Читать книгу Das Glasscherbenviertel - Erinnerungen eines Lausbuben - Christian Oberthaler - Страница 14
Rodeln - Windischgrätz
ОглавлениеEine weitere Herausforderung im Bereich des Rodelsports stellte die alte Schachenstraße dar, welche vom Schachenbauer vorbei an der Windischgrätzhöhe Richtung Tal führte. Es handelte sich um einen schmalen aber sehr steilen Güterweg, auf dem sich vortrefflich hohe Geschwindigkeiten erzielen ließen. Perfekte Bedingungen ergaben sich dann, wenn der alte Schachenbauer Holzstämme transportierte, die er an seinem Traktor festgemacht hatte und hinter sich herzog.
Die Folge war eine spiegelglatte Fahrbahn, die im Zusammenspiel mit dem enormen Gefälle größte Anforderungen an Mensch und Material stellte.
Im Gegensatz zum Palfnerbach gab es hier zwar keine Steinbegrenzung, dennoch war von einem „Ausritt“ tunlichst abzuraten, zumal massive Fichtenstämme den Weg säumten.
Eine sehr häufig praktizierte Fahrmethode auf dieser Abfahrt war das sogenannte „Froschhaxeln“, heute leider weithin in Vergessenheit geraten. Bei dieser Variante lagen mehrere Schlittenfahrer bäuchlings auf ihren Geräten und hakten mit den Beinen beim hinteren Schlitten ein. Der Mann ganz vorne wurde als Frosch bezeichnet, während der Letzte sitzen konnte und als Bremser vorgesehen war. Der Vorteil dieser Variante bestand darin, dass man die Kurven durch geschickte Gewichtsverlagerung und Hebeltechnik ausgezeichnet durchfahren konnte. Der große Nachteil aber ergab sich beim Bremsen, denn nur ein Mann musste das Gewicht von bis zu 10 Schlitten samt Fahrern verzögern, was naturgemäß meist ein aussichtsloses Unterfangen war.
Es war also an der Tagesordnung, dass von mehreren im Konvoi gestarteten Fahrzeugen nur mehr 2 die Zielankunft bei der Herzogbrücke überquerten. Der Rest hatte sich nach und nach bei den neuralgischen Punkten der Strecke verabschiedet. Einer der gefährlichsten Stellen war das sogenannte Kuhgitter. Dabei handelte es sich um ein in die Fahrbahn eingearbeitetes Eisengitter, welches natürlich nicht mit Schnee bedeckt war. Man passierte diese Stelle meist in höchstem Tempo, was erheblichen Funkenflug zur Folge hatte. Passierte nun so ein Schlittenkonvoi mit Höchstgeschwindigkeit dieses Hindernis, erzeugten die Eisenkufen einen gewissen „Wunderkerzen-Effekt“, der aber bei der beteiligten Besatzung keinesfalls weihnachtliche Stimmung aufkommen ließ. Denn die erforderlichen Lenkkorrekturen verliefen nicht immer erfolgreich, und so mancher schneidige Bursche fand sich unversehens im angrenzenden Wald wieder.
Meinen langjährigen Freund Otto erwischte es dabei so arg, dass sein freigelegtes Schienbein durch die Winterhose erkennbar war.
Wie bereits vorhin erwähnt, wurde durch die Holzlieferungen des ansässigen Landwirtes die Fahrbahn auf das Vortrefflichste präpariert. Prekär wurde die Situation aber, wenn dieser Transport gerade dann vonstatten ging, wenn man die Strecke befuhr. Man ließ es nicht darauf ankommen, denn man konnte mit Gewissheit davon ausgehen, dass der Traktor des emsigen Landwirtes eine wesentlich höhere Widerstandskraft an den Tag legte, als ein Schlitten samt Pilot. Somit bestand die einzige Chance darin, in die Botanik auszuweichen, natürlich mit den üblichen Folgen. Gerüchten zufolge wurde einmal ein waghalsiges Froschhaxl-Duo wie beschrieben vor die Wahl gestellt einen Frontal-Crash zu erleiden oder in den Wald abzubiegen. Der mutige Lenker fand eine dritte Möglichkeit und fuhr einfach unter dem Anhänger des Traktors durch. Es ist dies nicht durch Augenzeugen belegt, aber durchaus vorstellbar.