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EIN RETTENDER ENGEL 8. Juli

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Erst mit dem Aufkommen des Werksverkehrs erwachte ich. In meiner Freude, diese Nacht heil überstanden zu haben, verzichtete ich gerne auf ein Morgenbad in der Rhône, zumal die Morgensonne den Grad der Verschmutzung schonungslos ans Licht brachte. Zum Zähneputzen reichte es gerade noch.

Schnell wurde das Zelt abgebrochen. Ich stieg wieder aufs Rad und fuhr, eingeklemmt zwischen Autostraße und Rhône, auf einem unkrautübersäten Schotterweg viele Kilometer dahin, bis ich mich plötzlich mitten auf einer Wiese befand. Ein guter Bauer führte mich wieder auf den rechten Weg.

Meine Hauptsorge galt nun der Reparatur der Gangschaltung. Schon bei der kleinsten Steigung musste ich vom Sattel steigen und das Rad schieben. Endlich näherte ich mich einem Städtchen mit einem großzügigen Fahrradgeschäft. Doch meiner Freude folgte sogleich eine herbe Enttäuschung: Ich hätte das Rad erst wieder in zwei Tagen abholen können! So lange wollte ich auf keinen Fall warten. Immerhin machte man mich auf eine kleinere Werkstatt aufmerksam. Schon von Weitem konnte ich sogar das Logo meiner Radmarke entdecken. Aber es folgte eine neue Enttäuschung: wegen Todesfall geschlossen!

Nein, ich konnte nicht warten. Unaufhaltsam zog es mich weiter. Und überhaupt: Bisher war es mit nur einem Gang auch nicht schlecht gegangen. Was ich allerdings nicht wissen konnte: Ich stand vor einer Bergetappe. Es ging von 300 auf 1100 Meter hinauf. Mit einem einzigen Gang war das eine völlig unmögliche Sache.

Ahnungslos fuhr ich los und wollte den Weg Richtung Annonay einschlagen. Doch zum Glück verpasste ich die richtige Abzweigung. Ich bog in eine kleine Seitengasse und stand plötzlich vor einem völlig unscheinbaren Radgeschäft. Ein freundlicher Mann war sofort bereit, mir das Kabel auszuwechseln. Schon nach einer halben Stunde händigte er mir mein Rad für wenig Geld wieder aus. Ich gab ihm ein fürstliches Trinkgeld, worüber er sehr erstaunt war. Für ihn waren es nur ein paar Handgriffe gewesen – für mich aber hing die weitere Pilgerfahrt von seiner Hilfsbereitschaft ab.

Mit neuem Elan schwang ich mich auf mein geduldiges Stahlross. Dass es nun stundenlang aufwärts ging und der Schweiß nur so dahinrann, störte mich überhaupt nicht. Hauptsache war, dass alles perfekt funktionierte!

Bei einer kleinen Poststelle kaufte ich einige Briefmarken. Der freundliche Postbeamte ließ mich Platz nehmen und offerierte mir großzügig Orangensaft und Mineralwasser. Einfach so. Ich muss wohl wie ein Verdurstender ausgesehen haben. Als ich endlich auf der Anhöhe ankam, öffnete sich mir eine bezaubernde Landschaft, die mich an das Einsiedler Hochmoor erinnerte. Die folgende Abfahrt ließ dann alle Strapazen vergessen und animierte mich zu lautem Gesang. Und bald wartete ein einfacher Campingplatz auf mich. In großem Frieden schlief ich ein, diesmal ganz ohne Angst vor Ratten, Polizisten und Räubern.

Neuland unter den Sandalen

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