Читать книгу Machts gut, ihr Trottel! - Christiane Hagn - Страница 12
ОглавлениеMeine nächste Etappe führte mich nach Brisbane, auch zärtlich »Brissy« genannt. Und der Lonely Planet hatte wirklich recht: »It’s just another city.«
Ich blieb eine Nacht in einem Hostel in Chinatown, das alle 15 Minuten per Lautsprecherdurchsage die Party des Abends mit dem fragwürdigen Motto »Do you have tits?« ankündigte. Schnell flüchtete ich in eine Jazzbar, trank Rotwein und schwelgte in süßen Erinnerungen an Johnny und »meinen« Musiker. Wobei Johnny seltsamerweise häufiger vorkam. Egal, ob die Zeit doch alle Wunden heilte, ein Flirt war definitiv der beste Verband für Liebeskummer, vor allem für ungeduldige Personen wie mich.
Am nächsten Tag brach ich nach einer Bootsfahrt über den Brisbane River wieder auf. Weiter Richtung geradeaus. Ich fuhr und fuhr und fuhr. Dabei sang ich Highway to Hell zusammen mit AC/DC und nahm mir fest vor, erst anzuhalten, sobald ich ein Känguru gesehen hätte. Doch nach vielen Stunden war mir immer noch keines über den Weg gehüpft. Da legte man Tausende von Kilometern zurück, nur um mit sich, der Natur und den Kängurus eins zu sein, und dann so was: nichts als Verkehrsschilder, die vor angeblich vorbeihüpfenden Kängurus warnten. Auch beliebt war der Hinweis am Straßenrand: »Don’t sleep and drive!« Das konnte mir nicht passieren, nicht mit AC/DC im Ohr.
Zwischendurch legte ich auch »seine« Musik ein und heulte dann doch, während die Sonne am Horizont den Himmel orange färbte. Ein bisschen Selbstmitleid durfte schon noch sein. Immerhin musste ich mich nicht auf den Verkehr konzentrieren, denn es gab keinen.
Nach über fünfhundert Kilometern hielt ich schließlich in dem kleinen Städtchen Agnes Waters an und entschied mich für das Hotel mit dem mutigsten Namen: das Cool Bananas. Den nächsten Tag verbrachte ich ausschließlich am Strand. Im Schatten. Ich beobachtete junge Menschen beim Flirten und Surfen, wie sie sich bis zur Erschöpfung in der Sonne räkelten und danach todesmutig und den gefährlichen Meerestieren trotzend in die Wellen stürzten. Vom Ozonloch hatten die wohl noch nie gehört.
Zugegeben, in diesem Land fühlte ich mich jeden Tag ein bisschen älter. Mir kamen schreckliche Gedanken in den Kopf wie »Ich kann mit der Jugend nicht mehr mithalten!« und anstatt abends alle wie geplant unter den Tisch zu trinken, war ich nach zwei Gläsern Goose-Wein, der literweise im Tetrapak abgefüllt wurde und daher genauso erschwinglich wie unerträglich war, völlig hinüber.
Ich wollte schleunigst weiterziehen. Nicht mehr auf der Suche nach Kängurus, vielmehr auf der Suche nach Menschen, die mehr im Sinn hatten als Trinkspiele am Lagerfeuer, Wackelpudding-Wrestling und Eierschlachten. Also verließ ich auch diesen seltsamen Ort noch in den frühen Morgenstunden. Im Verlassen erschien mir der Ort wie eine Filmkulisse aus Pappmaché. Als wäre ich am Set von Cowboys and Aliens gelandet. Alles schien so friedlich, aber man hatte ständig das Gefühl, dass irgendetwas faul war. Ich zog weiter, bevor das Raumschiff zur Landung ansetzte. Sicher war sicher.
AC/DC und ich fuhren weiter, vorbei an diversen Denkmälern, die alle Captain Cook huldigten. Es schien, als ob Captain Cooks Schiff, die Endeavour, alle hundert Meter auf Grund gegangen war, dennoch hatte sich dieser Mann nicht aufhalten lassen, die Welt zu entdecken und zu kartografieren. Was für ein Mann! Captain James Cook war von nun an mein neues Vorbild und endlich hatte ich einen passenden Namen für meinen blauen Hyundai: Endea-vour II – die Anstrengung, die Bemühung, das schien mir gerade passend für meine Unternehmung.
Ich fuhr stundenlang durch die australische Wildnis und nahm mir vor, erst anzuhalten, sobald es mir irgendwo gefiel. Sechshundert Kilometer und drei Schinkenbrote aus dem Handschuhfach später kamen die Endeavour II und ich kurz vor Mitternacht und etwas erschöpft endlich zum Stehen: im Cape-Hillsborough-Nationalpark.
Meine Campinghütte mitten im Regenwald war idyllisch und unheimlich zugleich. Ich parkte mein blaues Schiff direkt daneben, um im Falle eines Skorpionangriffs möglichst schnell flüchten zu können. Aber vermutlich hätte ich das gar nicht mehr geschafft, denn ich fiel sofort in einen tiefen und entspannten Schlaf.
So entspannt, dass ich am nächsten Morgen prompt verschlief. Ich verpasste den Sonnenaufgang und damit auch die Kängurus, die laut Lonely Planet in diesen Morgenstunden am Meer entlanghüpften, um ihren Wasservorrat aufzufüllen. Zur Strafe verbrachte ich den Rest des Tages damit, so viele »Look Out Points« wie möglich aufzusuchen. Ich traf auf ein paar Hundert Spinnen und eine Schlange. Eine Schlange zu viel, die mich zum Umkehren bewegte.
Dabei stieß ich endlich auf mein erstes Känguru. Es saß zwischen Parkplatz und Toilette unter den Wäscheleinen und fraß Gras. Als ich mich langsam, mit Kamera bewaffnet, darauf zubewegte, sah es auf und glotzte mich an. Ich glotzte zurück. So lange, bis zwei Wallabys unseres Weges hüpften und wir beide zusammen denen hinterherglotzten.
Die »Mission Regenwald« und »Mission Känguru« waren somit erfüllt. Ich packte meine Sachen und nahm die »Mission Strand« in Angriff. Es war höchste Zeit, nicht immer nur hinter dem Steuer zu sitzen, sondern endlich ein paar Tage lang unvernünftig in der Sonne zu liegen. Es war Zeit für eine Insel.