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Prolog

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Im Falle eines rapiden Sauerstoffverlustes werde ich alles andere tun, als ordnungsgemäß meine Sauerstoffmaske aufzuziehen. Weder zuerst mir, noch danach dem Kind neben mir, das hier nicht sitzt.

Vielleicht würde ich beten. Vielleicht würde ich aber auch einfach nur weiterhin aus dem Fenster starren und mein Leben beobachten, wie es an mir vorbeizieht, winkend, während ich gen Erdboden rausche. Wie es mir mit einem hämischen Grinsen alle meine verpassten Möglichkeiten aufzeigt. All die Fehler, die ich gemacht habe und dennoch nicht bereue. Denn die Frage aus dem ZEITmagazin vor mir, »Ist es prinzipiell leichter, sich für das Nichthandeln als für eine Handlung zu entscheiden?«, würde ich auch jetzt, selbst im Angesicht eines rapiden Sauerstoffverlustes, mit einem klaren »Ja« beantworten. Daher habe ich gehandelt. Weil leichter nicht immer besser ist.

So kommt es, dass ich in diesem Flugzeug sitze und mich mit tränengefüllten Augen auf der Rollbahn von Berlin-Tegel wiederfinde, während diese unglaublich gut aussehende Stewardess in einer fast schon menschenunmöglich eleganten Art und Weise die gelbe Sauerstoffmaske an ihren Mund hält. Sie deutet die Bewegung natürlich nur an. Entweder, um ihren Lippenstift zu schonen, oder aus hygienischen Gründen. Keine Ahnung. Ist mir auch egal, denn ich höre ihr nicht mehr zu. Ich genieße den Tränenfluss, der aus den kleinen Löchern schießt, die ich erst kürzlich in meinen Augen entdeckt habe.

Ich war wirklich verblüfft, als ich sie gefunden habe. Mir war auf dem Fahrrad eine Mücke ins Auge geflogen und für ein paar Sekunden fürchtete ich um mein Augenlicht. Als ich das Ausmaß der Katastrophe zu Hause sehr genau vor dem Spiegel inspizierte, entdeckte ich das kleine Loch. Bestimmt der Mückenstich, dachte ich. Doch im anderen Auge fand ich dieselbe kleine Öffnung. Als ich wenige Stunden später ganz aufgebracht meiner Freundin Tina davon berichtete, nicht ohne sie zu zwingen, meine Augen zu begutachten, sah sie mich verblüfft an: »Was denkst du, wo deine Tränen herkommen, du alte Heulsuse?«

Ob man diese Löcher wohl einfach verschließen könnte und dann nie wieder traurig wäre? Tina meinte, das ginge nicht. Schade.

Ich liebe diesen Moment, wenn das Flugzeug Gas gibt, die Lichter auf der Startbahn an mir vorbeirasen, immer schneller werdend, bis sie eine einzige gerade Linie zu bilden scheinen. Den Moment, in dem ich in meinen Sitz gedrückt werde und es kein Zurück mehr gibt. Ausgeliefert sein – das ist vermutlich eine Art Todessehnsucht für Anfänger. Und ich bin Anfänger.

Dafür bin ich aber keineswegs ein abenteuerlustiger Mensch. Abenteuer sind nicht lustig. Sie sind abenteuerlich. Ich habe bereits vergessen, wo sich die Schwimmweste befindet und ob ich sie zuerst anziehen und dann aufblasen soll oder andersherum. In der Theorie ist das für mich schon Abenteuer genug. So abenteuerlich bin ich.

Als wir den Erdboden verlassen, weiß ich plötzlich nicht mehr, ob ich »das Richtige« tue oder ob ich gerade den größten Fehler meines Lebens begehe. War es schlau zu handeln? Bin ich tatsächlich mutig, wie ich es mir in den letzten Monaten und Wochen einzureden versucht habe? Oder vielleicht mutig, aber dumm? Ist es nicht einfach nur völlig verrückt, alles aufzugeben, um gemeinsam mit einem Mann, den ich nur zehn Tage lang kennengelernt habe, in einer Bambushütte zu leben?

Die Tränen schießen aus den kleinen Öffnungen meiner Augen, laufen über mein Gesicht und tropfen weiter auf meine Hände. Das Abenteuer beginnt. Mein Abenteuer. Unser Abenteuer. Ich mache den größten Schritt meines Lebens.

Und er? Er hat nicht mal angerufen.

Macht's gut, Ihr Trottel!

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