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A Hinführung zur empirischen Forschung

1 Zum Verhältnis von Erziehungswissenschaft und Erziehungswirklichkeit

Bildungsthemen in den Medien

Themen von Bildung und Erziehung sind heute täglich in den Medien vertreten. Ohne Schwierigkeiten lässt sich eine lange Liste von öffentlich beachteten Fragen erstellen: Das unzureichende Abschneiden der deutschen Schüler in internationalen Leistungsuntersuchungen, die Probleme von Jugendlichen mit Migrationshintergrund bei der Wahl eines Ausbildungsplatzes, die Verkürzung der Dauer des Gymnasiums auf acht Jahre, die Straffung der Lehrpläne in den Schulen, die Festlegung von Bildungsstandards, die Ausbildung der Lehrer, die ganztägige Betreuung der Schüler, Probleme der Gewalt an Schulen, die Finanzierung der Lehr- und Lernmittel sowie von Klassenfahrten durch die Eltern, das Ausmaß des Analphabetismus in der erwachsenen Bevölkerung, die umfassende Förderung der Kinder nicht nur im intellektuellen Bereich, sondern auch musisch-kulturell, die unzureichende Ausstattung und fehlende Renovierung von Schulgebäuden und Hochschulen, zentrale Prüfungen und insbesondere das Zentralabitur, Studiengebühren, Exzellenzinitiativen an Universitäten, die Folgen der Kinderarmut für deren Bildungsmöglichkeiten, Sprachförderung im Kindergarten usw. Die Themen sind nahezu unerschöpflich.1

Erziehungswissenschaft und gesellschaftliche Praxis

Diese Fragen machen deutlich, dass sich die Themen der Erziehungswissenschaft auf einen weiten Bereich gesellschaftlicher Institutionen und individueller Lebensbereiche erstrecken. Sie finden darüber hinaus eine größere gesellschaftliche Aufmerksamkeit als viele andere wissenschaftliche Themen, denn die Fragestellungen der Erziehungswissenschaft beschäftigen sich mit der Gestaltung und Veränderung von Bildungs-, Sozialisations- und Erziehungsprozessen sowie den mit ihnen in Verbindung stehenden Institutionen. Insofern sind erziehungswissenschaftliche Fragen nicht nur auf eine gesellschaftliche Wirklichkeit, sondern zusätzlich auf gesellschaftliche Handlungen und Prozesse – auf eine gesellschaftliche Praxis – bezogen. Die Gestaltung gesellschaftlicher Praxis und die sich dabei ergebenden Probleme finden vor allem auch deshalb das Interesse der Öffentlichkeit, weil damit Konflikte verbunden sein können. Solche Konflikte ergeben sich häufig aus unterschiedlichen Zielen, mit denen Personen gesellschaftliche Prozesse zu gestalten beabsichtigen. Diese sind wiederum an Wertvorstellungen und Normen gebunden. Daher sind viele Auseinandersetzungen in der Politik, im Arbeitsleben sowie in anderen gesellschaftlichen Bereichen letztlich Wert- und Normkonflikte, die mit der Lebensgestaltung unlösbar verbunden sind.

Gerade Prozesse der Erziehung und Bildung sind in besonderer Weise mit Normen und Wertvorstellungen verknüpft, denn sie beziehen sich vorwiegend auf die Weitergabe gesellschaftlicher Vorstellungen an die nachwachsende Generation. Wie beispielsweise Eltern die Erziehung ihrer Kinder gestalten, welche Schulfächer und Unterrichtsinhalte für die Schulen ausgewählt werden und welche Kenntnisse für den Erwerb des Abiturs vorgeschrieben werden, ergibt sich entweder aus normativen Entscheidungen der einzelnen Eltern oder der Gesellschaft. Gesellschaftliche Vorstellungen finden sich zum Beispiel in den Schulgesetzen, die die Anforderungen für das Abitur bzw. die zu unterrichtenden Schulfächer und Unterrichtsgegenstände regeln. Zugleich wird damit aber auch über Zukunftsfragen der Gesellschaft entschieden, denn über die Ausgestaltung von Bildungseinrichtungen und -prozessen wird auch auf das Wissen und die Wertvorstellungen der Kindergeneration Einfluss genommen. Sinnfragen haben folglich für das Verständnis von Bildung und Erziehung eine große Bedeutung.

Erziehung und Bildung als individueller und gesellschaftlicher Prozess

An den genannten Beispielen wird deutlich, dass Erziehung und Bildung sich sowohl als individuelle als auch als gesellschaftliche Prozesse verstehen und analysieren lassen. Nicht nur das einzelne Kind wird erzogen, sondern jeder Geburtsjahrgang stellt die Gesellschaft vor die Aufgabe, ihn über Prozesse der Sozialisation und Enkulturation in die Gesellschaft einzugliedern. Damit ist sowohl die Akzeptanz gesellschaftlicher Normen und Prinzipien als auch die Übernahme kultureller und religiöser Werte, Vorstellungen und Praktiken gemeint. Dazu tragen neben der Familie vor allem die Bildungseinrichtungen und die in ihnen tätigen Lehrer und Erzieher bei, aber auch Vereine und andere Institutionen der Gesellschaft sind in diese Aufgabe einbezogen.

Des Weiteren sind Veränderungen in der Gesellschaft zu berücksichtigen. Durch die starke Migration in den letzten Jahren in Deutschland hat sich beispielsweise die Wahrnehmung und Bewertung der Aufgaben von Bildungseinrichtungen verändert. Weitere gesellschaftliche Veränderungen und der damit verbundene Wertewandel sind den Beteiligten häufig gar nicht bewusst. Dennoch hat dieser Wandel große Bedeutung. So wurde beispielsweise die Betreuung von Kindern in Kinderkrippen bis vor wenigen Jahren in Westdeutschland als eine „Notlösung“ für Alleinerziehende angesehen. Erst die abweichende Einstellung ostdeutscher Frauen zu diesem Thema sowie das gestiegene Interesse gut ausgebildeter Mütter in Westdeutschland, Kindererziehung und Berufstätigkeit besser zu verbinden, hat in den letzten Jahren das gesellschaftliche Interesse an einem verstärkten Ausbau von Krippenplätzen in den alten Bundesländern geweckt.

Was haben diese Überlegungen in einer Einführung in quantitative Forschungsmethoden in der Erziehungswissenschaft verloren? Sie stehen deshalb am Anfang dieser Einführung, weil eine wissenschaftliche Analyse der Erziehungswirklichkeit die Komplexität dieser Wirklichkeit berücksichtigen muss. Die mit Fragen der Erziehung und Bildung verbundenen normativen Aspekte, die Differenz zwischen Erziehung und Bildung als individuelle und gesellschaftliche Aufgabe und die möglichen Veränderungen durch Prozesse sozialen Wandels dürfen von der wissenschaftlichen Forschung nicht ignoriert werden. Dadurch wird die Analyse der Erziehungswirklichkeit aber zu einer mehrdimensionalen Aufgabe, die mit diesem umfassenden Anspruch von einem einzelnen Forschungsvorhaben nicht geleistet werden kann, wenn grundlegende Standards einer wissenschaftlichen Vorgehensweise eingehalten werden sollen. Was ist damit gemeint?

Quantitative Methoden in der Erziehungswissenschaft

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