Читать книгу Vom MILLENNIUM bis zum JAHR 2021 - Claudia Stosik - Страница 7
Millionen begrüßen das Millennium
ОглавлениеUm dem Millenniumstrubel zu entgehen, hatte ich mir fest vorgenommen, am letzten Tage des Jahres spätestens um 23.45 Uhr im Bett zu verschwinden. Aber dann kam es doch anders. Freunde hatten mich überredet, Silvester gemeinsam mit ihnen in einer Wohnung am Altmarkt zu verbringen, weniger zu feiern, nur zu verbringen, sozusagen auf einem Logenplatz, der uns einen hervorragenden Überblick über das Jahrtausendspektakel in Aussicht stellte. Trotzdem stiegen wir in den Stunden vor Mitternacht noch einmal von unserem Olymp herab, um uns unter das Volk zu mischen, von dem am Neujahrstage im Fernsehen gemeldet wurde: Millionen begrüßen weltweit mit Begeisterung das Millennium 2000.
Auch im Dresdener Stadtzentrum war das so, da wurden Tausende sich drängender Menschen ohne eigenes Zutun hin- und hergeschoben in der Erwartung, dass irgendetwas Außergewöhnliches passiert. Aber es passierte nichts, sieht man einmal davon ab, dass besonders einfallslose Individuen sich selbst eine besondere Art von Freude bereiteten, indem sie fortwährend Knaller aller Größenordnungen entzündeten und diese wahllos unter die Massen schleuderten, was bei mir zu zeitweiligen Störungen des Gehörs führte. Aber zum Glück gehen ja die Ansichten darüber, was Freude ist, weit auseinander.
Andere wiederum, hatten sich in Erwartung weiterer Höhepunkte vor einer Mini-Bildwand eingefunden, auf der zwei ziemlich bekannte Mimen ihre gleichfalls bekannten Späße zum Besten gaben, was in dem allgemeinen Getöse kein Mensch verstehen konnte. Aber sie waren dabei. Dabei waren sie auch, um den zahlreichen, lautstark tönenden und dröhnenden Gruppen zu lauschen, welche sich mühten, auf ihre Weise musikalische Festtagsfreude zu vermitteln. Zusammen mit dem Knallen der Knaller, dem Zischen der Raketen, dem Klirren der auf dem Pflaster zerschepperten Getränkeflaschen und den von den begeistert das Millennium begrüßenden Massen produzierten Hintergrundgeräuschen, ergab das einen der Bedeutung des Tages angemessenen, infernalischen akustischen Effekt. Es war wie eine musikalische Zukunftsvision, die sich in dieser Nacht, gleichermaßen wie eine Sinfonie auf das neue Millennium über der Stadt ausbreitete, was zu erkennen, aber vermutlich nur wenigen Erleuchteten vergönnt war.
Ein Blick auf den Altmarkt in den Morgenstunden des 1. Januar 2000 zeigte im fahlen Licht des anbrechenden Millenniums zwei graue Gestalten, die den Müll nach Getränkeflaschen durchsuchten, die der Zerstörungswut entgingen.
Es war trotzdem ein schönes Fest. Die Menge produzierten Mülls ist dafür ein objektiver Maßstab.
2. Januar 2000
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