Читать книгу Nur ein Tropfen Leben - Christina M. Kerpen - Страница 8
Abschied
ОглавлениеDa es Carol schon seit dem Aufstehen ausgesprochen gut geht, hat sie beschlossen, den Besuch bei der Witwe Gwendale nicht unnötig hinauszuzögern, denn schließlich hat sie der alten Dame sehr viel zu verdanken.
Durch eine Hotelangestellte hat sie daher ihren Besuch für diesen Nachmittag avisieren lassen und nicht lange nach dem Mittagessen kleiden sich die Cowboys der Willow-Tree-Ranch stadtfein, damit sie nicht zu sehr von ihrem Mädchen abstechen und gemeinsam machen sie sich auf den Weg.
John trägt ein großes Paket, welches seine Schwester ihm vor Verlassen des Hotels mit der Ermahnung, es wie ein rohes, schon angetitschtes Ei zu behandeln, in die Hand gedrückt hat. Das Mädchen selber schlenkert ungewohnt nervös einen farblich zum Kleid passenden Pompadourbeutel und sieht hinreißend aus.
Es folgen den Dreien viele bewundernde Blicke und jeder Mensch, dem sie begegnen, grüßt freundlich und erkundigt sich nach dem Befinden der jungen Frau und bekunden ihr Beileid zu dem Verlust des Babys. Längst wissen alle Bewohner der kleinen Stadt Bescheid und es ist, trotz Charlottes anfänglichen Beteuerungen, dass es niemanden etwas angehe, auch kein Geheimnis mehr, dass die junge Lady noch Miss und keineswegs verheiratet oder gar verwitwet ist.
Unter anderen Voraussetzungen wären die beiden jungen Männer sehr stolz, in Begleitung einer so wunderhübschen jungen Dame durch die Straßen zu spazieren, so aber fühlen sie sich reichlich unwohl unter all den prüfenden Blicken und David überlegt, ob die Leute in ihm wohl einen Unhold sehen, der kleine, unschuldige Mädchen in sein Bett zerrt.
Doch da die Bewohner von Plumquartpinie keineswegs puritanisch denken, herrscht eine derartige Stimmungslage nicht und sie begegnen den Fremden sehr freundlich und höflich, aber doch mit unverhohlener Neugier
Als unsere drei Freunde endlich das Haus der Witwe erreichen, haben sie schon fast ausgerenkte Hälse vom vielen Grüßen.
Die Männer betrachten das große, sehr feine Haus mit gemischten Gefühlen. Es ist zwar wesentlich kleiner als das Herrenhaus der Willow-Tree-Ranch, dafür aber um einiges prunkvoller.
Das Willow-Tree Ranchgebäude ist riesig mit seinen zwei Stockwerken und dem hohen Dach über der großzügigen Grundfläche mit der umlaufenden Veranda um das Erdgeschoss, aber es ist schlicht und elegant im Baustil. Diese Villa hier ist jedoch vollkommen anders. Sie ist schon fast übertrieben verspielt gebaut, mit Türmchen, Erkerchen und Holzschnitzereien am Balkongeländer. Ein richtiges Schloss im Kleinformat.
Carol ist stehen geblieben und murmelt: „Wir sind da, benehmt Euch gesittet, sonst kenne ich Euch morgen nicht mehr. Für einen schlechten Leumund habe ich schon selber gesorgt, darum braucht ihr Euch nicht mehr zu kümmern, außerdem braucht niemand zu merken, dass wir Landpomeranzen sind.“
Dann holt das Girl tief Luft, pfeift die erste Zeile aus der gerade sehr populären Oper Carmen, knurrt: „Auf in den Kampf“ und öffnet das Tor zu einem sehr gepflegten Vorgarten.
Sie brauchen nicht anzuklopfen, denn die Türe wird ihnen schon von innen geöffnet. Das Hausmädchen Martha begrüßt Carol und ihre Begleiter mit einem kleinen Knicks. „Die gnädige Frau wartet schon im Salon auf Sie, Mrs. Blake.“
Die Männer schauen sich konsterniert an, so fein hat sich Ines noch nie ausgedrückt und Carol grinst: „Nicht mehr Mistress, sondern nur noch Miss. Hat sich das Schockierende noch nicht bis zu Dir herumgesprochen, Martha? Ich war und bin unverheiratet, war aber schwanger und wäre fast zur ledigen Mutter geworden. Ich bin also keinesfalls so anständig, wie ich immer getan habe. Im Gegenteil, ich habe Euch alle ganz nett angelogen.“
Martha kichert verhalten und flüstert: „Sie waren aber darin ganz toll, Miss Blake, ich bewundere Sie. Den Mut hätte ich niemals aufgebracht.“
Carol lächelt und geht an dem jungen Hausmädchen vorbei, gefolgt von ihren Freunden.
Sie durchqueren eine große, behaglich eingerichtete Wohnhalle, wobei sie fast in dem dicken Teppich, der den Boden bedeckt, versinken. An einer riesigen, massiven Schiebetür bleibt das Mädchen stehen und blickt über ihre Schulter zurück. In ihren Augen steht die unausgesprochene Frage: ‚Alles in Ordnung, seid Ihr bereit, Ihr beiden?’, und als David unmerklich nickt, klopft sie an, schiebt die schwere Tür auf und schon stehen die Willow-Tree-Leute in einem edel eingerichteten Salon.
John flüstert seinem Freund ins Ohr: „So was habe ich mal auf einem Bild gesehen, aber ich habe nicht geglaubt, dass jemand tatsächlich in so was wohnen kann.“
Ehrfurchtsvoll schauen sich die Cowboys um. In dieser Einrichtung steckt mehr Geld, als die beiden zusammen jemals in ihrem ganzen Leben verdienen können.
Eine überaus vornehme, alte Dame sitzt unweit des Kamins in einem riesigen Ohrensessel mit Blickrichtung zur Tür und mustert die Eintretenden.
„Guten Tag, Ma’am!“, grüßen Blacky und der Indian wie aus einem Munde, als ihre Blicke an der Bewohnerin des Hauses hängen bleiben.
Carol dagegen macht ein theatralisch zerknirschtes Gesicht, knickst leicht und murmelt: „Bon jour Madame.“
Madame nickt hoheitsvoll. „Bonjour, mes amis! Prenez place, s’il vous plaît“, dabei deutet sie auf einen Tisch, der mit wundervollem Porzellan eingedeckt ist.
„Merci, Madame“, murmelt das rothaarige Girl und flüstert ihren beiden Begleitern zu: „Setzt Euch hin und verhaltet Euch erst mal ruhig.“
Lächelnd setzt sie sich auf das Sofa neben ihren geliebten Vormann, ganz dicht an den Sessel, in dem Mrs. Gwendale sitzt, schaut diese mit ihrem treuherzigsten Augenaufschlag an und flüstert in einwandfreiem Französisch: „Madame, darf ich Ihnen die beiden Herren vorstellen? Das hier ist mein Bruder, John Blake“, sie deutet auf Blacky, der bei der Nennung seines Namens ein Nicken andeutet, obwohl er kein einziges Wort verstanden hat, „und das ist David Widefield, nicht mein Mann, ja noch nicht mal richtig mein Verlobter, aber immerhin der Vater des Kindes und vielleicht mal irgendwann mein Mann, wenn er mich nach dieser Eskapade überhaupt noch will.“
„Oui, oui, je sais!“
In Carols Lächeln liegt ein etwas gequälter Ausdruck. „Charlotte?“, will sie wissen.
Madame nickt ernst, doch ihre Augen lassen erkennen, dass sie innerlich gar nicht so böse ist, wie sie versucht, den Anschein zu erwecken. „Oui, Charlotte! Du bist ein ganz schlimmes, böses Mädchen, uns alle hier so hinter das Licht zu führen.“
Carol ist ehrlich zerknirscht, als sie antwortet: „Oui, Madame, ich schäme mich auch entsetzlich. Zu meinem großen Bedauern muss ich gestehen, dass ich mich wirklich schlecht Ihnen allen gegenüber benommen habe. Und ich muss mich ganz besonders bei Ihnen entschuldigen, denn Sie waren immer sehr großzügig mir gegenüber.“
Die Witwe nickt hoheitsvoll. „Oui, je pardonne à toi, aber trotzdem, Du hast uns alle böse an der Nase herumgeführt und das möchte ich nicht noch einmal erleben.“
Das Girl hat wieder seinen reuevoll zerknirschten Gesichtsausdruck angenommen und murmelt: „Merci bien, Madame, ich werde mich bessern und nie wieder lügen.“
Nun allerdings weicht die betroffene Miene einem strahlenden Lächeln, als sie bittet: „Bitte, Madame, lassen Sie uns englisch sprechen. Meine Freunde sprechen leider kein Französisch und ich fürchte, sie fangen bald an, sich zu langweilen.“
„Bien, mein Kind, sprechen wir englisch, damit deine beiden Lieben uns verstehen.“ Wohlwollend wandert der Blick der alten Dame zwischen den beiden Männern hin und her, die wie zwei brave Schuljungen dem Gespräch mit offenem Mund gelauscht haben. Beide haben außer ihren Namen kein Wort verstanden, aber es klang sehr hübsch in ihren Ohren, dennoch sind sie froh, dass die weitere Unterhaltung nun auf Englisch geführt wird und sie wenigstens wissen um was es geht und ob noch ein gutes Haar an ihnen gelassen wird.
Carol lächelt ihr gewinnendstes, charmantestes Lächeln, dabei neigt sie den Kopf ein klein wenig und sieht einfach hinreißend aus. „Madame, ich wollte Sie etwas fragen“, in das entzückende Lächeln, mit dem das Girl seine Gönnerin ansieht, mischt sich ein etwas ängstlicher Ausdruck, der dieses Mal nicht gespielt ist.
„Sind Sie mir sehr böse? Meine Lügerei war, wie alles, was ich seit Beginn der…“, sie stockt, „äh, meiner anderen Umstände gemacht habe, ziemlich verkehrt. Ich wusste in meiner Verzweiflung nicht, was ich tun sollte und es erschien mir der einfachste Weg, zu behaupten, ich sei Witwe.“
Die alte Dame runzelt die Stirn, macht ein bitterböses Gesicht und sagt mit tiefer Grabesstimme: „Ob ich Dir böse bin? Na, was glaubst Du denn? Mich und alle die anderen guten und lieben Leute hier in Plumquartpinie so zu beschwindeln, pfui, schäm Dich!“
Bei den letzten Worten wirft die alte Lady den Kopf in den Nacken und beginnt herzhaft zu lachen.
Carol, die sich bei dem so unbekannt bösen Gesichtsausdruck und den ersten harten Worten schon begann absolut unbehaglich zu fühlen, fällt nun ein dicker Stein vom Herzen. Sie ist unbeschreiblich erleichtert, denn so frei und ungezwungen hat sie die immer eher strenge Witwe Gwendale, der sie wirklich fast alles in ihrer Wahlheimat zu verdanken hat, noch nie lachen hören.
Die alte Dame hat sich langsam wieder etwas beruhigt und meint, noch immer leicht glucksend wie ein Teenager: „Du bist ein richtiges kleines Äffchen, ma cherie.“ Danach lächelt sie ihre kleine Freundin mütterlich an. „Als ob Dir irgendwer jemals ernsthaft böse sein könnte. Ich glaube, das gibt es nicht, dass Dir irgendwer irgendwas wirklich übel nimmt. Ich am allerwenigsten!“
Unvermittelt wird die Frau wieder ernst. „Außerdem, was glaubst Du denn, Herzchen, ich bin doch auch einmal jung gewesen. Ich war nicht immer so eine verbissene alte Schachtel wie heute.“ Der Blick der Lady geht gedankenverloren in die Ferne. „Ich war auch einmal in einer ähnlichen Situation wie Du und obwohl ich sicher einiges älter war, war ich viel dümmer. Ich hatte weder Deine Phantasie noch Deinen Mut. Meine Energie reichte nur bis zu einer Frau, die mir das Kind weggemacht hat. Dafür wurde ich hart bestraft. Ich wurde sehr, sehr krank und ich konnte nie wieder ein Kind bekommen. Darunter leide ich bis heute. Du hast das richtig gemacht. Du hast Dich für das Kind entschieden, auch wenn es jetzt nicht hat leben wollen. In einigen Jahren wirst Du verheiratet sein“, ihr Blick streift den Indian, „und Du wirst wieder ein Kind haben und dieses Kind wird leben. Du wirst Kinder haben, weil Du nicht den Fehler gemacht hast, wie ihn die meisten ledigen Frauen in Deiner Lage machen, sondern weil Du den Mut zum Kind bewiesen hast.“
Sie räuspert sich. „Nur so ganz verstehe ich nicht, warum Du bei all Deinem Mut weggelaufen bist. Hattest Du Angst, der Mann würde nicht mehr zu dir stehen, wenn er die Wahrheit erfährt?“
Carol schüttelt den Kopf. „Die Gründe waren viel komplizierter.“
Sie umreißt kurz die Situation auf der Willow-Tree-Ranch und endet mit den Worten: „Ich wollte nicht, dass wir beide unseren Job verlieren, nur weil ich mich liederlich benommen habe.“
„Und dabei war das ganz unnötig.“ John schnaubt leise. „Mr. Carpenter hätte nichts gegen eine Beziehung von Euch gehabt. Im Gegenteil, er hat nichts unversucht gelassen, um Euch miteinander zu verbandeln.“
„Das weiß ich jetzt, aber vor einem halben Jahr war das anders. Ich hatte ja keine Ahnung.“
Martha hat in der Zwischenzeit die Besucher mit Kaffee und Kuchen versorgt und es herrscht eine Weile angestrengtes Schweigen.
Nach der zweiten Tasse Kaffee endlich erhebt die Gastgeberin wieder ihre Stimme. „Nun wirst Du uns also wohl oder übel wieder verlassen, um Deinem Herzen und dem Mann Deiner Liebe zu folgen, nicht wahr, mein kleines Mädchen?“
Carol nickt und kann es nicht verhindern, dass sie strahlt, wie die Sonne.
„Sag mal, wie alt bist Du eigentlich wirklich, Kindchen? Die zweiundzwanzig Jahre sind doch bestimmt auch geschwindelt, oder?“
Carol verschluckt sich vor Schreck an einem Stückchen Kuchen. Sie hustet, dann nickt sie errötend und senkt die Augenlider. „Sie haben mich durchschaut, Madame. Ich bin siebzehn, werde aber noch in diesem Jahr achtzehn.“
„Auf Silvester, was?“
„Fast, Madame, am 29. Dezember.“
„So was Ähnliches habe ich mir fast gedacht, aber Du bist doch noch viel jünger, als ich angenommen habe. Ich dachte, Du wärst so um die Zwanzig herum, aber Du bist ja noch ein richtiges Kind. Mit siebzehn Jahren habe ich kaum gewusst, dass es zwei Geschlechter gibt.“ Sie runzelt die Stirn. „Mein Gott, Du bist mit gerade mal sechzehn Jahren schwanger geworden, kein Wunder, dass Du nicht alles richtig gemacht hast.“ Ihr Blick bekommt einen gewissen bewundernden Ausdruck. „Umso erstaunlicher Dein Mut, das Baby auszutragen und die Schmerzen der Geburt auf Dich zu nehmen.“
Die alte Dame lächelt. „Ich hätte Dein wahres Alter eigentlich erraten müssen, denn Du sahst von Anfang an noch so kindlich aus. Dein erwachsenes Benehmen hat uns alle getäuscht. Du bist die geborene Komödiantin. Aber Sie“, streng schaut die Witwe Gwendale den Indian an, „Sie sind doch schon einiges älter, wenn ich das richtig einschätze.“
Der Mann nickt. „Richtig, Ma’am!“, er denkt gar nicht daran, sein wahres Alter preiszugeben. Das ist auch gar nicht nötig, die Witwe hat genügend Lebenserfahrung, um es auch so zu erraten. Sie schmunzelt. „Sie könnten leicht Carols Vater sein. Zwischen Ihnen beiden liegen doch gut und gerne zwanzig Jährchen, nicht wahr?“ Sie wartet keine Bestätigung ab. „Aber verkehrt ist das nicht, denn wahrscheinlich können Sie somit schon eine Familie ernähren.“
‚Mein Gott, ist die neugierig!’, denkt Widefield. Laut antwortet er: „Ich denke schon, Mrs. Gwendale. Ich habe einen gutbezahlten Job auf einer großen Ranch. Dort steht mir eine eigene Unterkunft zur Verfügung und wenn Carol wieder zurück ist, besteht auch keine allzu große Gefahr mehr, dass die Ranch, wie so viele andere, wegen Unrentabilität untergeht. Ich bin mir sicher, dass Job und Heimat in der nächsten Zeit gesichert sind. Meine kleine Braut hat sehr viele Ideen, die, richtig umgesetzt, bares Geld wert sind.“ Bei diesen Worten hat der Mann zärtlich eine kleine Hand seines Mädchens in seine große genommen und lächelt ihr verliebt zu.
„Nun, wenn ich Eure Blicke so sehe, Ihr scheint Euch wirklich sehr zu lieben.“ Die Lady nickt verständnisvoll und Blacky trompetet kopfschüttelnd: „Ich kann es kaum glauben, dass ihr es bei so viel Verliebt sein geschafft habt, uns alle zu täuschen, so dass keiner auch nur das Geringste bemerkt hat.“
Carol grinst frech. “Kunst kommt von Können, mein Lieber, das hat Mami schon immer gesagt.”
Die Witwe schmunzelt: „Du bist ja wirklich schon wieder obenauf. Wenn man bedenkt, dass wir noch vor wenigen Tagen um Dein Leben gebangt haben. Der Doktor hat wirklich gedacht, er bekommt Dich nicht durch, so viel Blut hast Du verloren.“
Ein Blick aus ihren grauen Augen trifft die verdutzten Männer. „Das hat Ihnen niemand gesagt, meine Herren, keiner wollte, dass Sie sich nach allem, was Sie schon durchgemacht haben, nun auch darum noch tagelang Sorgen machen müssen. Aber Carols Leben hing wirklich für eine ganze Weile an einem sehr dünnen, seidenen Faden, deswegen durften Sie auch nicht wieder zu ihr.“
Sie macht eine kleine Pause und betrachtet die Männer, die beide im Nachhinein noch furchtbar bleich geworden sind.
„Ich glaube, wir wechseln besser das Thema, denn schließlich ist ja doch noch alles gut geworden und es ist unnütz, dieses unerfreuliche Geschehen noch einmal durchzukauen. Carol hatte glücklicherweise einen aufmerksamen Schutzengel.“
Die alte Dame lächelt und hebt ihre gepflegte rechte Hand. „Was ich aber noch sagen wollte, ma cherie, ich werde böse, sehr böse auf mein kleines Herzblatt sein, wenn Du die Stadt verlässt, bevor das Portrait von mir fertig ist. Du hast es mir versprochen.“
Das rothaarige Girl nickt, trinkt einen Schluck Kaffee und winkt Blacky, damit er ihr den großen Karton gibt. Sie löst die Schnur und nestelt, um die Spannung zu erhöhen, ein wenig an dem Deckel.
„Ah, mein kleiner Liebling will vom Thema ablenken. – Du hast Dir ein neues Kleid gekauft und die alte Tante soll es jetzt begutachten, wie immer, n’est ce pas?“
„Mit geheimnisvoller Miene hebt Carol den Deckel hoch und murmelt: „Voila, Madame, mein Abschiedsgeschenk an Sie. Aber Vorsicht, es ist noch ganz feucht.“
Über das Gesicht der alten Dame geht ein glückliches Leuchten. Sie strahlt, wie ein junges Mädchen bei seinem ersten Rendezvous.
Verblüfft betrachten Widefield und Blacky den Inhalt der Schachtel. Es ist ein großes, ausgezeichnetes Portrait der Lady.
Mit einem anerkennenden Pfiff quittiert David das Werk. „Wow, ich wusste gar nicht, dass Du auch so toll malen kannst, Carol! Ich wusste zwar, dass Blacky klasse Skizzen machen kann, aber dass Du dieses Talent auch besitzt, ist mir neu.“
„Ich wusste es bisher auch nicht, mein Liebling. Wenn alle Stricke reißen und Du mal arbeitslos werden solltest, male ich und wir verkaufen den Plunder, da kann man echt Kohle mit machen.“
„Junger Mann“, schaltet sich nun Mrs. Gwendale in das verliebte Geplänkel ein, „mir scheint, Sie kennen die Qualitäten Ihrer Braut gar nicht. Ich frage mich, ob Sie das gute Kind überhaupt verdienen. Sie könnte an jedem Finger zehn Jungs haben und sollte sich ihre Wahl noch einmal durch den Kopf gehen lassen. Die ganze Bettgeschichte ist nämlich nur ein winziger Aspekt des Ganzen!“
„Stimmt, Gnädigste!“, knurrt David. „Aber ich weiß, dass Carol nicht nur im Bett ein As ist, sie ist es auch auf vielen anderen Gebieten, deswegen sind hinter ihr alle männlichen Altersgruppen zwischen achtzehn und achtzig her.“
Carol lacht übermütig. „Ach, Mrs. Gwendale, ich glaube, ich bin es, die den Indian gar nicht verdient. Wenn ich denke, was ich ihm angetan habe. Dabei ist er ein so guter Mann. Er ist fast immer lieb zu mir, es sei denn, ich bin mal wieder ganz unmöglich und schlage furchtbar über die Stränge, dann verweist er mich schon in meine Schranken, aber ansonsten ist er mein Ruhepol, wenn ich ganz wibbelig bin. Egal, wie dumm, nervös und wuschig ich mich verhalte, er verliert nie die Ruhe oder die Beherrschung. Er ist ständig allem überlegen und handelt stets besonnen und vernünftig, was man von mir nicht behaupten kann, was schon meine kopflose Flucht beweist. Ich brauche diesen Mann als meine ruhige Ergänzung. Außerdem, ich liebe David, ich liebe ihn wie verrückt und weil ich vor lauter Liebe nicht wollte, dass er meinetwegen Ärger mit unserem Boss bekommt, bin ich weggelaufen, als ich erfuhr, dass ich ein Kind von ihm erwartete.“ Sie lächelt schwach. „Ich bin nämlich wirklich nur ein einfaches Cowgirl auf der Ranch, auf der er als Vormann arbeitet, das ist nicht gelogen und normalerweise sehen es die Rancher überhaupt nicht gerne, wenn es unter ihren Angestellten zu Verhältnissen kommt, weil das ganz schnell Unruhe mit sich bringt. Ein Streit wird fast immer in die Arbeit hineingetragen, es kann Eifersüchteleien geben oder Bevorzugungen, was dann wieder die anderen Leute ärgert. Na ja, und meistens wird es einem dann nahegelegt, sich schnell einen neuen Job zu suchen.“
Carol seufzt: „Wenn ich allerdings gewusst hätte, wie liberal die Einstellung unseres Arbeitgebers zu unserer Verbindung ist, ich hätte vieles anders gemacht. Hätte ich auch nur einen klaren Gedanken fassen können, ich hätte meinem Liebsten meine missliche Lage gestanden, David hätte wie immer die Ruhe bewahrt und genau gewusst, was wir tun müssen.“
„Ja, ja, wenn er ein Ehrenmann ist, hätte er Dich vom Fleck weg geheiratet.“
Carol verdreht die Augen. „Da nervt er mich schon seit Monaten mit. Damit hat er mich schon genervt, da hätte ich nicht mal im Traum daran gedacht, mit ihm, mit ihm ...“, Carol stockt, sie weiß nicht, wie sie den Satz schicklich beenden soll.
„Mit ihm das Lager zu teilen!“, ergänzt die lebenserfahrene Frau, lächelt und brummt dann: „Du hättest auch sagen können, bevor Du mit ihm geschlafen hast oder bevor Du Dich von ihm hast ficken oder bumsen lassen. Ich kenne diese Worte und werde nicht rot, weder wenn ich sie höre, noch wenn ich sie sage.“
Dafür wird das Mädchen aber puterrot, als sie diese Worte hört, denn derbe Ausdrücke haben David und sie immer vermieden. Sie lächelt zaghaft und nickt dann wieder lebhaft. „Genau. Nicht nur, dass ich daran im Leben nicht gedacht hätte, ich wusste zu dem Zeitpunkt ja noch nicht mal, was da vor sich geht.“ Sie wird noch eine Spur dunkler. „Und wenn ich geahnt hätte, welche Folgen das haben kann, ich hätte mich sicherlich von jedem Mann sehr weit fern gehalten.“
Die Witwe Gwendale winkt lächelnd ab. „Die für Dich so schlimmen Folgen hatten für uns hier einen Riesenvorteil. Wir hier in Plumquartpinie hatten dadurch das große Vergnügen und die Freude, Dich kennen zu lernen. Überlege mal, um wie viel ärmer unser Leben in den letzten Monaten gewesen wäre. So aber hatten wir abends die Freude, Deinem Klavierspiel lauschen zu dürfen und unsere Kinder sind wenigstens für eine Weile mal gerne in die Schule gegangen.“
Die Zeit in der Gesellschaft der alten Dame vergeht wie im Fluge und der Besuch dauert bis tief in die Nacht. Alle unterhalten sich großartig und das Hausmädchen Martha ist verblüfft! So fröhlich und lustig, ja man kann sagen heiter und gelöst, ist die Witwe seit dem Tode ihres Mannes nicht mehr gewesen und es ist Carol, die dieses kleine Wunder vollbracht hat.
Bevor die drei Willow-Tree-Leute endlich aufbrechen, ermahnt Mrs. Gwendale die Männer schmunzelnd: „Und nehmen Sie sich ein wenig vor Mrs. Wolters in Acht, die ist nämlich ganz vernarrt in Sie beide. Besonders Sie haben es ihr angetan!“ Mit ihren großen, grauen Augen betrachtet Carols alte Freundin den Indianer. „Sie hat regelrecht von Ihnen geschwärmt. Lassen Sie sich nicht von ihr überrumpeln. Es wäre traurig, wenn Sie Ihrer Verlobten weh täten, nur weil eine lüsterne Frau ihre Finger nicht von fremden Herren lassen kann.“
Der Indian grinst. „Die Dame versucht es ununterbrochen, aber sie ist nicht mein Fall.“
„Das ist gut so, denn unser kleines Mädchen ist doch viel reizvoller.“ Die alte Lady lächelt. „Ich muss aber sagen, irgendwie kann ich unsere gute Mrs. Wolters verstehen, denn unser kleiner roter Feger hat wirklich Geschmack. Wenn ich Sie so anschaue, ich glaube, wenn ich ein paar Jährchen jünger wäre...!“, sie lässt das Ende des Satzes offen und mustert John von oben bis unten. „Und ich weiß nicht, ob unsere Carol nicht in einen gewissen Entscheidungsnotstand käme, wenn Sie nicht ihr Bruder wären. Ich als Frau wüsste nicht, wem von Ihnen beiden ich den Vorzug geben sollte. Ich würde Sie beide nehmen, denn Sie sind wirklich alle beide ganz entzückende Jungs.“
Die beiden jungen, aber längst nicht mehr ganz taufrischen Männer grinsen, denn die Witwe spricht von ihnen, als wären sie noch unreife Bubis ohne die geringste Lebenserfahrung.
Auch Carol schmunzelt. „Mit hässlichen Menschen umgebe ich mich gar nicht erst!“
Dann flüstert sie leise: „Wenn John nicht mein Bruder wäre, hätte ich sicherlich mehr Probleme bei der Auswahl meines Liebhabers gehabt, aber ich denke, mein Herz hätte sich in jedem Fall für David entschieden.“ Sie strahlt den Mann an und wendet ihren Blick wieder auf ihre Freundin. „Aber ich verstehe trotzdem nicht, was Sie über Charlotte sagen. Sie tun ja fast so, als wolle sie meine beiden Freunde verführen. Ehrlich gesagt, ich bekomme eine Gänsehaut, bei dem Gedanken, dass Sie gerade von Mrs. Wolters gesprochen haben, als wäre sie eine, eine Hure.“
Trocken kommt die Antwort: „Das war früher ihre Berufsbezeichnung. Und Sie würde Deine Freunde nur allzu gerne verführen, am liebsten beide gleichzeitig!“
Die ältere Frau lacht über Carols entsetztes Gesicht. „Das hast Du naives Dummchen tatsächlich die ganze Zeit über nicht gemerkt? Charlotte hat jede Nacht einen andern Kerl in ihrem Bett, wenn es sich einrichten lässt. Aber ich denke, um Deinen Liebsten brauchst Du Dir ganz sicher keine Sorgen zu machen, ich glaube, er ist immun gegen Charlottes reife Reize und wenn Dein Bruder ungebunden ist, solltest Du ihm das Vergnügen gönnen.“
Carol schluckt heftig und weiß vor lauter Verblüffung nichts zu sagen, dafür fährt Mrs. Gwendale mit ihrer genüsslichen Erklärung fort: „Du warst zwar schwanger, aber Du bist noch so herrlich unschuldig in Deinem Geiste. Charlotte wird immer eine Hure bleiben, das ist so, auch wenn sie durchaus ehrbar wirkt. Daran kannst Du sehen, dass wir hier in unserem Nest bestimmt nicht prüde sind. Du hättest ruhig gestehen können, dass Du eine ledige Mutter bist, das hätte Dir hier niemand verübelt, denn der Geschlechtstrieb gehört nun einmal zur menschlichen Natur, wenn Du ihn auch vielleicht ein wenig zu früh entdeckt hast. Aber was Charlotte betrifft, wir kennen sie alle schon sehr lange und wissen, was für ein Früchtchen sie ist. Sie hat früher im Saloon gearbeitet und sich nach einer Weile den Besitzer geangelt. Die beiden haben irgendwann das Hotel gebaut und es damit zu Wohlstand und Ansehen gebracht. Das hat aber nicht das Geringste am Naturell der beiden geändert. Mr. Wolters probiert seine Saloongirls noch immer als erster aus und sie beglückt die männlichen Gäste, die ihr gefallen. Beide wissen, was der andere so treibt und beide akzeptieren das.“
Blacky macht bei diesen Ausführungen ein so unbeteiligtes Gesicht, dass es Carol mehr wie verdächtig aussieht.
Auch Mrs. Gwendale entgeht Johns Unschuldsblick nicht und sie lächelt wissend in sich hinein, dann wendet sie sich an Carol. „Ich denke, Wolters hat auch versucht, in Deinem Bett zu landen, aber wenn ich Charlotte richtig verstanden habe, warst Du immer das Blümchen ‚Rühr mich nicht an’, stimmt’s?“
Carol errötet: „Sie könnten recht haben. Ich habe diese doofen Annäherungsversuche von ihm immer als ein typisch schleimiges Saloonbesitzergehabe abgetan. Dass der Kerl irgendwelche Absichten hatte, habe ich gar nicht richtig mitgekriegt, aber wenn ich mir jetzt so verschiedene Situationen ins Gedächtnis zurückrufe, stimmt das. Der wollte tatsächlich nur in mein Bett.“ Grinsend zuckt das Girl mit den Achseln. „Da hat er dann aber Pech gehabt, ich war zu blöd, um das zu kapieren, ich habe ihm nur gehörig auf die Pfoten geklopft.“
Widefields Stirn zieren wieder die wohlbekannten Unmutsfalten. „Gut, dass Du ihm auf die Pfoten gehauen hast, mein Schatz, ich würde ihm sonst jetzt was verbiegen.“
Allgemeines Gelächter quittiert diesen Ausspruch, nur der Cowboy selber lacht nicht mit, denn ihm war seine Äußerung mehr als ernst. Carol bemerkt es und drückt ihm einen Kuss auf die Wange. „Der Typ ist so unangenehm, dem hätte ich schon was verbogen, wenn er richtig zudringlich geworden wäre. Außerdem bin ich jetzt nicht mehr so dumm und unschuldig, wie damals, als Du mich, ... na, Du weißt schon. Ich kenne jetzt die unangenehmen Folgen und habe mit Männern fast nichts mehr im Sinn. Ich traue nur noch den Indianern.“
David legt seine Arme um Carols Taille und zieht sie fest an sich heran, dann küsst er sie, ohne sich um die Zuschauer zu kümmern und durch Blackys Kopf schießt der Gedanke: ‚Verdammt, die kann das aber wie eine Alte!’
Jetzt endlich verabschieden sich die jungen Leute endgültig von der Gastgeberin und verlassen das Haus.
Beim Durchqueren des Vorgartens schaut Carol noch einmal zu der geöffneten Haustüre zurück und winkt der dort stehenden Frau zu, dann streift ihr Blick ihren Bruder und sie flüstert: „He, John, Du warst eben so komisch, als Mrs. Gwendale von Charlottes Vorlieben erzählt hat, sag bloß nicht, Du und Mrs. Wolters, ihr habt ...“, wieder ein unbeendeter Satz.
Carol sieht John forschend an. Sein Grinsen spricht Bände und seine Antwort: „Psst!“, sagt noch viel mehr.
In den nun folgenden Tagen bereitet sich das Trio auf die Abreise vor. Carol hat sich so häuslich in Plumquartpinie niedergelassen, dass sie noch sehr viel zu erledigen hat. Sie will so viel wie möglich von ihrem Besitz veräußern, damit ihre Abreise nicht wie ein Umzug aussieht, auch wenn es ein solcher ist. Sie hat sogar noch einige Bilder, die die beiden Männer mit unverhohlener Bewunderung bestaunen.
Als Carol laut überlegt, wem sie die Werke zum Verkauf anbieten soll, bittet David seine Freundin, die Gemälde zu behalten, denn sie gefallen ihm ausgezeichnet, doch das Girl lacht ihn aus. „Du bist verrückt, Liebster. Wo willst Du die denn aufhängen? Die Wände in Deiner Unterkunft werden wir notgedrungen irgendwann mit Möbeln zustellen müssen und außerdem habe ich eh so viel Kram mitzunehmen, da schleppe ich mich doch nicht auch noch mit den doofen Schinken da ab, die überflüssigerweise sogar an einigen Stellen noch nicht mal ganz trocken sind. Die versauen nur womöglich was anderes.“ Sie griemelt: „Außerdem brauche ich doch irgendwann eine Mitgift und von meinem Bruder, dem armen Schlucker, kann ich in dieser Hinsicht nichts erwarten.“
Den Punkt mit der Mitgift akzeptiert der Indian nicht, doch das mit dem Transportproblem sieht er sofort ein, besonders, nachdem sein Mädchen ihm gezeigt hat, dass die Ölfarbe längst noch nicht trocken ist und daher bei einem Verpacken damit gerechnet werden muss, dass nicht nur Verschmutzung anderer Sachen droht, sondern die Bilder zerstört werden könnten.
Carol findet sehr schnell potente Käufer für ihre Machwerke und verdient damit auf die Schnelle die fast unvorstellbare Summe von annähernd zweitausend Dollar.
Nun machen die beiden Cowboys, die sich bisher mit Preisen für Kunst nie auseinandergesetzt haben, ziemlich dumme Gesichter.
Der Vormann, der in seiner hervorgehobenen Position sehr gut verdient, murmelt kleinlaut: „Dafür muss ich fast zwei Jahre schuften und Du kassierst den Betrag kaltlächelnd in ein paar Minuten.“
Zwei große, erstaunte Augen schauen den dunkelhaarigen Mann an. „Sag bloß, dass das sehr viel Geld ist?“
„Ach, Kindchen, das ist unheimlich viel. Damit kann man schon ein ziemliches Stück Land kaufen.“ David muss ob der Unbedarftheit der Kleinen lächeln. Sie ist so clever und intelligent in allen Lebenslagen, aber sobald Zahlen und Geldbeträge ins Spiel kommen, ist alles vorbei, dann kommt das naive, kleine Mädchen immer wieder durch. „Du bist eine gute Partie, mein Engel.“
„Ehrlich? Da habe ich mir niemals Gedanken drüber gemacht. Geld ist bedrucktes Papier, das ich gegen Waren eintauschen kann, aber ob es viel oder wenig ist, das weiß ich leider immer noch nicht. Ich habe übrigens noch mehr davon.“
„Von dem bedruckten Papier? So, so!“ David schmunzelt und nimmt ihr Gerede nicht für so ganz bare Münze. „Dann werde ich Dich nicht aus Liebe, sondern nur Deines Geldes wegen heiraten, bevor noch ein anderer auf die gleiche Idee verfällt.“
Carol reißt die Augen auf. „Hä? Ich höre doch wohl nicht richtig, Mann. Man heiratet doch nicht wegen Geld, das einer hat oder nicht. Ich kann doch nicht den Rest meines Lebens mit jemandem zusammen sein, den ich nicht liebe, der aber Geld hat, das ist ja ekelhaft.“
„Du bist ein Dummchen, Liebling. Aber die zweitausend Dollar sind ein idealer Grundstock, wenn wir irgendwann Willow-Tree verlassen müssen. Davon können wir uns unser eigenes Land kaufen und eine kleine Farm aufbauen. Für uns beide und unsere Kinder.“
„Oder wir kaufen uns direkt eine kleine Farm, denn ich habe noch etwas mehr Geld auf der Bank. Weißt Du, ich habe eine ganze Menge Bilder gemalt und verscherbelt und alles Geld, das ich bekommen habe, habe ich zur Bank gebracht, weil es mir im Hotel zu unsicher erschien.“
„Wie bitte? Du hast auch noch ein Konto bei der Bank? Mach mich nicht schwach, Liebes. Sag bloß nicht, dass Du eines Tages mich ernährst. Der Gedanke gefällt mir irgendwie nicht.“ Seine Stimme hat einen leicht zornigen Tonfall angenommen.
„David, Liebster, was sagst Du da?“ Unglücklich schauen zwei grüne Augen unter dem dichten Pony hervor. Carol merkt die angespannte Stimmung und fühlt sich sichtlich unwohl. Sollte das blöde Geld zu den ersten ernsten Meinungsverschiedenheiten zwischen ihnen beiden führen?
„Ich habe keine Ahnung, ob es viel Geld ist oder wenig, ich weiß nur, dass ich massenhaft Papiere von der Bank habe.“ Leise flüsternd setzt sie noch hinzu: „Ich hatte Dir doch schon vor langer Zeit gesagt, dass ich nicht rechnen kann, das war kein Witz. Ich habe noch nie einen Draht zu Zahlen gehabt. Ich habe fast alles Geld, das ich bekommen habe, sei es für die Unterrichtsstunden, für den Bilderverkauf oder für die Auftritte, zur Bank gebracht. Gelebt habe ich fast kostenlos im Hotel und wenn ich Geld gebraucht habe, habe ich halt mal was behalten. Dafür habe ich mir dann Kleidung und Malutensilien gekauft.“
„Und Schmuck!“, bemerkt ihr Freund leicht säuerlich und tippt auf ein glitzerndes Collier an ihrem Hals.
Jetzt kann Carol endlich wieder grinsen. „Ach das, der ist aber kein bisschen wertvoll. Charlotte sagt, dass Glas auf der Bühne von einem echten Diamanten nicht zu unterscheiden sei. Außerdem, der Plunder wäre das Letzte, woran mein Herz hängen würde.“
Am darauffolgenden Tag geht Carol zur Bank, um dort noch einige Transaktionen zu tätigen. David, der sein Mädchen begleitet, staunt mit offenen Augen und glaubt seinen Ohren nicht zu trauen. Die junge Frau besitzt weit über fünfundfünfzigtausend Dollar. Allerdings, so erklärt sie trocken, dass in diesem Betrag das Geld von dem Verkauf der elterlichen Farm bereits eingerechnet sei.
Der Mann schluckt, dann meint er kopfschüttelnd: „Weißt Du, Liebling, das ist dermaßen viel Geld, damit könntest Du Dich eigentlich schon jetzt zur Ruhe setzen.“
Carol ist ehrlich einigermaßen verwirrt. Sie merkt schon wieder, dass es ihrem Liebsten überhaupt nicht recht ist, dass sie nicht ganz unvermögend ist. Leise murmelt sie traurig: „Wenn Du mich jetzt nicht mehr lieb hast, will ich das blöde Geld nicht. Ich werfe den ganzen Papierkram fort. Wozu brauche ich Geld? Ich habe Dich und wenn ich Glück habe, habe ich bald wieder einen Job, also wozu der ganze Aufstand, wegen der blöden Kröten.“
Plötzlich erhellt sich ihr Gesicht. „Weißt Du was?“, strahlt sie ihn an, „ich schenke Dir den ganzen Kram. Bist Du dann wieder gut mit mir?“
David holt tief Luft. Er weiß nicht so recht, was er von dieser Situation halten soll. Tut sein Mädchen nur so naiv oder ist sie es tatsächlich? Er schaut ihr in die weit aufgerissenen, ängstlichen Kinderaugen und weiß es mit einem Schlag ganz sicher: Carol ist in allen finanziellen Dingen wirklich absolut unerfahren. Unwillkürlich muss er lächeln. „Behalte Du Deine Papiere, ich liebe Dich, auch wenn Du wirklich eine stinkreiche Frau bist.“
Kopfschüttelnd lauscht der Bankdirektor dem Gespräch und kann sich kaum einen Reim darauf machen. Eine seiner besten Kundinnen tut so, als könne sie zwei und zwei nicht zusammenzählen.
Carol kümmert sich nicht um den Mann auf der anderen Seite des Schreibtischs, der mit scheinbarer Seelenruhe seine Papiere ausfüllt. Sie hängt sich bei ihrem Boss an den Arm und meint treuherzig: „Ich muss unbedingt rechnen lernen. Wenigstens ein klein wenig, damit ich nicht plötzlich mal ganz dumm auffalle. Stell dir mal vor, Gerrit merkt, wie blöde ich mich anstelle. Wo der doch nur aus Zahlen und Geldbeträgen zu bestehen scheint. Wie peinlich! – Sind denn zweitausend Dollar eigentlich mehr, als zweihundert?“
„Viel mehr, Liebling. Für zweihundert Dollar arbeite ich zwei Monate, für zweitausend dagegen fast zwei Jahre.“
„Oh“, Carol ist ehrlich erstaunt, „ist denn eine Million viel oder wenig?“
„Unvorstellbar viel, Mäuschen. Du bist zwar eine recht vermögende Frau, aber von einer Million bist Du weiter entfernt, als Du es Dir denken kannst. Eine Million werden nicht mal wir zwei beide zusammen jemals zusammenkriegen. Wie kommst Du denn auf so eine Wahnsinnszahl?“
„Ach nur so“, meint der rothaarige Wirbelwind gelassen, „das fiel mir nur gerade so ein, denn Charlotte hat mal gesagt, die Witwe Gwendale sei sicher Millionärin.“
Endlich ist der Bankmensch mit seinem Schreibkram fertig und die zwei Cowboys verlassen das Bankgebäude. Vor der Tür bleibt Carol stehen, reckt sich auf die Zehenspitzen und gibt dem geliebten Freund einen Kuss. „Eigentlich ist es doch ganz schön, dass ich Dir jetzt auch in aller Öffentlichkeit zeigen kann, dass ich Dich über alles liebe.“
Liebevoll legt er seinen Arm um die schmalen Schultern des Mädchens und brummt: „Das hättest Du schon viel früher haben können. Du hättest nur ja zu mir sagen brauchen. Aber nicht ich, Du hast Dich gesperrt.“
Der Mann führt sie die Straße hinab, doch schon nach wenigen Schritten bleibt das Kind stehen. „Falsche Richtung, Darling, das Hotel ist dort drüben.“
„Nein, Liebste, die Richtung stimmt, ich will erst noch woanders mit Dir hin.“
Neugierig folgt das rothaarige Girl dem geliebten Mann. Jede Richtung, die er einschlägt, kann auch für sie nur die Richtige sein. Vor einer Tür, an der auf einem Schild „Goldschmiede- und andere Schmuckarbeiten“ zu lesen ist, bleibt der Indianer stehen, öffnet sie und lässt Carol den Vortritt.
Voller Erstaunen und mit ein klein wenig Ehrfurcht, bleibt das junge Mädchen im Türrahmen stehen und schaut sich um.
„Geh’ mal weiter rein, dann kann ich die Tür auch wieder schließen!“, lächelt David und schiebt sie vor sich her.
Diensteifrig erscheint der Ladeninhaber. Carol hat ihn schon flüchtig irgendwo gesehen. Wahrscheinlich mal an einem Abend im Hotel.
„Ah, Mr. Widefield!“, grüßt der Ladenbesitzer freundlich und nickt auch ihr zu. „Ma’am!“
Sie nickt ebenfalls und runzelt die Stirn. Kennt in diesem Kaff eigentlich schon jeder ihren Freund näher?
„Schön, dass Sie mir ihr Fräulein Braut endlich mal vorbeibringen. Mrs., oh nein, ich muss ja jetzt sagen Miss Blake. Sie haben uns allen einen gehörigen Schrecken eingejagt, mit ihrer schweren Erkrankung.“
Der kleine, dickliche Mann führt seine Kunden zu einem Tisch, um den mehrere Stühle verteilt sind. „Ich bringe Ihnen das Schmuckstück sofort. Nehmen Sie doch bitte einstweilen Platz!“
Eilfertig flitzt die Wunderkugel durch einen Vorhang in einen anderen Raum, um wenig später mit einem dunklen Samtkissen wieder zu erscheinen. Auf diesem Kissen liegt ein schmaler Goldring mit einem ovalen, roten Stein.
Carol starrt verblüfft auf das Schmuckstück.
„Ein wunderschöner Stein, nicht wahr, mein Fräulein? Ein Stein so rot, wie ihre Liebe! Probieren Sie ihn bitte an, damit ich ihn anpassen kann.“
Mit fassungslosem Erstaunen lässt sich Carol von David den Ring über den Ringfinger ihrer linken Hand steifen. „Dieser Ring soll allen zeigen, dass wir zusammengehören, mein Liebling.“ David bewegt das Schmuckstück und schaut den Juwelier an. „Ich glaube nur, er ist viel zu groß.“
Der Goldschmied betrachtet Carols lange, schlanke Finger und lächelt: „Pianistenhände!“, dann misst er mit einem speziellen Ringmaß die Weite, die der Ring haben muss.
„Morgen Vormittag ist er fertig!“, verkündet er strahlend, nachdem er die Maße notiert hat. Dann ergreift er Carols beide Hände und sagt überschwänglich: „Meinen allerherzlichsten Glückwunsch zu Ihrer Verlobung.“
Erst als das verliebte Paar wieder auf der Straße steht, löst sich Carols Verblüffung. „ Aber David, das musste nun wirklich nicht sein. Wir wissen doch, dass wir uns lieben und jetzt gibst Du auch noch so viel Geld für einen Ring für mich aus.“
„Das ist Dein Verlobungsring, geliebte kleine Braut. Wenn wir wieder zurück in Ebony Town sind, werden wir ganz offiziell verkünden, dass wir uns hier verlobt haben.“
„Ich liebe dich, David!“, flüstert Carol, schlingt ihre Arme um den Hals des Mannes und küsst ihn hingebungsvoll, ohne sich um die teils neugierigen, teils belustigten Blicke der Passanten zu kümmern. Die sind ihr egal. In ein paar Tagen wird sie Plumquartpinie verlassen und dann dürfen die Leute ruhig etwas zu reden haben. Außerdem weiß es eh längst ganz das gesamte Kaff, dass sie eine ledige Schwangere gewesen ist, was soll da ein Kuss in er Öffentlichkeit ihrem Ruf noch schaden.
Zwei Tage später hat das Mädchen fast alle ihre Sachen verpackt. Einen Großteil hat sie verschenkt und den riesigen Schrankkoffer als Poststück aufgegeben.
Etwas wehmütig verkauft sie auch einige Dinge, die sie nun nicht mehr benötigt, so zum Beispiel den leichten Einspänner, mit dem sie vor einigen Monaten von Cheyenne aus losgereist ist. Da sie nicht mehr schwanger ist und auch kein Baby hat, beschließen die drei Cowboys, den größten Teil des Heimwegs auf dem Pferderücken zurückzulegen. Das geht wesentlich schneller, als wenn sie eine Kutsche nehmen würden. Allerdings hat der Vormann bestimmt, dass sie auch ein großes Stück der Strecke mit dem Zug fahren werden. Seine offizielle Begründung lautet, dass sie die Pferde schonen wollen, doch er denkt nicht wirklich an die Tiere, sondern einzig an Carols angegriffene Gesundheit.
Am nächsten Morgen verabschiedet sich Carol von ‚ihren’ Schülern, die sich bei der beliebten Lehrerin mit einem Lied für die schöne Zeit bedanken. Carol ist tief gerührt und vor lauter Abschiedsschmerz kullern ihr die Tränen über das blasse Gesicht.
Nach dieser offiziellen Verabschiedung bekommt Carol beim Goldschmied ihren Verlobungsring, der zwar schon am Vortag fertig geworden ist, den David dann aber auch noch hat gravieren lassen. Blacky ist ziemlich erstaunt über das edle Schmuckstück und er knurrt: „Also weißt Du, Boss, dass Du auf solche Äußerlichkeiten Wert legst, hätte ich nicht für möglich gehalten.“
Ganz steif hält das Girl seine Hand, denn es ist ein ungewohntes Gefühl, einen Ring zu tragen, obwohl sie gerade zu Beginn ihrer Flucht zeitweise den Ehering ihrer Mutter getragen hatte. Dieser Ring jedoch hatte keine große Bedeutung für das Mädchen, sollte er doch lediglich von ihrer unmoralischen Lebensweise ablenken. Sie hatte ihn auch immer sofort wieder ausgezogen, sobald sie alleine war und nachdem sie sich in Plumquartpinie eingenistet hatte, hat sie ihn mit der Begründung, ihre Finger seien immer so geschwollen, endgültig abgelegt.
Dieser Ring mit dem wunderschönen roten Stein allerdings soll sie nun ihr ganzes weiteres Leben begleiten, er gehört ihr und soll ihr täglich aufs Neue sagen, dass David sie über alle Maßen liebt.
Der Cowboy beobachtet seine Braut und muss lachen. „Sei locker, Liebling“, grinst er, ihren eigenen Ausspruch benutzend. „Du wirst Dich an das Schmuckstück gewöhnen und wenn wir zurück in Ebony Town sind, lassen wir uns Trauringe machen, die Du dann mit aussuchen kannst.“
Carol erbleicht, sie kann darüber überhaupt nicht lachen. „David, wir haben ausgemacht, dass wir mit dem Heiraten noch etwas warten wollen, aber Du fängst immer wieder davon an.“
Der Mann erwidert nichts auf diesen Einwurf des Mädchens, sondern legt nur besitzergreifend seinen Arm um ihre Taille und kehrt mit ihr ins Hotel zurück.
John, der sich vor dem Juwelierladen von ihnen getrennt hatte, ist nirgends zu entdecken und so beschließt das Girl, seine restlichen Sachen zu packen, damit sie sich nicht am nächsten Morgen kurz vor ihrer Abreise noch damit aufhalten muss.
Vor ihrer Zimmertür auf dem dämmrigen Flur gibt David seiner kleinen Frau einen Kuss. Es ist ein langer, verliebter Kuss, der die kompletten Entbehrungen der ganzen letzten Monate in sich birgt.
Carol erwidert hungrig das heiße Zungenspiel und verrenkt sich dabei fast den Arm, um das Schloss der Tür zu dem Zimmer, welches so lange ihr Zuhause gewesen ist, zu öffnen. Irgendwie scheint der Schlüssel zu klemmen und will nicht so, wie das Girl, doch endlich lässt er sich umdrehen und die Tür springt auf. Carol zieht den geliebten Mann in den Raum, schließt die Tür mit einem sanften Fußtritt und schiebt den Riegel vor, ohne ihre Lippen von den seinen zu lösen.
Ihre Umarmung ist so voller Leidenschaft und einer eindeutigen Hingabebereitschaft, dass der Indian ahnt, wie sehr sie ihn vermisst hat.
Der Mann nestelt an ihrer Bluse und stöhnt gequält auf, als er den Panzer erblickt, den seine Geliebte darunter trägt.
Während er sie hingebungsvoll auf alle Stellen küsst, die er erreichen kann, kämpfen seine Finger, die eher gröbere Arbeiten gewohnt sind, mit massenhaft winzigen Häkchen. Carols Atem ist heftig geworden und kommt stoßweise. Sie hat die Knöpfe ihres Rocks bereits geöffnet und lässt ihn nun einfach zu Boden gleiten.
Dem Cowboy ist es endlich gelungen, auch den letzten kleinen Haken zu erwischen und die einengende Umhüllung folgt dem Rock auf den Fußboden. Von dem Gefängnis befreit locken die Brüste des jungen Mädchens mit harten Brustwarzen wie süßes Obst und David muss von ihnen naschen. Erschrocken prallt er zurück, denn schon bei der ersten leichten Berührung fühlt er eine warme Flüssigkeit auf seinen Lippen und an seiner Zunge.
Carol lächelt sanft, sie hat den Kopf in den Nacken gelegt und sich ihm wie ein Bogen entgegengestemmt. Nun beugt sie ihren Kopf nach vorne und flüstert: „Trink ruhig, Geliebter, das ist die Milch die eigentlich unser Baby hätte ernähren sollen.“
Vorsichtig probiert er noch einmal und schüttelt sich. „Das arme Kind, das ist furchtbar klebrig süß, so wie Milch mit Unmengen von Zucker.“
Carol schmunzelt: „Damit hat Deine Mutter Dich aber so schön groß und stark gekriegt, wie ich Dich liebe, mein Schatz.“
Das Mädchen macht zwei Schritte rückwärts und lässt sich auf ihr Bett fallen, wobei sie den kräftigen Mann mit sich zieht. Sofort beschäftigen sich ihre schlanken Finger mit den Knöpfen seiner Hose.
David schluckt vor Verlangen, doch er muss plötzlich an die riesige Blutlache denken und erschauert. Leise flüsternd fragt er: „Dürfen wir uns denn schon wieder lieben?“
Carol denkt nicht an die Blutlache. Ihre Gedanken sind mit angenehmeren Dingen beschäftigt, daher zuckt sie nur gleichgültig mit den Schultern. „Bestimmt nicht vor der Hochzeit, aber ich will es, ich will es jetzt. Ich mag nicht mehr warten, ich verbrenne vor Sehnsucht danach, Dich in mir zu spüren, mich in Liebe mit Dir zu vereinigen.“
Sie seufzt. „Außerdem hat der Doktor gesagt, solange ich Milch hätte, könnte ich nicht wieder schwanger werden. Es sind jetzt fast drei Wochen vergangen und ich verzehre mich nach Deiner Umarmung. Lass es uns nutzen, solange noch Milch kommt. Durch das Hochbinden ist es schon verdammt wenig geworden.“
„Glaub mir, Geliebte, ich will seit ich Dich wiedergesehen habe nichts anderes, aber ich habe Angst um Deine Gesundheit.“
„Das brauchst Du nicht, es blutet schon lange nichts mehr und mein Kopf und mein Körper wollen es jetzt, besonders mein Körper.“ Sanft greift sie nach seiner rechten Hand und führt sie in warme, feuchte Regionen. Als seine Finger in ihrer Grotte verschwinden, stöhnt sie lustvoll auf und beginnt nun ihrerseits, den Mann zu streicheln.
Es dauert nicht lange und das verliebte Paar liegt entkleidet auf dem Bett des Girls und ihre sanften, streichelnden Hände vertreiben sämtliche Bedenken aus dem Kopf dem Indianers, außerdem macht ihn der Anblick der durch die Schwangerschaft noch immer reichlich vorhandenen Rundungen fast verrückt vor Leidenschaft, so dass er seine Braut einfach lieben muss. Obwohl er sich kaum zurückhalten kann, ist er dabei so sanft und zärtlich, wie bei ihrem ersten Zusammensein, nein, eigentlich ist er noch viel liebevoller und zurückhaltender.
Carol kuschelt sich in seinen Arm und genießt die Feuchtigkeit zwischen ihren Schenkeln, dann räkelt sie sich ein wenig und murmelt: „Das nächste Mal darfst Du aber ruhig wieder Dein altes Temperament zeigen, ich will Deine ganze Kraft und Stärke fühlen, Deine Macht, die Du über mich hast und ich will mich Dir ganz unterwerfen. Wenn Du wie ein wilder Stier bist, und ich glaube, dass Du mich in zwei Teile sprengst, dann kommt es mir immer und immer wieder und das ist einfach das Größte, das habe ich so sehr vermisst.“
„Du bist ein verdorbenes, kleines Luder, in allem noch ein Kind, aber verdorben, wie eine geile Alte.“
„Du hast es mich gelehrt, niemand sonst. Ich hoffe, es stört Dich nicht auf einmal.“
„Nein, ganz sicher nicht, denn gerade das verdorbene Kind reizt mich bis ins Innerste. Und Du kannst mir glauben, ich werde Dich wieder lieben, dass Dir Hören und Sehen vergeht und wenn wir erst verheiratet sind, wirst Du Dich mir jede Nacht unterwerfen müssen, bis Du nicht mehr kannst und um Gnade bittest.“
Nun wird sein Tonfall wieder so sanft, wie seine streichelnden Hände. „Du glaubst gar nicht, wie sehr ich mich danach sehne, jede Nacht eng an Dich gekuschelt einzuschlafen und des Morgens an Deiner Seite aufzuwachen. Ich bin so verliebt in meinen entzückenden kleinen Kopfkissenzerwühler, das kannst Du Dir nicht vorstellen.“
Es ist das erste Mal, dass der kleine Irrwisch nicht bei der Vorstellung des verheirateten Zueinandergehörens protestiert. Sie ist für den Augenblick nur glücklich, fühlt sich vollkommen geborgen und alle Ängste vor dem, was morgen auf sie zukommt, sind von ihr gewichen. Sie freut sich auf Ebony Town und auf die Willow-Tree-Ranch, auf alle Bewohner, auf ihre Freunde und auf die Arbeit, die ihr so manches Mal alles abverlangt, die ihr aber so viel Freude macht, ihr so viel gibt und sie mehr befriedigt, als alles, womit sie hier in Plumquartpinie so viel Geld verdient hat.
Der letzte Abend ist in glücklicher Zweisamkeit unaufhaltsam näher gerückt und damit auch Carols Abschiedsvorstellung. Der Saal ist total und hoffnungslos überfüllt. Fast alle Bewohner der kleinen Stadt haben sich im Hotel eingefunden. Das Ehepaar Wolters hat alle Tische aus dem Raum entfernt, um möglichst jedem Mitbewohner die Möglichkeit zu geben, dem Vortrag zu lauschen.
Das Girl singt noch einmal die vielen Lieder, die die Menschen so sehr gemocht haben und die ihr den raschen Weg in deren Herzen geebnet haben. Sie beendet ihren Vortrag mit einem ganz neuen Lied. „A little town named Plumquartpinie“ und ist danach vollkommen ausgepowert. Sie hat bei dieser letzten Vorstellung alles gegeben und könnte jetzt fast im Stehen einschlafen.
Voller Stolz sitzen der Indian und Blacky dicht neben der Bühne und beobachten ihre Kleine hingerissen. Wieder einmal können sie es kaum glauben, dass es ihre Carol ist, die dort oben alle in ihre Bann zieht und David brummt: „Ich bin der glücklichste Mann der Welt, dass so eine tolle Frau mir gehört.“
John nickt und flüstert: „Ja, und ich darf nur ihr Bruder sein, aber das ist auch schon was, denn immerhin haben wir gleiche Zellen.“
Sehr früh am darauffolgenden Morgen verabschieden sich die drei Cowboys von dem Hoteliersehepaar.
Carol wird dabei das Gefühl nicht los, als hätte es ihr Bruder ganz besonders eilig, zu verschwinden. Aufmerksam beobachtet sie ihre Umgebung und fängt einen schmachtenden Blick von Charlotte auf, den sie dem blonden, jungen Mann zuwirft und plötzlich weiß sie, wie John den gesamten Nachmittag des vorigen Tages verbracht hat. Er hat die gleiche Sportart betrieben, wie sie mit dem Vormann.
Das Mädchen kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen und als sie Charlotte zum Abschied umarmt, flüstert sie ihr ins Ohr: „Danke, dass Du John gestern Nachmittag so hübsch beschäftigt hast, dadurch konnte ich mit meinem Geliebten mal eine Weile alleine sein.“ Mit riesigen Augen starrt Charlotte das junge Ding an. „Sag nicht, ihr zwei habt schon wieder ...?“
Carol schließt genießerisch die Augen und haucht: „Hm, haben wir und es war traumhaft.“
Charlotte schüttelt verständnislos den Kopf. „Du bist mir vielleicht eine, hat der Doktor Dir nicht gesagt, dass man sich nach einer Entbindung hübsch Zeit damit lassen soll?“
„Hat er, aber im gleichen Atemzug hat er auch gesagt, dass ich, solange mein Körper mit der Produktion von Babynahrung beschäftigt ist, nicht wieder schwanger werden kann, also, was liegt näher, als das unbeschwert und angstfrei auszunutzen.“
„Du wärst gut für unser Geschäft,“ lacht die Frau. „Von unseren Mädchen wollte nie eine so schnell wieder arbeiten, obwohl deren Existenz daran hing.“ Sie grinst schlüpfrig und flüstert dem jungen Mädchen ins Ohr: „Du tust mir fast leid, dass Du es mit Deinem Bruder nicht treiben darfst. Oh Mann, der ist o la la, sage ich Dir. Echte Klasse und das kann ich beurteilen, davon verstehe ich allerhand, das darfst Du mir unbesehen glauben. Wer wie ich im Jahr von ein paar hundert Männern gefickt wird, erkennt Qualität sehr schnell. Dein David wollte mich ja partout nicht beglücken, aber John hat fast alles wett gemacht.“ Charlotte leckt sich in der Erinnerung an das Vergnügen über die Lippen und wirft Blacky einen Blick zu, der seine Kleidung verbrennen könnte.
Nun wird es Carol fast zu viel, auch wenn sie selbst mit diesem Thema begonnen hat. Sie fürchtet, dass die ältere Frau sich auf ihren Bruder stürzen und ihn hier in aller Öffentlichkeit vergewaltigen könnte. Sie räuspert sich und brummelt: „Wir sollten jetzt aber wirklich aufbrechen, sonst fängt noch einer an zu heulen und das kann ich auf den Tod nicht ausstehen, weil es meistens meine Tränen sind, die kullern. Das ist ja auch der Grund, weshalb ich normalerweise bei Nacht und Nebel und ohne Gruß pflege abzureisen.“
Nun hat sich auch die Hoteliersfrau gefangen und Blacky, der Indian und Mr. Wolters, die sich um die Pferde gekümmert haben, merken nichts mehr von dem etwas obszönen Gespräch der beiden Frauen, als diese zu ihnen treten.
Charlotte lächelt ungezwungen und blickt an der jüngeren Freundin hinab. „Du siehst furchtbar aus, muss der Aufzug sein?“
Das Girl, jetzt wieder fast ganz die Alte, im für sie gewohnten, für ein hübsches Mädchen aber unnormalen Aussehen mit Jeans, kariertem Hemd, schwarzer Lederweste, Cowboystiefeln, Stetson und Colt, strahlt wie der junge Morgen. „Klar, stell Dir mal vor, ich würde mit wehendem Rock und Lackschühchen über die Weiden reiten und versuchen, einen Zaun zu flicken. Ich würde mich derart verheddern, dass ich meine restlichen Tage an diesen Draht gefesselt verbringen müsste. Außerdem würde ich die armen Rindviecher zu Tode erschrecken und das würde wiederum den Rancher zu Tode ärgern und wir wären allesamt arbeitslos.“
Das Mädchen hat mal wieder alle Lacher auf ihrer Seite und Mr. Wolters, der es nicht geschafft hat, bei ihr einen Stich zu landen, sagt: „Carol, Sie sind mir fremder, als an dem Tag, als sie sich bei uns im Hotel einquartiert haben. Ich kann es nicht glauben, dass Sie ein Mädchen sind, Sie kommen mir vor, wie ihr eigener Zwillingsbruder.“
Carol lacht laut auf. „Und trotzdem hat das Mannweib es geschafft, einen Kerl ins Bett zu kriegen. Es kommt nicht nur auf das Aussehen an, was wirklich zählt, ist die innere Einstellung zum Leben. Wir Menschen sind alle nur wie Wassertropfen, mit dem Ziel, irgendwann das Meer zu erreichen und wenn die Unendlichkeit erreicht ist, weiß niemand mehr, ob der Tropfen mal Männlein oder Weiblein war. Jeder Mensch ist nur ein Tropfen Leben.“
Ihre Stimme ist leise und eindringlich geworden und Charlotte denkt: ‚Der ihr Vater muss Reverend gewesen sein.’ Laut sagt die Frau: „Eine drollige Vorstellung, dass Menschen wie Tropfen sind, aber nicht ganz von der Hand zu weisen. Der Mensch ist der Tropfen, das Leben der Bach und der Tod das Meer.“
Der Rotschopf nickt, zieht den Colt und kontrolliert gewissenhaft den Zustand der Waffe, dann fragt sie: „Noch irgendwo eine kleine Erinnerung gefällig?“
Der Hotelier schüttelt den Kopf. „Sieht aus, wie ein Junge und ist auch noch bis an die Zähne bewaffnet. Mädchen, Mädchen, wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, Sie hatten sich als Girl verkleidet und nicht anders rum. Und das mit der löchrigen Erinnerung muss auch nicht sein.“
Jeder, der diese Szene beobachtet, würde es kaum glauben, dass der Knabe bei den beiden erwachsenen Männern und dem Ehepaar Wolters identisch ist mit der bezaubernden jungen Lady, die noch vor vier Wochen jeden Abend im Hotel Triumphe gefeiert und als frisches, natürliches Menschenkind die Schüler unterrichtet hat.
Carols Verwandlung zu einer jungen Dame war perfekt, aber jetzt ist sie wieder sie selbst und darüber ist sie ungeheuer froh. Glücklich sind auch die Freunde der jungen Frau, glücklich, dass die einwandfreie Rückverwandlung geklappt und dieses sehr lange Abenteuer doch noch irgendwie einen guten Ausgang genommen hat, auch wenn dabei ein junges Leben, das des Babies, auf der Strecke geblieben ist.
Man sollte es kaum für möglich halten, aber sogar die Pferde machen einen gelösten Eindruck. Silky scheint zu spüren, dass es endlich nach Hause geht, er ist temperamentvoll und tänzelt elegant, wie schon lange nicht mehr. Er hatte die beiden Willow-Tree Pferde vor gut einem Monat sofort erkannt und sie mit einem lauten Wiehern willkommen geheißen und auch die beiden Stuten waren sofort auf den ihnen bekannten Geruch zugetrabt und hatten den Hengst mit sanften Stupsern ihrer weichen Nüstern begrüßt.
Nun sind es nur noch einige Tagesritte und dann wird alles wieder seinen gewohnten Gang gehen, einen fast gewohnten Gang, denn auf der Ranch weiß nun jeder, dass sich der Vormann und sein weiblicher Cowboy lieben. Und damit dürfen sie sich zukünftig in aller Öffentlichkeit zueinander bekennen und deswegen wird es nicht lange dauern, bis auch der letzte Bewohner von Ebony Town über ihre Beziehung informiert ist. Aber solange niemand etwas von ihrem zu frühen Fehltritt und seinen schwerwiegenden Folgen weiß, ist es dem Mädchen mittlerweile egal, ob sich die Klatschtanten des Städtchens über die Dahergelaufene das Maul zerreißen.
Auch dem Indian ist die Tratscherei gleichgültig. Ihm hat es noch niemals etwas ausgemacht, wenn einer über ihn geredet hat, über solchen Dingen steht er seit Kindertagen lässig. Sein Vater hat ihn gelehrt, sich nicht über Worte, und seien sie noch so gemein, aufzuregen, sondern nur sein persönliches Ziel zu verfolgen. Und David hat nur noch ein Ziel vor Augen. Er hat sich vorgenommen, dass er, David Geronimo Widefield, die kleine Miss Carol Anne Blake zu einer Mrs. Carol Anne Widefield machen wird und zwar so schnell wie möglich.