Читать книгу 4. Bubenreuther Literaturwettbewerb 2018 - Christoph-Maria Liegener - Страница 58
ОглавлениеIrmgard Wackerzapp
Das Interview
Wartend sitze ich mit schweißnassen Händen, zuckendem Augenlid und verspanntem Nacken im geräumigen Wohnzimmer eines weltberühmten Mannes und kann es immer noch nicht fassen, dass er ausgerechnet mir die Gnade zuteil werden ließ, ihn interviewen zu dürfen. Wie es mir dabei ergehen wird, wird sich noch zeigen. Dieser berühmte Mann ist dafür bekannt, dass er nur selten Interviews gewährt. Und wenn, dann nur zu seinen Bedingungen. Außerdem geht er mit Journalisten nicht gerade zimperlich um. Er behandelt sie harsch, ja mitunter herablassend. Wehe, wehe man stellt ihm eine Frage, die ihm nicht behagt, so ist das Interview sofort beendet.
Ich sitze immer noch und warte, dass endlich etwas geschehen möge. Meine Nervosität ist kaum noch auszuhalten.
Es dauert, nichts passiert.
Nach weiteren zehn Minuten des Wartens schaue ich mich in diesem - bestimmt an die 50m2 großen Raum – neugierig um. Schwere, wertvolle Möbel – aus verschiedenen Jahrhunderten – sind stil- und geschmackvoll arrangiert. Auf dem hellgrauen Marmorfußboden liegen etliche orientalische – aus verschiedenen Ländern stammende – handgeknüpfte Seidenteppiche. Und dann die Kunstgegenstände. Ich bin fasziniert, soviel wertvolle Kleinodien in einem Raum versammelt zu sehen. Ein paar Gemälde von Armin Müller-Stahl und Edward B. Gordon sind geschmackvoll an den weiß gestrichenen Wänden verteilt. Der ganze Raum ist ein Kunstwerk allererster Güte. Man fühlt sich wohl in ihm, strahlt er doch Behaglichkeit aus und gibt einem das Gefühl von Geborgenheit.
Ich sitze immer noch in diesem wunderbaren Raum – auf einem der zwei Stühle, die sich an einer Wand befinden. Und während ich mich noch so in diesem Zimmer umsehe, fällt mein Blick auf eine potthässliche, alte, weiß emaillierte Leselampe, die an exponierter Stelle, auf einem wunderschönen Sekretär aus dem vorigen Jahrhundert, platziert ist. An manchen Stellen der Lampe ist die Emaille schon abgeplatzt, so dass sich dort Rostflecken ansiedeln konnten. Ist bin entgeistert. Wie kann man einen so wunderschön gestalteten Raum durch ein so hässliches Teil verunstalten? Es ist mir unbegreiflich.
Während ich noch so darüber nachdenke, höre ich Schritte. Der Hausherr steht auf einmal vor mir. Ich springe auf, strecke ihm meine Hand zur Begrüßung entgegen und lasse sie alsbald wieder sinken, da sie nicht ergriffen wird. Dann stammele ich: „Ich bin Franziska …..“
„Ja, ja, ich weiß: Hasselmann oder Hasselkuss oder Hasselblatt. Schließlich wurden Sie mir ja angekündigt.“ Mit einer herrischen Handbewegung fordert er mich auf, wieder Platz zu nehmen. Mit weichen Knien sinke ich, froh wieder sitzen zu können, auf den Stuhl. Der Mann bleibt vor mir stehen, so dass ich gezwungen bin, zu ihm aufzublicken.
„Nun gut, liebe Frau, fünf Minuten und keine Sekunde länger. Sollte es Ihnen einfallen, mir eine falsche Frage zu stellen, ist das Interview sofort beendet. Also, halten Sie sich daran.“
Ich bin unsagbar nervös und höre mich zu meinem größten Entsetzen fragen: „Warum um alles in der Welt haben Sie diese potthässliche Lampe auf den Sekretär gestellt und verunstalten diesen herrlichen Raum damit?“ Das war es ja wohl. Ich halte die Luft an.
Doch zu meiner größten Überraschung wird das strenge Gesicht meines Gegenübers auf einmal weich, ein mildes Lächeln huscht über seine Lippen und er setzt sich neben mich.
Dann höre ich ihn sagen: „Nun ja, ich kann verstehen, dass Sie sich fragen, was dieses hässliche Teil, potthässliche Teil, wie Sie es so gern ausdrücken, da zu suchen hat. Dafür gibt es eine ganz einfache Erklärung. Diese scheußliche Lampe, die ich für 1,50 DM auf einem Flohmarkt erworben habe, hat mir Ruhm und Reichtum eingebracht.“
Im Stillen frage ich mich, wie das wohl sein konnte.
Da fährt er auch schon fort: „Früher war ich arm wie eine Kirchenmaus, Oft wusste ich nicht, womit ich meine nächste Mahlzeit bezahlen sollte. Ich wohnte in einem kleinen Kellerloch, dessen einzige Lichtquelle ein winziges, noch dazu total blindes Fenster war.
Eines Tages sah ich sie, die Leselampe. Wie schon gesagt, ich kaufte sie und sie ermöglichte es mir, in der Dunkelheit meines Kellerloches, dank ihrer Strahlkraft, meinen ersten Bestseller zu schreiben. Wie es mir ohne ergangen wäre, vermag ich nicht zu sagen. Also ist es doch nur recht und billig, dass ich sie in Ehren halte.“
Übrigens, dieses Interview hat fünfundvierzig Minuten gedauert.