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Hoffnungsvoller Nachwuchs - Bandenunwesen

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Da es heute unumgänglich scheint alles mit Fremdwörtern zu bezeichnen, würden uns wohlgesonnene Menschen in diesen Tagen wahrscheinlich als „Kids“ bezeichnen. Andere wiederum, besonders jene die unsere phantasievollen Jugendaktivitäten hautnah miterlebten, könnten eventuell versucht sein den Terminus „Gang“ zu verwenden. Dies blieb uns damals gottlob erspart und so konnten wir uns an den diversen Kosenamen erfreuen, mit denen uns die Erwachsenen bedachten. Diese waren in ihrer Schärfe abgestuft nach den jeweiligen Handlungen, mit welchen man sich diese Namen redlich verdiente. Sie waren sozusagen ein Gradmesser des Erfolges unserer umfangreichen Aktivitäten als Unruhestifter und Quälgeister.

Für ein liebevolles „Lausbuama“, war eine vergleichsweise harmlose Handlung wie Schnellballwurf oder dgl. völlig ausreichend. Für das vertraute „Rotzpippen“ war schon eine Tat mit mehr zerstörerischer Energie notwendig, wie zum Beispiel das selbstverständlich völlig unbeabsichtigte Einwerfen einer Fensterscheibe. Der ehrenvolle Titel „nixnutzigs Gsindl“ wurde uns nur für besonders gelungene Streiche verliehen, bei welchen ein hohes Maß an Kreativität erforderlich war. Für „Saubagage“ war dann schon ein richtiges Husarenstück erforderlich.


Eigentlich unnötig zu erwähnen, dass wir solche Sympathiekundgebungen der älteren Generation nicht als Verletzung werteten, sondern ganz im Gegenteil als Auszeichnung. Sie steigerten in ungeahntem Maße unser Selbstwertgefühl. Angefeindet zu sein, erschien uns in diesem Lebensabschnitt als durchaus erstrebenswerter, als überhaupt ignoriert zu werden, frei nach dem Motto „viel Feind, viel Ehr “.


Unsere „Gang“ bestand eigentlich aus 2 Hauptakteuren, nämlichem meinem Freund und kongenialen Partner Günther und meiner Wenigkeit (Autor). Bei uns beiden war die Energie für kreative Freizeitgestaltung (sprich Schandtaten) am ausgeprägtesten, weshalb wir vor allem von den jüngeren Nachbarskindern anstandslos als Führungspersonen akzeptiert wurden. Wir hatten also meist das Sagen, mussten dafür aber auch bei brenzligen Situationen den Kopf hinhalten.

Eine wirkliche Bande im herkömmlichen Sinn, mit Anführer, Gefolgsleuten und womöglich noch einheitlicher Kleidung, waren wir im Grunde nicht. Eher schon ein loser Zusammenschluss von Gleichgesinnten, die es sich zur Hauptaufgabe gemacht hatten, etwas Farbe in die manchmal eintönige, graue Alltagswelt der Erwachsenen zu mischen.

Nun, ganz so uneigennützig wie sich das auf den ersten Moment anhört, war es natürlich keinesfalls. Auch wir Kinder zogen ja große Freude und tiefe Befriedigung aus unseren Umtrieben und konnten außerdem unsere damals noch reichlich vorhandene Freizeit äußerst sinnvoll nützen.


In diesem Zusammenhang muss man bemerken, dass wir zu dieser Zeit noch nicht in den Genuss der umfangreichen Freizeitgestaltung der späteren Generationen kamen. Gameboy und Walkman waren noch Science Fiction. Die Elektronikindustrie war noch weit entfernt von der Playstation, ein Handy mit Internet-Zugang reinste Utopie und auch ein Skater-Park stand uns leider nicht zur Verfügung. Der heutigen Jugend mag es mehr als kurios vorkommen, dass Informationen damals noch von Angesicht zu Angesicht ausgetauscht wurden, da Apps leider (oder Gott sei Dank) nicht zur Verfügung standen.

Der geneigte Leser kann nun ermessen, welch kärgliches, armseliges und vor allem langweiliges Dasein wir gefristet hätten, wenn wir nicht selbst für Abwechslung und Spannung gesorgt hätten. Gerade diese Tatsache aber war für uns der große Ansporn, der unsere Phantasie und unseren Einfallsreichtum in höchste Sphären trieb. Wer, frage ich Sie, wer hätte uns denn unterhalten sollen, wenn nicht wir selber?

Das Glasscherbenviertel - Erinnerungen eines Lausbuben

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