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Jürgen Rösch-Brassovan

Fanschals oder: Was wirklich wichtig ist

Ein passionierter Auswärtsfahrer war Jakob nicht – im Gegenteil! Seit Ende der 70er hatte er zwar viele Heimspiele seines Lieblingsfußballvereins im Stadion am hannoverschen Maschsee verfolgt – allein neun zu Europa-League-Zeiten von August 2011 bis Februar 2013. Bis dato standen dem aber nur ganze fünf Ligaspiele in der Fremde und eine Reise zum Pokalfinale nach Berlin anno 1992 gegenüber. Aber diesmal musste er mit, statt am TV oder Radio zu sitzen. Es ging zum Nordduell nach Bremen, das war Jakob seinem Freund Micha schuldig, denn dem hatte er letzte Saison für das Leverkusen-Spiel absagen müssen. Werder-Spiele waren zwar nicht gerade sein Fall, zu viele unliebsame Erinnerungen verbanden sich mit dem Club von der Weser. Eines der Spiele in der Fremde war ein 0:5 gegen Bremen; nach gutem Beginn ein absolutes Debakel. Trotzdem, Jakob musste mit!

Im Zug zischende Biere, mehr oder weniger gelungene Gesänge, dann aussteigen, der Weg zum Stadion … Schön gelegen, das Bremer Stadion, aber Jakob hatte nach wie vor gemischte Gefühle. Die Chronologie des Spiels bestätigte ihn dann. Nach Führung in Rückstand, Ausgleich durch einen Sonntagsschuss, schließlich doch der Siegtreffer für Werder, um den man geradezu gebettelt hatte. Wieder nichts zu holen gegen die Bremer! Wozu war man überhaupt hier? Beim BVB in Dortmund damals immerhin der Ausgleich in letzter Minute, beim Hamburger SV ebenfalls ein 1:1, auch o.k., bei der Hertha in Berlin ein 0:0. In Braunschweig (ein Zweitligaspiel) hatte ihn sein Papa einstmals zum Getränkeholen geschickt. Dadurch hatte er das Siegtor des Gastgebers verpasst, was ja immerhin etwas Tröstliches gehabt hatte

Seinen roten Fanschal um den Hals gebunden suchte Jakob nun dort in Bremen mit Micha und den anderen das Weite. Missgelaunt, verärgert, frustiert. Da, auf einmal Gerangel, Hektik, Schubsen, Laufen! Plötzlich direkt vor Jakob ein Hindernis! Ein umgestürzter Rollstuhl. Eine Frau, nicht mehr jung, das war aufgrund des Laternenlichtes zu sehen. Er starrte sie an, sie guckte ängstlich zurück. Jakobs Blick fiel auf ihren grün-weißen Werder-Schal … Egal! Es gab Dinge, die man einfach tun musste. Also beugte er sich vor, um ihr zu helfen. Der Rollstuhl war einer von den leichteren, Micha assistierte Jakob, die Frau allerdings war nicht gerade eine Hilfe. Wie eine Ertrinkende hatte sie Jakobs Schal mit beiden Händen gepackt, so dass sie ihn fast strangulierte! Doch es gelang den beiden Männern sie aufzurichten, Jakob ihren grünen Werder-Schal im Blick, die Frau seinen roten Schal im Griff! Schließlich war es geschafft, die Hektik hatte sich auch gelegt. Die Werder-Anhängerin ließ nun endlich auch Jakobs Schal los. Der wiederum hob den ihrigen, der inzwischen zu Boden gefallen war, auf, gab ihn ihr. Ein kurzer Blick, ein geradezu gerührtes Danke, und ab zum Bahnhof, um den Zug nach Hannover zu erwischen …

4. Bubenreuther Literaturwettbewerb 2018

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