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Abenteuer für Anfänger

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Nach Brisbane, Agnes Waters und einer Tour durch den Cape Hillsborough Nationalpark ließ ich 1300 Kilometer später mein Auto allein in Airlie Beach zurück und bestieg einen Katamaran Richtung Whitsunday Islands.

Im Gegensatz zu allen anderen Touristen dachte ich gar nicht daran, von diesem Katamaran aus in die Fluten zu springen, um zu schnorcheln. Meine Furcht vor dem um diese Jahreszeit aktiven »Box Jellyfish« war viel zu groß. Und berechtigt, denn diese Qualle gilt als das giftigste Meerestier der Welt. Das Gift ihrer Nesselzellen in den drei Meter langen Tentakeln (ekelhaft!) reicht für gut zweihundert Menschen. Jedes Jahr sterben mehr Menschen an dieser gemeinen, weil durch ihren durchsichtigen Körper auch im klaren Wasser gut getarnten Qualle als durch Haiangriffe. Wusste das hier denn keiner außer mir?

Diese Frage schien Matthew, den ersten Matrosen (glaube ich zumindest, denn er schrie immer am lautesten), sehr zu amüsieren. Er lachte laut auf und versicherte mir, dass mir im sogenannten »Stinger Suit«, einem atmungsaktiven Ganzkörperanzug, der sogar mit Kapuze und Handschuhen versehen war, rein gar nichts passieren könnte. Als ich immer noch den Kopf schüttelte, erinnerte er mich daran, dass ich sogar für die Schnorcheltour bezahlt hätte.

Was war das hier? Geld oder Leben? Inklusive oder nicht, ich wollte nicht von einer Qualle ins Jenseits befördert werden. Außerdem war es unmöglich, so nahe am Great Barrier Reef eine Bootstour ohne Schnorcheltrip zu buchen. Ich wollte nicht ins Wasser, Liebeskummer hin oder her, auf Suizid hatte ich keine Lust. Dazu war ich bei Weitem nicht abenteuerlustig genug.

Matthew wiederum fand, das hätte nichts mit abenteuerlustig zu tun. Es wäre völlig verantwortungslos, am Great Barrier Reef gewesen zu sein, ohne sich das Unterwasserparadies angesehen zu haben. Er lächelte mir mit den typisch strahlend weißen Zähnen zu und schloss seine Rede sehr vorhersehbar mit: »No worries!« War ja klar. Ich hätte wirklich gern nachgegeben, aber wie sollte ich einem Mann vertrauen, der sich mit »Nenn mich Matt, mate!« vorstellte?

Ich sagte erneut »Nein, danke« und schob auch ein »No worries« hinterher, vorsichtshalber und weil »Fair enough« gerade irgendwie nicht passte. Matt lächelte jetzt nicht mehr, sondern sagte: »Geh und hol deine Ausrüstung!« Das klang gar nicht mehr australisch, sondern sehr bestimmend. Und nachdem ich inzwischen die Einzige war, die noch im Trockenen saß, während alle anderen schon im Unterwasserparadies tollten und mit Quallen kämpften, beschloss ich trotz all meiner Bedenken, ganz deutsch, mich der Mehrheit anzuschließen. Unter einer Bedingung: »Matt mate« müsste mitkommen. Und meine Hand halten.

Und so geschah es. Matt und ich schnorchelten Hand in Hand über bunte Korallenriffe, bewunderten Seesterne, Fische, große, kleine und vermutlich ein paar giftige, die uns überraschenderweise nicht töteten. Fair enough!

Zurück im Trockenen bedankte ich mich bei Matt dafür, dass er mir in den Arsch getreten hatte. Stolz auf meinen neu entdeckten Mut holte ich mir zur Belohnung einen Weißwein aus der Kühlbox, der ebenso inklusive war. Wenn schon, denn schon.

Auf dem Weg zurück ins Trampolin des Katamarans rutschte ich aus, flog vor versammelter Mannschaft auf die Nase und verstauchte mir den Knöchel. Matt kam ganz aufgeregt herbeigeeilt. Ich lächelte nur und sagte: »No worries!« Das Leben steckt wirklich voller Gefahren. Meistens da, wo man sie nicht erwartet.

Mit einer Kühlbandage um den Knöchel stieg ich als Einzige auf Long Island aus. Der Name sagte mir zu. Genau dort wollte ich einfach nur ein paar Tage in der Sonne verbringen. Möglichst liegend und ohne große Abenteuereinlagen, einfach nur ein bisschen meine Wunden lecken, körperlich wie seelisch.

Ich brachte die Tage damit zu, in der Sonne zu liegen und zu lesen, Cocktails am Pool zu trinken oder vorbeihüpfende Wallabys zu beobachten. Abends trank ich Bier oder, weil der Name nun mal Programm ist, zwei bis fünf weitere Long Island Cocktails. Dabei betrachtete ich den Sonnenuntergang, der aussah wie eines dieser Motive, die man früher in der Bravo als Poster oder Bettwäsche bestellen konnte.

Nach einer Woche auf diesem Kleinod der Whitsunday Islands war nicht nur mein Knöchel längst wieder in Ordnung, sondern ich auch schon fast überhaupt nicht mehr unglücklich. Schweren, aber geheilten Herzens verließ ich die Insel.

In den nächsten Tagen schaffte ich es noch an Cairns vorbei, nach Port Douglas bis zum Cape-Tribulation-­Nationalpark, in dem ich meinen ersten Kasuar, den größten flugunfähigen Vogel, sah. Ein Einzelgänger, außer zur Paarungszeit. Verwunderlich, dass die nicht in Berlin lebten.

Nach ein paar Tagen Sydney samt Blue Mountains hatte ich endgültig genug von Australien, der Einöde, den 18-jährigen Backpackern, dem ewig eintönigen »No worries« und dem ganzen »Fair enough«. Ich sehnte mich nach einer Ganzkörpermassage und flog nach Indonesien.

Macht's gut, Ihr Trottel!

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