Читать книгу Nächte zwischen der Zeit - Christoph Frühwirth - Страница 20

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Der Thomerl fällt noch in die Vorweihnachtszeit. Eine Zeit, die ich in Erinnerung an meine Kindheit mit Kletzenbrot, Nüssen, Rosinen, Honig und Zimt gleichsetze. Das Keksebacken mit meinen Geschwistern unter der Anleitung unserer Mutter. Der Früchtetee zum Gebäck, abends, wenn unser Vater nach Hause kam. All das sind idyllische Erinnerungen, die mit der Gegenwart nichts mehr zu tun haben. Ich würde den Advent verklären, wenn ich die hektische Konsumzeit vor Weihnachten nostalgisch schilderte. Stattdessen macht sich immer öfter Hektik in den 24 Tagen vor Weihnachten breit. Wir hetzen von einer Betriebsfeier zur anderen, erledigen eine Aufgabe um die andere. All das, um völlig erledigt in die Feiertage zu gehen. Wie anders sind da die Erinnerungen der alten Bäuerin Marianne Handler, die von den Spinnabenden vor Weihnachten erzählt. In den Raunächten selbst mussten ja alle Spinnräder stillstehen. Da durfte einzig Erzählgarn gesponnen werden. Doch bis dahin ging es munter zu an so einem langen Winterabend in der guten Stube. Marianne Handler erinnert sich an die beiden Spinnräder, die im Takt surrten. Auf dem einen wurde grobes Garn gesponnen für Leinen, Tischtücher und Strohsäcke. Auf dem anderen wurde feines Garn für Hand- und Leintücher gemacht. Ein beliebtes Weihnachtsgeschenk waren Socken und Fäustlinge aus Schafwolle. Die Altbäuerin erzählt: »Im Frühjahr sind die Schafe geschoren worden. Mit den ersten Sonnenstrahlen ist die Wolle im Sautrog gewaschen und von Sonne und Wind getrocknet worden. Dann wurde sie nochmals gereinigt und zerfasert. Dafür gab es ein Bankerl mit einem Aufsatz und zwei Brettern mit Drahtstiften. Damit habe ich die Wolle gekämmt und sie anschließend zu Garn versponnen.«

Spinnen ist ein gutes Stichwort. Spinnen wir nun gemeinsam das Garn guter Geschichten. Hocken wir uns rund um den großen Tisch der alten Stube. Die Holzscheite knacken. An den Fensterläden rüttelt der Wind. Draußen mag es unheimlich zugehen, aber drinnen wird uns warm ums Herz, wenn wir den Erzählungen aus den zwölf Raunächten lauschen. Horchen wir hinein in die Geschichten von Peter Roseggers Christnachtwanderung, von der Niederwildjagd im burgenländischen Seewinkel. Hinein in die Sandler Sagen und die Almtaler Märchen. Hinein in die Beschreibung der Figuren der Wilden Jagd in Salzburg und der Pehtra Baba in Kärnten. Machen wir einen Gedankengang durch den Wald. Und räuchern wir im Kleinwalsertal in Vorarlberg Haus und Hof. Wenn wir uns nach dem Ausflug aufs Land wieder in der Stube versammeln, duftet frisch das Gebildbrot und aus dem Radio erklingt vertraut die Pummerin des Wiener Stephansdoms. Stimmen wir uns gemeinsam auf die Raunächte ein, mit der berühmtesten Weihnachtsgeschichte des Alpenlandes, jener von Karl Heinrich Waggerl: Worüber das Christkind lächeln musste. Ich zitiere kurz daraus:

[Der Floh] schlüpfte […] dem göttlichen Kinde ins Ohr. »Vergib mir! […] Ich verschwinde gleich wieder […].« »Spring nur!«, sagte das Jesuskind unhörbar, »ich halte stille!« Und da sprang der Floh. Aber es ließ sich nicht vermeiden, dass er das Kind ein wenig kitzelte […]. »Ach, sieh doch!« sagte Maria selig, »es lächelt schon!«

Nächte zwischen der Zeit

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