Читать книгу Machts gut, ihr Trottel! - Christiane Hagn - Страница 20
ОглавлениеDa saßen wir also, wir drei, in Sicherheit auf unserem Balkon, konfrontiert mit den Naturgewalten. Und während mein Verstand vom Bier müde geworden war und ein Nickerchen machte, lächelte mich mein Herz schelmisch an. Ich kannte diesen Blick. Er war eine Mischung aus Unternehmungslust und Unvernunft. Ich versuchte wirklich, es aufzuhalten, seufzte und sprang sofort hinterher, als es trunken vor Lebensmut durch die Bambushüttentür entkam. Doch das Herz war mal wieder schneller als ich und mein Verstand, der von all dem noch nicht mal etwas mitbekommen hatte. Und als ich es endlich zu fassen bekam, war es schon zu spät. Da saß es, versteckt hinter einem Regenschleier, auf seinem Schoß: mein Herz und David. Was für ein Paar. Und beide lächelten mich an. Wie hätte ich anders gekonnt, als zurückzulächeln?
So folgte noch am selben Abend die »vielleicht« versprochene Revanche. Ich gewann, überraschenderweise. Am nächsten Tag ging unser Schachwettbewerb über in ein gemeinsames Abendessen, gefolgt von weiteren Tagen, in denen das Schachspiel mehr und mehr zu einem schwarz-weiß karierten Alibi wurde, damit wir uns stundenlang gegenübersitzen, uns in die Augen sehen, ab und an versehentlich mit unseren Beinen unter dem Tisch aneinandergeraten oder beim Aufbau der Figuren unsere Finger einander berühren lassen konnten.
Am vierten Tag gingen wir zusammen schwimmen. David hatte gerade eine Art Floß aus Bambus fertiggestellt, das gute hundert Meter vom Ufer entfernt im Wasser verankert war. Dort angekommen, legten wir uns rücklings auf das von der Sonne aufgeheizte Holz. Seite an Seite starrten wir in den inzwischen wolkenlosen Himmel und ließen unsere Haut von der Sonne trocknen. In diesem Moment war ich so was von unbeschwert, dass es leicht mit Glück zu verwechseln gewesen wäre. Möglicherweise war es sogar Glück.
Als seine Hand nach einer gefühlten Ewigkeit die meine berührte und er sachte anfing, meine Finger zu streicheln, konnte ich nicht anders, als diese Berührung zu erwidern. David drehte seinen Kopf zur Seite und sah mich lange an. Er sah mich einfach nur an. Und ich sah einfach nur zurück. Doch es war anders als mit dem Känguru, damals, im Regenwald. Während das Känguru sich fragte, wer um alles in der Welt ich sei und was ich von ihm wollte, und ich mich fragte, ob ich diesem Känguru vertrauen könnte, war der Blickkontakt mit David sonnenklar. Wir wussten beide, dass wir nicht wirklich wussten, wer der andere war. Doch wir wussten, dass wir uns vertrauten. Wir wussten, dass wir beide das Gleiche füreinander empfanden, und auch, dass das nicht gut war. Wir waren verliebt.
David drehte sich auf die Seite und beugte sich über mich. Ich streichelte über seinen Hinterkopf und ermutigte ihn, das zu tun, wonach ich mich seit dem ersten Moment sehnte: mich zu küssen. Und genau das tat er dann auch. Er gab mir einen vorsichtigen, zärtlichen Kuss. Seine Lippen schmeckten nach Salz und Freiheit. Dem ersten Kuss folgte ein zweiter und schon bald spielten unsere Zungen miteinander, konnten nicht genug voneinander bekommen. David küsste mein Gesicht, meinen Hals, meine Wangen. Seltsamerweise dachte ich in diesem Moment nicht viel. Die einzigen Worte, die in meinem Kopf kreisten, waren: »Gardé. Dame in Gefahr!« Und als ich erneut meine Augen öffnete und David über mir sah, wusste ich, was gerade passiert war. Ich war »schachmatt«.