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Kapitel 10
Оглавление13. Oktober 2012 in einer Holzhütte
Obwohl sie vorläufig genug Wasser und Nahrungsmittel hatte, fühlte sich Constance nicht besser. Der Gorilla hatte zwar gesagt, dass er bald wiederkommen würde, aber das beruhigte sie nicht. Es gab nur zwei Möglichkeiten: Entweder er würde sie nach seiner Rückkehr freilassen – oder sie wäre nutzlos für ihn, weil er das Lösegeld kassiert hatte. Dann würde er sie hier ihrem Schicksal überlassen – oder sie töten.
Seit er gegangen war, kam sie nicht zur Ruhe. Der Maskierte hatte gesagt, dass ihr Vater nach Paris geflogen wäre. Ihre Eltern waren doch gerade erst aus Paris zurückgekehrt. Sie hatte noch am Abend vor ihrer Entführung mit ihm telefoniert. Er hatte diese neuen Reisepläne mit keinem Wort erwähnt. Das hätte er aber getan, weil er sie immer bat, nach Hetty zu sehen, selbst wenn er nur ein paar Tage auf Geschäftsreise war. Auch wenn er sich erst nach dem Telefongespräch entschlossen hätte, zu verreisen, hätte er sie unterrichtet. Wenn er sie nicht erreicht hätte, wäre er zu Hause geblieben. Da hätte auch der Protest ihrer Großmutter nichts genutzt.
Inzwischen waren acht Tage vergangen, in denen ihre Eltern nichts von ihr gehört hatten. Ihnen musste längst bewusst sein, dass etwas nicht stimmte. Normalerweise telefonierten sie mindestens ein- bis zweimal in der Woche miteinander. Dazu kam ihre Abwesenheit im Zentrum. Auch dort musste man sie doch vermissen. Oder hatte Harry den Kollegen irgendeine Story aufgetischt? Vielleicht, dass sie spontan eine Auszeit genommen hatte? Hätten die Kolleginnen das geglaubt, obwohl so ein Verhalten überhaupt nicht zu ihr passte? Zumindest Barbara hätte versucht, sie anzurufen. – Oder nicht?
Um sich von den ständig um dieselben Fragen kreisenden Gedanken abzulenken, griff sie nach dem aufgeschlagenen Buch, das vor ihr auf dem Tisch lag. Obwohl sie nun etwas mehr Licht hatte, konnte sie nicht lange lesen, weil es im Kerzenschein anstrengend war und die Buchstaben nach wenigen Seiten vor ihren Augen verschwammen.
So beschloss sie, sich einen Kalender zu zeichnen. Dazu schlug sie einen der Krimis auf. Die erste Seite war oben nur mit einem kleinen Verlagslogo bedruckt. Sie nahm den Kugelschreiber und schrieb die Wochentage untereinander. Sie erinnerte sich, dass Claas sie für Freitag, den 5. Oktober ins Konzert eingeladen hatte. Am Nachmittag war sie bei Tante Betty gewesen. Demzufolge war sie am Samstag, den 6.Oktober in der Hütte erwacht.
Sorgfältig schrieb sie nun die Daten bis zum Monatsende neben die Wochentage. Acht Tage waren bislang vergangen, die sie mit einem Kreuz markierte. Demnach war dieser Tag wieder ein Samstag. Wochenende. Sie liebte ihren Beruf, obwohl er ihr wenig Zeit für ein Privatleben ließ. Deshalb waren ihr die Wochenenden immer wichtig gewesen, um sich mit Freunden zu treffen oder die Familie zu besuchen. Außerdem kam Nathalie so oft wie möglich an diesen Tagen nach Hause. Auch für sie musste es doch schrecklich sein, dass sie ihre Mutter nicht erreichen konnte. Vor der Entführung hatten sie fast täglich miteinander telefoniert. Irgendjemand musste ihr erklärt haben, weshalb das plötzlich nicht möglich war. Bestimmt hatte Nathalie ihre Großeltern angerufen. Aber wussten die inzwischen, dass ihre Tochter gekidnappt worden war? Natürlich würden sie das Nathalie nicht sagen, um sie nicht zu beunruhigen. – Und wenn die Entführer tatsächlich noch keinen Kontakt zu ihnen aufgenommen hatten? Dann hätte Nathalies Anruf sie erst recht alarmiert. Wahrscheinlich wäre ihr Vater zur Polizei gegangen und hätte seine Tochter als vermisst gemeldet. Aber dann ...
„Verdammt, das ergibt alles keinen Sinn!“
Diese ewige Grübelei brachte sie noch um den Verstand! Sie brauchte Bewegung! Schwerfällig stand sie auf und lief die gewohnte Strecke vor der Liege auf und ab. Dabei zählte sie ihre Schritte laut mit, um die bohrenden Fragen in ihrem Kopf zum Schweigen zu bringen.