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Bekannt wie ein bunter Hund

Tag 2: Montag, 6. Mai 2019, 28 km (51 km)

Ich habe sehr schlecht geschlafen. Ich benötige immer einige Tage, um mich an die relativ harte Matte und den Schlafsack zu gewöhnen. Es ist noch dunkel und ich liege für eine Stunde im herrlich warmen Bett. Es ist ruhig, nur in der Ferne kann ich das leise Rauschen der Autobahn hören. Genau um 5: 15 Uhr fangen die ersten Vögel zu zwitschern an, wie um mir zu sagen, dass ich meine müden Knochen aus dem Schlafsack schälen sollte. Das mache ich dann auch eine halbe Stunde später. Ich komme nur sehr schwer in die Gänge. Ich fühle mich noch immer schlapp und der starke Husten fördert unappetitliche Mengen grünen Schleim aus dem Hals. Der heisse Kaffee bewirkt Wunder und mit dem kochenden Wasser rühre ich auch den Porridge an. Den Haferbrei verfeinere ich mit getrockneten Früchten und Nüssen. Mein Appetit scheint das einzige Gesunde an mir zu sein und ich verschlinge mit Heisshunger die stolze Portion. Ein Raureif liegt auf den Pflanzen und ich wärme die klammen Finger an der heissen Tasse. Eine Stunde später ist das Camp abgebaut und Mrs. Molly beladen. Sicherheitshalber kettete ich sie über Nacht, fünf Meter neben meinem Zelt, mit dem Fahrradschloss an einen Baum. Das erscheint jetzt sogar mir ziemlich grotesk und übertrieben. Wer will schon mitten im Wald einen Einkaufswagen klauen? Aber man kann ja nie wissen – sicher ist sicher. Während der Nacht fand übrigens die gesamte Ausrüstung im Zweimannzelt Platz.

Die ersten Kilometer führen mich gemächlich durch den Wald. Im Dorfzentrum von Boningen treffe ich zwei Bauarbeiter. Einer fährt mit seinem Bagger gerade über die Strasse. Er fällt um ein Haar aus seiner Baumaschine, als er mich erblickt. «Bist du nicht der verrückte Kerl, der zu Fuss nach Moskau läuft? Ich habe die Story gerade eben im Radio 32 mitbekommen!» Sein Arbeitskollege kommt dazu und will alles ganz genau wissen. Selbstverständlich werden die Handys gezückt, um dieses spezielle Treffen zu verewigen.

Die erste Etappe führt mich mehr oder weniger am Ufer der Aare entlang. Ich passiere Aarburg und kann nach wenigen Kilometern unerkannt durch das Zentrum von Olten marschieren. Die Beschilderung der Route ist tadellos und ich komme flott voran. Nach der Ortschaft Winznau kann ich schon den Kühlturm des Kernkraftwerks Gösgen erspähen. Von weitem präsentiert sich das Bauwerk ziemlich surreal: Aus einem intensiv gelbblühenden Rapsfeld wächst dieser Betonkoloss in die Höhe. Und wie von einem Spinnennetz umhüllt, führen zahllose Starkstromleitungen in alle Himmelsrichtungen. Ich lasse den Kühlturm hinter mir. Später ist dann wieder fertig mit «unerkannt bleiben». Drei Mal werde ich auf das Radiointerview angesprochen. Ein Autolenker fährt mir sogar hinterher, um mir eine gute Reise zu wünschen und mir persönlich die Hand zu schütteln. Solche Aufmerksamkeit bin ich mir nicht gewohnt, aber ich freue mich sehr über jede einzelne Aufmunterung.

Die letzten 6 km bis nach Aarau führt der Weg flach und asphaltiert dem Flusslauf entlang. In Rombach, einer kleinen Gemeinde direkt neben Aarau, komme ich heute bei Freunden unter. Sie wohnen in einem modernen Terrassenhaus mit Aussicht auf die Stadt. Das bedeutet, dass die Wohnung an einem Hang liegt. Die letzten 200 Meter sind dementsprechend brutal steil und ich muss das eine oder andere Mal pausieren. Das versprochene Abendessen und das weiche Bett muss ich mir hart erarbeiten. Wie abgemacht, finde ich den Hausschlüssel am vereinbarten Ort und ich schliesse den Arbeitstag schon um 15 Uhr mit einem kühlen Bierchen ab. Ich richte es mir in der Wohnung gemütlich ein. Um 18 Uhr treffen die Hausherren ein und wir verbringen einen unterhaltsamen Abend mit leckerem Essen und Wein.

Wanderfieber

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