Читать книгу Wanderfieber - Christian Zimmermann - Страница 13
ОглавлениеSchwäbische Zeitung
Tag 7: Samstag, 11. Mai 2019, 33 km (189 km)
Glücklicherweise kontrolliere ich nach dem obligaten Haferbrei meine Mails. Um hohe, internationale Roaminggebühren zu umgehen, besorgte ich mir ein schwarzes Kästchen von «Netgear». Dazu kaufte ich mir zwei SIM-Karten mit je 12 Gigabyte Datenvolumen, die für ganz Europa gültig sind. Auf diese Weise habe ich das eigene, echt kostengünstige WLAN dabei. Beim Lesen meiner E-Mails erfahre ich, dass der Termin mit der Schwäbischen Zeitung tatsächlich steht. In gut zwei Stunden werde ich demnach in Tuttlingen erwartet. Da muss ich mich aber echt sputen, um die 11 km zu bewältigen und pünktlich einzutreffen.
Ich wandere gerade am Schwimmbad von Tuttlingen vorbei, als ich hinter mir eine bekannte Stimme vernehme. Michael verbringt sehr viel Zeit auf seinem Velo. Dieses Wochenende eröffnet er seine Fahrradsaison und kam deshalb auf die gloriose Idee, mich zu besuchen. In seinen Ferien sitzt er meistens im Sattel und bereiste mit seinem Drahtesel schon weite Teile Europas. Wir standen vor meiner Abreise im regelmässigen Kontakt, aber wir wussten bis zum Schluss nicht, ob ein Treffen zustande kommt. Wir begrüssen uns lachend und spazieren die letzten Kilometer gemeinsam Richtung Zentrum. Michael besuchte mit seinem Fahrrad auch schon Russland und so kann ich mir noch ein paar nützliche Tipps abholen. Bei der Fussgängerbrücke verabschieden wir uns, ihn zieht es kurbelnd flussabwärts und mich spazierend zum vereinbarten Meeting. Um 10: 15 Uhr treffe ich den Journalisten Simon, wie abgemacht, bei der Postbrücke. Über sieben Ecken hatte die Redaktion Wind von meinem Unterfangen gekriegt und darum wollte sie unbedingt einen Artikel in ihrem Lokalblatt veröffentlichen. Wir setzen uns für eine Stunde an die Donau. Simon ist passionierter Ultramarathonläufer und er meint, dass er darum der perfekte Fragesteller sei. Er stellt tatsächlich nicht nur die üblichen Fragen und es ergibt sich ein spannendes Gespräch. Anschliessend dürfen sich Mrs. Molly und ich am Ufer der Donau in Pose werfen, damit am nächsten Montag der Artikel wunderbar bebildert erscheinen kann.
Ausgangs Tuttlingens statte ich dem Supermarkt einen Besuch ab. Ganz praktisch, denke ich lächelnd, denn für meine Shoppingtour muss ich nicht einmal eine Euromünze hervorkramen, damit ich temporär einen Einkaufswagen mieten kann. Ich habe ja die famose Molly dabei. Und so fahren wir in den Laden ein. Vielen neugierigen Blicken müssen wir standhalten und mehrere Personen sprechen mich während des Einkaufs sogar an. Ansonsten verläuft unser Supermarktbesuch entspannt und problemlos.
Christian hätte mich rechtzeitig auf diesen überraschenden Supermarktbesuch vorbereiten sollen. In Australien war ich nämlich dazu bestimmt, genau in einem solchen Laden meine Arbeit aufzunehmen. Ich freute mich unglaublich, mit anderen vierrädrigen Kollegen als fleissiger «shopping trolley» durch die Regale zu flitzen. Aber wie ihr wisst, ist alles ein bisschen anders herausgekommen. Ich will mich ja nicht beklagen, aber nun stehe ich ziemlich unverhofft in diesem Einkaufstempel. Die Wehmut verfliegt aber schnell. Wie mir scheint, werde ich von allen Seiten bestaunt. Mein Chef muss einigen Menschen sogar Auskunft über mich und unsere gemeinsame Reise geben. Verwundert, ja schon fast schockiert, nehme ich zur Kenntnis, dass die hiesigen Einkaufswagen ausnahmslos aus Plastik sind. Ja wirklich – aus billigem Plastik! Ich bin halt noch «alte Schule», bin aus stabilem Metall und robustem Stahl gebaut. Natürlich habe ich im Moment mit Übergewicht zu kämpfen, aber mit diesen leichtgewichtigen und pseudotrendigen Hungermodellen nehme ich es allemal auf!
Der Fahrradweg führt vielfach an oder in der Nähe der Donau entlang. Ab und zu leitet mich die Route durch sehenswerte Orte. Im Städtchen Fridingen mache ich einen Umweg durch das historische Zentrum. Einige bewundernswerte Fachwerkhäuser, wie das «Gasthaus Scharfeck», säumen die Gassen. Die Fassade des 1554 erbauten Hauses zeigt Bemalungen zur Fridinger Geschichte. Die stattliche Kirche und das pompöse Rathaus runden das Ensemble ab.
Nun wird die Wanderung richtig interessant. Ich befinde mich im tollen Naturpark Obere Donau. Der Fluss hat sich über Jahrtausende ein tiefes Bett durch das Juragestein der Schwäbischen Alb gegraben. In langen Schlaufen rauscht die Donau durch das enger werdende Tal, das von steilen Kalksteinfelsen umrahmt wird.
7 km hinter Fridingen lokalisiere ich im Wald einen attraktiven Platz zum Übernachten. Eine Feuerstelle, Bänke und Tische werden den Tagesausflüglern zur Verfügung gestellt. Auch eine offene Schutzhütte steht zwischen den Bäumen.