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Die Behausungen – schöner wohnen

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Wie der Name also bereits vermuten lässt, handelt es sich hier nicht gerade um ein Nobelviertel. Auch in meiner Jugendzeit war das, dem Herrgott sei Dank, nicht anders. Eine 08/15-Architektur sorgte für eine schlichte Behausung für einfache und genügsame Menschen. Vielleicht hat sich im Laufe der Jahre in meinen Erinnerungen alles etwas verklärt, mag sein, aber ich glaube trotzdem, dass die Menschen damals in gewisser Weise stolz auf ihre bescheidenen Heimstätten waren. Möglicherweise mehr als so mancher heutige Mieter oder Inhaber einer Neubauwohnung, der vergeblich nach einem rechten Winkel in seinen vier Wänden sucht und schließlich, auf den Architekten fluchend und verzweifelt feststellen muss, dass es verdammt schwer ist, einen Einbauschrank für ein 12-eckiges Wohnzimmer zu finden.


Man stelle sich nur die Zufriedenheit eines damalige Familienvaters vor, der nach vollbrachtem Tagwerk sein Heim betrat, sich müde auf den einfachen Holzsessel fallen ließ und keinen Gedanken daran verschwenden musste, ob die monatliche Santander-Rate für das KIKA-Regal schon bezahlt ist.


Teure Wandverbauten oder Sitzgruppen waren hier gänzlich unbekannt. Holzdecken, bleiverglaste Schranktüren oder eingebaute Stereoanlagen existierten allenfalls in den Wunschträumen phantasiebegabter Bewohner.


Realität waren das gute alte Kuchlkastl, meist schon ein bisserl "abgebletzt" und die Kredenz, ehrwürdiger Aufbewahrungsplatz der Sterbebilder von Onkel Loisl und Tante Mitzi. Des Weiteren auch die langgediente Stoffcouch, deren Austausch man doch schon so lange geplant aber immer wieder hinausgezögert hatte. Ich weiß, einem Vergleich mit heutigem Mobiliar könnten all diese Dinge nicht standhalten, denn sie waren in jeder Hinsicht, wie soll ich sagen, weniger. Weniger schön, weniger stilvoll, weniger kostspielig und, vielleicht nicht unbedeutend, auch weniger oft auf der Gemeindetafel zur Versteigerung ausgeschrieben.


Die Mieten waren noch nicht schwindelerregend und wurden daher in den meisten Fällen auch von den Bewohnern bezahlt und nicht vom Sozialamt. Auf den wenigen PKW-Abstellplätzen suchte man vergeblich nach Prestigekarossen oder teuren japanischen Geländewagen. Für`s Gelände war nämlich damals noch kein Wagen von Nöten, den dort bewegte man sich unglaublicher Weise per Pedes und nicht per Mercedes. Was auch den erfreulichen Nebeneffekt zeitigte, dass nur die wenigsten Kinder den Gerichtsvollzieher mit Vornamen kannten und außerdem auch körperlich sehr gut in Schuss waren. Dies mag natürlich auch damit zusammenhängen, dass Burger, Kebab und Dürüm nicht auf dem Speisezettel aufschienen und daher jeder halbwegs begabte Kindergarten-Zögling einen Purzelbaum ohne Fremdhilfe zustande brachte.

Bei der Familienplanung richtete man sich in diesen längst vergangenen Zeiten wie mir heute erscheint eher nach Lust, Laune und Gelegenheit. Weniger nach Geburtenbeihilfe, Sondernotstandszahlungen und dergleichen. Demzufolge waren Großfamilien mit 3 bis 5

hoffnungsvollen Sprösslingen noch keine Rarität. Die Wohnflächen, mit denen sie vorlieb nehmen mussten, hatten, aus heutiger Sicht, geradezu klaustrophobischen Charakter. Häufig teilten sich 5 Personen oder mehr 50 m2. Heute gilt jemand fast schon als Kindesmisshandler, wenn er Herrn Sohn oder Fräulein Tochter nicht jeweils ein standesgemäßes Zimmer zur Verfügung stellt, in dem sich der Nachwuchs dann so richtig "verwirklichen" kann.


Nicht selten wurde am Abend das Wohn – in ein Kinderzimmer umfunktioniert, in dem man die ausziehbare Couch zu einer Bettstatt ausdehnte. Nicht zuletzt deshalb herrschte in den Familien noch ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl und beim gemeinsamen Mittag- oder Abendessen war der ganze Clan um den großen Küchentisch vereint. Man erzählte sich die Höhepunkte des jeweiligen Tagesablaufes, was bei der Frage nach den schulischen Leistungen auch recht wortkarg enden konnte.

Nichts desto trotz hat man damals noch wahrhaftig und wirklich geredet miteinander, denn Handy und SMS lagen noch in ferner Zukunft. Das Fernsehen steckte noch in den Kinderschuhen und wenn von einem Schirm die Rede war, dann von einem der den Regen abhält und nicht das Satelliten-Programm ins Haus bündelt.

Das Glasscherbenviertel - Erinnerungen eines Lausbuben

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