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Besuch vom Patenonkel aus Moskau

Tag 8: Sonntag, 12. Mai 2019, 30 km (219 km)

Der Tag fängt grau und kalt an, zumindest trocken ist es. Die Wollmütze muss wieder ihren Dienst übernehmen. Ich koche mir eine Extraportion Kaffee und lasse es ruhig angehen. Ich beobachte zwei Schwäne, die sich entspannt flussabwärts treiben lassen. Kaum bin ich unterwegs, klingelt das Telefon. Am anderen Ende der Leitung spricht Matthias, mein Patenonkel oder «Götti», wie wir bei uns in der Schweiz sagen. Er wohnt nicht weit von der deutschen Grenze entfernt. «Wo bist du gerade und soll ich dir einen spontanen Besuch abstatten?» Da habe ich selbstverständlich nichts dagegen und ich erkläre ihm, dass ich in etwa anderthalb Stunden in Beuron beim Kloster eintreffen werde. Ich bin dann schon nach einer Stunde dort und rufe Matthias an. Er sei auch schon in Fridingen, es könne sich nur um Minuten handeln. Ich warte und warte und es stellt sich heraus, dass es in dieser Region mehrere Fridingen und Beuron gibt. Eine Stunde später klappt es aber doch noch. Lachend treffen wir uns oberhalb der Erzabtei. «Weisst du, dass ich über Moskau zu dir gefahren bin?» Fragend schaue ich Matthias an. Im Kanton Schaffhausen gäbe es tatsächlich eine Ortschaft namens Moskau. Schmunzelnd überlege ich mir, dass ich es mir mit meinem Fussmarsch nach Moskau viel einfacher hätte machen können …

Hinter Beuron thront auf der rechten Flussseite die Trutzburg Wildenstein. Im Jahr 1077 zum ersten Mal erwähnt, erlebte die Burg aber erst im 15. und 16. Jahrhundert ihre Glanzzeit. Neuerdings wird in ihren alten Gemäuern eine Jugendherberge betrieben. Nur wenige Kilometer flussabwärts steht das Schloss Werenwag auf den höchsten Kalksteinzinnen. An den äussersten Abgrund geklebt, muss der Ausblick über das Donautal beeindruckend sein. Auf den Anhöhen am Oberlauf der Donau stehen eine Reihe historischer Bauten, wie zum Beispiel die Ruine des Schloss Hausen oder die mittelalterlichen Falkensteiner Burgen.

Um die Mittagszeit gönne ich mir in einem Restaurant eine Grillwurst mit Pommes. Meinen Einkaufswagen will ich in Sichtweite behalten, darum lasse ich mich draussen auf der Sonnenterrasse nieder.

Der Weg schlängelt sich im Gleichklang mit der Donau Kurve um Kurve stromabwärts. Heute besteht fast die komplette Strecke aus einem Kiesbelag, was natürlich den Rollwiderstand merklich erhöht und das Tempo drosselt. Von hinten nähert sich ein Fahrradfahrer, der neben mir anhält. Dieser steckt in modernen Funktionskleidern, alles perfekt abgestimmt und teuer. Der sportliche Mann macht auf mich den typischen Eindruck eines gestressten Managers. Er konnte sich ausnahmsweise eine komplette Woche von der Arbeit loseisen und nun radle er schnell zu seiner Tochter nach Wien. Auch in den Ferien permanent unter Strom, denke ich. Er guckt nur komisch auf meine Sandalen, dann in mein Gesicht und sagt mit ernster Miene: «Mit Sandalen nach Moskau, das ist aber keine gute Idee.» Ich bin ziemlich sprachlos und frage verdutzt zurück: «Wieso meinst du?» Nun guckt er mich ein wenig verdattert an und stottert: «Ich weiss nicht …» Nach einer peinlichen Gesprächspause schwingt er sich resolut auf sein funkelndes Designerrad, klickt seine Profischuhe in die Pedale und ist zurück auf seiner Mission.

Ich muss viele kurze und ruppige Aufstiege bewältigen. Zwei Kilometer nach Dietfurt habe ich für heute genug. Bei einem Picknickplatz direkt an der Donau stelle ich das Camp auf. Mir ist bewusst, dass ich mich in einem Naturschutzgebiet aufhalte und hoffe, dass ich keinen Ärger bekomme. Etwas später tauchen zwei Personen auf. Der ältere begutachtet interessiert mein Gefährt und wir kommen ins Gespräch. Er wolle mit seinem leicht behinderten Sohn nur die Feuerstelle begutachten, weil er nächste Woche mit ein paar guten Freunden hier eine Freiluftparty schmeissen möchte. Wir quatschen einige Zeit. Reinhard lebt mit Sohn David und seiner Ehefrau im 20 km entfernten Dörfchen Blochingen. Ich erzähle ihm, dass ich morgen in Sigmaringen auf dem Campingplatz einen Ruhetag einlegen möchte. Er rümpft nur die Nase und lädt mich spontan zu sich nach Hause ein. Das sei nur ein Umweg von 500 Metern, was ich wohl verkraften könne. Und ob ich kann! Bevor sich die zwei auf den Nachhauseweg machen, meint Reinhard zu mir: «Falls der Ranger auftaucht und Ärger macht, richte ihm schöne Grüsse von mir aus. Ich kenne ihn sehr gut und das sollte reichen, damit du keinen Unannehmlichkeiten bekommst.»

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