Читать книгу 4. Bubenreuther Literaturwettbewerb 2018 - Christoph-Maria Liegener - Страница 54

Оглавление

Jochen Bender

Mein Interview mit E.M.

Die Zukunft der Menschheit wird im Silicon Valley gemacht. Seit Jahren schreibe ich hierüber voller Leidenschaft im Internet. Meine Worte kommen an, immer mehr Menschen abonnieren meinen Blog und selbst im Silicon Valley nimmt man meinen Erfolg war. E.M., eines meiner großen Vorbilder, von dem ich nicht weniger als entscheidende Impulse für die Zukunft der Erde erwarte, hat mich zu einem Interview eingeladen. Soeben führt mich eine unglaublich hübsche Sekretärin in seine geheiligten Hallen. Das mit den Hallen ist nicht übertrieben, ist sein Büro doch größer als meine Wohnung. Er sitzt am anderen Ende an einem Schreibtisch aus Chrom und schwarzem Stein, vor ihm nichts als drei Bildschirme und eine Tasse. Bei unserem Eintreten sieht er nicht auf. Meine Hände schwitzen und mein Bauch rumort. Die Schönheit nickt mir aufmunternd zu, dann lässt sie uns allein. Zögernd mache ich einen Schritt auf den Großmeister zu.

Ich: Es ist mir eine große Ehre…

Sein Arm schießt hoch, seine Hand macht ein unmissverständliches Stopp-Signal, weist dann auf einen kargen Stuhl vor seinem Schreibtisch. Zögernd durchquere ich den Raum und nehme Platz. Er thront in seinem schwarzen Ledersessel, ohne den Blick von dem Bildschirm vor sich zu wenden. Ich wage es, das Papier mit meinen Fragen vor mich auf seinen Schreibtisch zu legen. Er runzelt die Brauen, sieht mich erstmals an.

E.M.: Sie haben fünf Minuten! Am besten kommen Sie schnell auf den Punkt!

Er nimmt seine Kaffeetasse in die Hand.

Ich: Also gut, wie wollen Sie dazu beitragen, die Welt gerechter zu machen?

Er spuckt seinen Kaffee quer über den Tisch.

E.M.: Was für eine Frage ist das denn?

Ich hebe mit spitzen Fingern das Blatt mit meinen Fragen hoch. Sein Kaffee tropft davon herunter.

Ich: Äh, wir hatten doch ein Interview zum Thema vereinbart, wie Milliardäre wie Sie die Welt besser machen können.

E.M.: Besser! Aber doch nicht gerechter!

Ich: Aber denken Sie nicht…

E.M.: Die Welt wird besser, wenn man uns Starke machen lässt und die Regierungen sich raushalten! Das gilt auch für die deutsche Regierung!

Ich: Aber…

E.M.: Kein Aber! Adam Smith hat Recht, basta! Der ungestörte Eigennutz des Einzelnen dient letztendlich dem Gemeinwohl! Widerrede dulde ich keine! Sonst noch Fragen?

Meine vorformulierten Fragen sind unleserlich geworden. E.M. bevorzugt seinen Kaffee schwarz und stark. Krampfhaft versuche ich mich an meine Fragen zu erinnern. Abzuwarten scheint nicht seine Stärke zu sein.

E.M.: Ich mache die Welt besser, indem ich die Art verändere, wie die Menschen künftig Energie produzieren und verbrauchen! Ich mache die Welt besser, indem ich die Mobilität verändere!

Ärger wallt in mir auf. Etwas zerbricht.

Ich: Und wenn wir nicht mitmachen?

E.M.: Ihr habt keine Wahl! Ich werde die besten Produkte herstellen!

Ich: Und wenn wir diese nicht kaufen?

E.M.: Warum solltet ihr diese nicht kaufen?

Ich: Weil wir damit die Art des Wirtschaftens unterstützen, die uns in den Abgrund reißt!

E.M.: So ein Quatsch! Meine Produkte verhindern doch gerade, dass die Welt in den Abgrund stürzt!

Ich: Tun sie nicht!

E.M.: Doch!

Ich: Nein! Sie Propagieren nichts anderes, als die Herrschaft des Menschen über die Natur. Ich halte dies für eine fürchterliche Anmaßung. Die Natur ist stärker als wir und wird uns dies auch zeigen, spätestens wenn wir den Bogen endgültig überspannen.

Er lächelt.

E.M.: Was für ein einfältiger und schwacher Mensch Sie doch sind! Schwächlinge wie Sie werden vergehen, ich werde bleiben! Die fünf Minuten sind um. Unser Gespräch ist beendet!

Wie aus dem Nichts tauchen zwei breitschultrige Securities rechts und links hinter meinem Stuhl auf. Wie hat er diese alarmiert? Ich habe nicht mitbekommen, dass er irgendeine Art von Schalter betätigte.

Ich: Sie halten sich wohl für unsterblich!

E.M.: Ich bin es.

Ungläubig starre ich ihn an. Ungerührt hält er meinem Blick stand. Der meint es wirklich ernst! Mit einem Kopfschütteln erhebe ich mich.

E.M.: Natürlich nicht in dieser armseligen, auf Kohlenstoff basierenden Form, sondern auf Basis von Silicium.

Ich: Auch in früheren Zeiten suchten die Herrschenden nach einem Weg zur Unsterblichkeit.

E.M.: Ich und meinesgleichen werden diesen finden!

Es ist alles gesagt. Ohne ein Wort des Abschieds zu verlieren, wendet er sich wieder dem Bildschirm zu. Synchron legen die Männer von der Security ihre Hände auf meine Schultern. Ohne Widerstand lasse ich mich von ihnen nach draußen bringen.

Vor dem Gebäude hole ich tief Luft. Der Himmel ist strahlend blau. Vögel singen lautstark ihre Lust am Leben heraus. Ich beschließe, die Ausrichtung meines Blogs zu ändern.

4. Bubenreuther Literaturwettbewerb 2018

Подняться наверх