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NUN, AUF NACH SPANIEN! 11. Juli

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Frühmorgens, beim ersten Blick ins Freie, war weit und breit kein Vieh mehr zu sehen. Die Wasserlache, in der ich mich gestern noch gewaschen hatte, sah im Strahl der aufgehenden Sonne nicht mehr sehr appetitlich aus, und so verzichtete ich diesmal auf meine Morgentoilette.

Nachdem alles seinen gewohnten Platz auf dem Rad gefunden hatte, nahm ich jene Steigung Richtung Rodez in Angriff, die meine gemarterten Muskeln am Vortag verweigert hatten.

Oben angekommen, ging es trotz ebener Landstraße nur sehr langsam vorwärts, denn ich hatte zum ersten Mal auf meiner Pilgerfahrt heftigen Gegenwind. Wenigstens war die Luft, die mir da entgegenblies, angesichts der brütenden Hitze sehr angenehm. Trotzdem war ich bald erschöpft und musste eine Pause einlegen.

Eine überdachte Bushaltestelle erwies sich als höchst willkommener Unterstand. Die Holzbank war ideal für eine Siesta. Doch an Schlaf war nicht zu denken.

Die Schuld lag diesmal nicht bei einem Fußheer von Ameisen, sondern bei einer Armada von Fliegen, die ununterbrochen auf meiner verschwitzten Haut starteten und landeten. Eine Zeit lang wehrte ich sie mit den Händen ab, aber bald resignierte ich und wechselte unfreiwillig ins Sitzen.

Als ich, um den verdienten Schlaf gebracht, etwas entnervt und blöde vor mich hinstarrte, entdeckte ich am Boden eine kleine Eidechse, die mich aus der Ferne begutachtete. Ihre Nervosität drückte sie mit ihrem rechten Vorderfuß aus, der sich in schneller Folge auf und ab bewegte. Ihr Wunsch, mir näher zu kommen, und ihre Bereitschaft zur Flucht hielten sich eine Zeit lang die Waage. Doch schließlich obsiegte ihre Neugierde, und sie näherte sich mir wie einst David dem Goliath, allerdings ohne Steinschleuder.

Ihr Mut wurde reich belohnt. Als früherer Besitzer von Vogelspinnen und Laubfröschen verstehe ich mich relativ gut aufs Fliegenfangen. Bald befand sich ein erstes Opfer zwischen meinen Fingern, und ich bot sie meiner kleinen Freundin an. Und siehe da! Mit Hochgenuss ward das Insekt verspeist. Und es blieb nicht bei der einen Fliege.

Das muss sich in Eidechsenkreisen herumgesprochen haben, denn in der Folge kamen von allen Seiten weitere Minisaurier zum Vorschein und „verlangten von Gott ihre Nahrung“, wie es im Psalm 104 heißt. Die vorher so lästigen Fliegen wurden bald zur Mangelware. Doch die erfolgreiche Jagd hatte meine Lebensgeister neu geweckt. So brach ich wieder auf, sehr zum Leidwesen der Eidechsensippe, deren „Tischlein deck dich“ ein abruptes Ende fand.

Am frühen Nachmittag näherte ich mich dem alten Städtchen Villefranche, einer mittelalterlichen Festung, die idyllisch an einem Fluss lag. Leider fand sich im Ort nur ein privater Campingplatz für bessere Kreise. Es gab dort sogar einen Babywickeltisch, den ich allerdings nicht in Anspruch nehmen musste.

Wenn ich schon mehr zu bezahlen hatte, wollte ich es wenigstens genießen. So blieb ich diesmal den ganzen Nachmittag beim Zelt. Es galt Karten zu schreiben, das Tagebuch nachzuführen, das Rad instand zu stellen, Proviant einzukaufen, wieder einmal richtig zu duschen und ein wenig zu faulenzen. Der Fluss war leider derart schmutzig, dass ich auf ein Bad verzichten musste.

Gegen Abend machte ich einen Besuch im Städtchen und gönnte mir bei einer alten Brücke mit wunderbarem Blick auf den mächtigen Wehrturm ein feines Fischgericht. Nachts jedoch erwachte ich schweißgebadet. Lag es am Essen? Hatte ich Fieber? Oder war ich einfach erschöpft? Zudem schmerzte ein Knie. Sollte ich noch einen weiteren Tag hier bleiben?

Im Schein der Taschenlampe studierte ich die Landkarte. Kurzerhand beschloss ich, am nächsten Tag nicht mehr so stark westwärts zu fahren wie bisher, sondern nach Süden abzuschwenken, um direkteren Kurs auf die Iberische Halbinsel zu nehmen.

Der Gedanke an das nahe Spanien musste mich in einen tiefen Schlaf gewiegt haben, denn ich war am Morgen wieder frisch und munter wie bei meiner Abreise.

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