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II. Adressaten und Gewährleistungen
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Verpflichtungsadressat des Grundsatzes ist zum einen die Union selbst (vgl. Art. 51 I GRC), d.h. die Organe und insbesondere die Gerichte der EU. Daneben werden auch die Mitgliedstaaten, und hier wiederum insbesondere deren Gerichte, zu effektivem Individualrechtsschutz unionsrechtlich eingeräumter Rechtspositionen verpflichtet. Von diesen Rechtspositionen hat der EuGH ein weiteres Verständnis, als es nach deutscher Verwaltungsrechtsdogmatik dem von Art. 19 IV GG geschützten subjektiv-öffentlichen Recht zukommt. Ein (qualifiziertes) Interesse Einzelner ist nach dem Recht der EU bereits ausreichend.[27] Im Hinblick auf nationalrechtliche Verfahrenshindernisse stellt das Recht auf effektiven Rechtsschutz auch eine spezielle Ausprägung des Effektivitätsgrundsatzes aus Art. 4 III UA 2 EUV dar, nach dem der Vollzug von Unionsrecht nicht wesentlich erschwert oder praktisch unmöglich gemacht werden darf.[28]
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Zwei Einzelgewährleistungen des Grundsatzes verdienen besondere Beachtung: das Recht auf Zugang zu einem Gericht und das Recht auf eine angemessene Verfahrensdauer.
Das Recht auf Zugang zu einem Gericht garantiert einen lückenlosen und umfassenden gerichtlichen Rechtsschutz vor der Unionsgewalt und den Organen der Mitgliedstaaten, soweit diese Unionsrecht vollziehen.[29] Unter den „Handlungen der Organe“ (Art. 47 GRC) sind nicht nur konkret-individuelle Beschlüsse zu verstehen, sondern auch Normativakte. Das Rechtsschutzsystem der EU muss in diesem Sinne vollständig sein und die angefochtene Maßnahme zur Rehabilitation des Klägers oder der Schadenswiedergutmachung vollständig aus der Rechtsordnung entfernen.[30] Ob dieser Anspruch gerade in Bezug auf Rechtsschutz gegenüber Rechtsakten mit Verordnungscharakter (vgl. Art. 263 IV a.E. AEUV) eingelöst wird, ist durchaus umstritten und wird unter Rn. 265 ff. vertieft.
Das Recht auf eine angemessene Verfahrensdauer gewährleistet den Abschluss eines Rechtsstreites innerhalb eines angemessenen Zeitraumes.[31] Die Angemessenheit wird in einer Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalls danach bestimmt, welche Interessen auf dem Spiel stehen, wie komplex der Verfahrensgegenstand ist und welchen Einfluss das Verhalten des Klägers und der beteiligten Behörden, einschließlich der Gerichte, auf die Länge des Verfahrens hatte. Dabei ist auch das aufwändige Sprachenregime der EU zu berücksichtigen.
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Die Art. 47 II f. und Art. 41 II GRC umfassen weitere Teilgewährleistungen wie die Beachtung zentraler Verfahrensnormen, z.B. die Gewähr eines kontradiktorischen Verfahrens, den Anspruch auf rechtliches Gehör, die Waffengleichheit zwischen den Parteien oder den Anspruch auf Prozesskostenhilfe.
§ 2 Die EU als Rechtsgemeinschaft › E. Zusammenfassung