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Kapitel 8

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September 2012

An einem Samstagabend läutete jemand an der Tür der Lohmanns.

Unwillig erhob sich der Masseur aus seinem Fernsehsessel, da gerade die Sportschau lief. Als begeisterter Fußballfan verpasste er möglichst keine Sendung. So öffnete Harry missmutig die Wohnungstür. Seine Miene hellte sich jedoch sofort auf, als er sah, wer draußen im Flur stand.

„Conny!", rief er freudig aus. „Wolltest du nicht übers Wochenende zu deinem Vater?"

„Ich bin früher zurückgefahren", erwiderte sie lächelnd. „Darf ich reinkommen?"

„Selbstverständlich.“ Nach den Kuppelversuchen seiner Mutter hatte er befürchtet, dass Constance ihn auf Abstand halten würde. Aber sie schien kein Problem damit zu haben. Das freute ihn. So führte er sie erleichtert ins Wohnzimmer.

„Anscheinend störe ich", sagte sie mit Blick auf den Bildschirm. „Ich kann auch später wiederkommen!?"

„Nicht nötig", versicherte er ihr rasch. Mit der Fernbedienung schal­tete er das Gerät aus. „Möchtest du dich nicht setzen? Was darf ich dir anbieten? Vielleicht ein Bier?"

„Im Moment nicht", lehnte sie ab und setzte sich aufs Sofa. Als sie die Beine übereinander schlug, rutschte ihr kurzer Rock noch ein wenig höher. Aber sie schien das gar nicht zu bemerken. Unterdessen konnte Harry den Blick nicht von ihr wenden. Constance sah heute besonders reizvoll aus.

„Dein Besuch überrascht mich", gestand er, wobei er unruhig auf der Sesselkante hockte. „Kann ich was für dich tun?"

„Wenn du mich so fragst ..." Bequem lehnte sie sich zurück. „Heute Morgen bin ich lange ausgeritten – wahrscheinlich zu lange. Seitdem sind meine Schultern völlig verspannt. Ich brauche dringend eine Massage, aber wo findet man auf dem Lande einen guten Masseur!? Noch dazu an einem Samstag. Deshalb dachte ich, dass du vielleicht ..."

Ungläubig schaute Harry sie an. Constance hatte sich noch nie von ihm massieren lassen.

„Soll ich wirklich?"

„Nur, wenn es dir keine Umstände macht. Sonst muss ich eben bis Montag warten. So schlimm ist das auch nicht. Wahrscheinlich hast du schon was vor. Wenn du noch ausgehen möchtest ..."

„Nein, nein", erwiderte Harry hastig. „Heute wollte ich sowieso zu Hause bleiben. Ich tue alles, damit du dich besser fühlst." Eilig erhob er sich. „Ich hole schnell das Öl von nebenan. Du könntest inzwischen ablegen!?"

„Du bist ein Schatz, Harry.“

Beschwingt lief er hinaus und holte frische Hand­tücher und ein Fläschchen Massageöl aus dem Badezimmer.

Erwartungsvoll kehrte er in den Wohnraum zurück. Kaum war er je­doch eingetreten, blieb er abrupt stehen. Er hatte angenommen, dass Constance allenfalls ihre Bluse ausziehen würde. Stattdessen lag sie bis auf einen winzigen schwarzen Slip entkleidet bäuchlings auf dem Sofa. Seine Cousine bot einen derart verführerischen Anblick, dass er schlucken musste. Sein Mund schien plötzlich völlig ausge­trocknet zu sein.

„Können wir?", fragte sie über ihre Schulter hinweg. „Oder hast du es dir anders überlegt?"

„Nein, nein“, antwortete er hastig. „Soll ich gleich anfangen?“

„Ich bitte darum", erwiderte sie und schloss die Augen.

Daraufhin kniete Harry sich neben das Sofa und gab etwas von dem Öl in seine Hände. Zögernd begann er mit der Massage. Er konnte es kaum zu glauben, dass Constance hier vor ihm lag. Bisher hatte es kaum Frauen in seinem Leben gegeben. Das bekümmerte ihn jedoch nicht. Für eine andere hätte er ohnehin nicht das empfinden können, was er für Constance fühlte. Schon von Kindesbeinen an vergötterte er seine Cousine. Sie war klug, vielseitig und geschickt, warmherzig und ungemein sexy. Er hatte ihr sogar verziehen, als sie vor Jahren plötzlich heimlich geheiratet hatte. Damals war er sofort hilfreich zur Stelle gewesen, als diese Ehe nach kurzer Dauer gescheitert war. Trotzdem hatte er niemals gewagt, Constance seine Gefühle zu offenbaren. Erst mit der Zeit wurde der Wunsch in ihm übermächtig, sie mit Haut und Haaren zu besitzen. Er wollte sie nicht mehr mit anderen Männern teilen. Dieses unerträgliche Gefühl der Eifersucht, wenn sie einem Mann Aufmerksamkeit schenkte, wollte er nie wieder spüren müssen. Warum nur war es so schwierig, einer Frau klarzumachen, dass man nur den Wunsch hegte, sie glücklich zu machen?

„Du hast so zarte, seidige Haut", sagte er bewundernd, während er über ihre Schultern strich.

„Und du hast wundervolle Hände", entgegnete sie und seufzte leise. „Es tut unbeschreiblich gut, sie auf meiner Haut zu spüren." Ungeachtet ihrer spär­lichen Bekleidung richtete sie sich etwas auf. „Wie wäre es, wenn du dich nun meiner Vorderseite widmest? Eine Ganzkörpermassage ist genau das, was ich jetzt brauche."

Völlig verblüfft schaute Harry sie an. War das ein Traum? Oder hatte Constance ihn eben tatsächlich aufgefordert, sie dort zu massieren, wo er es sich am meisten wünschte? Vielleicht wollte sie ihn aber nur testen?

„Möchtest du wirklich eine Ganzkörpermassage?", vergewisserte er sich. „Ist das dein Ernst, Conny?"

Wortlos drehte sie sich vollständig herum und legte sich langsam zurück. Unbefangen verschränkte sie die Arme hinter dem Kopf.

„Ich möchte deine Zauberhände überall spüren."

Ihre Stimme klang leise und erwartungsvoll. „Auf meinem ganzen Körper."

„Willst du wirklich, dass ich ...?"

„Worauf wartest du noch?"

Den Blick auf ihr Gesicht gerichtet, streckte Harry vorsichtig die Hand aus. Ganz sachte tastete er über den Leib seiner Cousine, jederzeit bereit, sich sofort wieder zurückzuziehen.

Doch sie seufzte wieder nur leise, während seine Finger sich be­hutsam Zentimeter für Zentimeter höher bewegten. Sie streichelten die gebräunte Haut bis hinauf zum Halsansatz, wagten sich je­doch nicht weiter vor.

Unversehens fing sie seine Hand ein und legte sie auf ihre linke Brust.

„Conny ...“, krächzte Harry heiser. Auf diesen Moment wartete er schon sein Leben lang. „Oh, Conny ..."

Nun war es endgültig mit seiner Beherrschung vorbei: Mit Händen und Lippen erkundete er den verführerischen Frauenkörper. Harry spürte selbst dann keine Gegenwehr, als er seine Finger in den winzigen Slip schob und den schwarzen Stoff von ihren Hüften streifte.

„Ich will dich so sehr", keuchte Harry, als sie sich ihm leise aufstöhnend entgegenbog. „Mehr als alles auf der Welt."

„Komm endlich zu mir, mein Geliebter", flüsterte sie erregt. „Ich will nicht länger warten."

In Sekundenschnelle entledigte er sich seiner Kleidung und schob sich über seine Cousine. Leidenschaftlich eroberte sein Mund ihre Lippen. Im selben Moment spürte er, dass sie ihre Hüften anhob, um ihm den Weg zu weisen.

„Das war sensationell“, sagte Harry, als sie später entspannt nebeneinander lagen. „Du bist einmalig, Conny."

„Ich weiß", erwiderte sie selbstbewusst. „Dankschreiben aus aller Welt bezeugen das."

„Sag so was nicht. Jetzt gibt es nur noch einen Mann in deinem Leben – und der bin ich."

„Das kommt darauf an ..."

„Worauf?"

„Das wirst du schon bald erfahren." Rasch erhob sie sich. „Jetzt verschwinde ich erst mal ins Bad. Deine Mutter kommt gleich nach Hause."

„Meine Mutter? Woher ...?" Er unterbrach sich, als es läutete. „Kannst du hellsehen?"

„Vielleicht ...“

Barfuß lief sie hinaus.

So stieg Harry hastig in seine Hosen. Auf dem Weg zur Wohnungstür schlüpfte er in sein Hemd.

„Hallo, Mutter", sagte er nach dem Öffnen und zwang ein Lächeln auf sein Gesicht. Viel lieber wäre er mit Constance allein geblieben. „Hast du wieder deinen Schlüssel vergessen?"

„Warum hat das so lange gedauert?" Zielstrebig betrat Elsbeth das Wohnzimmer. Ihr Blick fiel auf die herumliegenden Kleidungsstücke. Mit spitzen Fingern nahm sie einen schwarzen BH von einem Sessel, ehe sie sich setzte. „Anscheinend bist du nicht allein?"

„Conny ist im Bad", erklärte er triumphierend. „Sie ist einfach umwerfend."

„Dann setz dich besser", entgegnete Elsbeth Lohmann trocken. „Und dann berichtest du mir genau, was geschehen ist."

„Das geht wohl ein bisschen zu weit. Der Kavalier genießt und schweigt."

„Genierst du dich etwa, mir zu erzählen, dass du mit Constance ge­schlafen hast?", spottete Elsbeth, wobei sie ihn aus zusammen­gekniffenen Augen betrachtete. „Oder warum zierst du dich so?"

„Immerhin bist du meine Mutter! Mit dir werde ich sicher nicht über mein Liebesleben diskutieren."

„Nur weil sie dich einmal erhört hat, musst du nicht gleich so fürch­terlich übertreiben. Einmal ist keinmal."

„Wir werden zusammenbleiben, damit du es weißt! Ich will Conny so schnell wie möglich heiraten!"

„Und was sagt sie dazu?"

„Wozu, Tante Betty?" Unbemerkt war ihre Nichte eingetreten. Wie selbstverständlich trug sie Harrys braunen Bademantel. Fragend schaute sie ihre Tante an, während sie sich zu ihrem Cousin setzte.

„Das soll er dich selbst fragen, meine Liebe."

Erwartungsvoll wechselte der Blick der jungen Frau zu dem Mann an ihrer Seite.

„Ich möchte, dass wir heiraten", sagte er etwas verlegen. „So bald wie möglich." Linkisch griff er nach ihrer Hand. „Willst du meine Frau werden?"

„Wenn du wirklich mich willst – ja."

„Natürlich will ich nur dich! Das muss gefeiert werden! Irgendwo habe ich noch eine Flasche Sekt!"

„Warte, Harry", hielt seine Mutter ihn zurück, als er aufstehen wollte. „Da ist noch eine Kleinigkeit, die geklärt werden sollte."

„Was?", fragte er gereizt. „Bist du immer noch nicht zufrieden?"

„Wenn du bei deiner Entscheidung bleibst, bin ich sogar mehr als das." Ernst blickte sie ihm in die Augen. „Hast du dich gar nicht darüber gewundert, dass deine Cousine ihre Einstellung dir gegenüber plötz­lich geändert hat?"

„Doch ...", gestand er. „Allerdings ist das jetzt nicht mehr wichtig. Conny und ich, wir sind uns einig."

„Seid ihr das wirklich?", hakte Elsbeth nach. „Bist du sicher, dass die Frau neben dir die Constance ist, die du immer mehr wolltest als alles andere?"

Verständnislos schüttelte Harry den mächtigen Schädel.

„Was ist los mit dir, Mutter? Wieso stellst du mir diese merkwürdigen Fragen? Natürlich bin ich sicher, dass ich die Frau neben mir heiraten will. Heute mehr, als jemals zuvor."

Hingebungsvoll schmiegte sich seine Cousine an seinen Arm.

„Und wenn ich eine andere wäre, Liebster? Würdest du mich dann immer noch wollen?"

„Nichts könnte mich davon abbringen. Ich liebe dich, mein Engel."

„Dann werde ich dir jetzt die Wahrheit sagen, Harry: Ich bin nicht Constance."

„Wer bist du dann?", fragte er schmunzelnd. „Du siehst aus wie Constance, du sprichst wie Constance, und doch bist du es nicht!? Wer solltest du sonst sein?"

„Ich bin Eva."

„Dann lass mich dein Adam sein", lachte Harry. „Komm mit mir ins Paradies."

„Harry!", sagte Elsbeth mit schneidend scharfer Stimme, worauf sein Lachen augenblicklich verstummte. „Das ist kein Scherz! Sie ist nicht Constance, sondern Eva!"

„Jetzt hör aber auf! Was soll das Theater? Wollt ihr mich verarschen?" Bittend schaute er die junge Frau an. „Sag, dass du meine Cousine Conny bist."

„Ich bin schon deine Cousine, aber ich heiße Eva."

„Eva ist Constances Zwillingsschwester", fügte Elsbeth erklärend hinzu.

„So ein Unsinn!", rief Harry ungläubig aus. „Connys Zwillingsschwester ist kurz nach der Geburt gestorben! Sie ist tot!"

„Das dachten wir alle", erwiderte seine Mutter völlig ruhig. „Bei Michelle haben die Wehen damals viel zu früh eingesetzt. Die Zwillinge kamen sofort nach der Geburt auf die Säuglingsintensivstation in den Brutkasten. Dort lag auch das winzige Mädchen einer Frau, der schon zweimal ihr zu früh geborenes Kind gestorben war. Die Mutter dieser jungen Frau hat dort als Krankenschwester gearbeitet. Sie wusste, dass ihre Tochter es nicht überleben würde, noch einmal ihr Baby zu verlieren. Als ihre kleine Enkelin dann plötzlich starb, hat sie den toten Säugling heimlich gegen einen der Ellerbrook-Zwillinge ausgetauscht. Michelle hat man nach der Entdeckung des toten Kindes gesagt, eine ihrer kleinen Töchter sei zu schwach gewesen und an den Folgen einer Lungenentzündung gestorben."

„Auf diese Weise ist das Baby in eine andere Familie gekommen!?", folgerte Harry be­troffen. „Niemand hat den Schwindel bemerkt?"

„Die Schwester war mit den Gepflogenheiten in der Klinik vertraut, so dass sie wusste, was sie tun musste, damit niemand Verdacht schöpfen würde", verneinte Elsbeth. „Nicht einmal ihre Tochter und deren Mann wussten Bescheid. Sie haben das kleine Mädchen Eva genannt und es in dem Glauben aufgezogen, es sei ihr eigenes Kind."

Verstehend nickte Harry, doch dann blickte er seine Cousine stirnrunzelnd an.

„Woher weißt du dann, dass du eine Ellerbrook bist?"

„Meine Mutter ist gestorben, als ich zwölf Jahre alt war", erzählte sie, wobei sich ein bitterer Zug um ihren Mund legte. „Von diesem Zeitpunkt an ging es mit meinem Vater bergab: Er hat nicht mehr gearbeitet, kam immer seltener nach Hause und war meistens betrunken. Fast genau ein Jahr nach Mutters Tod ist er im Vollrausch die Treppe runtergefallen und hat sich das Genick gebrochen. Meine Oma hat mich dann zu sich genommen. Sie hat auch die Schulden bezahlt, die mein Vater hinterlassen hatte. Dadurch hat sie ihre ganzen Ersparnisse verloren, so dass wir von ihrer kleinen Rente leben mussten. Trotzdem hat sie mir weiterhin die Wahrheit über meine Herkunft verschwiegen. Vor anderthalb Jahren wurde sie dann sehr krank. Auf dem Sterbebett hat sie mir gebeichtet, was sie damals für meine Mutter getan hatte. - Und sie sagte mir, wessen Tochter ich wirklich bin."

„Wieso bist du nach ihrem Tod nicht sofort zu Onkel Anton gegangen?", fragte Harry verständnislos. „Wolltest du deinen wirklichen Vater nicht kennen lernen?"

„Ich hatte Angst, dass er mir meine Geschichte nicht glauben würde", gestand Eva. „Ich war doch nur eine einfache Serviererin und sollte die Tochter des mächtigen Anton Ellerbrook sein? Man hätte mich für eine Schwindlerin gehalten. Deshalb habe ich erst mal damit begonnen, alles über diese Familie zu sammeln: Zeitungsartikel, Fotos und so weiter. Dadurch wurde ich auch auf dich und Tante Betty aufmerksam."

„Vor einiger Zeit hat Eva sich an mich gewandt", fügte Elsbeth hinzu. „Sie hat mir ihre Geschichte erzählt und wir haben überlegt, was man tun könnte, um Eva zu ihrem Recht zu verhelfen."

„Ich will nicht länger im Schatten stehen!", sagte Eva entschlossen. „Meine Schwester hatte eine glückliche Kindheit, alles, was sie sich gewünscht hat! Constance standen alle Möglichkeiten offen! Jetzt bin ich an der Reihe! Ich werde ihren Platz einnehmen!"

Unwillkürlich rückte Harry etwas von ihr ab.

„Du willst ihren Platz einnehmen? Wo? Bei ihrem Vater? Glaubst du, Onkel Anton würde Conny weniger lieben, nur weil du plötzlich auftauchst?" Überzeugt schüttelte er den Kopf. „Selbst wenn du mit Hilfe medizinischer Tests nachweist, dass du seine Tochter bist, wird Conny immer sein Liebling bleiben. Du bist eine Fremde für ihn, auch wenn du deiner Schwester zum Verwechseln ähnlich siehst."

„Genau das glauben wir auch", stimmte seine Mutter ihm zu. „Außerdem würde das Vermögen der Ellerbrooks irgendwann zwischen den beiden aufgeteilt. Um das zu verhindern, aber auch, damit Eva nicht ihr Leben lang im Schatten ihrer erfolgreichen Zwillingsschwester steht, haben wir uns einen Plan ausgedacht, der uns allen entgegenkommt: Wir lassen Constance verschwinden, damit Eva ihren Platz einnehmen kann."

Entsetzt sprang Harry auf.

„Da spiele ich nicht mit! Du weißt genau, was ich für Conny empfinde, Mutter! Ich werde nicht zulassen, dass du ihr etwas antust!"

„Setz dich wieder hin und hör mir zu!", forderte Elsbeth ihn energisch auf. „Wir werden deiner Constance kein Haar krümmen. Sie soll nur für eine Weile von der Bildfläche verschwinden. Eva wird Constances Stelle einnehmen und dich heiraten. Du weißt doch von dem Vermögen, das Constance am Tag ihrer Hochzeit aus dem Erbe ihres Großvaters überschrieben wird. Wir können sowieso von Glück sagen, dass der alte Richard bei ihrer ersten Heirat noch gelebt hat. Dadurch kommen wir jetzt in den Genuss des Geldes."

„Und wenn ihr Conny wieder freilasst, was passiert dann?"

„Dann bist du immer noch ihr Ehemann. Niemand wird von dem Rollen­tausch wissen. Wenn Constance diese abenteuerliche Geschichte von ihrer Gefangennahme erzählt, wird man sie für verrückt halten. Dann braucht sie einen liebevollen Mann an ihrer Seite."

„Das gefällt mir nicht."

„Es hat dir aber gefallen, mit mir zu schlafen", sagte Eva direkt. „Constance würde dich doch nie an sich ranlassen. Sie wird dich weiterhin abweisen. Dafür verdient sie einen Denkzettel. Inzwischen werden wir beide das Leben und die Liebe in vollen Zügen genießen."

„Constance wird immer denken, dass du nicht gut genug für sie bist", setzte Elsbeth hinzu. „Das wird sich bald ändern. Du wirst mit ihr verheiratet sein, und sie kann dich nicht mehr wie den armen Verwandten behandeln. Wenn es dir sogar gelingen sollte, ihr ein Kind zu machen, kannst du sie mit etwas Geschick für immer an dich binden." Eindringlich schaute sie ihn an. „Das ist deine einzige Chance, sie für dich zu gewinnen, Harry!"

„Nun komm schon", drängte Eva. „Sag, dass du einverstanden bist, Harry."

„Zuerst möchte ich Einzelheiten wissen", verlangte er. „Wie genau soll das alles ablaufen?"

„Noch sind wir im Stadium der Vorbereitung", erwiderte seine Mutter. „Eva wohnt hier in der Nähe in einer kleinen Pension, so dass wir die meiste Zeit des Tages damit verbringen, alles Wesentliche aus Constances Leben durchzugehen. Eva muss so gut wie möglich über ihre Schwester Bescheid wissen: ihre Gewohn­heiten kennen, die Namen ihrer Freunde, wichtige Daten etc. In den letzten Wochen hat sie Constance manchmal heimlich beobachtet, um ihre Bewegungen zu studieren. Dabei hat Eva eine dunkle Perücke getragen, um nicht zufällig erkannt zu werden." Ein zufriedener Ausdruck huschte über ihr wie gewöhnlich zu stark geschminktes Gesicht. „Ich finde, Eva spielt die Rolle ihrer Schwester jetzt schon sehr gut. – So gut, dass selbst du geglaubt hast, Constance vor dir zu haben."

„Wann soll Eva den Platz von Conny einnehmen?"

„Sobald wie möglich."

„Also gut", sagte er nach kurzem Überlegen. „Ich werde über diese Sache nachdenken."

„Du musst dich jetzt entscheiden!", forderte Elsbeth. „Auf der Stelle!"

„Ich sagte, dass ich mir die Geschichte durch den Kopf gehen lasse", er­widerte Harry unnachgiebig. „Dabei bleibt es!"

Geraubtes Leben

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