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Kapitel 12

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September 2012

Viele Stunden täglich übte Elsbeth Lohmann mit Eva, erzählte ihr alles Wichtige aus Constances Leben. Dabei ließ sie aber auch Ne­bensächliches, an das sie sich erinnerte, nicht aus. Außerdem überwachte sie Evas Sprachtraining. Ihre Stimme hatte zwar große Ähnlichkeit mit der von Constance, benötigte aber noch etwas Feinschliff.

„Jetzt noch einmal die Geburtsdaten, Eva", forderte sie ihre Nichte auf. „Anton Ellerbrook?"

„3. März 1949."

„Henriette Ellerbrook?"

„Sie wird von allen Hetty genannt und wurde am 29. September 1927 geboren. Hetty war mit Richard Ellerbrook verheiratet. Er starb vor elf Jahren."

„Gut. - Jetzt zu Michelle Levin. Was weißt du über sie?"

„Sie ist meine Mutter. Ich nenne sie Mamen ..."

„Ma - man!", korrigierte Elsbeth sie, jede Silbe betonend. „Auch wenn du nicht wie Constance französisch sprichst, wirst du lernen müssen, dieses eine Wort perfekt auszusprechen."

„Was soll ich denn machen, wenn meine Mutter mich plötzlich in dieser Sprache anredet, Tante Betty? Dann verstehe ich doch kein Wort."

„Dann musst du eben improvisieren", erwiderte ihre Tante mit leiser Ungeduld. „Weiter."

„Geboren wurde meine Mutter am 6. Januar 1953 in Bordeaux als Tochter eines Weinbauern und einer Cellistin. Seit ihrem fünften ... nein, vierten Lebensjahr erhielt sie Ballettunterricht. Im Laufe der Zeit bekam sie zahlreiche Preise und Auszeichnungen. Mit 17 Jahren ist sie auf Empfehlung ihres Ballettlehrers nach Paris gegangen, wo sie mit neunzehn das erste Mal eine Hauptrolle getanzt hat."

„Welche?"

„Schwanensee."

„Wie hieß ihre dortige Ballettlehrerin?"

„Madame Valerie Liotard."

„Die Namen deiner französischen Großeltern?"

„Alain und Juliet Levin; sie sind beide tot."

„Richtig", bestätigte Elsbeth. „Jetzt deine Paten."

„Camilla Kronenburg, geborene Kaiser, 56 Jahre alt und Professor Julius Kronenburg, Chefarzt der Klinik am Stadtpark. Er ist sechs Jahre älter als seine Frau und hat am 12. Februar Geburtstag. Tante Camilla wurde am 16. Juli geboren. Sie hat Musik studiert, spielt mehrere Instrumente, besonders gern sitzt sie zu Hause an ihrem Flügel. Die Kronen­burgs bewohnen eine Villa am Stadtrand; sie haben keine Kinder."

„Warum nicht?"

„Nachdem Tante Camilla vier Fehlgeburten hatte, haben sie die Hoffnung auf ein eigenes Kind aufgegeben. Deshalb hängen sie sehr an ihrem Paten­kind. Sie lieben Constance wie eine Tochter."

„... und sie wird einmal das Vermögen der Kronenburgs erben", fügte Elsbeth hinzu. „Daran siehst du wieder mal, wie ungerecht das Leben ist. Constance ist nicht nur Alleinerbin des Ellerbrook-Besitzes, sondern auch die Begünstigte der Kronenburgs. Normalerweise müsste sie das alles mit dir teilen. Als ihre Schwester steht dir die Hälfte des gesamten Vermögens zu."

- Ich will aber alles, dachte Eva, die längst beschlossen hatte, sich nicht mit weniger zufriedenzugeben. Sie würde mit niemandem teilen.

„Können wir nicht für heute Schluss machen, Tante Betty? Ich bin noch mit Harry verabredet und möchte vorher noch duschen."

„Meinetwegen. Die Ablenkung hast du dir verdient. Wenn du weiterhin so gut lernst, wird es nicht mehr lange dauern, bis du für die Rolle deiner Schwester bestens gewappnet bist. Manchmal kommt es mir so vor, als wüsstest du schon jetzt mehr über ihr Leben, als sie selbst. Nur einige medizinische Grund­kenntnisse fehlen dir noch. Damit befassen wir uns ab morgen. Ich habe schon mehrere Bücher durchgesehen und alles Wichtige angekreuzt. Das wird noch mal ein hartes Pensum."

„Wozu muss ich das überhaupt lernen?" Absichtlich verschwieg sie, dass sie nach der Schule eine Ausbildung zur Krankenschwester absolviert und einige Jahre in diesem Beruf gearbeitet hatte. Elsbeth Lohmann musste nur so viel wissen, wie unbedingt nötig war. „Wir haben doch beschlossen, dass ich die Leitung des Zentrums vorläufig an Harry übergebe."

„Und wenn dein Onkel Julius oder sonst ein Mediziner dich zufällig in ein Fachgespräch verwickelt? Dann musst du wenigstens ein bisschen Bescheid wissen. Ebenso verhält es sich mit der Schlaganfallstiftung. Auch wenn du mit alldem nichts zu tun haben wirst, können dir gewisse Grundkenntnisse gegebenenfalls von Nutzen sein. Wir dürfen nichts außer Acht lassen, das Verdacht erregen könnte."

„Du hast Recht, Tante Betty", stimmte Eva ihr zu. „Man sollte seinen Gegner niemals unterschätzen."

„Dann sind wir uns ja einig", erwiderte Elsbeth zufrieden. „Selbst wenn es dadurch länger als geplant dauern sollte, bis du Constances Rolle übernehmen kannst. Erst wenn alles hundertprozentig sitzt, haben wir die Chance, unser Ziel zu erreichen." Mit diesen Worten legte sie ihre umfangreichen Notizen beiseite und griff nach einem der Foto­alben. „Nun lauf und mach dich für dein Rendezvous fertig. Ich gehe noch mal sämtliche Fotos durch – für den Fall, dass ich was übersehen habe."

Ohne Eile verließ Eva die Wohnung. Sie verspürte nicht die geringste Lust, sich mit Harry zu treffen. Die Gründe dafür lagen auf der Hand: Zum einen empfand sie absolut nichts für ihn, zum anderen langweilte er sie. Hinzu kam, dass er ganz verrückt nach ihr war. Ständig wollte er ihr beweisen, was für ein potenter Liebhaber er war. - Angewidert verzog Eva bei diesem Gedanken das Gesicht. ­Noch war es unumgänglich, ihn bei Laune zu halten. Deshalb überwand sie sich und spielte die Liebende. Sobald sie aber in Constances Rolle geschlüpft sein würde, plante sie, Harry abzuservieren. Schon seit Tagen malte sie sich eine unbeschwerte Zukunft an der Seite eines attraktiven Mannes aus. Von ihrem Cousin wusste sie, dass er Adrian Herzog hieß.

Geraubtes Leben

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