Читать книгу Also schrieb Friedrich Nietzsche: "Zuletzt wäre ich sehr viel lieber Basler Professor als Gott; aber ..." - Christian Drollner Georg - Страница 27
ОглавлениеSo, wie Kinder im Vaterhause sich gegen die Wand anlehnen und von Jahr zu Jahr durch einen Strich mit dem Bleistift oder Kreide die Höhe bezeichnen, welche sie mit ihrem kleinen Köpfchen erreichen, so bezeichnet auch die Linie, bis zu welcher jeder brave Jüngling [Mädchen zählten bei diesen Betrachtungen nicht. Sie besaßen in Emersons Darstellungen keinen eigenen Stellenwert! So wie also jeder brave, für gut erachtete „Jüngling“] mit jedem neuen Jahre die Grenze des Fatums weiter und weiter zurückdrängt, [zeigt dieser „Strich an der Wand“ angeblich] das Maß des Wachstums seiner Kraft. Seine Kunst ist es, Waffen und Schwingen aus jenen Leidenschaften und hemmenden Kräften zu machen. EL.21
Was überaus kämpferisch klingt und so auch von N aufgefasst wurde. Besonders in den ersten Jahren nach Abschluss seine Studiums war N geradezu besessen von diesem „Kämpfen“ für das, was seiner für zu wichtig genommenen Meinung nach wegen der ästhetizistischen Ader in ihm zur „Verschönerung“, Verbesserung und veredelnden „Erhöhung“ der Welt beitragen sollte.
Die göttliche Ordnung hört da nicht auf, wo wir sie nicht mehr sehen, sondern die befreundete Macht wirkt nach denselben Regeln auf der nächsten Farm, wie auf dem nächsten Planeten. Aber, wo wir keine Erfahrung haben, rennen wir dagegen an und verwunden uns. So ist denn das Fatum ein Name für Fakta [Taten, Handlungen, Umstände, Geschehnisse], die im Feuer des menschlichen Gedankens noch nicht geläutert [d.h. auf Herz und Nieren geprüft und erkannt wurden], für Ursachen, in deren letzten Grund wir noch nicht eingedrungen sind. Aber jeder chaotische Wurf, der uns zu vernichten droht, lässt sich durch Intelligenz in eine heilsame Kraft verwandeln. Das Fatum besteht aus unergründeten Ursachen. EL.22
Beruht also auf weitgehender Ahnungslosigkeit, - oder gar „Dummheit“? Die Wirkungen und Beweise eigener Geisteskraft würden demnach aus den Fesseln des Fatums befreien! Und so fort! Ns frühe Schriften, die „Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik“ und die vier „Unzeitgemäßen Betrachtungen“ stehen voll, ganz und unmittelbar unter dem „Stern“ dieser Erkenntnis! - So erscheint das „Fatum“ als ein recht weitschweifig auszudeutender Umstand im Weltgeschehen, ist auf verschiedenartigste Weise - gleichsam je nach Bedarf! - zu deuten, zu entmachten und zu umgehen und dient als Hilfsbegriff - als Joker gleichsam! - um sich bei der Darstellung von nicht bekannten Zusammenhängen aus der Verlegenheit zu helfen. Von geradezu heilsamer Naivität ist dazu ein mitgegebenes Beispiel, das Emerson seinen Lesern auf der gleichen Buchseite lieferte:
Der Frost erstarrt unmerklich euer Blut und lässt einen Menschen wie einen Tautropfen gefrieren, aber lernt Schlittschuhlaufen und ihr werdet auf dem Eise eine anmutige, sanfte, poetische Bewegung finden. Frost und Seeluft erziehen eine herrschgierige, sächsische Rasse, welche die Natur selbst nicht vernichten kann und welche, nachdem sie dieselbe eintausend Jahre in Alt-England aufgespeichert hat [diese „Aufspeicherung“ wird so, wie Emerson sie hier den Engländern unterstellte, von N oft als ein Hilfswort zur logischen Stützung seines Weltbildes benutzt und also noch eine erhebliche Rolle in seinem „philosophischem Gebäude“, das keines war, spielen! Emerson bezieht sich hier auf die im 19. Jahrhundert weltumspannende, nicht nur britische Kolonialmacht, die] hundert Englands, hundert Mexikos bevölkert. Und mehr als alle Englands, als alle Mexikos, die Geheimnisse von Wasser und Dampf, die Erscheinungen der Elektrizität, die Dehnbarkeit der Metalle, der Luftballons [also all das, was damals im Zuge der Industrialisierung anfing, die Tatsächlichkeit der Welt grundlegend zu verändern!] erwarten sie und ihre Entdeckung. Die Verheerungen, welche die Krankheiten alljährlich anrichten, sind bei Weitem größer, als die des Krieges [so schien es, - damals noch!] ….. EL.22f
Emersons Überzeugung, dass „das Fatum Verbesserung in sich schließt“ EL.25 und folglich zu Ns „Übermenschen“ führen müsste, ist im Zusammenhang mit Ns Mutmaßung, „ob die Menschheit selbst nicht nur eine Stufe, eine Periode im Allgemeinen, im Werdenden ist ….. [und] nur die Entwicklung des Steines durch das Medium Pflanze, Tier?“ wäre, wurde bereits als Zitat angeführt. Der Einschluss der Evolution in diesen Begriff ist also durch Emerson vorgegeben! Ein weiteres Beispiel zeigt die weitgehende Beliebigkeit, die geschützt wird durch geschicktes Argumentieren:
Jedes Missgeschick ist ein Sporn und ein wertvoller Wink und wo seine Versuche noch nicht vollkommen gelingen, ist ihre Tendenz schon anerkennenswert. Der ganze Zirkel des tierischen Lebens: Zahn um Zahn, vernichtender Kampf, Krieg um Nahrung, um einen Bissen Brot und um ein Siegesgrunzen, bis zuletzt die ganze Menagerie zusammengeschmolzen und für höhere Zwecke geläutert wird, gefällt, wenn man sie in gehöriger Perspektive betrachtet [aus der Höhe eines überlegenen „Herrscheramtes“ zum Beispiel? Braucht man als „Herrscher“ doch nicht unmittelbar mitzutun, sondern kann sich in erhabenem Abstand an dem beobachteten Vorgang „ergötzen“!]. So verschwimmen die Umrisse des Fatums mit denen der Freiheit, und die der Freiheit mit denen des Fatums. Es ist unmöglich zu bestimmen, wo die Schwingungskreise eines jeglichen Geschöpfes enden oder einen Punkt zu finden, der mit den andern keine Verbindungsfähigkeit hätte. Unser Leben ist harmonisch und weit verzweigt. Die Knoten der Natur sind so wohl geschürzt, dass Niemand je die beiden Enden finden kann. EL.25f
So wird das Fatum auch bei Emerson als persönliche Bestimmung herausgekehrt. Er beschreibt es mit den folgenden Worten, die N - wie alles! - auch auf sich selbst bezog und damit zu seinem „Werden“, zu seinem Ausleben von Emersons „Grundsätzen“, also zu seiner „Emerson-Erfüllung“ führte:
Jedes Geschöpf hat auch noch andere Bedürfnisse als Luft und Nahrung. Seinen Instinkten muss zuvorgekommen und das, dessen er bedarf [und N bedurfte Vieles und das jeweils „im größten Stile“! 15.7.82], in den Umkreis seines Vermögens gelegt [oder einfach hineingenommen!] werden. Seine Existenz ist nicht eher möglich, als wenn die unsichtbaren Dinge eben so für ihn bereitet sind, wie die sichtbaren. Welche Veränderungen im Himmel und auf Erden erschließt uns daher nicht die Erscheinung eines Columbus oder Dante! - [denen beiden - wie überhaupt allen „Überragenden“! - N nacheiferte und sich ihnen gleichgestellt sehen wollte!]. Wie geschieht das? Die Natur ist keine Verschwenderin, sondern wählt zu ihren Zielen immer den kürzesten Weg. [Nur hat die Natur keine „Ziele“! Sie ist immer auf ihrem „kürzesten Weg“!] ….. Jedes Geschöpf, Zaunkönig oder Lindwurm, muss selbst sein Lager bereiten. Mit dem Leben tritt auch Selbstbestimmung, Gebrauch und Absorption der Stoffe ein [Aufnahme von Gasen und Dämpfen durch Flüssigkeiten oder feste Körper]. Leben ist Freiheit, Leben im direkten Verhältnis zu seinem Steigen [zu seiner „Erhöhung“, zum „Über-“ in allen nur denkbaren Zusammenhängen!?]. Das neugeborene Kind ist nicht untätig, sondern Leben waltet unwillkürlich und übernatürlich [wieso das, da doch das „Leben“ - wohl ohne alles „über“! - nur allzu natürlich ist?] in ihm und seiner Nachbarschaft ….. Die kleinste Kerze füllt einen weiten Umkreis mit ihrem Lichte und die Gedanken des Menschen steigen bis zu den Sternen empor [tun sie das wirklich? - nur so? - ohne eine kunstfertige Übersetzung in elektromagnetische Wellen?] ….. Dante und Columbus waren Italiener - zu ihrer Zeit, sie würden in unseren Tagen Russen [warum?] oder Amerikaner [wie Emerson?] sein [und wenn die, warum nicht auch N selber? - Gemäß dem, was er sich kraft seines ihm unzweifelhaft gegebenen „Herrscheramtes“ zuzutrauen wagte?]. Die Dinge reifen und neue Menschen kommen. Das höhere Ziel, der Zweck über ihren Selbstzweck hinaus, die gegenseitigen Beziehungen, durch welche Planeten sich niederschlagen und kristallisieren und dann Tiere und Menschen beleben, rasten nimmer sondern wirken in höheren Einzelheiten und vom Höheren zum Höchsten. EL.26f
Auch damit hatte Emerson im Vorweg einen Teil von Ns Lebensinhalten, Lebensprogrammen und seinen Vorstellungen beschrieben: Die Erhöhung zum Höchsten hin, dieses Idealische, das er zu verbreiten verstand und mit dem er auf viele Eindruck und vieles an ihm entschuldbar machte und ihn wie ein gewisses Flair umgab: Es war ihm von Emerson und als „Wesen der Welt“ gleichsam eingeträufelt und als mögliche Aufgabe, sich darauf zu stürzen, vorgemacht oder „vorgeschrieben“ worden! Als seine Zukunft; - die so genau stimmen musste, wie N sich in seiner Existenz von Emerson verstanden fühlte, wie er nie zuvor und von niemandem sonst bis in seine geheimsten Tiefen!
Das Geheimnis der Welt ist, Personen und Ereignisse zu verbinden. So wie Personen Ereignisse, so schaffen Ereignisse Personen und was sind die „Zeiten“ und „Zeitalter“ anders, als einige wenige tiefe Denker und Männer der Tat, in welcher der Extrakt der Zeiten zum Ausdruck gelangt ist? EL.28
Diese „Ansicht eines Betrachters“ hat sich N - irrtümlicherweise! - grundsätzlich zu eigen und in letztlich unzulässiger Weise auch zur Grundlage seiner „Philosophie“ gemacht: In dieser Art von Sätzen Emersons wird in der Weltbetrachtung und Weltbeurteilung die Perspektive eines Betrachters geschichtlich nachkommender und damit fremder Zeiten vertreten, nicht die des „gegenwärtigen Lebens“ der betrachteten Zeit, in welcher diejenigen „ihr Schicksal erleben“, welches sich in der Aufmerksamkeit eines später vielleicht gar nicht kommenden Betrachters nicht „wiederfindet“!! Jede Gegenwart besteht nicht nur aus dem später einmal für „groß“ Erachteten und „erfüllt“ sich nicht nur in solchem, sondern - unabhängig von irgendwelchen für diese absolut unbedeutenden, später erst auftretenden Betrachtern! - Es verwirklicht sich in jeder Gegenwart - und nur dort! - Auch in seinen „Repräsentanten“ ist das Leben vergänglich, wobei die „Großen“ nur in Relation - und in den Augen eines an sich auch wiederum unbedeutend sein könnenden Betrachters - „groß“ erscheinen mögen und dies vielleicht in der einen oder anderen Hinsicht auch tatsächlich sind.
Jeder Betrachtende verfälscht durch seine Neigungen sein Abbild oder Idealbild eines anderen Lebens, dem weder ein Ziel, noch ein Zweck und wohl auch kein die Vielfalt überspannender bestimmter - von einer Betrachter-Perspektive unabhängiger! - „Sinn“ innewohnt, als einfach nur er selbst einen solchen haben kann, - nach seinen eigenen Gesetzen zu sein! - Im Gegensatz zu den unendlich vielen „Möglichkeiten“ des Nicht- und Nichts-Seins, zu denen niemand auf die Idee kommen würde, nach deren „Sinn“ zu fragen. - N suhlte sich geradezu in der selbstgefälligen Position seines Lustempfindens und eitler Selbstbefriedigungssucht ein bewertender Betrachtender zu sein und fällte aus dieser höchst parteiischen Existenz heraus seine in diesem Zusammenhang unbedeutenden Urteile über eine Welt, in der er - wie jeder andere! - nichts als nur sich selber fühlte, aber die anderen Lebenden nach den Maßen dieses weitgehend unbeteiligten, mit ganz anderen Dingen beschäftigten Betrachtergefühls „ordnen“ und für richtig beziehungsweise falsch erklären wollte! Zu diesem Problemkreis gehören auch die folgenden Sätze von Emerson:
Es glaubt der Mensch oft sein Fatum fern, weil die Kopula [die Verbindung] ihm verborgen ist, aber in seiner Seele steht schon das Ereignis geschrieben, das ihn befallen soll, denn das Ereignis selbst ist nur die Verwirklichung seiner Gedanken und Ahnungen [und Wünsche und Hoffnungen?]. Das Ereignis ist der Abdruck unsrer eignen Formen; es muss uns passen, wie unsre eigne Haut. Was Jeder tut, ist ihm eigen, Taten sind Kinder von Körper und Geist. Wir lernen, dass die Seele des Fatums auch unsre Seele ist, wie Hafis singt [1320-1389, einer der bekanntesten persischen Dichter, jener, der den gesamten Koran auswendig kannte, weil er ein dafür besonders geeignetes „gutes“ Gedächtnis besaß]: „Wehe, bis jetzt nicht wusste ich: Der Führer des Fatums leitet auch mich.“ EL.28
Dabei wurde allerdings so etwas wie eine - nicht nachweisbare! - „Instanz“ vorausgesetzt, die außerhalb eines Individuums mit diesem in einer kommunikativen Verbindung steht und dessen Lebensverlauf beeinflusst und als „höhere“ Macht lenkt und bestimmt. Dazu schrieb N im zweiten Jugendaufsatz:
Überhaupt kann ein Ton uns berühren, wen nicht eine entsprechende Saite in uns ist? Oder anders ausgedrückt: Können wir einen Eindruck in unserm Gehirn aufnehmen, wenn nicht unser Gehirn schon eine Aufnahmefähigkeit dazu besitzt? BAW2.61
Gewisse Ideen sind in der Luft. Wir sind alle eindrucksfähig, aber die einen mehr als die andern und diese geben jenen Eindrücken zuerst Ausdruck. Daraus erklärt sich die merkwürdige Gleichzeitigkeit von Erfindungen und Entdeckungen [was aber war daran „merkwürdig“ zu nennen? Das beruht doch auf der jeweils vorliegenden „Informations-Infrastruktur“, die gewisse „Dinge“, Ideen, Erfindungen, Umsetzungen ermöglicht oder eben - noch! - verhindert oder nicht fördert.] Die [hier personifiziert erscheinende!] Wahrheit ist in der Luft [Nein! der Erkenntnisstand einer Zeit „erlaubt“ oder verunmöglicht Wahrheiten, die als solche gelten können, weil sie in das jeweilige plausible Weltbild zufriedenstellend passen!] und das empfindlichste Gehirn wird sie zuerst anzeigen, aber einige Minuten später werden Alle sie an sich erfahren ….. So ist der große Mann, derjenige, der vom Geist der Zeiten am innigsten durchdrungen ist, auch am eindrucksfähigsten; empfindlich und erregbar wie das Jod im Lichte [in Anlehnung an das Funktionieren der zu jener Zeit gerade aufkommenden photographischen Verfahren, die sich von den Möglichkeiten einer digitalen Darstellung von Bildern nichts träumen ließen!]. Er bemerkt die unendlich kleinsten Schwankungen und beweist, dass sein Geist gerechter als der der Andern ist [was zum Teil wieder einmal nur eine superlativierende Schwärmerei darstellte!], indem er, noch ehe diese der Bewegung sich bemeistern konnten, schon deren Richtung und Bedeutung herausfühlt und bestimmt. EE.31
Derlei prägte N und bildete seine Vorstellung vom Sein und dem Sich-verhalten-müssen eines Genies. Solche Sätze hat N gern und unmittelbar auf sich bezogen und in seiner ausgeprägten Unfähigkeit zur Distanz sich selbst gegenüber im ausbalancierenden Vergleich mit und zu „den Anderen“ - was für eine realistische Weltanschauung ja so etwas wie eine zwingende „Existenzgrundlage“ ausmacht! - immer nur als sein Leben betrachtet und ist davon ausgegangen, dass das, was Er dachte, für alle von gleicher Bedeutung und Wichtigkeit zu sein hätte! Diese Haltung hat N anlässlich vielerlei Anlässe immer wieder bewiesen. Ihm erwuchs daraus die mit Stolz und Opferbereitschaft übernommene „Aufgabe“ 18.11.78, seine „Meinung“, „Weltsicht“ und „herrscheramtlichen“ Überzeugtheiten als „großer Mann“, der vom „Geist der Zeiten am innigsten durchdrungen“ und befähigt, auserwählt, getragen und mit feinsten Nervenfasern ausgestattet war und somit der erste und einzige zu sein hatte, der es geistig so weit vorzudringen verstanden hat, dass ihm darüber hin seine „Gedanken“ nicht nur zum Geist der Zeiten, sondern weit darüber hinaus zum „tiefsten Geist aller Jahrtausende“ 6.437 werden sollten und er vor sich selbst - und bald tatsächlich auch vor „den Anderen“- allerdings zuerst vor Leuten wie beispielsweise Peter Gast, auf ihn ist noch ausführlich zu kommen! - zum Vorreiter künftiger Weltentwicklungen aufrücken konnte! Aus gleichem Grund fehlte ihm übrigens die Fähigkeit nachzuempfinden, dass anderen Menschen ganz andere Dinge wichtig erschienen, wofür es ihm immer wieder unbegreiflich schwer fiel, Verständnis aufzubringen.
Ns lebenslang gepflegter und früh schon auf „herrscheramtliche“ Weise praktizierter „Größenwahn“ bildete den Nährboden seines genetisch bedingten Übereinstimmungsbedürfnisses mit dem, wie Emerson seine Weltansichten beschrieben hat, besonders deren über alle normalen Maße weit hinausgehende Überhöhung des eigenen, eigentlich zutiefst unsicheren Wesens, seiner Natur, seines Charakters, - als allen Ernstes für die ganze Welt bedeutungsvoll zu nehmende „Besonderheit“, die N aber - abgesehen von seinen psychischen und physischen Extrembedingungen, mit denen er angetreten war! - in Wirklichkeit mit allen Menschen gemeinsam hatte! - Dazu kam die seelische Belastung, seine für ihn „tatsächliche Besonderheit“ vor allen anderen sich und eben auch „diesen Anderen“ ständig beweisen zu müssen: Um diese Besonderheit sich selbst gegenüber aufrecht erhalten zu können: Das sollte den Inhalt und den Gehalt seines gesamten „Philosophie-Aufwandes“ ausmachen! Insofern ist seine „Philosophie“ als eine Fälschung, eine Täuschung, ein Betrug, als ein Fake, eine Vortäuschung falscher Tatsachen, - als gigantischer Schwindel letztlich! - anzusehen, - diente dieser doch nicht der Weltergründung, der fruchtbaren Orientierungshilfe für „die Anderen“, sondern in erster Linie der Darstellung seiner Selbsterhöhung, denn er redete auch und sogar vor allem in dem, was er für seine „Philosophie“ hielt - weil er gar nicht anders konnte - nur von sich! - Diesen Vorgang verdeutlicht zuletzt auf geradezu bloßstellende und peinliche Weise sein vielfach hoch gefeiertes „Ecce homo, wie man wird, was man ist“, das so wenig Ns Wirklichkeit darstellt, wie seine dritte und vierte „Unzeitgemäße Betrachtung“, die angeblich Arthur Schopenhauer und Richard Wagner darstellen sollten, aber in allem nur einem illusorischen Wunschbild von N selber entsprachen: Wie er gerne gesehen werden wollte! - ohne davon jedoch in Wirklichkeit irgendetwas zu sein! Das „Ecce homo“ diente N nur dazu, den Unterschied zwischen Sein und Schein aufzuheben, was ihm auf eine gewisse Zeit hin ja tatsächlich - aber nicht über alle Zeiten hinweg! - gelungen war.
Ein Schlüssel, eine Lösung der Mysterien des menschlichen Lebens, eine Lösung des alten Schicksalsknotens, Freiheit und Vorherbestimmung [wieder erscheint hier diese den Begriff „Gott“ ersetzende, „höhere“ Instanz! - sie] besteht darin [daraus], dass wir ein doppeltes Gewissen [für den Wahn das eine und ein andres für die Wirklichkeit?] anerkennen. Der Mensch muss abwechselnd auf den Pferden seiner privaten und seiner öffentlichen Natur reiten können, wie ein Kunstreiter im Zirkus, der sich gewandt von Ross zu Ross schwingt, oder einen Fuß auf den Rücken des einen, den andern auf den des zweiten pflanzt. So soll der Mensch, wenn er dem Fatum unterliegt, wenn er Hüftweh in seinen Lenden und Krampf im Gehirn, plumpen Fuß und plumpen Witz, ein versäuertes Gesicht und selbstsüchtige Gesinnung, Spreizen in den Beinen und Ausschweifen seiner Neigungen spürt, oder wenn er von dem Laster seiner Rasse zu Grund gerichtet wird, seine Verbindung mit dem Universum aufsuchen, welches durch sein Verderben gewinnt. Indem er den Dämon, welcher ihn niederdrückt, verlässt, nimmt er Partei für die Gottheit, die durch seine Qualen das allgemeine Wohl befördert. EL.33
Das war wieder einmal ein tolles Wortgetöse! Was für Töne! Alles um mehrere Nummern nach 5XL hin überrissen! Als „Schlüssel“ und „Lösung der Mysterien des Lebens“ angepriesen und mit Maßlosigkeiten garniert! Ein dunkler Absatz, in dessen logischer „Dämmerung“ Emerson viel an Gefühlsaufwallung aber wenig von tatsächlich Durchdachtem untergebracht hatte. Was ist da wieder alles hinein und heraus zu interpretieren - als scheinbare „Klärung“ dessen, was es mit dem Fatum auf sich hat oder haben könnte? Denn weder Emerson noch N wussten genauer, was für Zusammenhänge zwischen den schließlich ja nur gewählten und benutzten Begriffen für das, was sie zum Ausdruck bringen wollten, wirklich bestanden. Zum Ende seines „Fatum“-Kapitels ließ Emerson sich dann noch einmal hinreißen zu einer sehr pathetischen Ausdrucksweise, wenn er in ausschweifenden Bildern dem leichtgläubigen, absolut unkritischen N satte Unmöglichkeiten als möglich servierte:
Wenn ein Gott reiten will, so wird ein Holzklotz oder Kiesel sich beleben und beschwingte Füße treiben, um ihm als Reitpferd zu dienen. Lasst uns der gesegneten Einheit Altäre bauen, welche Natur und Seelen in vollkommener Freiheit erhält und jedes Atom zwingt, einem allgemeinen Zweck zu dienen ….. Lasst uns der schönen Notwendigkeit Altäre bauen. Wenn wir dächten, die Menschen wären frei in dem Sinne, dass in einem einzigen Ausnahmefalle ein phantastischer Wille über das Gesetz der Dinge triumphieren sollte, so wäre es ganz eben so, als ob eines Kindes Hand die Sonne niederreißen könnte. Wenn in der kleinsten Einzelheit irgendwer die Ordnung der Welt aufheben könnte, wer möchte dann wohl die Gabe des Lebens noch annehmen? EL.34
Das klingt, als ob man „die Gabe des Lebens“ ablehnen könnte, was man erst kann, wenn man sie angenommen hat oder dazu gezwungen war, sie über sich ergehen zu lassen. Was sich hier zeigte, waren die Lasten eines fortwährenden Superlativierers, der unter der Last allzu vieler Superlative geistig zusammenbricht.
Lasst uns Altäre der schönen Notwendigkeit bauen, welche Sicherheit gibt, dass Alles aus Einem Stück gemacht ist, dass Kläger und Beklagter, Freund und Feind, Tier und Planet, Nahrung und Esser aus einem Stoffe sind. In der Astronomie ist unendlicher Raum, aber kein fremdes System; in der Geologie unendliche Zeit, aber seit Ewigkeiten dieselben Gesetze wie heute. Warum sollten wir uns fürchten vor der Natur, die nichts anderes ist, als „verkörperte Philosophie und Theologie“? EL.34f
Mittels derart verweltlichter theologischer Schwätzerei ließ sich über Dinge reden, von denen weder Emerson noch N selbst irgendetwas verstand, sondern nur noch der angenehme, geschmeichelte Glaube etwas ausrichten konnte und unter diesem alles verklärt, bedeutsam und vernünftig erscheinen musste, weil der Schmus „alles erklärte“. Ausgerechnet die von Emerson hier beschworene „schöne Notwendigkeit“ sollte zwanzig Jahre später in Ns „Zarathustra“ im hier feierlich anklingenden Sinn als ein wichtiges „philosophisches“ Element immer wieder auftauchen und „Bedeutung“ haben! So sehr wurde N von diesem Geschwätz erfasst und an- und ausgefüllt; nicht, weil er gründlich darüber nachgedacht hätte, sondern weil es ihm blindlings gefiel, ihm gemäß war und der Rolle, die er im Leben spielen wollte, entgegenkam, - als ein bequemes Vehikel, sich in Wortfolgen zu definieren, zu produzieren und vorzuzeigen. Das ist nicht frei von allerlei Schauspielerei und Maskenzauber, um auf beschwörende Weise immer wieder in neuer Gestalt erscheinen zu können ohne auf irgendetwas wirklich festgelegt zu sein. Emerson trieb das schönrednerische Spiel noch weiter:
Verehren wir diese schöne Notwendigkeit, die den Menschen mutig macht, indem sie ihn glauben lehrt, dass er nie einer Gefahr entgehen kann, die ihn erreichen, noch eine andere heraufbeschwören, die ihn vermeiden soll [wenn man sich in gewohnter Weise einen Gott, Dämon oder Teufel dazu denkt, der das Ganze sich so, wie es irgendwann abgelaufen ist, von vornherein ausgedacht haben soll!]; jene Notwendigkeit, die rau und sanft ihn zu der Erkenntnis erzieht, dass es keine Zufälligkeiten gibt [was mit zunehmenden Jahren für N auch immer bedeutender werden sollte!], sondern das Gesetz [aber welches eben?] das gesamte Dasein durchdringt; ein Gesetz, welches nicht verständlich, sondern das Verständnis, weder persönlich, noch unpersönlich ist, welches Worte verachtet und höher ist als alle Begriffe, Personen auflöst und die Natur belebt, aber von dem, der reinen Herzens ist [aber wer ist das schon in superlativisch unanfechtbarer Weise?], erheischt, dass er sich mit all’ seiner Allmacht [deren „herrscheramtlich“ gelagerten Gefühle N aus seinen „Anfällen“ und Abwesenheitsmomenten kannte] bekleide EL.35 [ummantele, maskiere, ausstaffiere, - um als das zu erscheinen, was N jeweils darzustellen verlangte oder dazu dienen konnte, allen nur möglichen Interpretation die Steigbügel zu liefern!].
Damit endet Emersons speziell dem Fatum gewidmetes, für Ns Jugendaufsätze und auch sonst so wichtiges Kapitel, was nicht anderswo gemachte Ausführungen zu diesem Thema ausschließen soll. Für Ns Jugendaufsätze, die sich beide schon von ihrem Titel her in besonderer Weise das „Fatum“ zu Herzen genommen hatten, waren auch die anderen Emerson-Stellen mit „Fatum“-Bezug von tief reichender Bedeutung. Deshalb seien davon einige hier zur Verdeutlichung von Ns Seelenlage noch angeführt:
Aus dem 2. Kapitel „Von der Macht“:
Wählt euch euren Wirkungskreis, tut, was Kopf und Hände vermögen und last alles Übrige beiseite; - so allein mag der Überschuss eurer Lebenskraft [sofern diese gegeben war!] jenen Höhepunkt erreichen, welcher den Schritt vom Wissen zur Tat vollbringen kann. [In genau dieser Beliebigkeit wollte sich N sich seine „ökologische Nische“ als allen überlegener Großphilosoph einrichten und erobern: In diesem Tätigkeitsfeld zwischen Emersons „Wissen“ und Ns „herrscheramtlicher“ „Tat“ als missionarische oder propagandistische Verwirklichung dessen, „was geschrieben steht“, denn etwas wirklich Eigenes, hinter dem nicht Bezugnahmen auf Emerson’sche Empfehlungen stehen, ist N nicht eingefallen!] Wie viel Einsicht und Verständnis ein Mensch auch besitzen mag, selten wird jener Schritt getan, welcher jene vom Fatum gezogenen Kreise des Unvermögens durchbricht und hinaus in die Bereiche erfolgreicher Tätigkeit führt. EL.51
Was für eine Verlockung ist das für N gewesen! - Die „vom Fatum [für „die Anderen“ streng und unausweichlich] gezogenen Kreise des Unvermögens“ in „herrscheramtlicher“ Freigeisterei um nichts weiter bekümmert zu durchbrechen und souverain „hinaus in die Bereiche erfolgreicher Tätigkeit“ zu gelangen! Das entsprach Ns „herrscheramtlich“ geprägten Verlangen! Darauf war sein ganzes oppositionsgeladenes Wesen, alles ganz anders machen zu wollen, erpicht! Es konnte für N gar kein besseres - ihm zu diesem Zeitpunkt allerdings längst noch nicht vollauf bewusst gewordenes! - Tätigkeitsfeld geben. Mit seinem einsamen „Philosophieren“ hat N genau dieses Schema erfüllt! Sich einen „Wirkungskreis gewählt“, in welchem er mit dem „Überschuss seiner Lebenskraft“ - die ihm gar nicht gegeben war! - jenen Höhepunkt erreichen“ konnte, selber in übermenschlicher Größe vor „den Anderen“ zu erscheinen.
Aus dem 6. Kapitel „Von der Würde und Gottesverehrung“:
So wenig, wie das Sonnensystem um seinen Ruf besorgt zu sein braucht, oder Wahrheit und Ehrlichkeit um ihre sichere Begründung [wobei das, was „Wahrheit“ ist oder sein kann, hier als ein angebliches Absolutum genommen, keinerlei Definition und schon gar keiner Fragestellung unterzogen wurde], so wenig ist es mir auch möglich, zu fürchten, dass aus festem Anlehnen an das Fatum oder an die Ideen von wirklicher Macht und jede Art von Handel eine zweiflerische Missgeburt entstehen könnte, welche durch die Lehren des Glaubens nicht in Schach gehalten würden. [Die „Festigkeit im Glauben“, die Emerson hier zeigte, könnte aber auch in der einseitigen Sichtweise auf diese Dinge liegen:] Die Stärke dieses Prinzips wird nicht nach Unzen und Pfunden bemessen: sie herrscht tyrannisch im Zentrum der Natur [was N erlaubte, diese Zwanghaftigkeit zu übernehmen, indem er auch daran glaubte, dass es - in gleicher Einseitigkeit der Betrachtung! - keine andere Sichtweise gäbe]. Wir dürfen immerhin dem Skeptizismus so viel Raum geben, als wir vermögen: der Geist wird zurückkehren, um uns zu erfüllen. Er treibt die Treiber und hält allen Kraftansammlungen und Auflehnungen das Gegengewicht. EL.140
Aus dem 7. Kapitel „Gelegentliche Betrachtungen“:
Obgleich eine gewisse Wut, Andere belehren zu wollen, mit dem Menschen zur Welt kommt [und davon spürte N ein ziemliches Potential in sich!], ist das Leben eher ein Gegenstand des Erstaunens, als der Belehrung. Es gibt so viel Fatum, so viel unwiderstehliche [weil so wenig ohne weiteres beeinflussbare!] Vorherbestimmung durch das Temperament, so viel unbewusste Eingebung darin, dass wir zweifeln, ob wir aus unsrer eignen Erfahrung etwas sagen können, das Andern helfen könnte [das konnte N nicht! - Trotzdem jedoch gab es da diese nicht zu unterdrückende, „bis zum Defekt“ NR.320 sich auswachsende ehrgeizige Sehnsucht nach Größe 4.194, die sich doch irgendwie sollte erfüllen lassen!]. Alle Äußerungen sind schüchterne und gewagte Mittel. EL.170
Das belehrende Element steckte bei N in seinem ihm selbstverständlichen „Mach-es-wie-ich“ stets obenan. Auch dies entsprach Ns Gefühlslagen, als er das - und ja nicht nur einmal, sondern immer wieder mal! - las. Er kannte sowohl die „Wut der Belehrung“ wie das „Erstaunen“ und auch den „Zweifel“ ob er aus eigner „Erfahrung“ heraus etwas sagen könne und der Welt zu verkünden hätte: Etwas, das über die Selbstbespiegelung seiner immer wieder unternommenen Rückblicke auf sein eigenes Lebens hinausgehen würde!
Und so ist das ganze Leben ein schüchternes und ungeschicktes Versuchen [weil jeder in und mit seinem Leben Neuland betritt]. Wir tun, was wir können und nennen es beim besten Namen [obgleich keine oder nur herzlich wenig Orientierungshilfe gegeben wird, woran sich der Einzelne halten soll: - immer nur an sich selbst? - wie N! - Das ist zu wenig und führt, solange „die Anderen“ darin eine so geringe Bedeutung haben, in die Irre der nicht nur von N oder in seinem Sinn zu vertretenden „Freiheit des Geistes“, die bei ihm letztlich lautete „Alles ist erlaubt, nichts ist wahr“ 4.340]. Wir haben es gern, wenn man uns für unsere Handlungen lobt, aber das Gewissen sagt uns: „Es gilt nicht uns“ EL.170f [denn ein ordentlich bescheidenes Puritaner-Gewissen wie das von N hatte - anfänglich zumindest! - so selbstsüchtige Äußerlichkeiten wie lobende Anerkennung und Ruhm anstandshalber gering zu schätzen, was an Ns sehr zurückhaltende Reaktion auf die Verleihung des von der Universität Leipzig ausgesetzten Preises für eine grundlegende Arbeit „über die Quellen des Diogenes Laertius“ gemahnt. Er quittierte sie mit der Bemerkung: „Tant de bruit pour une omelette“ 1.2.68 - so viel Applaus für ein Omelette - obgleich er doch stolz genug war, einem Freund den gesamten lateinisch verfassten, über 14 Druckzeilen langen Lobes-Wortlaut, welcher auf der - seine Arbeit „auf eine glänzende Weise krönenden“ - Preis-Erteilungsurkunde aufgeführt war, in sauberer Abschrift zur Kenntnis zu geben.
In dem - wegen Ns detailliert aufzuzeigender Abhängigkeit von Emerson! - an dieser Stelle erst bis gut zur Hälfte kommentierten Jugendaufsatz über „Fatum und Geschichte“, in dem N sich „in den Kreisen der Weltgeschichte mit fortgerissen“ der „Frage um Berechtigung des Individuums zum Volk, des Volkes zur Menschheit, der Menschheit zur Welt“ zugewandt und sich zugleich zu den diesem Thema möglichen Superlativen emporgearbeitet hatte, ging es ihm - wiederum sehr persönlich genommen! - um sein zentrales Problem des ihm schwer fallenden „Einordnen-Könnens“ seines gewaltigen Ich und dessen „Berechtigung“ gegenüber den ihm wegen seiner Gefühlsblindheit für sie nur schwer auszumachenden „Anderen“, die er - wenn überhaupt! - nur als „Rest der Welt“ auf der Rechnung seiner eigenen Bedeutsamkeit hatte!
Die in Aufmarsch gebrachten Superlative „Volk“, „Menschheit“ und „Welt“ waren Masken, hinter denen N seine Unbedeutenheit verstecken konnte, weil es immerhin doch - auch moralisch! - nach etwas aussah, wenn er den Anschein erwecken konnte, dass er sich für derlei zuständig fühlte. Von einer Leistung in dieser Richtung brauchte ja nicht die Rede zu sein, denn hier waren nur Worte zu investieren! An dieser Stelle seines Aufsatzes wich Er - in fraglos parteiischer Ausübung seines „Herrscheramtes“, hierzu konkrete Aussagen zu wagen! - aus, wechselte „ein wenig“ das Thema und setzte seinen Text - als würde er „bei der Sache bleiben“! - mit einer weiteren, aus seiner Lebensselbstverständlichkeit heraus ergriffenen Behauptung fort:
Die höchste [äußerste, unerreichbar superlativische] Auffassung von Universalgeschichte ist für den Menschen unmöglich; der große Historiker aber wird ebenso wie der große Philosoph Prophet [wieso? Nur wegen seiner Sehnsucht und Lust, zu bestimmen, was seinen Vorstellungen entsprechend kommen sollte?]; denn beide abstrahieren [Philosoph, Prophet und auch N! - verallgemeinern] von inneren Kreisen auf äußere [wie im Mittelalter die Himmelsschalen, die als Sphären die Wandel- und Fixsterne „hielten“ sowie, noch ein Kreis weiter, Gottes Heimat bewahrten und von denen auch niemand wusste, wie sie außerhalb der menschlichen Vorstellung wirklich gestaltet wären]. Dem Fatum aber ist seine Stellung noch nicht gesichert [wer sollte das tun?]; werfen wir noch einen Blick auf das Menschenleben, um seine Berechtigung im Einzelnen und damit im Gesamten zu erkennen.
Was bestimmt unser Lebensglück? [gibt es denn eins? - für alle?] Haben wir es den Ereignissen zu danken, von deren Wirbel wir fortgerissen werden? [dass N hier das „Fortgerissen-werden“ nach 14 Zeilen zum 2. Mal nannte konnte nicht ohne Bedeutung sein, weil N damit eine Gefühlslage umriss, die zumindest nicht darauf verwies, dass er „alles im Griff“ gehabt hätte, sondern im Gegenteil, ihn eher das Gefühl des „Fortgerissen-werdens“ beschlich, also nicht alles nach Wunsch „im Griff zu haben“!] Oder ist nicht vielmehr unser Temperament gleichsam der Farbenton aller Ereignisse?
Das dürfte kaum in jedem Fall klar voneinander zu unterscheiden sein! - So, wie es Ereignisse gibt, die wir nur eingefärbt durch unser „Temperament“ erleben, gibt es auch welche, die unser „Temperament“ einfärben und ihm eine Richtungsänderung aufzwingen. Und des Weiteren gibt es Etliches, das unerbittlich von außen bestimmt, was aus dem Einzelnen „werden“ kann oder auch nur „gemacht wird“, - alles in allem.
Tritt uns nicht alles im Spiegel unserer eigenen Persönlichkeit entgegen? [Das hatte N schon einige Monate vor seinem „Herrscheramts“-Erlebnis auf den Schönburg-Zinnen vermutet, als er - wohl im August 1858! - die Gedichtzeilen schmiedete: „ein Spiegel ist das Leben. In ihm [und das in engst-möglicher Rückkopplung!] sich zu erkennen, möchte ich das erste nennen, wonach wir nur auch streben“ BAW1.32 [was, für sich genommen, nicht der erste Ausdruck seiner reichlich autistisch veranlagten Grundeinstellung dem Leben gegenüber war.] Und geben nicht die Ereignisse gleichsam nur die Tonart unsres Geschickes an, während die Stärke und Schwäche, mit der es uns trifft, lediglich von unserem Temperament abhängt?
Der stets nur um ihn selbst kreisende Versuch, mit diesen wenigen Formeln und Floskeln die unbeschreibliche Vielfalt der Lebensbeziehungen und Bezüglichkeiten beschreiben und zugleich in eine gewisse Ordnung bringen zu wollen, konnte schon deshalb nicht gelingen, weil N wegen des Bezuges auf nichts außer sich selbst alles immer unzulänglich erscheinen musste!
Frage geistreiche Mediziner, sagt Emerson [das war eine Verlegenheits-Erwähnung des heiligen Namens, weil N nicht wagte, aus eigenem Ermessen auf den dieses klären sollenden „Mediziner“ zu sprechen zu kommen:], wie viel Temperament nicht entscheidet und was es überhaupt nicht entscheidet. Unser Temperament aber ist nichts als unser Gemüt, auf dem sich die Eindrücke unsrer Verhältnisse und Ereignisse ausgeprägt haben.
Hier taucht bei N - nicht nur als Stichwort-Notiz! - sondern in einem logischen Zusammenhang erstmals der Name Emersons auf: Und zwar angerufen als eine Autorität! Die Art der Formulierung verrät einen guten Teil von Ns Einstellung zu ihm: Er war zur Klärung unsicherer Fälle zu befragen! Man müsste N dankbar sein, diesen Namen als Bestätigung für die hier vorgebrachten Kommentare in seinem Aufsatz von sich aus so klar und deutlich genannt zu haben: Als Beweis zumindest dafür, dass ihm dieser in Europa damals relativ unbekannte und damit wenig bedeutungsvolle Schriftsteller zum Zeitpunkt der Niederschrift seiner früh schon so bekenntnishaft ausgefallenen Ausführungen nicht unbekannt war, was angesichts der tatsächlich gegebenen Umstände natürlich eine heillose Unterschätzung der wahren Maßstäbe bedeutet, ist doch jede Zeile der Jugendaufsätze mit Emersons „Geist“ so getränkt und gesättigt, dass sie von diesem fast „triefen“.
Es geht hier nicht darum, nachzuweisen, dass N von Emerson irgendetwas abgekupfert hat. Das Verhältnis des 17-jährigen N zu Emerson ist nicht als Plagiatsfall aufzufassen, denn es handelt sich um viel mehr: Nämlich um eine wahrhaft tragisch verlaufene, unreflektierte und für N auch unreflektierbar gebliebene und in ihrem Verlauf des „Erfüllens, was bei Emerson geschrieben steht“ letztlich auch pathologische Identifikation mit Emerson‘schen „Formen“ als ein übernommenes Evangelium in, für und zu all seinen scheinbar großartigen und Bewunderung erfordernden, kein Maß kennenden „eigenständigen“ Handlungen, die gar keine solchen waren und sind. Die Identifikation war es, die N zu dem machte, was er war und ist: Formal lebte er - in seinem „Stil“! - seine eigene Begabung, - inhaltlich dagegen erfüllte er Emerson: „auf dass erfüllet werde die Schrift“! -
Von Emerson kam alles, was „gedanklich“ zu etwas führte, das philosophischen Anstrich besitzt. N bewegte sich in dessen Anregungen, Vorgaben, Regeln, Werten, als wäre Emerson sein Skelett, - für einen, dem - in seiner haltlosen Bezogenheit ausschließlich auf sich selbst! - aus sich selber heraus kein anderer Orientierungsrahmen für seine nur auf seine überrissene eigene „Größe“ gerichteten „Ehrgeiz bis zum Defekt“. NR.320 gegeben war.
N hat nach dem „Rezept“ Emersons gelebt, - um seinem mindestens drei Jahre vorher schon nach „Herrscheramt“ so bedürftigen Wesen die Möglichkeit einer „Existenz“ in „großem Stile“, als Alpha-Wesen, „allen immer voran“, zu geben; - gemäß der wahrhaft berauschenden Vorgabe Emersons, nach welcher „der Maßstab, den du selbst an dein Tun und Sein legst, sich gewiss immer daraus ersehen lassen wird, ob du dies Tun und Sein gern umgehen möchtest und deinen Namen [in falscher Bescheidenheit zu] verleugnen [bereit bist], oder ob du dein Werk an der konkaven Sphäre des Himmels sichtbar werden lässt, wo es eins ist mit dem Umlauf der Sterne“ EE.113
Das letztere wollte N! - Wenigstens!
Der begeisterte Vollzug der Identifikation mit Emersons Ausführungen ist der - schwerlich sofort auffällig werden könnende und auch nicht auffällig gewordene - Beginn des Wahnsinns in Ns Leben! Er offenbart sich in der Tatsache, dass N an einer Vielzahl von „Emerson-Weisheiten“ - die ja nur „Sprüche“ waren! - sein Leben lang hängen und kleben blieb und nicht in der Lage war, sich aus Emersons so gut zu ihm und auf seine Veranlagungen passenden Gedankengewebe aus eigener Kraft und mit selbstkritischen Fähigkeiten wieder zu befreien! Schließlich erwies N sich doch ansonsten wie ein Gott der Verneinung allem und jedem gegenüber kritisch wie kaum einer zuvor! - Das aber war er letztlich - und damit wurde sein Kritizismus zu einem Teil seines Wahns! - weil er in Emerson diesen allzu festen Halt „gefunden“ hatte. - An diesem „Halt“ musste er fortan alles messen und für ungenügend erachten, da die ihn umgebende Welt nicht mit Emersons Wahrheiten - und auch nicht mit seinen von Emerson sanktionierten Momenten des Allzusammenklangs! - in Übereinstimmung zu bringen war! N war, ohne von dieser Tatsache etwas mitzubekommen, restlos in Emerson gefangen - bis an sein Ende, welches zwangsläufig - entsprechend dem defekten Beginn! - die „geistige Umnachtung“ sein musste - sowohl inhaltlich als auch formal! Ns unsinniges, scheinbar geheimnisvolles „Werde der du bist“ vollzog sich in der Erfüllung der ihm von Emerson schmackhaft gemachten „Rolle“, dass Er der vom „großen Gott auf unseren Planeten“ gesandte „Denker“ sein könne - oder sogar wäre! - und „nichts in der Wissenschaft“ bliebe, „was nicht morgen [durch ihn!] eine Umdrehung erfahren haben möchte“. EE.226
Die N anfänglich nur als inbrünstige Sehnsucht greifbar gemachte Übernahme der ihm von Emerson in all ihren vorgeführten Maßlosigkeiten umrissene „Rolle“ war der Beginn seines Wahns! - Allerdings gehörte eine reichlich abnorme Anlage dazu, auf Emerson dermaßen „hereinzufallen“! Ns Verhalten in der für ihn immer stärker werdenden - einen Prozess der Enthemmung durchlaufenden! - Überzeugtheit von der tatsächlich gegebenen Wirklichkeit seines Seins als „höchste Instanz, die es auf Erden gibt“ 18.10.88, mit der er seine „herrscheramtliche“ Besonderheit - à la Emerson eben! - „definieren“ konnte: - Das war sein gelebter Wahn, - den er - wegen vielerlei Vorsichtigkeiten in Hinsicht auf die Öffentlichkeit! - und um vor allem nicht ausgelacht zu werden! - seine vorherrschende, den Enthemmungsprozess hinausziehende Angstposition! - die er erst im letzten Augenblick wirklich ungeniert ausleben konnte; - und damit - zu seinem Glück! - letztlich keine Schande erfuhr, weil er über den Moment seines „coming out“ hinaus - im „Ecce homo“! - a) nichts Nachteiliges mehr mitbekam und b) umständehalber ein großer, leider nur wahnsinnig gewordenen „Philosoph“ bleiben konnte, - was ja sein Ziel gewesen war.
Dass N sich mit so gut wie allen ihm wesentlich erscheinenden Inhalten, die sein Leben bestimmen sollten, schon in seinen Jugendaufsätzen nachweislich von Emersons Inhalten leiten ließ und er sich damit „hervortat“, lässt erkennen, dass in diesen Aufsätzen - wie es auch von allen N-Anbetern anerkannt wurde und wird! - bereits „alles enthalten“ ist, was N im Laufe seines Lebens zustande brachte und zu seiner „Philosophie“ erklärt hat! - Das stimmt und ist dennoch eine Legende: Denn nicht der große Denker ist in diesen Aufsätzen enthalten oder gar vorgeprägt, sondern der Infizierte, der den Infektionscharakter seiner „Leidenschaft“ nicht begriffen hatte und in der Folge glaubte, die ihm nicht gemäße Welt auf sein „geistiges Format“ zurechtstutzen zu müssen, wobei - ebenfalls auf unfreiwilliger Basis! - die „Einheitlichkeit“ von Aufsatzinhalt und Lebensaufgabe daraus bestand, dass nichts Wesentliches hinzugekommen ist in seinem Leben! - Bis auf einige hoffnungslos vergebliche Versuche, seine Lehre der „Ewigen Wiederkehr“ wissenschaftstauglich zu machen. Das wird noch in aller Deutlichkeit darzulegen sein. Mit der „konkaven Sphäre des Himmels“ hatte Emerson N nur die Form vorgegeben, wie und wo er „sichtbar werden“ wollte: „mit dem Umlauf der Sterne“! - Aber Emerson hatte N damit und dazu - außer der auf Ns Mitwirkung nicht angewiesenen Evolution! - keine wirklichen Inhalte,1 - kein Thema geliefert, das ihm garantiert hätte, damit sein Sehnsuchtsziel - ein wirklich großer Denker zu sein! - zu erreichen! N „besaß“ außer Emersons phantastischen Perspektiven nur sich selbst, was nicht ausreichen konnte, in der Welt - d.h. außer seinen literarisch draufgängerischen Maßlosigkeiten! - etwas konstruktiv und nachhaltig zu bewegen! Dass N auf die „allgemeine“ Erkenntnis der Evolution zurückgriff und auf die Schnapsidee des aus dem maßlos gewordenen Geist der Zeit heraus geborenen „Übermenschen“ als in die Zukunft verlegte „Superrasse“ verfiel, war von Emerson her zwar geebnet, nicht aber beabsichtigt, widersprach jedoch dessen großartig versprochenen anderen Inhalten nicht. Deshalb nahm N dieses Thema, zuerst noch konkretisiert am Künstler, am Genie, am überragenden Menschen demonstrativ auf, wollte sich aber sehr bald selber als solchen - und das eben auch in unhaltbarer Maßlosigkeit! - als einen Einzigen sehen und so auch angesehen und behandelt wissen.
Für den „Gehalt“ seiner Größe im Verhältnis zu seinem „Ehrgeiz bis zum Defekt“ NR.320 hatte N selber zu sorgen: In Form von Kritik vor allem gelang ihm dies. - „Niederreißen“! - Das war vergleichsweise leicht, auch wenn es ratsam war, da mit „Sinn und Verstand“ vorzugehen. „Aber aufbauen!“ Dazu bedurfte es konstruktiven Geist. Über den hat N, der sich nur um sich selber, aber nicht um ein die Menschen wirklich angehendes „Thema“ zu drehen vermochte, kaum verfügt; - bis auf die sehr schief in der Wirklichkeit stehenden Idee von der Züchtung eines „höheren Menschen“ in Gestalt eines wiederum von Emerson angeregten „Übermenschen“ - und von seiner vermeintlichen Vorbildlichkeit selbst! - und von einer von N selber stammen müssenden neuen Grundlage für eine „neue“, auf Ns höchst eigenes Zentrum ausgerichtete „Moral“, die - wie demonstriert werden wird! - zu finden N erst nach etlichen, teilweise höchst verschrobenen Anläufen gelingen sollte und endlich zu der wild gewordenen „Konstruktion“ seines „größten Schwergewichtes“ im vorletzten, 341. Aphorismus seiner angeblich - genauer genommenen aber doch eher verzweifelt „Fröhlichen Wissenschaft“ führte; - vorgestellt als „Ewige Wiederkehr“, - womit es sich an „konstruktiven“ Produkten aus Ns Denkstube aber auch hatte. Alles was es daneben auf irgendwelche gesellschaftlichen Verhältnisse Bezogenes von ihm gab, ist von so erschreckend wirklichkeitsfernem Ansatz und derart gewaltbereiter Absicht geprägt, dass auch von den N-Anbetern kaum einer wagt, sich ernsthaft darauf zu beziehen.
Weitere Bezüge auf Emerson, die in engem Zusammenhang mit Ns Jugendaufsätzen stehen aber nicht bereits anlässlich der Gesamtdarstellung der Emerson-Infektion Erwähnung fanden, sind Textstellen folgender Art:
Zum Beispiel Ns Ansichten zum „Temperament“: Zu dem er empfahl, Emersons Rat zu folgen und „geistreiche Mediziner zu befragen“: Da hieß es zuletzt:
Unser Temperament aber ist nichts als unser Gemüt, auf dem sich die Eindrücke unsrer Verhältnisse und Ereignisse ausgeprägt haben. [Und weiter:] Was ist es, was die Seele so vieler Menschen [„der Anderen“, denn sich selber hatte N hier nicht gemeint!] mit Macht zu dem Gewöhnlichen niederzieht und einen höheren Ideenflug [den er gerade auf Emersons Schwingen hatte erleben dürfen!] so erschwert? Ein fatalistischer Schädel und Rückgratsbau, der Stand und die Natur der Eltern, das Alltägliche [ihm durchaus nicht genügende] ihrer Verhältnisse, das Gemeine ihrer Umgebung, selbst das Eintönige ihrer Heimat BAW2.58 [im Vergleich auch zu Ns Nürnberger Erinnerungen? - Das wäre demnach bei ihm das seinem Stammbaum eingefleischte Temperament der Religiosität?! N gebrauchte hier übrigens, für „die Anderen“, in auffälliger Weise, wie Emerson auch, lauter negativ besetzte Begriffe, was dem Maß seiner Abneigung, seines Ekels, entsprochen haben dürfte. Das ist der bloßen Wortwahl zu entnehmen. Er definierte hier schon seine Besonderheit - über sein umfassendes Missfallen an dieser Welt, über die er glaubte, sich erhaben dünken zu dürfen.].
Dazu gehört von Emersons Seite her:
„Die Lektionen vom Fatum sind, ich gestehe es ein, sehr hässlich. Wer möchte wohl immer einen geschickten Phrenologen [einen „Schädelkundler“, der sich - das war seinerzeit sehr beliebt! - mit der Beschreibung des menschlichen Schädels in seiner Gesamtheit beschäftigte] hinter sich haben, der sich entscheidend über seine [des jeweils betrachteten Menschenschädels] Schicksale ausspricht? Wer glaubt wohl gern, dass in seinem Schädel, Rückgrat und Becken alle Laster [auch Emerson bietet hier nur Negatives!] der sächsischen oder keltischen Rasse verborgen sind, welche mit Sicherheit, zu was für hoffnungsvoller Größe und Entschlüssen er auch begeistert ist, ihn doch zuletzt zu einem selbstsüchtigen, markthökernden, servielen [unterwürfigen, knechtischen], ränkeschmiedenden Tiere erniedrigen werden? EL.24
Und:
Konzentrische Mittel zu Einem Ziele entscheiden das Geschick - die Organisation den Charakter. Die Struktur, die Formen und die Stärke des Rückgrats sind fatalistisch: der Schnabel des Vogels oder der Hirnschädel der Schlange bestimmen tyrannisch seine Richtung. So zwingt die Verschiedenheit der Rassen, der Temperamente, der Geschlechter, der Klimata, der Aufschwung des Talentes die Lebenskraft in gewissen Richtungen ….. EL.5f
Und:
Die groben Umrisse sind Allen lesbar: Der Droschkenkutscher selbst ist soweit Physiognomist [Kenner im Deuten des Charakters aufgrund der Gesichtszüge eines Menschen, - vom vorgenannten „Phrenologen“ nicht sonderlich fern], dass er euch ins Gesicht kuckt, um zu sehen, ob sein Fahrgeld sicher ist ….. Ein schielender Blick eine Stumpfnase ….. der Farbenstoff der Epidermis deuten den Charakter an. Die Menschen stecken im Körper wie in einer ledernen Scheide. Fragt Spurzheim [Johann Gaspar, 1776-1832, ein deutscher Internist und einer der führenden „Schädelkundler“ seiner Zeit], fragt die Doktoren, fragt Quetelet [Lambert Adolphe, 1796-1874, ein belgischer Astronom und Statistiker], ob die Temperamente nichts entscheiden? oder ob sie überhaupt etwas nicht entscheiden? Lest in guten medizinischen Werken die Charakteristik der vier Temperamente [das geht auf die gut 2½ tausend Jahre alte griechische Temperamentenlehre zurück, nach der es - neben den Mischformen - 4 Grundtemperamente gäbe: den Choleriker, aufbrausend, jähzornig; den Melancholiker, schwermütig, trübsinnig; den Sanguiniker, heiter, lebhaft; und den Phlegmatiker, träge, schwer erregbar;] und es wird euch scheinen, als ob ihr eure eignen, nicht ausgesprochenen Gedanken vor euch hättet. Beobachtet die verschiedenen Rollen, welche schwarze und blaue Augen in Gesellschaft spielen. Wie kann ein Mensch seine Vorfahren verleugnen, oder aus seinem Blute einen schwarzen Tropfen entfernen, der aus seines Vaters oder seiner Mutter Schoße in seine Adern übergegangen ist? EL.6
Diese dem Amerikaner Emerson sehr nahen Rasse- und Mischlingsprobleme erscheinen aus heutiger Sicht als finstere Ansichten, aber haben bei N allesamt in vielen seiner Urteile ihre Spuren hinterlassen. Überall in seinen Werken und seinen Notizen finden sich deutliche Anklänge davon.
So auch dies:
Sie [die Bedeutung eines Menschen] ist durch seine Verwandtschaft bestimmt und ergänzt; so wie ihre Mütter sie gemacht, so sind die Menschen [Goethe hatte diese Umstände in seinen „Urworten, Orphisch“ zusammengefasst zum „Gesetz wonach du angetreten, so musst du Sein, dir kannst du nicht entfliehn“ …..]. Man könnte eben so wohl von einem Damast-Webstuhl verlangen, dass er Kaschmir weben sollte, als Poesie von jedem Mechaniker oder eine wissenschaftliche Entdeckung von jedem Stockjobber [Börsenspekulanten] erwarten. Frage den Tagelöhner, der in der Gosse wühlt, nach Newtons Gesetzen: die feineren Organe seines Hirns sind von Überarbeit und schmutziger Armut, die von Vater auf Sohn vererbte, erdrückt. Sobald der Mensch aus seiner Mutter Schoß ans Tageslicht gekommen ist, hat sich die Pforte der Gaben hinter ihm geschlossen EL.7 [wobei in Betrachtungen dieser Art an einen analytischen Blick und an Ursachenforschung über Bildungschancen etc. gar nicht zu denken war].
Die negativen Hinweise auf „die Anderen“, die N hier vielfach vorfand, waren ihm nie Anlass, solche auch als Einfluss auf seine eigene Existenz zu vermuten, oder überhaupt nur für möglich zu halten! Es gab immer einen unüberbrückbaren Unterschied zwischen seiner „Herrscheramtlichkeit“ und all „den Anderen“, - in ihrer immer wieder festgestellten Ungenügsamkeit! - Damit war aber Ns „Nachdenken“ auch am Ende.
Zum Temperament äußerte Emerson sich auch auf folgende, N beeinflussende Weise:
Das Leben ist eine Reihe von Stimmungen, einer Perlenreihe gleich und indem wir sie durchmachen, erweisen sie sich als vielfarbige Linsengläser, die der Welt [in Abhängigkeit von den Illusionen des Betrachters] ihre eigne Farbe geben ….. Es hängt von der Stimmung des Menschen ab, ob er den Sonnenuntergang oder das schöne Gedicht wahrnimmt. Immer gibt es einen Sonnenuntergang und immer ist Genie da; aber nur einige Stunden so ungetrübt, dass wir der Natur oder der Kritik Beifall zollen können. Das Mehr oder Weniger hängt von dem Bau oder dem Temperament ab. Temperament ist der Eisendraht, auf den die Perlen gezogen sind. Von welchem Nutzen ist Glück oder Talent für eine kalte und unvollkommene Natur? EE.308
Temperament tritt ebenfalls völlig in das System der Illusionen ein und setzt uns in ein Gefängnis von Glas, welches wir nicht sehen können [N hat sein ihm von Emerson verpasstes Gefängnis nicht erkannt, - weil es ihm weit mehr Lust brachte als Leid und Last! - und dank seinem Mangel an Logik störte ihn das eine im anderen nicht! Er war sich in Emersons Begrenzungen sogar als der freieste aller Freien vorgekommen!]. Eine optische Illusion schwebt über jedem Menschen, mit dem wir zusammenkommen. In Wahrheit sind sie alle Kreaturen eines gegebenen Temperaments, die in einem gegebenen Charakter erscheinen, dessen Grenzen sie niemals überschreiten werden: aber wir sehen auf sie hin, sie scheinen lebendig und uns dünkt, es leite sie ein Impuls [ein plötzlicher Antrieb]. Im Moment scheint es Impuls zu sein; im Jahr, das ganze Leben hindurch erweist es sich als eine gewisse einförmige Melodie, gleich der, welche von der oszillierenden [sich hin und her bewegenden] Kette der Spieldose gespielt wird. EE.309
Denn Temperament ist eine Macht, welche kein Mensch gern von irgendjemand als sich selbst loben hört ….. Temperament macht auch das Göttlichste zu etwas Gewöhnlichem. Ich kenne die innerliche Neigung der Physiker. Ich höre das Kichern des Phrenologen [dem Anhänger der als irrig erwiesenen Lehre, aus den Schädelformen auf bestimmte geistig-seelische Anlagen schließen zu können]. Theoretische Seelenverkäufer und Sklavenaufseher halten jeden Menschen für das Opfer eines Andern, der ihn um den Finger wickelt, dadurch, dass er das Gesetz seines Seins kennt und aus so geringen Zeichen, wie der Farbe seines Bartes oder dem Schnitt seines Hinterkopfes, sein Schicksal oder seinen Charakter herausliest. Die größte Unwissenheit erregt kein solches Missfallen wie dieses unverschämte Wissen. EE.310
Diese Beispiele geben Anlass, sich darüber zu wundern, was der angebliche „Freigeist“ N für sich, für seine An- und Absichten von Emerson an- und aufgenommen hat und was er von diesem zugleich unbeachtet und ungenutzt liegen ließ, obgleich es bei nicht nur emotional, sondern auch logisch fundierter Betrachtung genug Anlass gegeben hätte, davon etwas zu beherzigen! - N hat nach seinem selbst formulierten „Gesetz“, das er etwa 2 Jahre später, 1864, in die Worte fasste: „Alles, was die Seele nicht reflektieren kann, trifft sie nicht“ BAW2.407 nur auf das reagiert, dem er zustimmen wollte! - Im krassen Gegensatz dazu war er blockiert gegen das viele, das auf Kritik an ihm selber - auf eine Infragestellung seiner Illusionen! - hinauslaufen musste! - N war, wegen der „Angelegenheiten“, denen er bedingungslose Zustimmung entgegenbringen musste, nicht in der Lage, sich jenseits von „allem oder nichts“ bei Emerson ein differenzierendes Urteil zu bilden. Womit er nicht einverstanden war, blendete er einfach aus, verdrängte es als nicht wahrgenommen, als nicht zu ihm gehörig und hatte mit dieser lebenslangen Einseitigkeit keine Probleme! Das sich daraus ergebende, für andere unerträgliche Spannungsfeld zwischen Zustimmung und Ablehnung, störte ihn nicht. Er konnte in seiner extremen Bezogenheit auf sich selbst gut mit der einen, ihm genehmen Seite Emersons leben, ohne sich von der anderen belästigt zu fühlen.
Die vielen angeführten Beispiele - auch denen aus der gegenüber Emersons „Essays“ eher vernachlässigten „Führung des Lebens“ - zeigen, wie insgesamt eng verflochten das alles in Ns Jugendaufsätzen zu einem einheitlichen Wust zusammengeschmolzen und von einer Emerson-Weisheit zur nächsten für N schon gar nicht mehr anders als „in Emerson-Konsequenzen“ denkbar war. Das sind Stellen, an denen deutlich wird, wie sehr N sich seinem Meister ergeben hatte und ihm - zu dem Eigennutz der Erhöhung seiner Existenz in „metaphysische“ Dimensionen hinein! - hörig war, denn da ist kaum etwas erkennbar, was eigenes, selbständiges, von Emerson unabhängiges Denken verriet.
Um das volle Ausmaß der Abhängigkeit von Ns Jugendaufsätzen als Hörigkeit zu Äußerungen von Emerson und in Folge dazu deren lebenslang bestehende Gültigkeit darzustellen, ließen sich noch beliebig viele weitere Beispiele bringen. Vorerst jedoch zurück zum Wortlaut von Ns Jugendaufsatz, der bei Kenntnis der Hintergründe viel von dem Eindruck verliert, den dieser auf unvorbereitete Gemüter fraglos auszuüben versteht. N setzte die „Gedanken“, über das „Fatum“ und die „Geschichte“, die eigentlich gar nicht seine waren, fort mit den Worten:
Wir sind beeinflusst worden, ohne die Kraft zu einer Gegenwirkung in uns zu tragen [was in diesem Fall speziell für N zutraf! Er fühlte sich im Übermaß - und aus Mangel an eigener Kreativität? - vom Bestehenden nachteilig „beeinflusst“], ohne selbst zu erkennen, dass wir beeinflusst sind [wie Er hier so unvermittelt und unwiderruflich von Emerson? - Nein! Er meinte die Beeinflussung durch die „Umwelt“ in Gestalt von Erziehung und Bildung, also durch all das, was nicht seiner „freiwilligen“ Für-oder-Wider-Entscheidung unterlag, - als das, was ihm - von außen kommend! - gleichsam „angetan“ worden war! Alles, was mit den „Zwängen des Lebens“ zu schaffen hatte und wogegen sich aufzulehnen ihm sinnvoll erschien! Gleichzeitig erkannte er nicht die Beeinflussung, in die er just geraten war: - „ohne die Kraft zu einer Gegenwirkung“ dazu in sich zu tragen! Stattdessen beklagt er:] Es ist ein schmerzliches Gefühl, seine Selbständigkeit in einem unbewussten Annehmen von äußeren Eindrücken aufgegeben, Fähigkeiten der Seele durch die Macht der Gewohnheit erdrückt und wider Willen die Keime zu Verirrungen in die Seele gegraben zu haben [womit er zum Ausdruck brachte, wie sehr er das ihn Umgebende - im Maß seines Unverständnisses dafür! - als „Verirrung seiner Seele“ empfunden hatte. Darin spricht sich aus, dass in seinem „Weltbild“ nur zählte, was er selber lustvoll als „sein Eigen“ anerkennen wollte, - nur das, was nach seinen absolut eigenen Maßen gestrickt war und ihm deshalb als vollkommen und allem anderen als überlegen erschien!].
In höherem [gemeint sein konnte nur in „größerem“] Maßstab finden wir dies alles in der Völkergeschichte wieder. Viele Völker, von denselben Ereignissen getroffen, [was nicht möglich ist, denn es waren immer andere Menschen und die meist zu anderen Zeiten beteiligt! - deshalb:] sind [sie, selbstverständlich!] doch auf die verschiedenste Art beeinflusst worden [überdies gibt es aus den Erfahrungen der Geschichte - neben der kaum auszumachenden physischen - eine geistige und psychische „Evolution“].
Es ist deshalb Beschränktheit, der ganzen Menschheit irgend eine spezielle Form des Staates oder der Gesellschaft gleichsam mit Stereotypen aufdrücken zu wollen [einige Zeit später wollte N genau das mit seiner „Höherzüchtung der „Menschheit“ und all seinen anderen Absichten dennoch tun]; alle sozialen und kommunistischen Ideen leiden an diesem Irrtum [den er selbst infolge des totalitären Anspruchs allein Recht zu haben, ebenso beging!]. Denn der Mensch ist nie derselbe wieder; sobald es aber möglich wäre, durch einen starken Willen die ganze Weltvergangenheit umzustürzen, sofort träten wir [die so maßlosen Umstürzler - wie Emerson sie als „vom großen Gott gesandt“ EE.226 angekündigt hatte - und man sie als solche anerkennt!] in die Reihe unabhängiger Götter [eine Ansicht, die sowohl auf einer unglaublichen Bereitschaft zu Illusionen beziehungsweise Emerson‘schen Versprechungen vom umstürzlerisch allmächtigen, von Zeit zu Zeit vom großen Gott gesendeten Denker, - als auch auf der Lust, in aller Unabhängigkeit ein solcher sein zu sein können - beruhte!] und Weltgeschichte hieße dann für uns nichts als ein träumerisches Selbstentrücktsein [in der Art, wie er es aus seinen besonderen, entrückten „Momenten“ kannte?]; der Vorhang fällt und der Mensch findet sich wieder [nach dem Ende der Theaterveranstaltung der Geschichte, in der Gegenwart! - mit der Idee, die N dann eines Tages - als Zukunftsaufgabe für sich und die Menschheit! - für notwendig halten wollte], wie ein Kind mit Welten spielend [was von der Formulierung her vielleicht eine Erinnerung Ns an das Gedicht „Das Riesenspielzeug“ von Adalbert von Chamisso, 1781-1838, einem deutschen Naturforscher und Dichter, war, wo es heißt: „der Bauer ist kein Spielzeug, da sei uns Gott davor“ also], wie ein Kind, das beim Morgenglühen aufwacht und sich lachend die furchtbaren Träume von der Stirne streicht. BAW2.58f
Wie wohl etliche Deutsche im Mai 1945, - als auf sehr andere Weise, als viele sie im Taumel von Weltregierungsgelüsten begonnen hatten, ihre Träume von einer „neuen Moral“ zugunsten ihrer Weltbeherrschung, endlich unter nichts als Bergen von Schutt und Asche zu einem lange hinausgezögerten, aber von vornherein unausweichlichen Ende gekommen waren! - Die Formulierungen, die N hier wählte, lassen in jedem Buchstaben erkennen, wie sehr seine Überzeugung davon getragen war, dass er der erste war, dem diese Zukunfts-Visionen gekommen wären! - Oder war es ein „Bild“ für die unvermittelt glückliche Fügung, die N empfunden hatte, als auf diese Weise - durch Emersons Evangelium! - eine totale Befreiung von den ihn bedrückenden Gläubigkeiten seiner Herkunft wie ein morgendliches Erwachen über ihn kam?
Warum sollte sich das Kind schließlich „furchtbare Träume von der Stirn“ streichen müssen? Was N mit dieser Formulierung unfreiwilligerweise ausdrückte, war sein eigener Widerwille gegen das, was aus der Vergangenheit her - auch für ihn und von ihm! - Gültigkeit beansprucht hatte - und als Geschichte auch noch zu beanspruchen hat! - aber nun, seit Ns Emerson-Infektion seine Zustimmung nicht mehr finden sollte. Er wollte - um sich selbst als „der große Denker“ zu erweisen! - einer ganz anderen - von ihm und zu seinem Ruhme entdeckten und entworfenen! - Wahrheit den Weg bereiten, wobei ihm instinktiv die altüberkommene Christlichkeit hinderlich und deren Gültigkeit niederzureißen war, auch wenn das so noch keine konkrete Formulierung finden konnte. Diese Tatsache ergibt sich aus den von ihm gewählten Worten: So früh schon wirkte in ihm der drängende psychologischer Antrieb, so viele Jahre bevor N tatsächlich dazu kommen sollte, etwas nach echter Philosophie aussehendes zu Papier zu bringen!
Der freie Wille [so schrieb N über „Fatum und Geschichte“ weiter] erscheint als das Fessellose, Willkürliche; er ist das unendlich Freie, Schweifende, der Geist [den N allerdings erst in extrem Byron-Manfredischem Aufbegehren, in maßlosem Widerspruch und in der Betonung des „Willkürlichen“ - am wenigsten jedoch in naturwissenschaftlich realistischer Logik! - zu seiner vollen Entfaltung kommen sah!]. Das Fatum aber ist eine Notwendigkeit, wenn wir nicht glauben sollen, dass die Weltgeschichte ein Traumesirren, die unsäglichen Wehen der Menschheit Einbildungen, wir selbst Spielbälle unsrer Phantasien sind.
Hier folgte Ns Wortwahl seinem längst eingenommenen Standpunkt, „es und alles besser zu wissen“, die aus der Weltgeschichte bekannte Gesamtheit des Lebens, das Existieren und das Sein „durchschaut zu haben“! Er nennt es „ein Traumesirren“, - als wäre er der erste „Erwachte“; „die unsäglichen Wehen der Menschheit“ sind für ihn „Einbildungen“; und die Menschen - sich selbst nur scheinbar eingeschlossen! - sind ihm „Spielbälle ihrer Phantasie“; - mit dem Unterton, als müsste das - seinem Wissen nach! - alles nicht nötig und gültig sein! Dabei klebte N ohne nachzudenken an Emersons unsinnigen Begriffen „Fatum“ und „Willensfreiheit“, mit denen etwas bezeichnet wurde, was nichts miteinander zu tun haben kann, - N jedoch zum Spekulieren ermunterte:
Fatum ist die unendliche Kraft des Widerstandes gegen den [allerdings entschieden zu absolut gedachten] freien Willen; freier Wille ohne Fatum ist ebenso wenig denkbar, wie Geist ohne Reelles, Gutes ohne Böses. Denn erst der Gegensatz macht die Eigenschaft [in Ns auch Gott unterstellter Art aus dem Widerspruch heraus zu „denken“?]. Das Fatum predigt immer wieder den Grundsatz: „Die Ereignisse sind es, die die Ereignisse bestimmen.“ Wäre dies der einzig wahre Grundsatz, so ist der Mensch ein Spielball dunkel wirkender Kräfte, unverantwortlich für seine Fehler [was so - ohne zu differenzieren! - lauter Pauschalurteile waren!], überhaupt frei von moralischen Unterschieden, ein notwendiges Glied in einer Kette. Glücklich, wenn er seine Lage nicht durchschaut, wenn er nicht [wie N sein ganzes Leben lang] konvulsivisch [krampfartig] in den Fesseln zuckt, die ihn [von Emerson her] umstricken, wenn er nicht mit wahnsinniger Lust [wie N eben und lebenslang!] die Welt und ihren Mechanismus zu verwirren trachtet BAW2.59 [zu verwirren? Es dürfte nahe liegen, dass N hier eigentlich „entwirren“ gemeint haben dürfte]!
Abgesehen davon, dass diese Satzfolgen vom 17-jährigen N her nur Versuche waren - mit wenigen Worten etwas beschreiben zu wollen, was auf derart grundsätzliche Weise gar nicht zu beschreiben ist! - verrät Ns Wortwahl doch, was als Antrieb hinter seinen Ausführungen steckte: Schon hier war die für N typische Grundlage der Beurteilung nicht das Sein, sondern die Gefühlslage eines Betrachters dieses Seins - und unvermeidbar verbunden mit dessen Wünschen, Vorlieben und seinem nicht wertneutralen Dafürhalten bezüglich dem, was diesem Betrachter „Gut“ oder „Böse“ schien; - wobei hier unbestreitbar N dieser Betrachter war! - Die Unterschiede dieser „Ebenen“ hat N nicht bedacht und folglich auch nicht auseinandergehalten. Hinter den „Ereignissen“ stehen - veranlassend oder diese ertragend! - Menschen und in der weit überwiegenden Zahl der Fälle andere als N selbst! Es sind nicht Ereignisse, welche Ereignisse bestimmen, sondern deren Bezug auf die Menschen ist von menschlichem Interesse bestimmt. Und „der Mensch“ ist insofern kein summarischer „Spielball dunkel wirkender Kräfte“ als er - immer schon! - im Rahmen seiner physischen, seelischen und geistigen Mittel in seine eigenen Geschicke eingegriffen hat, auch wenn dies nicht nach Ns Vorstellungen superlativisch allmächtig zum Tragen kam, sondern im Rahmen sehr unterschiedlich wirkender Begrenztheiten, denen ja auch N unterlag.
Inwieweit hier Emersons Hinweise auf das „Fatum“, vor allem aus den Studien und Gedanken seines „Fatum“ genannten ersten Kapitels der „Führung des Lebens“ kamen, wurde bereits dargelegt. Darüber hinaus besteht eine gleichsam „zweite“ Parallele - nämlich auch zu Ns später so wichtig werdendem „empor“ und „Excelsior“, zu dem, was ihm als „erhebend“ immer so metaphysisch bedeutungsvoll war - u.a. in dieser besonders gleichlautenden Stelle aus Emersons Fatum-Kapitel:
Des Menschen Macht ist von einer Notwendigkeit umschlossen [das ist vor allem die unvermeidliche Gegenwart „der Anderen“!], deren Umfang er erst kennen lernt, wenn er nach vielen Versuchen an allen Seiten gegen dieselbe [zwangsläufig ewig vergeblich!] angerannt ist. Das Element, welches die gesamte Natur durchdringt und welches wir gemeinhin Fatum nennen, ist uns als Begrenzung bekannt. Sind wir roh und barbarisch, so nimmt auch das Fatum eine rohe und furchtbare Gestalt an. Veredeln wir uns, so werden auch unsre Schranken freier [zu einem guten Teil allerdings nur als weniger beengend wahrgenommen!]. Wenn wir uns zu geistiger Bildung emporheben [diese Möglichkeit hat N allerdings weit überschätzt!], so nimmt auch unser Gegensatz eine geistige Form an ….. Die Beschränkungen verfeinern sich in dem Maße, als die Seele sich veredelt, aber der Ring der Notwendigkeit glänzt immer über der höchsten Spitze. EL.13f
Die Worte zum „Ring der Notwendigkeit“ weisen bereits auf Ns - allerdings erst zwanzig Jahre später „fällig werdende“! - Gestaltung und Einschätzung seiner Lehre von der „Ewigen Wiederkehr“ als „das größte Schwergewicht“ FW.341 u. 4.287 hin. Es war so gut wie alles, was noch kommen sollte, bei N früh aus Emersons Geist heraus „gedacht“, empfunden und vollzogen! „Die Anderen“ kamen in diesen pseudogedanklichen Wortfolgen nicht vor, waren aber verdrängt und versteckt in in Begriffen Macht, Notwendigkeit, Fatum und Begrenzung enthalten.
Recht allgemein gehalten und reichlich dunkel und geheimnisvoll unklar enden Ns Gedanken zum ersten Aufsatz über „Fatum und Geschichte“. Er schrieb:
Vielleicht ist in ähnlicher Weise, wie der Geist nur die unendlich kleinste Substanz, [so, wie] das Gute nur die subtilste Entwicklung des Bösen aus sich heraus sein kann, der freie Wille nichts als die höchste Potenz des Fatums.
Das gemahnt an Wortspielerei, um nur überhaupt etwas hervorgebracht zu haben, bei dem „sich etwas denken lässt“. Auseinandergenommen ergeben sich aus diesem Satz drei von haarsträubender Ferne zu jeder Art von Naturwissenschaft befindliche Aussagen:
Zuerst einmal findet sich da, dass N davon ausging, sich den „Geist“ als so etwas wie die superlativisch „unendlich kleinste Substanz“ also als so etwas wie eine „staubfein gemahlene Materie“ vorzustellen; wohl weil „der Geist“, sprich: die „Information“! - ihrer „Substanz“ nach, in so gar nichts dem sonstigen Materiellen entspricht. In der in Griechenland ab 300 v. C. sich weit verbreitenden Philosophie des Stoizismus war übrigens die Kraft nicht etwas Immaterielles oder Abstraktes, sondern der feinste Stoff selbst. Die wirkende Kraft im Ganzen der Welt war die Gottheit welche die Welt als allverbreiteter Hauch - als für sich selbst noch unerkannte Information! - durchdrang, als Weltseele und Weltvernunft. Dieses Stück der „antiken Geistesauffassung“ dürfte N in Pforta längst zur Kenntnis bekommen haben.
Zum zweiten betrachtete N in seiner „erlebten Überzeugtheit“ davon, dass Alles in Einem enthalten sei, dass das - ja ach so wenige! - „Gute“ in dieser Welt „als subtilste Entwicklung“ aus dem - in so mächtiger Überzahl vorhandenen - „Bösen“ hervorgegangen sein müsse, denn wie könnten diese beiden sonst in Einem verschmolzen sein? Das war eine ebenfalls gewagt unzeitgemäße Betrachtung der Wirklichkeit aufgrund von vorgestellt logisch erscheinenden „geistigen“ Unsinns-Kombinationen. Der Erkenntnisstand seiner Zeit war damals über solche Vorstellungen bereits über N hinaus - oder eher wohl an ihm vorbei! - meilenweit hinausgelangt!
Zum dritten nun, nach den beiden vorangegangen „Erkenntnissen“, kam als „gleichartig“ abzuleitende Aussage von Ns „Erklärung“, dass ihm „der freie Wille“ ebenfalls als eine superlativisch „höchste Potenz des Fatums“ erschien; gewissermaßen in Parallele zu dem Verhältnis des aus dem „Bösen“ heraus „subtilisierten Guten“ so, wie dem aus feinstgemahlener Materie entstandenen oder dieser doch zu vergleichenden Struktur des „Geistes“, womit N der Meinung war, alles aus seinen Momenten des Allzusammenklangs in dieser Welt schlüssig dargelegt zu haben, denn reinen Unsinn schreiben wollte er - seinem Verständnis nach! - sicher nicht, hatte er doch bei Emerson auch gelesen:
Der Tag der Tage, an welchem das eigentliche, wirkliche Leben erst beginnt, ist der, an welchem sich das innere Auge für die Einheit der Dinge und die Allgegenwart der Gesetze öffnet, an welchem es [das „innere Auge“] erkennt, was sein muss und sein soll und was das Beste ist. Diese Seligkeit steigt zu uns hernieder und wir sehen sie weniger in uns, als uns in ihr. EL.17f
So war es N schließlich nach eigenem Erleben geschehen!
In seinem Anlauf zu einem Schlusswort hatte N bereits etliche mit Metaphysischem spielende Worte in einen Zusammenhang gebracht, aber was er damit konkret gemeint hatte, verriet er nicht. Vielleicht sollte sich ja jeder das Seine denken. Seine Absicht, die Welt - versuchsweise gewissermaßen! - aus einer einzigen, winzigen, dennoch aber materiellen - von ihm „Substanz“ genannt - enthaltenden Punkt heraus erklären zu wollen, fuhr er - bei der begonnen Art Logik bleibend! - fort:
Weltgeschichte ist dann Geschichte der Materie, wenn man die Bedeutung dieses Wortes unendlich weit nimmt. [Das aber dürfte sich, aller Wahrscheinlichkeit nach, als so unzulässig erweisen, wie die vorangegangenen Kombinationen! Vor allem unter der Voraussetzung, dass - um den Einsatz des Begriffes „Geschichte“ überhaupt sinnvoll erscheinen zu lassen! - „das Leben“, als eine - über die von N hier „unendlich weit genommene Materie“! - wesentlich hinausgehende Fähigkeit des „Umgangs mit Informationen“ begriffen werden muss!]. Denn es muss noch höhere [über die ekelerregende Jetztzeitigkeit hinausgehende] Prinzipien geben [nur: Welche konnte N hier meinen? Darüber schwieg er sich aus! - steuerte aber wegen der immer wieder erfahrenen Ekelgefühlen nach seinen Glücksmomenten trotzdem auf „das Eine“ zu:], vor denen alle Unterschiede in eine große Einheitlichkeit zusammenfließen [wovon er ja schließlich die Erfahrungen aus seinen „Anfällen“ hatte und von daher um diese „große Einheitlichkeit“ wusste - obgleich diese alles andere als ein „höheres Prinzip“ darstellte!], vor denen alles Entwicklung, Stufenfolge ist [eben seine ab und an erlebten, von Licht überfluteten „Momente des Allzusammenklangs“ als letztlich anzustrebenden „Sinn der Welt“? - wo], alles einem ungeheuren Ozean zuströmt, wo sich alle Entwicklungshebel der Welt wiederfinden, vereinigt, verschmolzen, all-eins. - BAW2.59
Mit diesem ungeheuer weit in ein verheißungsvolles Nichts hinausweisenden Ende seiner „Gedanken“ zu „Fatum und Geschichte“ ließ N - gewissermaßen! - „die Katze aus dem Sack“. - Zur „klaren“ Darstellung dessen, was er meinte, musste er einfach von dem reden, was Emerson ihm - hier etwas ungeschickt ausgedrückt, als „höheres Prinzip“! - erklärt und schmackhaft gemacht hatte. Auch wenn N selbst darüber nichts anderes und nicht mehr zu berichten wusste als das, was er hier niedergeschrieben hat: „All-Eins“! - Die unbegreifliche aber gefühlte Gesamtheit der „in eine große Einheitlichkeit zusammenfließenden Unterschiede“, vor oder in „denen alles Entwicklung, Stufenfolge ist“ und „alles einem ungeheuren Ozean zuströmt, wo sich alle Entwicklungshebel der Welt wiederfinden, vereinigt, verschmolzen, all-eins“. - BAW2.59
Nur das war ihm aus seinen gelegentlichen „Momenten“ bekannt und überschaubar in der Weise, wie er es beschrieb! - und damit war ihm „erlaubt“ es und alles als „verstanden“ anzusehen. In Wirklichkeit ist es nur - in kaum wirklich passende Worte gebracht - eben das, was N in seinen Absenzen erlebte und empfand, denn es gab da nichts zu denken! Es war alles Empfindung, überstrahlt von der unumstößlichen Überzeugtheit, dass in diesen Momenten alles in beruhigender Weise problem- und widerspruchslos seine unumstößliche Richtigkeit fände: Verbunden mit dem nachbleibend dringenden Bedürfnis, diesem so angenehm erlebten Zustand „geistiger Sicherheit“ und „geistigem“ sich-sicher-sein als „höheres Prinzip“ und veredeltem „Zustand“, als künftigem, übermenschlich Erhabenem in der Welt der Realität zu ewiger, immerwährender Dauer zu verhelfen! Darauf sollten - von nun an! - all seine Mühen gerichtet sein.
Damit wäre der erste, deutlich längere der beiden Jugendaufsätze „abgehandelt“ und zu dem erklärt, was er letztlich ist: Ein für einen Siebzehnjährigen durchaus gedanklich nicht untalentierter, aber vom Logischen her schwach ausgelegter Versuch, Ordnung in eine ihm schwer verständlich erscheinende Welt zu bringen: In einen Geröllhaufen aus aufgeregtesten Anstrengungen, welche ihm - aus einer allem, was er bisher als gültig kannte und gewohnt war, total widersprechenden Weltsicht - zugespielt worden waren! Zudem war all das verbunden mit einer Unmasse von höchst Schmeichelhaftem für Ns persönliches Sein, Befinden und Erwarten! - Aus dem überwältigenden Gefühl wesentlicher Übereinstimmung heraus hatte sich N mit Emersons Weisheiten so weit identifiziert, dass er in dessen Kielwasser mit einer gewissen traumwandlerischen Selbständigkeit, Ähnliches produzieren zu können meinte, - so dass er an diesen Osterfeiertagen gleich einen weiteren Aufsatz schrieb, in dem und über den nicht lange nachzudenken und nicht Vieles gegeneinander abzuwägen war, denn auch bei diesem wurde N von seiner Grundeinstellung und seinen Gefühlen durch Emersons Vorgaben sicher geleitet. Der zweite - ebenfalls als Emerson-Eruption! - zustande gekommene Aufsatz trägt die Überschrift „Willensfreiheit und Fatum“ und lautet:
Freiheit des Willens, in sich nichts anderes als Freiheit des Gedankens, ist auch in ähnlicher Weise wie Gedankenfreiheit beschränkt. [Allerdings aus jeweils völlig anderen Gründen! Hier behandelte N drei „Dinge“: die individuell gegebenen Freiheiten sowohl „des Willens“ als auch „des Gedankens“, sowie die berühmte, im problematischen Zusammenhang mit dem Absolutismus in Schillers Drama „Don Carlos“ von Marquis Posa vorgebrachte politische Forderung nach von keiner Zensur beschränkter „Gedankenfreiheit“, - ohne angemessene Unterschiede zu machen; - was nicht auf eine frühe, genialische Durchdringung dessen verweist, worüber N sich auszulassen beliebte. Die Freiheiten des „Willens“ und des „Gedankens“ finden innerhalb des Individuums, in den Anlagen seines Charakters und seiner Ausbildung sowohl ihre Entfaltungsmöglichkeiten als auch ihre Begrenzung. Darüber hinaus gibt es Förderung und Behinderung durch Umstände seitens gegebener oder nicht gegebener Bildung und praktischer Fähigkeiten zur Umsetzbarkeit und zum Realitätsbezug, um nur die auffälligsten „sonstigen Umstände“ zu erwähnen. Die „Gedankenfreiheit“ dagegen ist - gänzlich anders gelagert! - eine in gesellschaftlichen Organisationsformen enthaltene Frage politischer Moral, Toleranz und Macht.]
Der Gedanke kann die Weite des Ideenkreises [was wäre das? oder: was sollte das sein?] nicht überschreiten, der Ideenkreis aber beruht auf den gewonnenen Anschauungen und kann mit deren Erweiterung [einem Maß an Bildung? an Wissen? an Ahnung? an „Herz“ vielleicht auch? - aber sicherlich auch aufgrund von Phantasie! - und nicht zuletzt an intellektuellen Fähigkeiten!] wachsen und sich steigern, ohne über die durch den Bau des Gehirns bestimmten Grenzen hinauszukommen [was festzustellen banal war, denn unterhalb dieser - egal wo gelegenen! - „Superlativ-Grenze“, - an die zu stoßen N immerhin weit entfernt gewesen ist, da es ihm passierte, an der erstbesten in seine pastoral umschlossene Welt eintretende, von außen auf ihn wirkende Ideen- und Gedankenflut, wie die von Emerson, derart wehrlos hängen zu bleiben, wie er es tat! Schließlich gab es unterhalb der - verführt von seiner Neigung zur Maßlosigkeit! - angesprochenen physischen Barriere eine Unzahl von N völlig unbekannt gebliebenen Problembereichen, an denen er sich auf fruchtbare Weise hätte abarbeiten können. Er aber strebte zu den äußersten, Jenseitiges streifenden, superlativisch stigmatisierten Grenzen und Möglichkeiten, die zwar „denkbar“, aber eben prinzipiell weder „erreichbar“ noch überschreitbar waren und sind].
Ebenso ist auch bis zu demselben Endpunkte die Willensfreiheit [gegeben wieder durch „den Bau des Gehirns“? - oder diesmal nur im Sinne des unerreichbar Maximalen?] einer Steigerung fähig, innerhalb dieser Grenzen aber unbeschränkt. [Ergab diese Aussage einen Sinn?] Etwas anderes ist es, den Willen ins Werk zu setzen; das Vermögen hierzu ist uns fatalistisch zugemessen [durch innere und äußere Einflüsse begrenzt und als Niederreißen viel leichter gesagt und getan als das Aufbauen!]. - BAW2.60
Den Fakt hatte schon Goethe knapp und genau genug mit den „Urworten, orphisch“: „nach dem Gesetz, wonach du angetreten, so musst du sein, dir kannst du nicht entfliehen“ beschrieben! - In dem von N gebrachten Umfang entsprach die Willensfreiheit ihrem Ausmaß nach eher Ns Phantasie. Zu denken wäre dabei an so maßlose Figuren, wie beispielsweise Alexander, Napoleon, Hitler und Stalin und viele andere, - aber es gilt, in positivem Sinn, auch für Menschen wie beispielsweise den „Weltvermesser“ Alexander von Humboldt, 1769-1859, ein weltweit über Europas Grenzen hinaus bedeutsamer Forscher auf so gut wie allen naturwissenschaftlichen Gebieten, der einen neuen Stand des prüfenden und vergleichenden Nachdenkens über das - in besonderer Weise auch durch ihn! - lawinenartig erweiterte „Wissen über diese Welt“ entwickelt hatte. Von dergleichen war der hinsichtlich Macht und praktischem Tatendrang wenig begabte, den Weltvergewaltigern seelisch viel näher stehende N weit entfernt. Übrigens vermitteln auch seine hier zitierten Zeilen den Eindruck, dass er nur niederschrieb, wie er sich die Welt gefühlsmäßig vorstellte und sich erklärte, ohne intellektuell zu einer ganzheitlichen Anschauung dessen in der Lage zu sein und noch weniger über sein vermeintlich „Erdachtes“ in ausreichendem Maße nachzudenken und das Formulierte auf Widersprüche und Unstimmigkeiten hinreichend überprüfen zu können. N folgte eigentlich immer nur seiner Begeisterung oder seiner Ablehnungen im Umgang mit großen Themen und Zusammenhängen, für die er aber keine geistig einigermaßen objektive Zuständigkeit besaß.
Indem das Fatum dem Menschen im Spiegel seiner eignen Persönlichkeit erscheint [den beinahe gleichen Satz gab es bereits in seinen „Gedanken“ zu „Fatum und Geschichte“. Was aber wollte er damit beschreiben? Dass der Satz zum zweiten Mal auftaucht ist zumindest ein Zeichen dafür, dass N der darin gefasste Gesichtspunkt wichtig war! Ging es wieder um Emerson-Aussprüche der Art wie „kein Mensch kann etwas lernen, wozu keine Anlagen in ihm vorhanden sind, wenngleich der Gegenstand seinen Augen nahe genug ist“? EE.109 oder darum, was für N schon vor seiner Emerson-Infektion und sogar schon vor der Dokumentation seines „Herrscheramtes“ 1858 eine gegebene „Erkenntnis“ war? Nämlich dass das Leben nur ein Spiegel wäre: „In ihm sich zu erkennen, möchte ich das erste nennen, wonach wir nur auch streben“? BAW1.32
Wie dem auch sei. In strenger und bereits nachgewiesener Anlehnung an - und Wiederholung von! - Emerson, fährt N mit seinen Weisheiten zu „Willensfreiheit und Fatum im Spiegel der eignen Persönlichkeit“ fort mit dem Einwand, dass möglicherweise:] individuelle Willensfreiheit und individuelles Fatum zwei sich gewachsene Gegner sind. Wir finden, dass die an ein Fatum glaubenden Völker sich durch Kraft und Willensstärke auszeichnen, dass hingegen Frauen und Männer, die nach verkehrt aufgefassten christlichen Sätzen [so musste es ihm ohne „die Anderen“ scheinen!] die Dinge gehen lassen, wie sie gehen, da „Gott alles gut gemacht hat“ [so die Spielart, die er von „zu Hause“ kannte! - Und doch hat seine in einigen Belangen vielleicht einfältig wirkende, aber lebenstüchtige Mutter es zu einem eigenen Haus gebracht und den Sohn als Schwachsinnigen viele Jahre lang aufopfernd gepflegt, und tapfer das Notwendige angepackt, also viel geleistet, was durchaus nicht einem „die Dinge gehen lassenden“ Lebenskonzept entsprach - denn im Großen war es gerade das christlich geprägte Abendland, welches - im Gegensatz zum sich angeblich vom Schicksal bestimmen lassenden Verhaltensweisen neigenden Kulturen - zu von N gar nicht vorstellbaren, von ihm aber in eine andere Richtung gewünschten Veränderungen aufgebrochen war. In Formulierungen wie den „nach verkehrt aufgefassten Christlichen Sätzen“ verrät sich N früh als Besserwisser mit verhängnisvollen Neigungen zu Vorurteilen, - obgleich N damit nur eine unzulässig klugscheißerische Verallgemeinerung beging, indem er folgerte, dass „die Christen“] sich von den Umständen auf eine entwürdigende Art leiten lassen. Überhaupt sind „Ergebung in Gottes Willen“ und „Demut“ oft nichts als Deckmäntel für feige Furchtsamkeit, dem Geschick mit Entschiedenheit entgegenzutreten BAW2.60 [so, wie Er es - bewehrt mit Schild und Waffen aus Emersons Rüstkammer und Arsenal - gerade tat?].
Wenn aber das Fatum als Grenzbestimmendes doch noch mächtiger als der freie Wille erscheint, so dürfen wir zweierlei nicht vergessen, zuerst, dass Fatum nur ein abstrakter Begriff ist, eine Kraft ohne Stoff, dass es für das Individuum nur ein individuelles Fatum [einen individuellen „abstrakten Begriff“?] gibt, dass Fatum nichts ist als eine Kette von Ereignissen, dass der Mensch, sobald er handelt und damit seine eignen Ereignisse schafft, sein eignes Fatum bestimmt [oder auch das vieler anderer, siehe nochmals Alexander, Napoleon, Hitler, Stalin und viele vergleichsweise andere mehr oder weniger eigenmächtige Potentaten], dass überhaupt die Ereignisse, wie sie den Menschen treffen, von ihm selbst bewusst oder unbewusst veranlasst sind und ihm passen müssen [was ein wild gemischtes, kunterbuntes Allerlei aus vielen bereits angeführten Emerson’schen Fatums-Deutungen war, - demgegenüber Ns „Logik“ dazu vorn und hinten auf mehr als nur einem Bein hinkte! Derlei aber stellte für N keine Besonderheit dar, auch später - sogar bei etlichen ihm als sehr wesentlich erscheinenden „Gedanken“ oder eher Eingebungen! - Vieles war eher nach diesem Muster gestrickt, als „philosophisch gedacht“ und auf logisch schwerlich haltbaren Grundlagen „in den Handel“ gebracht. Die folgende Aussage zeigt demgegenüber mehr „Vernunft“, war aber auch enger an eine von Emerson angelehnt:]
Die Tätigkeit des Menschen aber beginnt nicht erst mit der Geburt, sondern schon im Embryo und vielleicht - wer kann hier entscheiden - schon in Eltern und Voreltern. BAW2.60f [was eine nichtssagende Aussage war, da alle Lebenden de facto eine gleich lange Ahnenreihe “hinter sich“ haben und in Bezug auf ihre vorgeburtliche Ausstattung nicht „Herrscheramtlich“ über ihr Schicksal bestimmen können, weil jedweder Zugriff darauf außerhalb ihres derzeitigen Seins hätte geschehen sein müssen.
Wir wollen Menschen bessern und finden, nach vielen Versuchen, dass wir früher beginnen müssen: in der Schule. Aber Knaben und Mädchen sind nicht gelehrig, wir machen nichts aus ihnen und wir urteilen, dass sie von keinem guten Samen sind [was wohl auf zu hoch gesteckten Erwartungen sowie auf unangemessener Wissensvermittlung beruhte!]. Wir müssen unsre Reform noch früher beginnen: bei der Zeugung; und siehe, da stoßen wir auf Fatalismus und Weltgesetze EL.2 [wogegen andere Sätze Emersons helfen könnten. Es wird von ihm ja so gut wie alles geboten. Die hierzu rettenden Sätze lauten:]
Aber wenn es eine unabänderliche Vorherbestimmung gibt, so ist diese Vorherbestimmung auch berechtigt [in der Gehorsamkeit, dass man religiösen Grundsätzen nicht widerspricht?]. Wenn wir das [angenommene!] Fatum anerkennen müssen [warum müssen? aus welchen zwangsläufigen Gründen?], sind wir nicht minder berufen, persönliche Freiheit, Bedeutung des Individuums, Erhabenheit der Pflicht, Macht und Einfluss des Charakters zu konstatieren [festzustellen]. Eines ist wahr wie das Andere, obgleich unsre Geometrie diese äußersten Punkte [in ihrer Relativität?] weder messen noch vereinigen kann. Was tun? Wenn wir jedem Gedanken ohne Rückhalt folgen, wenn wir jede Saite oft anspannen bis wir sie zerreißen, so erkennen wir zuletzt ihre Stärke und dann haben wir eine vernünftige Hoffnung, sie [mit was?] in Einklang zu bringen. Wir sind sicher, dass, obwohl wir nicht wissen wie? Notwendigkeit sich mit Freiheit, das Individuum mit der Welt, meine eigne Polarität mit dem Geist der Zeiten verträgt. Das Rätsel der Zeiten löst sich für jeden privatim EL.2 [ganz persönlich, so, wie letztlich alles im Leben kommt!].
Und:
Wie kann ein Mensch seine Vorfahren verleugnen, oder aus seinem Blute einen schwarzen Tropfen entfernen, der aus seines Vaters oder seiner Mutter Schoße in seine Adern übergegangen ist? EL.6
Also aus einer Verbindung über die Rassengrenzen hinweg, was zu Emersons Zeiten für die betroffenen Menschen zwischen schwarz und weiß ein wahrhaft schicksalhaft bedenklicher Makel war.
Aber, wo wir keine Erfahrung haben, rennen wir dagegen an und verwunden uns. So ist denn das Fatum ein Name für Fakta [Tatsachen, Gegebenheiten], die im Feuer des menschlichen Gedankens noch nicht geläutert, für Ursachen, in deren letzten Grund wir noch nicht eingedrungen sind ….. jeder chaotische Wurf, der uns zu vernichten droht, lässt sich durch Intelligenz in eine heilsame Kraft verwandeln. Das Fatum besteht aus unergründeten Ursachen. EL.22
Damit ließe sich dem ach so mächtigen Fatum ja wohl mittels möglichst weit getriebener Bildung der Garaus machen, wenn Emerson dies wirklich so gemeint haben würde. N jedenfalls schloss sich dieser Meinung nicht unmittelbar an, denn er hielt mehr dafür, dass das, was er sich unter Bildung vorstellte, als ein Vorrecht für wenige wirklich Erwählte zu gelten hätte und keinesfalls durch etwas so gemeines, wie berufliche Ziele es sind, zu entweihen wäre! Doch das sollte sich erst zeigen, als N sein Studium beendet hatte. Der Siebzehnjährige setzte seinen Aufsatz über die Willensfreiheit und das Fatum fort mit den Worten:
Ihr alle, die ihr an Unsterblichkeit der Seele glaubt, müsst auch an die Vorexistenz der Seele glauben, wenn ihr nicht aus etwas Sterblichem etwas Unsterbliches sich entwickeln lassen wollt, ihr müsst auch an diese Art der Seelenexistenz glauben, wenn ihr nicht die Seele in der Luft herumflattern lassen wollt, bis sie endlich in den Körper hineingepfropft wird. Der Hindu sagt: Fatum ist nichts, als die Taten, die wir in einem früheren Zustande unseres Seins begangen haben. BAW2.61
Das war ohne Kenntnis über das, was Seele ist oder ausmacht verlegen dahergeredet ohne etwas zu klären. Bei Emerson heißt es in einer der beiden Stellen, in denen der angeblich so fatalistisch veranlagte „Hindu“ Erwähnung findet, - denn von Emerson hat N den Hindu wortwörtlich her:
Es war ein poetischer Versuch, diesen Berg des Verhängnisses zu lüpfen, welcher die Hindus sagen ließ: „Fatum ist nichts als die Taten, welche wir in einem früheren Zustande unsres Daseins begangen haben.“ Ich finde den Berührungspunkt der Extreme der Spekulationen des Ostens und des Westens in dem kühnen Satze Schellings [Friedrich Wilhelm Schelling, 1775-1854, ein deutscher Philosoph des Idealismus am Übergang zur Romantik. Er entwarf eine spekulative Naturphilosophie mit einer Hierarchie der Naturkräfte, wo sich die Gegensätze von Subjekt und Objekt, Realem und Idealem, Natur und Geist, auflösten im Absoluten als Identität von Idealem mit Realen, sichtbar vor allem in der Kunst]: „Jedermann hat ein unbestimmtes Gefühl, dass er von aller Ewigkeit war, was er ist und es nie und zu keiner Zeit geworden ist.“ EL.8
Genau das gehört zur Selbstverständlichkeit des Seins, welches beim individuellen Eintritt „ins Leben“ außerhalb von sich selbst nichts kennt! Alles Problematische dazu kam erst von den unrealistischen Ideen von „Seelentum“ außerhalb von individueller Existenz, - d.h. eigenem und bewusstem „Umgang mit Informationen“! - Es hat - das an dieser Stelle aber nur nebenbei - den Anschein, dass hier - und nicht bei dem griechischen, sehr aristokratisch gesinnten Lyriker Pindaros, eingedeutscht “Pindar“, ca. 522-445 v. C., der eigentliche Kern zu Ns oft vorgebrachtem, an sich aber recht unlogischem Spruch und Motto „Werde der du bist“ anzunehmen ist - und Emerson seine Ausführung fortführt mit:] Um es weniger erhaben auszudrücken: In der Geschichte des Individuums liegt immer die Erklärung seiner Lage und wir wissen, dass wir selbst ein Teil unseres gegenwärtigen Zustandes sind. EL.8
Dem hier zitierten Inhalt ziemlich genau folgend, fuhr N in seinem Aufsatz fort:
Woraus soll man widerlegen, dass man nicht [dem von Emerson zitierten Satz Schellings folgend] seit Ewigkeit schon mit Bewusstsein gehandelt habe? Aus dem ganz unentwickelten Bewusstsein des Kindes? Können wir nicht vielmehr behaupten, dass unsre Handlungen immer im Verhältnis zu unserm Bewusstsein stehen? [Ja was denn sonst?] Auch Emmerson [nach so eingehender Beschäftigung mit ihm hatte N seinen Namen hier tatsächlich - nur aus reiner Flüchtigkeit? - mit doppeltem „m“ geschrieben; - er] sagt: Immer ist der Gedanke vereint mit dem Dinge, das als sein Ausdruck erscheint.
Das waren, aus dem Text herausgerückt, wortwörtlich die Zeilen elf und zwölf aus dem vierzehnzeiligen poetisch träumerischen Motto-Gedicht, das Emerson seinem ersten Kapitel „Fatum“ in der „Führung des Lebens“ vorangestellt hatte, wo es heißt „Es ließen Gestalten in luftigen Räumen von wahrem Wissen den Barden Träumen“ EL.1 und so fort. - Das muss den jungen N ja doch sehr beeindruckt haben. Dann folgt, was N sinngemäß zuvor schon aus eigener Feder geflossen war:]
Überhaupt kann ein Ton uns berühren, wenn nicht eine entsprechende Saite in uns ist? Oder anders ausgedrückt: Können wir einen Eindruck in unserm Gehirn aufnehmen, wenn nicht unser Gehirn schon eine Aufnahmefähigkeit dazu besitzt? BAW2.61
Natürlich nicht, aber die Möglichkeit des „Gehirns“ überschreitet hinsichtlich der zumutbaren Themata, bei verschiedenen Individuen alle vorstellbaren Grenzen, so dass anzunehmen ist, dass individuelle Begrenzungen nicht in der „Denkfähigkeit“ als solcher liegen, sondern in anderen Veranlagungen, die anfeuern oder behindern können: an anderen Eigenschaften, denn es gehört zu herausragenden Leistungen immer eine Reihe von Begabungen, die sich auf vorteilhafte Weise ergänzen müssen. Zu deren Aufwand spielt „unser Gehirn“ normalerweise problemlos mit; - schließlich ist es für die normale Lebensbewältigung ja auch zu hoher Leistungsbereitschaft fähig; - was wiederum nicht unbedingt selbstverständlich ist, denn gerade daran, hat es bei N ab den ersten Monaten seines 45. Lebensjahres auf erhebliche Weise gehapert.
Ns Formulierung war hier - mit geringer Wahrscheinlichkeit! - vielleicht auf die „prästabilierte Harmonie“ angelegt: Nach der philosophischen Ansicht von Gottfried Wilhelm Leibniz, 1646-1716, einem deutschen Philosophen, Universalgelehrten und Wissenschaftler, der als Mathematiker beim Durchdenken logischer Fragestellungen die Anfänge einer mathematischen Zeichensprache entwickelte und dem eine recht gut funktionierende Rechenmaschine zu konstruieren gelang; überdies war er Historiker, Diplomat, sowie Doktor des weltlichen und kirchlichen Rechts, der sich auf dem Titelblatt seines 1710 in „vierter durchgehends verbesserter Ausgabe“ erschienenen Werks: „Theodicee, das ist [ein] Versuch von der Güte Gottes, Freiheit des Menschen und vom Ursprung des Bösen“ so wörtlich als: „Ordentlicher Lehrer der Weltweisheit zu Leipzig“ bezeichnen durfte. - „Prästabilierte Harmonie“ nannte Leibniz das - von Gott geordnete! - Verhältnis von den Dingen im All und von Leib und Seele des Menschen, die nicht kausal aufeinander bezogen, aber doch so eingerichtet sind, dass sie in harmonischem Verhältnis zueinander stehen, - so, wie er in seiner „Theodicee“ überhaupt die Welt als „die Beste aller möglichen“ darstellte und sie - ohne umstürzlerisch sein zu wollen! - damit gegenüber anderen denkbaren Welten relativierte! - Was eine nicht unbeachtliche gedankliche Leistung - weg vom alternativlos Absoluten und Maximalen! - war. Für die Wissenschaft und die Philosophie ist er jedenfalls bis heute weitaus bedeutender, als N es abseits von seinen zumeist aus Maßlosigkeiten bestehenden Ungeheuerlichkeiten, jemals war.
Ns 2. Jugendaufsatz fährt mit den Worten fort:
Freier Wille ist ebenso nur ein Abstraktum [ein verallgemeinernder, ungegenständlicher Begriff] und bedeutet die Fähigkeit, bewusst zu handeln [unabhängig zu handeln, - nach dem „Gesetz“ aber, nach dem wir, als Individuen, angetreten, wie es im „Dämon“ in Goethes „Urworte orphisch“ das schicksalhaft Übermächtige so hübsch vereinfachend heißt], während wir unter Fatum das Prinzip [ist das eins?] verstehen, das uns beim unbewussten Handeln leitet. Handeln an und für sich drückt immer zugleich auch eine Seelentätigkeit aus, eine Willensrichtung, die wir selbst noch nicht als Objekt in das Auge zu fassen brauchen. Bei bewusstem Handeln können wir uns ebenso sehr von Eindrücken leiten lassen, wie beim unbewussten, aber auch ebenso wenig. Man sagt öfters bei einer glücklichen Tat: Das habe ich zufällig so getroffen, das braucht keineswegs immer wahr zu sein. Die Seelentätigkeit dauert fort und ebenso ungeschwächt, wenn wir sie auch nicht mit unsern geistigen Augen betrachten. BAW2.61f