selbst auf diese Weise zu erklären.


Wir bezeichnen die Verkündigung der Seele, ihre Kundgebung von ihrer eignen Natur mit dem Ausdruck Offenbarung [diese abergläubische und geradezu mittelalterliche Vorstellung leuchtete N ein weil sie seinem Wesen entsprach!]. Diese sind immer von erhabenen Wallungen [auf die N geradezu versessen war!] begleitet. Denn eine solche Mitteilung ist das Einströmen des göttlichen Geistes in unseren Geist. Es ist die Ebbe des individuellen Baches vor den flutenden Wogen der See des Lebens. Jede klare Vorstellung von diesem zentralen Gebot erfüllt die Menschen mit Ehrfurcht und Entzücken. Ein Wonne-Schauer durchbebt Alle bei der Empfängnis einer neuen Wahrheit, oder bei dem Vollbringen einer großen Handlung, die aus dem Herzen der Natur hervorgeht. EE.207 [Wozu aber ein - woran gemessenes? - Bewusstsein von der „Größe dieses Momentes“ gehört! Und dieses „Bewusstsein“ hing bei N von nicht viel anderem ab, als von seinen eignen, für sich selber durchaus nicht unparteiischen Gefühlen!]


Die Seele gibt sich allein, urwesentlich und rein, dem Einzelnen, Urwesentlichen und Reinen, welcher auf die[se?] Bedingung hin sie erfreut besitzt, leitet [oder nur des Glaubens ist, „Urwesentlich und rein“ zu sein?] und durch sie redet. Dann ist sie freudig, jung und lebhaft. Sie ist nicht weise, aber sie durchschaut alle Dinge. Man nennt sie nicht religiös, aber sie ist unschuldig. Sie nennt das Licht ihr eignes [das Licht, die Lichtumflossenheit, die zu Ns Allzusammenklangszuständen gehörten!] und fühlt, dass das Gras wächst und der Stein fällt durch ein Gesetz, welches ihrer Natur untergeordnet und von derselben abhängig ist. Siehe sagt sie [die Seele], ich bin dem großen universalen Geist eingeboren. Ich, das Unvollkommene, verehre meine eigne Vollkommenheit [das war N aus seiner unschuldig sein wollenden Seele geschrieben!]. Auf irgendeine Art [so, wie Emerson sie ihm erklärt hatte!] bin ich fähig, die große Seele aufzunehmen und hierdurch wird es mir möglich, die Sonne und Sterne zu übersehen und sie nur für das schöne Außerwesentliche und die Wirkungen zu halten, die wechselnd und vorübergehend sind. Mehr und mehr dringen die hohen Wellen ewiger Natur in mich ein und ich werde allgemein und human in meinen Ansichten und Handlungen. So komme ich dahin, in Ideen zu leben und eine Energie in meinem Tun zu offenbaren, die [wahrhaftig?] unsterblich ist. EE.218

Die so andere, eigenwillige und waghalsige Interpretation, die N diesen Texten in seiner Fixiertheit auf sich selbst angedeihen ließ, hat Emerson verständlicherweise nicht voraussehen können!


So weit aus dem Kapitel „Die höhere Seele“. Weitere wichtige, vielfach mit Kommentaren versehene Beispiele finden sich in dem nachfolgenden Kapitel mit der Überschrift „Kreise“, einem Kapitel übrigens, in dem N besonders viele An- und Unterstreichungen hinterlassen hat. Dieses Kapitel spielte auch eine besondere Rolle für Ns als so wichtig erachteten Jugend-Aufsätze über „Fatum, Geschichte und Willensfreiheit“:


Der Schlüssel zu jedem Menschen ist sein Gedanke [was auch für N selber gilt!]. Bei all seinem Trotze und seiner Starrheit muss er dennoch einem Steuerruder folgen und dies ist die Idee, nach welcher alle seine Handlungen klassifiziert werden. Es kann nur dann eine Reform stattfinden, wenn er eine neue Idee aufstellt, die die herrschende über die alte wird.

Das kann in Bezug auf N geradezu als ein „Bilderbuchsatz“ gelten für das, was er mit und in seiner „Philosophie“ betrieben hat und erfüllen wollte! Dieser Satz war für N eine „Gebrauchsanweisung“ dafür, „wie man als wirklich wichtig angesehen wird“! Eine neue Idee aufzustellen, welche die bis zu ihm hin herrschende überdeckt - was zwangsläufig dazu führen musste, gegen das seinem Ansehen am massivsten im Wege stehende Christentum zu polemisieren und sich eine neue Moral und Göttlichkeit auszudenken! Nach genau diesem Rezept ist N in dem, was er als seine „Philosophie“ ausgab vorgegangen. Im zwanghaften Glauben - unterstützt darin durch seine Nichtachtung „der Anderen“ und in Unterschätzung von deren faktischer Macht! - dass sein Wille sich auf diese Weise ohne Widerstände verwirklichen ließe! Danach jedenfalls hat N gehandelt. In diesem Sinne bedurfte es „nur“ einer neuen, von ihm „erlassenen“ und alles andere als leicht zu entwickelnder „Ewigen-Wiederkehr-Moral“ als Mittel dazu, sich für kommende, wenigstens 2 Jahrtausende geltend, „als Vollender zu schauen“! 10.487 Es wird sich zeigen, wie genau, wie ausdauernd, wie verbissen einseitig und auf welch geistig beschränkte und geradezu engstirnige Weise - mit ungeheuerlichen logischen Brüchen behaftet! - N dieser Empfehlung folgte!

Das Leben des Menschen ist ein selbstevolvierender [sich selbst allmählich entwickelnder] Kreis, der nach allen Seiten hin sich zu neuen und größeren Kreisen ausdehnt und das ohne Ende. Wie weit der Umfang dieser Generation von Kreisen, Kreuzung nach Kreuzung, sich erstrecken wird, hängt von der Kraft oder der Größe der Wahrheit, die dem Menschen innewohnt ab. EE.222

Gemäß diesem Satz besteht Ns „Philosophie“ daraus, dass er bei jeder sich bietenden Gelegenheit seinen Lesern - und dies im „Ecce homo“ dann auf schrillste Weise! - klar zu machen versuchte, wie viel Kraft und Größe seinen Ideen innewohnen würde. Der „Zarathustra“ besteht - als ein ununterbrochener Wortschwall - nur daraus, in „also“ endlos gehaltenen „Reden“ darzulegen, wie sehr Er, N - als Zarathustras Schöpfer! - als der rechte Führer zum „Übermenschen“ - den nur alle so wie er selbst herbeisehnen müssten!- anzusehen ist - und dass das - durch ihn! - zum Wohle der gesamten Menschheit geschehen würde!

Emersons vielversprechende Aussage „wenn er eine neue Idee aufstellt“ fasst den Ns Kern in wenigen Worten und ist mit Sicherheit nicht spurlos an N vorübergegangen, denn alles, was er „als Philosoph“ tat, war: „unbedingt in jeder Beziehung und zu Allem und Jedem neue - und das hieß superlativ genau gegensätzliche, durch Umwertung gewonnene „Ideen“ zu entwickeln. Ideen also, die den alten vor allem in allem so gründlich wie nur irgend möglich widersprachen! Dieser Satz Emersons beschreibt einen Schlüsselgedanken, dem N auf dem Weg „zu seiner Größe“ 4.194 folgte, des Glaubens dabei, das hinge das alles allein von seinem Wollen, von seiner überschätzten Kraft und auch seinem Mut dazu ab! Sein Zauberwort für diese „ungeheure Aufgabe“ sollte die Formel „Umwertung aller Werte“ 10.12.88 werden! Größtmöglicher Widerspruch im Erklären, dass genau das Gegenteil dessen, was als wahr gilt, wirklich die Wahrheit ausmachen würde! Umwertung auf seine Maße und seine Bedürfnisse hin! Dieser „goldene“ Satz hat ihn geleitet und bezeichnet sein eigentlich geistloses „Verfahren“, denn er hat nichts wirklich Kreatives zustande gebracht, um zu Größe und Anerkennung zu kommen. Seine „Philosophie“ besteht im Wesentlichen aus seinem Willen ständig neue Allgemeingültigkeiten in immer schriller klingenden Behauptungen aufzustellen, die alle, nach Emerson, von ihm und seiner Erkenntniskraft an, über die alten, von N unabhängigen Selbstverständlichkeiten „herrschen“ sollten: Natürlich in der Gefolgschaft seines „Herrscheramts“!.

Dieser von N für absolut wahr, richtig und erfolgreich gehaltene Satz Emersons bildete eine genau befolgte Grundlage von Ns nach und nach hemmungsloser werdendem Kampf gegen das Christentum, gegen Wagner, gegen sämtliche bestehenden - die Existenz „der Anderen“ einbeziehenden! - Grundlagen der Moral sowie auch, seit dem Beginn seines „Philosophierens“, den Anlass seiner Kritik an allem, was ihm, seiner Größe, seiner Möglichkeit übergroß zu erscheinen - vor allem eben durch die Anwesenheit „der Anderen“! - „im Wege stand“. Da lag es für ihn auch nahe, an etwas so Unsinniges wie seine logisch von ihm gar nicht zu begründende „Wiederholung des Immergleichen“, seine „Ewige Wiederkehr“ zu glauben, - nur weil ihm dieser Glaube als Stütze für seine Gefühle notwendig war.


Man sollte in diesem Zusammenhang nicht den Fehler begehen, zur Rettung von Ns „Größe“ Emerson so weit aufzuwerten, dass dieser in seiner ungeheuren Gültigkeit - für N! - sogar den großen N geistig umfasste und vorzubereiten verstand. So schaukelt man sich nur in der Anwendung von Superlativen in zwar zu bewundernde aber ungesicherte Höhen, ohne damit den sachlichen Zusammenhängen gerechter zu werden. Nichts von all dem, was N unter Emersons „Fahnen“ zu verwirklichen trachtete, war von letzterem beabsichtigt gewesen und wäre von ihm auch nicht gut geheißen worden. Von Emerson her gesehen, haben die beiden nichts, von N her gesehen haben die beiden alles gemein.


In dem Gedanken des morgen [als nächstem Tag!], da liegt eine Kraft verborgen, die allen deinen Glauben, den ganzen Glauben, die ganze Gelehrsamkeit der Nationen zusammenfasst und die dich [mit allen nur möglichen Illusionen versehen] in einen Himmel versetzen kann, wie er dir kaum im Traum erschienen ist. Kein Mensch ist so sehr ein Arbeiter auf Erden, als wie er eine Andeutung ist von dem, was er sein sollte [wenn sich denn seine Hoffnungen erfüllten!]. Die Menschen sind nur die wandelnden Prophezeiungen des kommenden Jahrhunderts. Schritt für Schritt erklettern wir diese mysteriöse [geheimnisvolle, rätselhafte, dunkle] Leiter: die Schritte sind Handlungen; der neue Prospekt [der Hinblick, die Ansicht, die Aussicht, das Unternehmen] ist Macht. EE.223

Das waren wieder einmal große Töne, - so wie sie N gefielen! Das Später von Emerson geschriebene, das dann nicht mehr derartige Maßlosigkeiten enthielt, hat N keine Zustimmung zu entlocken vermocht! In dem eben zitierten war für N zu seiner Lust die ihm eigene unverhohlene Nichtachtung alles Jetztzeitigen enthalten: Die „Menschen nur [als] die wandelnden Prophezeiungen des kommenden [seinen Hoffnungen entsprechenden!] Jahrhunderts“ anzuerkennen, d.h. nicht als sie selbst und das, was sie derzeit waren! Er konnte sie mit einem Federstrich verneinen indem er ja sagte zu dem, was sie lt. Emerson „prophezeiten“! N sah darin - im Gegensatz zu den Jenseitserwartungen des Christentums, eine erdverbundene Diesseitigkeit, denn in diesem Satz steckte bereits der Keim zu Ns Wille, den „Übermenschen“ züchten zu müssen und zu wollen, - oder, in Erfüllung von Emerson, sogar zu sollen? - N hat „in dem Gedanken des morgen“ seine Zukunftshoffnungen auf eine „verbesserte Welt“ durch das Mittel der „Verbesserung des Menschen“ nach seinen Vorstellungen gesehen und diese Idee auch „für sein Machtmittel“ gehalten!


Ns „Übermensch“ als „Verbesserung des Menschen“ gegenüber der ihm unerträglichen Tatsächlichkeit der menschlich vorhandenen Existenzen bot N ein scheinbar diesseitiges Lebensziel, eine - „nur“ endlos in die Zukunft verlegte! - Vision! In dieser konnte er all seinen Ekel, seine Abneigung und seine Unfähigkeit zur Teilnahme an der ihn in keiner Weise bevorzugt erscheinen lassen wollenden Lebenstatsächlichkeit umtauschen gegen eine angeblich höherwertige Alternative, deren Verwirklichung sich zu einer „himmlisch“ heiligen und damit moralisch zu rechtfertigenden „Aufgabe“ machen ließ! Da bot sich ihm ein „Weg der Größe“, 4.194 eine persönlichen „Mehrwert“ ausspuckende Flucht aus seiner autistischen Veranlagung so viel seelische Mühe bereitenden Wirklichkeit! Und da er für sich und seine Zufriedenheit mit diesem Leben schon seit knapp 3 Jahren ein „Herrscheramt“ beanspruchte, das ihm versicherte, mehr zu sein als „die Anderen“, lag nichts näher, als das Prinzip der Unterschiedlichkeit, der „Rangordnung unter den Menschen“ 12.280, 5.289, 11.106, 11.152, 11.510 als neue „Seligmachung“ zu verbreiten und zu verkünden; - wozu - als „logisch“ nächstem Schritt und als Maske für seinen Ekel vor dem Tatsächlichen! - die Förderung, Entwicklung und Züchtung des „Übermenschen“ kam, den er als „philosophischen“ Höhepunkt seiner Denkerkarriere verkünden sollte. Nirgends gibt es da Logik, sondern stattdessen ein Zuviel an undurchleuchteter „Psychopathie“: „Wer soll der Erde Herr sein? Das ist der Refrain [der stets wiederkehrende und wiederholte „Reim“] meiner praktischen Philosophie.“ 11.76 Derart waren stets Ns eigentlichen „Sorgen“!


In Bezug auf das Wesen des Menschen nehmen wir eine fortwährende Anstrengung wahr, sich über sich selbst zu erheben [das galt vor allem für N selbst!], noch immer wieder etwas über die schon erreichte Höhe hinaus zu gehen. EE.225

Die Sprüche „ergänzen“ sich und bilden auf Ns gewolltes Ziel hin eine eigene „Logik“, die N dazu verleitete, an das zu glauben, was da von Emerson im Brustton der Überzeugung hingeschrieben worden war. N konnte darin - zugeschnitten auf sich selbst! - unendlich viel Wahres entdecken, was ihn im guten „Glauben“ an all das bestärkt haben wird. Im 3. Teil seines „Zarathustra“, in dem bedenklichen Kapitel, wo es N vierfach um seinen „Weg der Größe“ 1.194 ging, schrieb oder dichtete er entsprechend diesem Emerson-Spruch:

Du gehst deinen Weg der Größe; hier soll Dir keiner nachschleichen! ….. Und wenn dir nunmehr alle Leitern fehlen, so musst du verstehen, noch auf deinen eigenen Kopf zu steigen: wie wolltest du anders aufwärts steigen? Auf deinen eigenen Kopf und hinweg über dein eigenes Herz! ….. Du aber, oh Zarathustra, wolltest aller Dinge Grund schauen und Hintergrund: so musst du schon über dich selber steigen, - hinan, hinauf [maßlos], bis du auch deine Sterne noch unter dir hast! 4.194

Hier wurde die von Emerson übernommene „Idee“ zu zwanghaften Bildern eines in leidlich „manierlichen“ Sätzen ausgedrückten Wahns!


Seht euch vor, wenn der große Gott einen Denker auf unsern Planeten kommen lässt. Alles ist dann in Gefahr. Es ist, wie wenn in einer großen Stadt eine Feuersbrunst ausgebrochen ist, wo Keiner weiß, was eigentlich noch sicher ist und wo es enden wird. Da ist nichts in der Wissenschaft, was nicht morgen eine Umdrehung erfahren haben möchte [aus der N seine ihm fruchtbar erscheinende „Umwertung aller Werte“ konstruieren, d.h. ihr damit einen pfiffigen Namen geben sollte!]; da gilt kein literarisches Ansehen mehr, noch die sogenannten ewigen Berühmtheiten [an dieser Stelle übersprang N eine ganze Seite, bevor er für die eigene Bedeutsamkeit in Emersons Text weitermachte:

Dazwischen aber hatte Emerson geschrieben:], alles unterliegt einer Revision und muss sich verdammen lassen. Die unmittelbarsten Hoffnungen des Menschen, Gedanken, die er [daraus las N „ich“] sich ganz zu eigen gemacht hatte, die Religion von ganzen Nationen, Gewohnheiten und Sitten der Menschheit im Allgemeinen, sind alle der Gewalt einer neuen Verallgemeinung anheim gegeben. Verallgemeinung ist nichts anderes, als dass der Geist des Menschen aufs Neue einer göttlichen Eingebung unterliegt [so einer, wie N sie im 341. Aphorismus der „Fröhlichen Wissenschaft“ als „Das größte Schwergewicht“ entwerfen sollte!]. Daher das Durchschauern, welches dieselbe begleitet. EE.226

Es könnte als „bezeichnend“ aufgefasst werden, dass Ns überliefertes Emerson-Exemplar - das ja seine Interessen-Schwerpunkte nach dem September 1874 spiegelt! - an diesem Absatz nur eine recht nichtssagende seitliche Anstreichung am unteren Teil enthält. Die ungeheure Bedeutung dieses Absatzes für N wird aber durch nichts so gut und eindringlich unterstrichen, wie dadurch, dass N den ersten Teil dieses Textes, bis zu dem Wort „Berühmtheiten“ in seiner noch vor dem Mitte August 1874 erfolgenden Verlust seines 1. Handexemplars entstandenen Huldigungsschrift für „Schopenhauer als Erzieher“ wortwörtlich - und insgesamt wie nichts sonst von Emerson in derartigem Umfang! - zitierte. - Er leitete das Zitat ein mit den Worten: „Ein Amerikaner mag ihnen [dem Leser] sagen [und N wiederholte, weil es ihm so wichtig war, das, was das Zitat enthält:], was ein großer Denker, der auf diese Erde kommt, als neues Zentrum ungeheurer Kräfte zu bedeuten hat“ 1.426 und danach begann er mit: „Seht euch vor, sagt Emerson, wenn der große Gott“ und so weiter!

Weil N dies so ausgenommen wichtig war, dass er selber das, was er meinte, nicht besser hat ausdrücken können, hatte er Emerson an dieser Stelle mit eben diesem Text zitiert! Der Vorgang ist als eine Identifikation mit diesem Text zu bewerten. Nach dem Wort „Berühmheiten“ sprang N allerdings in Emersons „Essay“ über „Kreise“ genau eine Seite weiter und fuhr - ohne diesen Sprung über eine ganze Druckseite hinweg kenntlich zu machen! - mit den Emerson-Worten fort:

Alle Dinge, die dem Menschen zu dieser Stunde teuer und wert sind, sind dies nur auf Rechnung der Ideen, die an ihrem geistigen Horizonte aufgestiegen sind und welche die gegenwärtige Ordnung der Dinge ebenso verursachen, wie ein Baum Äpfel trägt. Ein neuer Grad der Kultur würde augenblicklich das ganze System menschlicher Beziehungen einer Umwälzung unterwerfen. EE.227

Diese von N 1874 bereits zitierte Textstelle hat N in seinem 2. Handexemplar seitlich dick angestrichen! So bedeutsam war sie ihm auch im neu erworbenen Emerson-Exemplar noch! Die Worte Emersons, von den Werten, „die dem Menschen zu dieser Stunde [wo dies so völlig Neue durch N - so stellte er es sich vor! - bekannt gemacht wurde] teuer und wert sind, sind dies nur auf Rechnung der Ideen, die [allerdings aus dem Wirken vieler Menschen - einschließlich „der Anderen“! - zusammengekommen] an ihrem geistigen Horizonte aufgestiegen sind“ hat N - noch 1881! - anlässlich seines ungeheuren, einer Offenbarung gleichkommenden „Erlebnisses“ von ihn weit „vorantragenden Gedanken“ hinsichtlich „Ewige Wiederkehr“ und „Übermensch“! - mit denen er die Emerson‘sche Prophetie von einem größtmöglich gedachten „Denker“ zu erfüllen gedachte! - in genau diesem Wortlaut wiederholt, indem er schrieb: „An meinem Horizonte sind Gedanken aufgestiegen, dergleichen ich noch nicht gesehen habe“. 14.8.81

Dies nur zur Demonstration, wie bis ins Detail hinein fest verwurzelt, N an und in Emersons Vorgaben hängen geblieben war.


In dem von Emerson beschriebenen Umfang wäre alles der Willkür eines Denkers preisgegeben, - eines nach eigenem Dafürhalten sich von allen Irrtümern der Vergangenheit „befreit“ glaubenden „Geistes“, der aufgrund seiner göttlichen Eingebungen Alles neu durchschaut zu haben meinte und dabei vor seiner eigenen Wahrheitserkenntnis erschauerte! Er müsste sich nur lebenslang Mühe geben, sie den Leuten begreiflich zu machen - und das hatte N mit dem, was er seine Philosophie nannte, getan. Das war für ihn ein „gefundenes Fressen“, eine „sinnvollste“ Ausübung seines „Herrscheramtes“! Bis zum Anschluss an Ns Zitatfortsetzung, also zwischen dem, was N, Schopenhauer huldigend, von Emerson so zitierenswert für wichtig fand, hatte jener noch geschrieben:

Die Macht, über sich Herr zu werden, zeugt von einer gewissen Tapferkeit, so dass einem Manne seine Flanke nicht durchbrochen, noch derselbe von der Verallgemeinung ausgeschlossen werden kann, sondern stelle ihn wohin du willst und er steht da. Dies kann nur stattfinden dadurch, dass er die neue Wahrheit seiner früheren Vorstellung von der Wahrheit vorzieht [was N mit dieser Aufforderung drauf und dran war, a) für sich am Vorbilde Emersons und b) als Umsetzung seiner Wahrheit in die Wirklichkeit der Schopenhauerschen Bedeutung, umzusetzen! Nur wusste er lange Zeit nicht konkret: Wie?]; und bereitwillig dieselbe annimmt, von welcher Seite sie ihm auch immer kommen möge; und endlich durch die feste Überzeugung, dass seine Gesetze, seine gesellschaftlichen Verbindungen, sein Christentum, seine Welt zu irgendwelcher Zeit unnütz gemacht werden können und verfallen. EE.226f

Dies also und auch den folgenden Absatz hat N, auch wenn er den Inhalt als für sich gültig erachtete, für sein Zitat, das ihm wichtiger war, übersprungen:

Es gibt verschiedene Stufen im Idealismus. Wir lernen ihn zuerst akademisch gleichsam spielend kennen, ebenso wie uns der Magnet einst ein Spielzeug war. Dann, in den Aufwallungen der Jugend und Poesie, glauben wir zu erkennen, dass er etwas Wirkliches sei, aber nur bruchstückweise und in einzelnen Lichtblicken. Noch später fängt sein Angesicht an, ernst und groß zu werden und wir erkennen nun, dass er [der Idealismus] etwas Wahres sein muss. Er zeigt sich jetzt ethisch und praktisch. Wir lernen dass Gott ist; dass er in mir ist; und dass alle Dinge Schatten von ihm sind. Die Erscheinungslehre Berkeleys [1684-1753, ein englischer Theologe und Philosoph, lehrte, dass eine vom Denken unabhängige Außenwelt nicht existieren würde und dass Sein der Dinge nur aus ihrem Wahrgenommen-werden bestünde, denn gar nichts außer der Substanz des Geistes verfüge hienieden über reale Existenz. Auch die Tatsache, dass er sich doppelt, nämlich geistig wie auch körperlich, schmerzhaft an einem Stein stieß, dass ihm fast die Zehe brach, konnte bei ihm keinen Sinneswandel bewirken. Diese Erscheinungslehre Berkeleys also - mit der N sich nicht weiter auseinandersetzen wollte] statuiert [bestimmt, bestätigt] ganz einfach nur die Erscheinungslehre Christi und diese wiederum ist nur die einfache Behauptung der Tatsache, dass die ganze Natur das Ausströmen einer unendlichen Güte ist, die sich von selbst vollzieht und organisiert. Weit einleuchtender wird dies zu jeglicher Zeit in der Geschichte und der Beschaffenheit der Welt, die genau von der intellektuellen Klassifizierung abhängt, die der menschliche Geist sich gerade gemacht hat. EE.227

Das war reines Predigerlatein und nicht unbedingt nach Ns Sinn und Interesse. Es war für ihn nicht viel damit anzufangen, da es nicht um Größe und Besonderheit ging. Es enthielt nichts von dem, was ihm die anderen Emerson-Stellen so schmackhaft gemacht hatte: Nichts Großartiges, nichts was sein „Herrscheramt“ hätte kitzeln können und so ließ er es beiseite und wendete sich dem zu, was ihm Lust auf die eigene Zukunft machte. Deshalb setzte er sein letztlich von ihm selber sprechendes Zitat mit den bei Emerson erst jetzt folgenden, oben angeführten Worten fort, dass „Alle Dinge, die dem Menschen zu dieser Stunde teuer und wert sind“ und so weiter, eine „Umwälzung erfahren“ werden.


Im 3. Teil des „Zarathustra“, dort 11 Kapitel weiter, als das Zarathustra-Zitat zuvor, zeitlich also in der zweiten Hälfte des Jahres 1883 - wo es um das Groß-sein und das sich auf den Kopf steigende größer als das bloße Groß-sein ging! - kam N auf die Emerson-Stelle „wenn der große Gott einen Denker auf unsern Planeten kommen lässt“ noch einmal zurück: Allerdings war zu dem Zeitpunkt die freiheitliche Selbstherrlichkeit seines Geistes schon sehr weit gediehen. Es heißt da: „Ein großer Gewalt-Herr könnte kommen, ein gewitzter Unhold, der mit seiner Gnade und Ungnade alles Vergangene zwänge und zwängte: bis es ihm Brücke würde und Vorzeichen und Herold [das war im Mittelalter ein offizieller Bote eines Lehnsherrn, ein Verkünder von Neuheiten für das Volk] und Hahnenschrei 4.254 [der den Anbrechenden Tag verkündet, - die „Morgenröte“ und über diese Metapher mitgemeint auch die „Fröhliche Wissenschaft“ und all die Weisheiten Zarathustras und Ns zusammengenommen - hinsichtlich der zu erzwingenden Überwindung des Menschen auf dem Weg zum Übermenschen, der als ein „Relativum“ - ewiglich weiter steigerbar und weitergedacht! - auch wieder würde anstehen müssen, überwunden zu werden und - ewig so fort, entlang dem vom Affen hin zum Menschen „geknüpften Seil“ 4.16, wie es im Zarathustra in einem gut gezeichneten, aber von Wahnsinn längst verzerrten „Bilde“ heißt.]


Es gibt keine Tugend, von der das Ende sichtbar wäre; alle sind im Anfang begriffen. Die Tugenden der Gesellschaft sind Laster für den Heiligen. Der Schrecken, welchen eine Reform verursacht, ist nichts anderes als die Entdeckung von unserer Seite, dass wir unsere Tugenden oder das, was wir immer für solche gehalten haben, in denselben Abgrund versenken müssen, der schon unsre größeren Laster aufgenommen hat. EE.233

Dieser Absatz wurde von N zusätzlich seitlich mit 10 Strichen markiert! Das ist Aussage genug für die Bedeutung, die dieser Absatz für N besessen hat!


Die höchste Macht üben göttliche Augenblicke auf uns aus, wenn sie uns unsre Zerknirschungen ebenfalls verdammen lassen. Ich klage mich Tag für Tag der Trägheit und Nutzlosigkeit an, aber wenn mir diese göttliche Einströmung [die für N aus seinen Allzusammenklangsmomenten bestand] zu Teil wird, so weiß ich von keiner verlornen Zeit mehr. EE.233

Auch diese Sätze wurden von N seitlich stark markiert!


Es weist alles in die gleiche Richtung: Größe, Bedeutung, alles, was sich superlativer als vorgefunden denken lässt, neue Gesetze, neue Gewohnheiten und neue „Moralen“, die zu gelten haben gegen das, was überkommen ist und dem man sich auf die ein oder andere Weise zu fügen hat. Es geht immer auch um „den Einen“, der in beglückender Einzigartigkeit aufsteht und sich selbst dabei feiernd handelt! - nach dem, was ihm allein richtig scheint, denn dabei musste es sich dann auch um etwas ganz Besonderes, etwas Einmaliges, etwas Epochales handeln! Derlei bezog N auf sich, - in der Überzeugung, dass ausgerechnet Er diese „Rolle“ - in Abwesenheit „der Anderen“ natürlich! - ausfüllen könne.


Aber sollte sich wirklich noch irgendjemand dadurch irre leiten lassen, dass ich meinen eigenen Kopf habe und meinen Grillen gehorche, so lasst mich den Leser erinnern, dass ich nur ein Experimentierender bin [was N in Hinsicht auf seinen mangelnden Realitätsbezug und seinem Gelüst, den „Vollender“ 10.487 spielen zu wollen, schon von der Art seines Denkens her nie war! N hat sich selbst immer und in Allem als letztgültig empfunden! Wahrscheinlich machte das auch einen Teil der Faszination aus, den er auf Andere auszuüben vermochte]. Legt nicht den geringsten Wert auf das, was ich tue, noch den geringsten Misskredit auf das, was ich nicht tue, als ob ich mir anmaßen wollte, irgendetwas für Recht oder Unrecht zu erklären [dies konnte N nicht aus der Seele geschrieben sein, war er doch zu jeder Anmaßung bereit, das heißt, er erkannte solche Stellen überhaupt nicht, da er grundsätzlich in dem Bewusstsein lebte, sich mit seinen Ansichten „mit dem Umlauf der Sterne“. EE.113 und im alleinigen Recht zu fühlen]. Alles ist für mich unbeständig [N aber wollte stets seine flatterhafte „Beständigkeit“ für nicht weniger als für die Ewigkeit festgestellt sehen!]. Keine Fakta scheinen mir geheiligt zu sein; keine profan; ich für mich tue weiter nichts, als dass ich experimentiere, ein endloser Sucher, mit keiner Vergangenheit auf dem Rücken [auch wenn N dies unterstrichen hatte, hat er doch nie „experimentiert“, nie einen wissenschaftlichen Versuch unternommen, etwas zweifelsfrei herauszubekommen, zu untersuchen, um zu bestätigen, dass es sich auch „in Wirklichkeit“ so verhielt, wie er annahm oder zumeist lediglich behauptet hatte. Für N war das „Experimentieren“ nur ein Effekt, - es schmückte und putzte „wissenschaftlich“ ungemein. Nein! Er wusste immer „an sich“, aus sich selbst heraus, was wann wie und warum „richtig“ wäre, in allem, was er als letzte Wahrheit immer - nur ohne Beweise! - beizubringen und nur zu behaupten verstand. Beweisführungen und Begründungen, die außerhalb seiner Person einen Anker besaßen, hat es in seiner „Philosophie“ nicht gegeben.] ….. Die Menschen wünschen in Allem eine Sicherheit: es ist hierin nur insoweit Hoffnung für sie da, als sie sich selbst nicht unsicher sind EE.234f [was so viel hieß, dass sie ihre Sicherheit von zu Hause aus mitbringen müssten, wie er selbst! Unsicher war N sich in nichts! - Jedenfalls nach außen hin. Innerlich sah das vielfach sehr anders aus, was aber oberflächliche Blicke niemals hätten erkennen können!].

Interessanterweise hat N in der Höhe der Worte „endloser Sucher“ in späteren Jahren - wohl im Zuge vieler Notizen auch 1881 oder 1882! - die hier vorgebrachten Vermutungen und Interpretationen bestätigend, seitlich ein sehr kleines, wie hingehauchtes „ja??“ angebracht. Er, der immer schon so überzeugt war, ein von Natur her Wissender und deshalb auch ein Befähigter für sein „Herrscheramt“ zu sein, konnte sich nicht als einen zweifelnden Sucher begreifen. Er hatte doch längt gefunden! Diese Vermutung Emersons musste ihm recht fremdartig erscheinen und war ihm diesen zaghaften Einwand wert. Er suchte zwar auch! Insofern er dabei war, Argumente für eine Moral nach seinem Zuschnitt zu finden, weil er das, was er so genau „wusste“ auch untermauern musste! Die letzte Seite des Kapitels „Kreise“ ist von N mehrfach angestrichen 14.693 und voller Bezüge, die weiter greifen, - wieder ein Zeichen dafür, dass der dort befindliche Text für N sehr bedeutsam war. Dort steht zu lesen:

Das Eine, was wir mit unersättlichem Verlangen erstreben, ist, dass wir uns selbst vergessen, [wie es in Ns glückseligen „Momenten“ zu geschehen pflegte! - und folglich] über uns selbst erstaunt sind, unser ewiges Gedächtnis los werden [was N sicher an das „Schicksal“ von Lord Byrons „Manfred“, der das Vergessen nicht finden konnte, erinnert hat - Näheres später] und etwas tun ohne recht zu wissen wie oder warum [hierin sah N die ihn faszinierende und für ihn notwendige Selbstverständlichkeit des eigenen Ermessens, - zu tun und - „mit unersättlichem Verlangen“! - auch berechtigt zu sein, nur seinen eigenen Überzeugungen folgen zu dürfen]; kurz, dass wir einen neuen Kreis ziehen. Nichts Großes wäre jemals ohne Enthusiasmus [leidenschaftliche Begeisterung - und damit leidenschaftlicher Parteinahme!] vollbracht worden. Der Weg des Lebens ist wundervoll. Er ist es durch ein völliges Dahingeben [ohne sich an selbstkritischen oder, schlimmer noch, von außen kommenden Unsicherheiten und Verunsicherungen stoßen zu müssen, - immer im Vollgefühl, es sei alles, was man und wie man tut, in jeder Hinsicht wohlgetan! Es gibt eine Vielzahl von Äußerungen Ns in diesem Sinne. Auch davon zwangsläufig später noch mehr].

Die großen Momente in der Geschichte wie die Werke, die im Genie oder in der Religion ihren Ursprung gefunden haben, sind die Leichtigkeit in der Ausführung durch die Kraft des Gedankens [und des überzeugten Dafürhaltens, auch wenn es im Grunde unhaltbar war: Denn vieles bewirkt auch die Kunst das, wovon man überzeugt ist, auch konsumgerecht darzustellen! Darauf folgt in Emersons Text:] „Ein Mann“ sagte Oliver Cromwell [Näheres zu diesem gleich], „erhebt sich niemals höher, als wenn er nicht weiß, wohin sein Weg ihn noch führen kann.“

Ohne Emersons und auch nicht Cromwells Namen zu nennen, ja, sogar mit der scheinheilig vorgeschobenen Frage, „wer war es denn, der den Satz aussprach?“ 1.340, zitierte N diesen Satz 1874 sehr weit vorne in seinem Loblied auf „Schopenhauer als Erzieher“, deutlich vor dem weit wichtigeren Zitat über „den Großen Denker, den der Gott auf unsern Planeten kommen lässt“. Außerdem wurde diese Stelle seitlich mit 6 Strichen markiert. Bei Emerson geht der Text noch fort:]

Träume und Trunkenheit, der Gebrauch des Opiums wie des Alkohols sind die äußere Gestalt und das Ebenbild von diesem Orakel sprechenden Genius und daher die gefährliche Anziehungskraft, die sie [die Rauschmittel] für die Menschen haben. Aus demselben Grunde rufen diese die wilden Leidenschaften zu Hülfe, wie im Spiel und im Kriege, um doch in irgendeiner Weise dieses Feuer, welches aus dem Innersten [von dem „Feuerbläser der Inspiration“ EE.48 in absolut unbeeinflusster Selbstherrlichkeit] stammt und diesen Seelenadel nachzuäffen. EE.237 [Auch auf dieser Seite wurde von N seitlich vieles angestrichen.]

Die hierzu erhalten gebliebenen Anstreichungen waren für N noch zu der Zeit des dritten Zarathustra-Teils, in der zweiten Hälfte das Jahres 1883, von überragender Wichtigkeit 14.692f. Das durchaus kritisch gemeinte letzte Wort des Absatzes, das mitunterstrichene „nachzuäffen“ hat N nicht weiter gestört, jedenfalls hat es ihn nicht zu gründlicherem Nachdenken über das Ganze im Verhältnis zu ihm selbst veranlassen können.


Der von Emerson genannte Oliver Cromwell, 1599-1658, war englischer Parlamentarier und Feldherr des Parlamentsheeres, Sieger über König Charles I. und Gründer der kurzlebigen englischen Republik mit dem Beginn seiner Regentschaft ab Ende 1653 als Lordprotektor für England, Schottland und Irland. Die Republik entwickelte sich unter ihm bald zu einer Militärdiktatur und endete kurz nach seinem Tod, 1660, mit der Inthronisation von Charles II. Dieser Oliver Cromwell taucht ins Ns „Werk“ noch zwei Mal auf: 1882 in der „Fröhlichen Wissenschaft“ im Aphorismus 315, in einer Überlegung zum eigenen, Ns, Tod, also anlässlich einer Gelegenheit, von sich zu reden und im 1886 erschienenen „Jenseits von Gut und Böse“, wo er ihn, zusammen mit Luther, zu einem Barbaren des Christentums stilisierte. 5.66

Zu dieser Seite gibt es aus der Zeit zwischen den beiden Benutzungen des Namens Cromwell einen weiteren Bezug, was wiederum zeigt, wie nachhaltig diese Textstelle Emersons auf N gewirkt haben musste. Es heißt da in einer Notiz aus der Zeit Sommer bis Herbst 1883:

Zarathustra 3. wenn du auch nur dein Ideal willst, musst du alle Welt dazu zwingen. Du erniedrigst deine Handlung, wenn sie nur um eines Zwecks Willen getan wird [aber dieses stark ästhetizistisch angehauchte Ideal war nur um Ns selbst willen ein Ideal: N wollte an seine wahren und wirklichen Zwecke, wem sie - außerhalb seiner selbst! - noch nutzen sollten, nicht denken! Er schob ein Ideal vor - als ideale Maske seiner Lust! - um diese weder durch Zweck noch Nutzen, durch nichts, was die Banalität des Wirklichen berührt, besudeln zu lassen!]. Die Masse muss man zu ihrer Vernunft zwingen [aber nicht zu ihrer Vernunft wollte er sie zwingen, sondern zu seiner! Die Masse, die er meinte, kannte doch dieses „Ideal“, zu dem sie gezwungen werden sollte, gar nicht als das ihre!] und selbst zu ihrem [wieder nur zu seinem!] Nutzen noch peitschen [wie viel Lust zur Gewalttätigkeit, zumindest im Schreiben, zu dieser Zeit, 1883, bereits aus ihm hervorbrach! Und ob diese Peitsche eine sehr andere war als die, mit der N-Zarathustra „zum Weibe“ zu gehen empfahl? Aber das ist ein anderes Thema.] Zarathustra - ich verlernte das Mitgefühl mit mir [mit sich selber?]. das Selbst vergessen [sich aber „den Anderen“ aufzwingen wollen! - Eine schöne „Philosophie“, - in der das zusammenpassen sollte!]. Emerson p.237. 10.486


All das erfolgte nachweislich eng am Gängelband, - an Zwangshandlungen, - im Gefolge der allzu direkten Übernahme von Emersons „Weisheiten“ oder „Regieanweisungen zum Leben“ unter dem Zeichen der „Freigeisterei“, - noch weit über 20 Jahre nach seiner „Einsegnung“ in Emersons Weisheiten und dem Verfassen der Jugendaufsätze über „Fatum, Willensfreiheit und Geschichte“! Immer noch unrettbar gefangen in nichts als seiner eigenen Haut. Er lieferte selber diese gut versteckten, verborgenen, unfreiwilligen aber auch von ihm nicht zu verhindernden „Psychogramme“ zu dem, was er eigentlich wollte und war!


Auch in dem, was Emerson im 11. Kapitel essayistisch speziell über den „Verstand“ zu berichten hatte, fand sich etliches, was N beeindruckt hat. Nicht so viel und nicht so stark, wie im vorangegangen Kapitel „Kreise“, aber vieles sprach vor allem Ns Erfahrungen mit den Allzusammenklangsmomenten an:


Was bin ich? Was hat mein Wille dazu getan, mich so zu machen, wie ich bin? Nichts. Ich bin in diesen Gedanken, in diese Stunde, in diesen Zusammenfluss von Umständen von einer höheren Gewalt und einem höheren Geiste hineingetrieben [worden, gewaltsam und unfreiwillig also! - wie es für N stimmte] und mein Scharfsinn wie mein Eigenwille sind nicht im Geringsten hindernd oder störend dabei tätig gewesen. EE.240

Zusätzlich zu der Unterstreichung wurde diese Stelle von N auch seitlich markiert. Was kann man nicht alles in dieses Licht stellen und in diesem Licht sehen? Das Fatum als höchste Macht über dem „Sein“? Derlei stützte Ns Glauben, in seinem Sein für die Vollendung der Evolution - beispielsweise! - vorbestimmt zu sein und sie herbeiführen zu müssen! Das würde eine Erklärung abgeben für seine Überzeugung, einer „Aufgabe“ 7.426, 9.525 u. 11.100 Folge zu leisten; - statt zugeben zu müssen, dass er in moralisch minderwertig-eigenem Interesse an der Gestaltung und dem Tun seines Lebens wirkte, also der eigennützigen Befriedigung seiner geheimen Lüste!

Wir haben nicht zu bestimmen, was wir denken wollen [diese Aussage, mit der N einverstanden war, lässt tief in die Art und Weise seines Welterlebens blicken!]. Wir öffnen nur unsere Sinne, räumen, so viel wir können, alles der Tatsache Hinderliche hinweg [als Rechtfertigung für seine sehr von seinen Wünschen beeinflusste Wahrnehmung?] und lassen nun unsern Verstand dieselbe [vorgenommene Tatsache, vor der schon alles Widersprüchliche beiseite geräumt wurde?] ansehen. Wir haben wenig Gewalt über unsere Gedanken. Wir sind die Gefangenen der Ideen [was Ns Verhalten, seine Blindheit gegenüber der Wirklichkeit vollauf legitimierte - und ihm schließlich doch genug Platz ließ für seinen „Willen zur Macht“, der somit eher als ein Zwang zu dieser erscheinen mag!]. Auf Augenblicke tragen sie uns in ihren Himmel und nehmen so völlig Besitz von uns, dass wir keine Gedanken für morgen mehr haben und den Kindern gleich sie anstaunen, ohne im Geringsten zu wagen, sie uns zu eigen zu machen [dies wurde von N zusätzlich seitlich markiert - denn es wurden die besonderen, N auf manische Weise „in den Himmel tragenden Augenblicke“ angesprochen im Vergleich zu denen es für N nichts Wichtigeres im Leben gab!]. Nach und nach kehren wir zurück, bedenken uns, wo wir gewesen sind, was wir gesehen haben und geben so getreu wie möglich wieder, was unsere Augen erblickten. So weit wie wir die Ekstase [das Aus-sich-herausgetreten-sein“, die Verzückung, den rauschhafte Zustand, in dem der Mensch die Kontrolle des normalen Bewusstseins entzogen ist“] zurückrufen können, tragen wir sie in dem unauslöschlichen Gedächtnis mit uns hinweg ….. EE.241

Das klingt, wie es sich kaum deutlicher auszudrücken ließ, wie eine Beschreibung von Abwesenheits-Momenten, wie sie auch Ns Vater hatte, wenn er im Stuhl zurücksank, aber anschließend keine Ahnung mehr davon hatte. Im Gegensatz zu ihm, konnte N sich aber zumindest an die Wohlgefühle erinnern, die ihn bei der dann herrschenden Gewissheit, alles verstehen zu können, durchströmten.


Traue deinem Instinkt [dem Geschehen-lassen innerhalb dieser höheren Momente?] bis ans Ende, obgleich du keinen Grund anzugeben vermagst. Diesen in Eile erforschen zu wollen, ist vergeblich. Indem du ruhig vertraust, wird er zur Wahrheit heranreifen und du wirst wissen, warum du glaubst. EE.242

Warum er „glaubte“! Das bedeutete klar, dass er nicht „wusste“, was er erlebte! Die Stelle ist zusätzlich seitlich von N mit drei Strichen markiert! Es klingt so überzeugend, weise und abgeklärt, aber dieses Verfahren führte N immer wieder dazu, noch wenig bis sogar vollkommen unbewiesene Glaubensbekenntnisse - die zudem meist nicht von Dauer waren! - nach momentanem Gutdünken zu bewerten, - sich also durch eine Reihe von Irrtümern - erfüllt von lauter Wahrheitsempfindungen! - zu bewegen. Es war bei ihm nichts in größeren Zusammenhängen durchdacht, sondern von lauter für den Moment gerade mal zufriedenstellenden Gefühlen bestimmt, die zu anderen Zeiten nicht auf gleiche Weise wieder herzustellen waren.


In gewöhnlichen Stunden [den Zeiten außerhalb der berüchtigten „Momente“!] stellen sich uns dieselben Tatsachen dar wie in den ungewöhnlichen oder begeisterten, aber sie sitzen nicht zu ihren Porträts, sie sind nicht abgesondert da, sondern befinden sich in einem Gewebe. Der Gedanke des Genius entsteht von selbst; aber die Macht der Darstellung oder des Ausdrucks schließt, auch bei der begabtesten und überfließendsten Natur, einen Zusatz von Willen in sich, eine gewisse Gewalt über die spontanen Zustände, ohne die kein Produzieren möglich ist. EE.247

Diese recht wirren Angaben hatte N seitlich mit fünf Strichen markiert. Und wieder handelt es sich um Sätze, die seine Selbstdarstellung betrafen!


Aber wenn die verbindungsfähigen Kräfte selten sind und die Gabe der Dichtkunst nur Wenigen zu Teil ward, so ist dennoch jeder Mensch ein Empfänger dieses herniederfahrenden heiligen Geistes und tut wohl daran, die Gesetze seiner Einströmung zu studieren. Genau parallel mit der Regel der moralischen Pflicht ist die ganze Regel intellektueller Pflicht. Eine Selbstverleugnung, nicht weniger erhaben wie die des Heiligen, wird von jedem gebildeten Menschen verlangt. Er muss die Wahrheit [die er für eine solche hält] anbeten und um ihretwillen alle anderen Dinge lassen, Kampf und Anfechtung müssen ihm eine Freude sein, damit so sein Gedankenschatz vermehrt werde. EE.251

Seitlich in Höhe der Worte „Kampf und Anfechtung müssen ihm eine Freude sein“ hat N 1881, also nach 20 mit Emerson intensiv verbrachten Jahren noch ein überzeugtes „Ja!“ an den Rand geschrieben. Und wieder ging es um sein Ewigkeitsstreben nach „Erkenntnis“, nach Wahrheit aus seinem eigenen Geist, hinter dem aber vor allem der „Weg seiner Größe“ als die Erreichbarkeit seiner eigenen Unsterblichkeit zur Befriedigung seines bis an die Grenzen aller Superlative getriebenen „Ehrgeizes“ NR.320 stand!


Gott hat einem jeden Gemüt die Wahl gelassen zwischen Wahrheit und Ruhe [auch dies, die extremen Pole des Wahrheitsstrebens und der Ruhe, des Desinteresses, sind ein ständiges Motiv innerhalb von Ns Problemen]. Nimm welches dir das liebste ist, - niemals kannst du Beides haben. Zwischen diesen Beiden schwankt, einem Pendel gleich, der Mensch hin und her. In welchem die Liebe zur Ruhe vorherrschend ist, der wird das erste Credo [ich glaube!], die erste Philosophie, die erste politische Partei auf die er stößt, zu der seinigen machen [wie N es letztlich mit Emerson gehalten hat], - höchst wahrscheinlich die seines Vaters. Er erlangt Ruhe, Bequemlichkeit und Ansehen, aber er schließt die Tür zur Wahrheit zu [was N keinesfalls wollte! Obgleich er sich eine „Philosophie“ erwählte, in der er „in Ruhe“ sein Bedürfnis nach „Schulgesetzen“ ausleben konnte. Das Folgende hat N seitlich angestrichen:]

Der, in welchem die Liebe zur Wahrheit vorherrschend ist, bleibt auf dem Meer [und wird sich „dort“ einem Columbus gleich fühlen, der in seinen Gedanken „neue Welten der Moral“ zu entdecken aufgebrochen war] und denkt nicht an [das] Ankern. Er enthält sich einer Bestimmtheit der Meinung und prüft nochmals alle entgegengesetzten Verneinungen, zwischen denen [auf der Höhe dieser Zeile hat N seitlich am Rande das Wort „bravo“ angebracht, obgleich er das darin angeführte nie gegen ich selbst vollzogen hat!] wie zwischen Mauern sein Wesen hin- und hergestoßen wird [aber eben das hat N nie mit Distanz gegenüber sich selbst gewagt oder getan! - es lassen sich jedenfalls dafür keine Beispiele finden!]. Er unterwirft sich der Unbequemlichkeit des Zweifels und unvollkommener Meinung [die N jedoch nur auf die Wahrheiten „der Anderen“, nie jedoch auf seine eignen verschwendet hat!], aber er ist ein Kandidat der Wahrheit, [fühlte sich jedenfalls als solcher!] was der andere nicht ist und ehrt das höchste [für N nach zweierlei Maß gegebene] Gesetz seines Seins. EE.251

Also schrieb Friedrich Nietzsche:

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