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Nachtfischen

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Von da an verbrachte ich Tag für Tag und Nacht für Nacht mit David, einem 28-jährigen Südafrikaner, über den ich nicht mehr wusste, als dass er seit drei Jahren an diesem Ort lebte. Dass er seinen Lebensunterhalt im Resort mit dem Fischen verdiente. Dass er aber am liebsten Fleisch aß und nicht bei Facebook war. Dass er bis über beide Ohren in mich verliebt war und ich in ihn.

Aus ein paar Tagen auf dieser Insel wurden zehn. Ich stornierte meinen eigentlich geplanten Trip in den Dschungel von Sumatra. Denn Orang Utans könnte ich auch zurück in Deutschland im Berliner Zoo bewundern. Auch die Fahrt an den Toba See schien mir nicht mehr unbedingt notwendig. Ich hörte, dieser sei dem Gardasee sehr ähnlich, und den konnte ich noch nie leiden. Außerdem würden die Leute am Toba See Menschen fressen. Zumindest hätten sie das wohl früher getan, so vor grob tausend Jahren.

Obwohl Kannibalismus ein verdammt gutes Argument war, brauchte ich eigentlich keine Ausrede, um länger auf dieser Insel und damit bei David zu bleiben. Ich war glücklich, einfach nur glücklich.

Tagsüber fuhren wir mit Davids Motorrad über die Insel, fütterten Affen am Straßenrand und kletterten durch den Dschungel zu den Wasserfällen. Diese Wasserfälle, die größten auf der Insel, waren nichts weiter als ein kleiner Sturzbach, der allerdings in eine Art blaue Lagune mündete. Wir sprangen ins Wasser, umklammerten einander und küssten uns. Doch als ich vorsichtig an seine Hose griff, hielt er mich zurück.

»So leid es mir tut, aber das ist hier zu gefährlich.« David erklärte mir, dass wir in der Öffentlichkeit – und sei es an einem noch so versteckten Wasserfall – sehr vorsichtig sein müssten. Die Scharia würde in Fällen von »Erregung öffentlichen Ärgernisses« nicht scherzen. David trug mich aus dem Wasser und setzte mich auf dem einzigen sonnigen Fleckchen auf einem Felsen ab, dann verschwand er im Urwaldgestrüpp. Nach einigen Minuten kam er mit einem dünnen Zweig einer Kletterpflanze zurück, den er vorsichtig, aber sehr straff um mein Fußgelenk wickelte.

»In meiner Heimat gibt es einen Brauch«, sagte David. »Man wickelt ein solches Fußkettchen um den Knöchel der Frau, die man heiraten möchte.« David hielt einen Moment inne und sah mir in die Augen. »Allerdings muss man sie heiraten, noch bevor sich der Zweig vom Fuß gelöst hat«, fuhr er ganz selbstverständlich fort und zog die Fußfessel zu.

Ich wurde kreidebleich. Sollte das eben ein Antrag gewesen sein, kam er ziemlich überraschend. Noch dazu fand ich es ziemlich unfair, mir ein Stück Zweig um den Fuß zu wickeln, das ich vermutlich noch auf dem Weg zurück zum Motorrad wieder verlieren würde. Und falls das wirklich ein Antrag gewesen sein sollte, hatte ich irgendwie die Stelle verpasst, an der ich Ja oder Nein hätte sagen müssen. Außerdem, was sollte der ganze Unsinn? Ja, wir waren verliebt. Aber ich war über neuntausend Kilometer von zu Hause entfernt, wir kannten uns gerade mal seit ein paar Tagen und kämpften zudem immer noch damit, uns den Vornamen des anderen zu merken. Manchmal nannte ich ihn »Daniel« und er mich »Christina«.

Auch wenn ich von beziehungsunfähigen Männern, die sich nicht entscheiden konnten und keine Verantwortung übernehmen wollten, die Schnauze gestrichen voll hatte, war mir das hier doch eine Nummer zu groß. Das hier war ein Urlaubsflirt, nicht mehr und nicht weniger. Heiraten? Also wirklich!

Ich stellte ein paar Verlegenheitsfragen über südafrikanische Bräuche und drängte anschließend zum Aufbruch. Heute Nacht, so nahm ich es mir vor, würde ich allein schlafen, um aus diesem Traum wieder aufzuwachen. Das war nicht nur vernünftig, sondern auch längst überfällig. Schließlich hatte ich mir vorgenommen, die Liebeskummerfalle nicht nur zu erkennen, sondern auch zu umgehen. Wenigstens dieses eine Mal.

Doch aus der Nacht allein wurde nichts. David und ich trieben stattdessen auf offenem Ozean in seinem roten Holzboot, das ich bereits am ersten Tag von meinem Balkon aus beobachtet hatte. Wir fuhren raus zum Nachtfischen. Getrieben von der Strömung, mit Herz und ohne Verstand. Der kann nämlich nicht schwimmen.

Als David auf offenem Meer anhielt und den Anker warf, zog ich mich unbemerkt splitternackt aus und wickelte mich in die Decke, die er eingepackt hatte, um mich gegen die Kälte der Nacht zu schützen. Es war nicht kalt.

Ungesehen von den anderen Nachtfischern, öffnete ich, als David sich schließlich zu mir umdrehte, die Decke und ließ meinen nackten Körper vom Vollmond bescheinen. Meine weißen Körperstellen strahlten David entgegen.

»Oh mein Gott«, war alles, was ihm dazu einfiel. Und das hielt ich für ein gutes Zeichen. Ich streckte ihm meine Arme entgegen. Er beugte sich über mich und küsste mich. Dann nahm er behutsam die Enden der Decke und wickelte mich wieder ein. Verblüfft über diese Aktion, sah ich ihn fragend an.

»Lass mich raten? Es gibt eine Scharia-Wasserpolizei?«

David lachte und verneinte

»Ich würde jetzt nichts lieber tun, als sofort hier mit dir zu schlafen. Aber ich habe versprochen, heute Nacht mindestens 22 Fische zu fangen. Für jeden Mitarbeiter im Resort einen. Und glaub mir, sobald das geschafft ist, werde ich diese Decke über Bord schmeißen und mit dir schlafen, bis die Sonne aufgeht.«

Meine erste Reaktion war, eingeschnappt meinen Kopf abzuwenden, dann musste ich jedoch lachen und bewunderte seine Prioritätensetzung. Klar, wir waren Nachtfischen, nicht Nacktficken.

Und ich habe noch nie einen Mann so schnell 22 Fische fangen sehen wie in dieser Nacht.

Macht's gut, Ihr Trottel!

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