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UNTER RATTEN UND RÄUBERN 7. Juli

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Um 7.00 Uhr weckten mich schwere Brummer, die jene Straße hinaufkrochen, die ich bald selbst in Angriff nehmen würde. Ein ungutes Gefühl überkam mich, Angst machte sich breit. War die Straße nicht zu gefährlich? Würden die Lastwagen genug Rücksicht auf mich nehmen? Wäre es nicht gescheiter, das Rad auf die Bahn zu verladen und mir mehr Zeit für die Fußstrecke zu gönnen?

Aber einmal auf der Straße, verflogen die Bedenken rasch, und hinter Nantua eröffnete sich am gestauten Fluss Ain die Möglichkeit zu einem erfrischenden Bad. Um ans Wasser zu gelangen, musste ich erst das Rad ein kleines Stück hinunterschieben. Dann schwamm ich hinaus und bewunderte die Schönheit der Bäume, die sich am linken und rechten Ufer zum Fluss hinunterneigten und ihn gleichsam liebkosten.

Als ich wieder aufs Rad steigen wollte, war der hintere Reifen platt! Ich legte mich mit der Handpumpe kräftig ins Zeug. Aber schon nach kurzer Zeit war die Luft wieder draußen. Also schob ich das Rad zum Fluss zurück, denn für die Reparatur war ich auf Wasser angewiesen. Ich musste den Schlauch erst untertauchen, um anhand der aufsteigenden Blasen das Loch lokalisieren zu können. Endlich war es so weit. Mit schmutzigen Händen, aber frohgemut, ging es in der Mittagshitze weiter in Richtung Lyon. Ich beschloss, diese drittgrößte Stadt Frankreichs vorsichtshalber östlich zu umfahren, denn ich hätte wohl kaum wieder aus ihr hinausgefunden.

Neues Ungemach braute sich zusammen. Das Schalten ging immer mühsamer vor sich, und mit der Zeit reagierten die Gänge gar nicht mehr. Was mochte das bedeuten? Ein Augenschein brachte bald Gewissheit. Das Übersetzungskabel hing nur noch an einem seidenen Faden. Da gerade der mittlere der drei Gänge drin war, konnte ich nur mehr in diesem Gang weiterfahren. Noch lief es wie geschmiert. Das Rhônetal ist flach, und ich hatte starken Rückenwind. Wie von unsichtbarer Hand wurde ich vorwärts gestoßen.

Endlich näherte ich mich einer kleinen Stadt, deren Fahrradmechaniker jedoch seine Werkstatt bereits dichtgemacht hatte. Also beschloss ich, die idealen Windverhältnisse zu nützen und einfach weiterzufahren. Abends um 21.00 Uhr, nach über 50 Kilometern mit nur einer Übersetzung, erreichte ich die Stadt Vienne. Doch diese mittelalterliche Touristenstadt hatte keinen Zeltplatz. Weil die billigen Hotels alle belegt waren, blieb mir nichts anderes übrig, als weiter der Rhône entlang zu fahren, um irgendwo wild zu zelten.

In Gedanken versunken merkte ich gar nicht, dass ich mit meinem Rad auf eine Schnellstraße geraten war. Nun gab es kein Zurück mehr. Nur fünf Meter trennten mich von der idyllischen Rhône, an deren Ufer ein verwachsener Feldweg entlangführte. Hinter einer Gebüschgruppe hob ich kurzerhand mein Fahrrad mitsamt dem Rucksack über die Leitplanke und stellte dort, dem Dröhnen und den Scheinwerfern der vorbeifahrenden Autos und Motorräder trotzend, mein Zelt auf. Im Schutze des Gebüsches und der Dunkelheit nahm ich zwischen Algen und Abfall noch ein Bad in der Hoffnung, dass mich weder Ratten noch Polizisten entdecken würden. In banger Erwartung eines nächtlichen Überfalls versteckte ich mein Geld unter einem nahen Baum. So war wenigstens meine Reisekassa in Sicherheit. Noch längere Zeit hielten sich im Zelt Beklemmung und Müdigkeit die Waage, aber zuletzt obsiegte die Müdigkeit, und ich schlief ein.

Neuland unter den Sandalen

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