Читать книгу Machts gut, ihr Trottel! - Christiane Hagn - Страница 15
ОглавлениеKaum gelandet, nahm ich ein Bluebird-Taxi nach Kuta, dem Sodom und Gomorra von Bali. Da endlich mein Buchhonorar überwiesen war, gönnte ich mir eine Übernachtung in einem wunderschönen steinernen Bungalow, im Hotel Mimpis Bungalows, mit einem kleinen Pool direkt vor meiner Tür. Statt abends auszugehen und mich wie geplant besinnungslos zu betrinken, schwamm ich und schwamm ich, so wie Forrest Gump gelaufen war. Ich schwamm mir alles von der Seele und war anschließend so kaputt, dass ich noch im Bikini auf meinem Doppelbett einschlief. Mittig. Ich legte mich mittig, denn ich wusste, dass die andere Hälfte nicht mehr belegt werden würde, und das war in dieser Nacht nicht nur völlig in Ordnung, sondern großartig. Denn ich hatte es so entschieden.
Kuta und ich wurden nicht warm miteinander. Ich gab mir reichlich Mühe, unsinnige Sachen zu tun, wie High Heels und bunte Taschen zu kaufen, mich bei der Ladies Night auf der Dachterrasse des Skygarden zu betrinken oder mit muskelgestählten Surfern zu flirten. Aber das alles machte nicht wirklich Spaß. Ich bevorzugte es stattdessen, ausgiebig in meinem Pool zu schwimmen und in meinem großen Bett zu liegen. Allein und mittig.
Nach drei Tagen und Nächten dieser Art war es Zeit weiterzuziehen. Ich nahm ein Speedboot auf die Gili Islands und genoss, auf dem Dach liegend, den Ritt über die Wellen. Der blonde Schwede neben mir versüßte mir diese Fahrt, als er begann, mir voller Elan Lieder von Pinocchio und Pippi Langstrumpf vorzusingen. Ich kannte den Text dieser Lieder nicht, sang aber lautstark mit. Dabei erwischte ich mich für einen kurzen Moment bei einem sehr verführerischen Gedanken: dem Gedanken, gerade unbeschwert zu sein. Allerdings war ich mir nicht sicher, wie unbeschwert man sein kann, wenn man zeitgleich darüber nachdenkt, ob man unbeschwert ist. Das ist ähnlich wie mit dem Glück: Die glücklichsten Menschen fragen sich nie, ob sie glücklich sind. Daher nahm ich an, von Unbeschwertheit wohl noch einen ganz großen Schritt entfernt zu sein.
Ich lehnte das verführerische Angebot des Schweden ab, mit ihm zusammen auf der Partyinsel Gili Trawangan auszusteigen, und fuhr weiter nach Gili Air, der ruhigeren Alternative, die aber im Gegensatz zu Gili Meno zumindest noch Internetzugang und ein paar Lokale versprach.
Die Gilis waren leider auch enttäuschend. Von wegen Ruhe und Einsamkeit. Ich fand mich wieder in einer Miniaturausgabe von Kuta Bali, mit Magic-Mushroom-Drinks, Tauchschulen und Pancakes an jeder Ecke.
Irgendwie hatte ich das Gefühl, das echte Indonesien würde sich vor mir verstecken. Nach ein paar Tagen und 15 Pancakes hatte ich das Inselleben endgültig satt und nahm ein Boot nach Lombok. Auch eine Insel, aber durch ihr Ausmaß als solche nicht erkennbar. Ich fuhr nach Kuta Lombok, verlängerte mein Visum um weitere dreißig Tage und entschied mich für das Hotel Indah Inn – »Schönes Inn«, nicht aufgrund des einfallsreichen Namens, sondern wegen des großen Pools vor dem Bungalow.
Auch wenn ich nach wie vor versuchte, mich all meinen Ängsten zu stellen, war ich noch nicht so weit, allein Bahnen im Meer zu ziehen, zumindest nicht ohne »Matt mate« an meiner Seite. Ich fürchtete mich nicht nur vor Quallen und Haien, sondern vor Fischen aller Art, sogar vor Algen und Steinen. Doch am meisten vor Haien. Schuld daran war mein Vater, der mir mit acht Jahren fatalerweise erlaubt hatte, Der weißen Hai im Fernsehen anzusehen. Sein Versuch, mir noch Jahre später die Angst vor Haifischen zu nehmen, scheiterte. Er meinte, wenn der Hai käme, würde ich die Filmmusik schon rechtzeitig hören.
Im Bungalow links von mir wohnten ein Kanadier, ein Norweger und ein Engländer. Rechts von mir zwei nicht weniger attraktive Australier. Vor mir lag der Pool. Ich war im Paradies, konnte mich aber nicht entscheiden, welchen Apfel der Versuchung ich pflücken sollte.
So trieben die Herren und ich Nacht für Nacht mit Bintang-Bierdosen im Pool, ohne es zu treiben. Mal angezogen, mal nackt, irgendwie schien das völlig normal zu sein. Tagsüber erkundeten wir auf Mopeds die Umgebung und aßen gemeinsam in Warungs, einfachen Essensständen am Straßenrand, bis wir Nasi Goreng, Nasi Gurih oder Nasi Mie endgültig satt hatten. Dann gingen wir wieder über zu Bier und rauchten einheimischen Tabak, den ich mir selbst als »zählt nicht« genehmigte: Ein in Bananenblatt eingewickelter Tabak ohne Filter galt einfach nicht als Zigarette, das fiel unter »interkultureller Austausch«.
Es waren gute Tage auf Lombok, trotzdem ließ mich das Gefühl nicht los, immer noch nicht das echte Indonesien kennengelernt zu haben. Ich hatte nicht mehr viel Zeit, bevor ich wieder nach Deutschland zurückkehren müsste und mich, wie mein Vater sagen würde, »dem Ernst des Lebens« zu stellen hätte. Daher entschied ich, noch weiter zu reisen. Meine spontane Wahl fiel auf Sumatra. Das klang so schön grün und außerdem nach einem abenteuerlichen Duschgel. Und noch viel abenteuerlicher klang Banda Aceh. Aceh, die Region, die im Jahr 2004 traurige Berühmtheit erlangte, als der Tsunami diese komplett verwüstete und allein dort über 170.000 Menschen starben, von insgesamt über 230.000 Todesopfern weltweit. Der Norweger erzählte mir später, dass in der Provinz Aceh das Scharia-Gesetz immer noch praktiziert wurde. Ich wusste nicht genau, was das bedeutete, nickte aber wissend. Schließlich kannte ich den Begriff »Scharia« aus den Tagesthemen und soweit ich mich erinnerte, waren das immer die Bösen. Wie auch immer: Sumatra klang exotisch und irgendwie spannend. Es klang nach einem Abenteuer und schließlich war ich inzwischen ein mutiger Mensch geworden. Außerdem entdeckte ich auf der Karte, dass es nördlich von Banda Aceh eine kleine Insel gab, die ein paradiesisches Beach Resort versprach. Die Bilder in meinem Reiseführer waren zumindest mehr als vielversprechend.
So verabschiedete ich mich am nächsten Morgen schweren Herzens von meinem Männerpool und flog von Lombok über Jakarta nach Medan und weiter nach Banda Aceh, in der Hoffnung, dass man sich auf den Reiseführer verlassen konnte.