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1. Kapitel

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Priscilla rennt durch die Stadt ihrer Kindheit. Die Straßen sind dunkel, still und menschenleer. Schneller! Schneller! Sonst entwischt es! Links eine lange Häuserzeile mit Erkern, Gauben und Giebeln, rechts ihre alte graue Schule, dahinter, schwarz und schweigend, der Park. Wenn es dort hinein läuft, hast du es verloren, Priscilla. Was wird es tun? Wohin wird es rennen? Da, nach links, es klettert an dem Regenrohr die Hauswand hinauf. Priscilla nimmt Anlauf und springt. Sie fliegt durch die Luft und landet auf dem Dach. Über ihr glüht der Mond hinter weißen Wolkenfetzen. Kaum steht sie, sieht sie es auf sich zukommen: schwarzes Fell, kleine weiße Zähne, grüne Augen. Jetzt schaut es sie an. Zu spät. Priscilla packt zu. Sie hält es am Hals, damit es sie nicht beißen kann. Sein kleines Herz pocht wild. Es schaut wütend nach links und rechts. „Lass mich los!“, krächzt es mit tonloser Stimme. „Sofort!“

„Sag mir, was geschehen wird!“, antwortet Priscilla.

„Ich weiß nichts!“ Seine kleinen Pfoten umklammern ihren Arm. „Ich bin kein Orakel, ich weiß nichts.“

„Lüg mich nicht an!“ Priscilla drückt zu. „Sag mir, was geschehen wird!“

Es bleckt die Zähne und versucht, sich zu befreien.

„Willst du wirklich dein Geheimnis mitnehmen?“, fragt Priscilla. „Da wärst du das erste Orakel der Traumwelt. Ich hab noch nie gehört, dass ein Orakel lieber stirbt, als zu sagen, was es weiß.“

„Erst wenn du mich loslässt.“

Priscilla lockert ihren Griff. „Rede!“, flüstert sie.

„Die ungeträumten Träume werden brennen“, krächzt das Orakel, „und nichts wird sein, wie es war …“

Marie Marne und das Tor zur Nacht

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