Читать книгу Der wunderbare Garten der Druiden - Claudia Urbanovsky - Страница 4
ОглавлениеEinführung Die Heiligen Kräfte der Pflanzen
Mit dem Schmelzen der Eisdecken und dem Ansteigen der Meere, die riesige Landmassen unter ihren Wassern begruben, sahen unsere Vorfahren sich vor etwa 10.000 Jahren gezwungen, ihren Lebensstil einschneidend zu verändern, um zu überleben. Aus den wandernden Jägern und Sammlern wurden sesshafte Hirten und Bauern. Diese neue Sesshaftigkeit sicherte ihnen zwar erneut eine Existenz, brachte ihnen aber auch neue Gefahren, insbesondere in Form von Krankheitserregern, die durch die neuen Haustiere – Geflügel, Pferde, Rinder und Schweine – übertragen wurden. Und durch die plötzliche ständige Nähe zum Menschen gelangte gleichfalls Tierkot ins Trinkwasser – eine Quelle für neue Infektionskrankheiten wie Cholera oder Typhus. Vermutlich waren die Reaktionen auf diese neuen Gefahren der Sesshaftigkeit die ersten Anfänge gezielter Heilmethoden, die aus einer Anwendung von Heilkräutern, magischen Praktiken und schamanistischen Ritualen bestanden.
Die ersten Aufzeichnungen über angewandte Therapien und medizinische Praktiken stammen von den Sumerern in Mesopotamien und werden auf rund 3000 Jahre vor der Zeitrechnung datiert, sie sind heute also 5000 Jahre alt. Die Assyrer, die an den Ufern des Tigris sesshaft wurden, hinterließen auf Keilschrifttafeln gleichfalls medizinisches Wissen. Bereits 800 Jahre vor der Zeitrechnung wurde im Garten des Königs von Babylon, Marduk, eine Heilpflanzenzucht angelegt, die neben Knoblauch und Zwiebel auch Schlafmohn, Myrrhe, Kümmel und Fenchel enthielt.
Zur Anwendung von Heilpflanzen durch die ägyptische Hochkultur geben der berühmte Ebers-Papyrus und der Smith-Papyrus Auskunft. Der Smith-Papyrus stammt aus einer Entdeckung in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts und behandelt Wunden, Abszesse, Knochenbrüche und deren medizinische Versorgung. Der im 19. Jahrhundert entdeckte 20 Meter lange Ebers-Papyrus listet 880 Rezepte und Heilmittel auf und wurde etwa 1800 Jahre vor der Zeitrechnung geschrieben, ist heute also beinahe 4000 Jahre alt. Im Laufe dieser Jahrtausende kannte die Naturmedizin große kulturelle Höhepunkte, aber auch wilde Irrwege. Da es damals nicht die Möglichkeiten gab, durch chemische Verfahren und Analysen herauszufinden, welche Bestandteile eine Pflanze hatte, wurden Selbstexperimente durchgeführt. Viele solcher Versuche endeten erfolglos, genauso viele höchstwahrscheinlich mit dem Tod des Experimentierenden. Andere wurden zwar nicht von dem erwarteten Erfolg gekrönt, zeigten aber trotzdem Wirkungen, die entweder größte Verwunderung oder tiefen Respekt hervorriefen. Aus diesem Grund wird auch an dieser Stelle gewarnt, allzu große Experimentierfreude zu entwickeln, ohne sich über die Gefahr der Wirkungsweise bewusst zu sein!
Für unsere Vorfahren, die eines Tages die Blätter oder Blüten des Mädesüß – Filipendula ulmaria L. – kauten, war sicherlich die plötzliche Erkenntnis erstaunlich und verwirrend, dass diese Pflanze, die in ihrer täglichen Umgebung wuchs, eine Wirkung ausübte, die heute entzündungshemmend, harntreibend und fiebersenkend genannt wird. Zu dieser Zeit war niemandem bekannt, dass Filipendula ulmaria L. Acetylsalicylsäure, Gaultherin und Heliotropin enthält, Bestandteile, die sich heutzutage vor allem in fiebersenkenden und schmerzstillenden Mitteln wie Aspirin finden lassen.
Es gilt als erwiesen, dass die Druiden zumindest eine ebenso große Anzahl von Heilpflanzen kannten wie die Ägypter oder die griechischen, römischen, chinesischen und arabischen Ärzte der Antike. Insbesondere Apuleius und Pedianos Dioscorides nahmen in ihren medizinischen Werken direkt Bezug auf viele dieser von den Druiden eingesetzten Pflanzen und verwendeten gar neben den lateinischen und griechischen Bezeichnungen deren keltisch-gallische Namen. Auch Marcellus Burdigalensis zitiert in seinem Werk noch die keltisch-gallischen Namen der Heilkräuter. Eine solche Anhäufung von Fachausdrücken in einer Sprache, die nicht die Muttersprache der jeweiligen Autoren war – insbesondere bei Ärzten, die das Renommee eines Dioscurides oder Apuleius besaßen –, unterstrich in jener Zeit den hohen wissenschaftlichen Standard der Druiden auf dem Gebiet der Medizin und der Pharmakologie. Fachausdrücke werden für gewöhnlich nur dann in anderssprachliche Werke aufgenommen, wenn die dortigen Wissenschaftler anerkannte Autoritäten des jeweiligen Gebietes sind!
Das druidische Verständnis von der Wirkung einer Heilpflanze war zwar dem der Griechen und Römer nicht unähnlich, doch ein ganz anderes als das der heutigen Phytotherapeuten und Ärzte. Diese setzen Pflanzen von Ausnahmen abgesehen in erster Linie dazu ein, um gegen etwas zu wirken. Damit unterstreichen sie insbesondere deren grobstoffliches Potential, ähnlich, wie es auch Plinius der Ältere bereits im Einführungstext für den 20. Band seiner »Historia Naturalis« – »Von der Tugend der Pflanzen« – tat.
«Hier wollen wir einige der wunderbarsten Produkte der Natur studieren. In dieser kurzen Abhandlung werden wir mit dem Menschen über diese Lebensmittel und ihre Kräfte auf eine solche Weise reden, dass er wird sehen können, wie groß seine Unwissenheit über Dinge ist, die ihm das Leben möglich machen und die ihm die Krankheiten, die ihn befallen, behandeln helfen . … Ich werde über Abneigungen und Bindungen zwischen Dingen reden, die stumm sind und keine Gefühle haben und bei denen der Mensch – was ihn sicher erstaunen und verwundern wird – zum Schluss stets der Nutznießer ist. Es handelt sich um das, was die Griechen Sympathie und Antipathie nannten.«
Heilpflanzen werden in der Pharmaindustrie heute lediglich als eine Art chemische Fabrik angesehen, die bestimmte Inhaltsstoffe produzieren kann, die wiederum eine bestimmte Wirkung auf den menschlichen Körper haben. Die aktuelle Phytotherapie, d.h. der Gebrauch von Arzneimitteln mit Substanzen pflanzlicher Herkunft, ist nicht das Gegenteil der Chemotherapie mit ihren synthetischen Wirkstoffen, sondern ihre Ergänzung und Erweiterung. Beide bauen auf den gleichen chemischen Wirkprinzipien auf. Die moderne Phytotherapie ist vollkommen frei von allen philosophischen Aspekten und muss als reine Naturwissenschaft angesehen werden. Sie unterscheidet sich hier tiefgreifend von der Anthroposophie eines Steiner oder der Homöopathie eines Hahnemann, obwohl die verwendeten pflanzlichen Wirkstoffe oftmals dieselben sind.
Für die Druiden hatten Heilpflanzen jedoch neben diesem grobstofflichen Potential auch noch ein energetisches und damit feinstoffliches Potential, das im Labor nicht erfasst werden kann. Heilpflanzen enthalten zwar chemische Stoffe genau wie synthetische Arzneimittel. Aber man hat es immer mit einer Art »Kombinationspräparat« zu tun, was die Druiden auf ihre Weise auch genau erkannten. Dieses »Kombinationspräparat« bestand auch in ihrem Weltbild aus einer Mischung von bestimmten Stoffen, die sich gegenseitig in ihrer Wirkung ergänzen oder das Präparat für den Menschen verträglicher machen. Allerdings lag hier der Schwerpunkt eben auf der Kombination grobstofflicher und feinstofflicher Elemente. Insbesondere dieses feinstoffliche Potential einer Heilpflanze hatte für die Druiden-Ärzte der Protokelten und Kelten aber oftmals eine größere Bedeutung als ihre chemisch wirksamen Inhaltsstoffe!
Viele Heilpflanzen dienten den Druiden nicht nur in der Medizin, wo sie z.B. als Tee oder Pulver eingenommen wurden oder in Bädern, Abreibungen und Umschlägen Verwendung fanden, sondern gleichzeitig als magische Amulette – auf die kranke Stelle aufgelegt, ständig am Körper getragen oder an einem für den Patienten wichtigen Ort angebracht (z.B. im Haus, über einer Schlafstätte).
Die Druiden sahen Krankheiten immer auch als Übel an, die mit dem Einwirken feindlicher dämonischer Kräfte zusammenhingen, denen man ebenbürtige positive Kräfte entgegensetzen musste. Ihre Form der ganzheitlichen Medizin besaß einen ausgesprochen starken magischen Bezug: Krankheit, Behandlung, Heilung und Magie waren für einen Druiden immer untrennbar miteinander verwoben. Darum war es für ihn undenkbar, nur das grobstoffliche Element einer Pflanze in Betracht zu ziehen, wenn er gegen eine starke feindlich gesinnte Kraft ankämpfen musste, die dem Patienten Schaden zufügte. Wenn der Druide folglich eine oder mehrere Pflanzen einsetzte, dann setzte er hier – gegen den Feind Krankheit – auch den oder die freundlich gesinnten Wesenheiten ein, die in seinem Weltbild die Essenz der Pflanzen ausmachten.
Die Druiden hatten bei ihren schamanistischen Reisen in die Geisterwelt erkannt, dass jede Pflanze außer ihrem chemischen Inhaltsstoff auch noch einen Energiekörper besitzt, der zusätzliche heilende Kräfte ausstrahlt. In späterer Zeit, als das alte Wissen in einen christlichen Mantel gepackt werden musste, tradierte man diesen Energiekörper gerne als Fee, Elfe oder ein anderes sagenhaftes Geschöpf und versteckte die heilende Eigenschaft der Pflanze in einer meist noch viel sagenhafteren Erzählung, die allerdings für den Eingeweihten bis in die heutige Zeit noch immer verhältnismäßig leicht zu deuten ist, wenn er zwischen den Zeilen zu lesen vermag.
Wolf-Dieter Storl, der im Allgäu lebende Ethnobotaniker und Kulturanthropologe, bezeichnet dieses feinstoffliche Element, den Energiekörper der Heilpflanze, in einem seiner Bücher als »Pflanzendeva«181 – Pflanzengottheit. Mit diesem Ausdruck trifft Storl natürlich den Kern der Sache und darum hat sich dieser Begriff auch gemeinhin eingebürgert. Doch mir persönlich ist er zu »orientalisch«. Ich ziehe es vor, wie Philipus Theoprastus Bombast von Hohenheim – Paracelsus – von der Pflanzenseele zu sprechen. Paracelsus sagte zu Recht: »Daher ist nicht in dem, den der Mensch erwählt, sondern in dem, den Gott erwählt, die Arznei. Er kennt den Arzt in seinem Herzen und achtet nicht auf seinen Grad, auf seine Hochschule, auf seinen Pomp, auf seinen Namen, auf sein Brief und Siegel, sondern er achtet auf den Barmherzigen und dem gibt er die Arznei.« Paracelsus stand ganz und gar in der druidischen Tradition und hätte bei den weißen Brüdern Galliens gewiss Anerkennung gefunden, denn ihm reichte das Bücherwissen nicht aus. Auf seinen Reisen beobachtete er die Natur und den Himmel und fand dort die Offenbarung des Göttlichen.
Genauso wichtig, wie den Druiden der ganzheitliche Charakter der Heilpflanzen war, sollte er auch uns wieder sein. Heute steht die Naturmedizin nicht am Ende einer langen Tradition, sondern ist in eine neue und vielversprechende Phase getreten. Möglich wurde dies nicht zuletzt durch moderne Labortechniken wie Chromatographie oder Photometrie, aber auch und nicht zuletzt durch ein gesteigertes Gesundheitsbewusstsein in der Bevölkerung. Der Kreis schließt sich!
Natürlich entsprechen viele der traditionellen Heilpflanzen nicht den Ansprüchen der modernen Medizin, da die von den Laboratorien der Pharmakonzerne isolierten Inhaltsstoffe entweder unwirksam sind oder sogar gesundheitsschädlich sein könnten. Der Echte Beinwell z.B. ist eine sehr alte Heilpflanze und seine wundheilende, adstringierende Wirkung beruht besonders auf seinem Allantoingehalt. Neuere Untersuchungen haben allerdings gezeigt, dass er auch Pyrrolizidinalkaloid enthält, das mutagen bzw. kanzerogene Effekte haben könnte. Der Echte Beinwell hat zwar nur eine Konzentration von etwa 0,02 bis 0,07% dieser Pyrrolizidinalkaloide, was nach volksmedizinischer Tradition weit unterhalb der Grenze liegt, die für den Menschen als gefährlich betrachtet werden muss. Schulmedizinisch wird seine innerliche Anwendung bei entzündlichen Magen-Darm-Beschwerden jedoch trotzdem nicht mehr empfohlen. Manche europäische Länder gehen gar so weit, den Echten Beinwell auf die schwarze Liste zu setzen.
Die US-amerikanische Food And Drugs Administration (FDA) hat im August 2001 nicht gezögert, die Pflanze gar zur Giftpflanze zu erklären. Die kanadische Federal Trade Commission (FTC) ging gar auf gerichtlichem Wege gegen einen Hersteller von phytotherapeutischen Produkten auf Beinwellbasis vor. In Frankreich, dessen freie Liste für Heilpflanzen mit nur 37 Pflanzen die restriktivste von ganz Europa ist und wo nicht gezögert wird, einen Verkäufer von Zinnkrauttee, der nicht Apotheker ist, wegen unerlaubter Ausübung der Heilkunde vor Gericht zu zerren und zu verurteilen183, ist Beinwell verschreibungspflichtig. Dem zum Trotz, die Giftigkeit der Pflanze Beinwell konnte bis heute nur in solch haarsträubenden Dosen nachgewiesen werden, dass es für einen normalen Menschen geradezu unmöglich ist, sie zu sich zu nehmen, nicht einmal im Rahmen einer Rosskur! Ähnliches gilt in der alternativen Tiermedizin, wo Beinwellumschläge gerne bei schlecht heilenden Knochenbrüchen oder Wunden eingesetzt werden. Solange man sich also an die alte Maßregel hält, Beinwell innerlich nicht über einen längeren Zeitraum als vier bis sechs Wochen einzunehmen und auch nur dann, wenn man kein Nierenleiden hat, muss man weder mit größeren Risiken noch mit irgendwelchen Nebenwirkungen rechnen. Und bei äußerlicher Anwendung, in Form von Pomaden, Cremes oder Umschlägen, ist Beinwell geradezu ein Wundermittel gegen Verstauchungen, Prellungen und Zerrungen – ein preisgünstiges Wundermittel ohne jegliche Nebenwirkungen!
Auf der anderen Seite fand man aber auch bis jetzt unbekannte Heilpflanzen oder grub vergessene wieder aus, die z.B. gegen Erkältungen oder Heuschnupfen sehr wirksam sind. Als kurzes Beispiel an dieser Stelle sei die Pestwurz – Petasites officinalis – genannt, die gegen Heuschnupfen genauso gut hilft wie die herkömmlich eingesetzten Antihistaminika. Dies wurde von Schweizer Ärzten im Jahre 2005 in einer Vergleichsstudie ausgetestet. Die Schweizer scheinen, was ihr Ärztekorps angeht, im Bereich der Verabreichung von Heilpflanzen statt allopathischer Mittel sowieso eines der experimentierfreudigsten Völker zu sein: Bei dem oben erwähnten Versuch erwies sich das Pestwurz-Präparat auch noch als besonders gut verträglich, denn keine der 70 Versuchspersonen klagte über Müdigkeit, eine der bekanntesten und unangenehmsten Nebenwirkungen vieler chemischer Antihistaminika.
Von den schätzungsweise 400.000 Pflanzenarten, die auf unserer Erde wachsen, wurden bis heute nur etwa 10 Prozent auf ihre Inhaltsstoffe untersucht. Dieses enorme genetische Potential ist eine echte Herausforderung an die Wissenschaft, um neue biologisch wirksame Substanzen zu finden, und gleichzeitig eine Hoffnung im Kampf gegen bis jetzt unheilbare Krankheiten.
Eine Heilpflanze besitzt nicht nur pharmakologische Eigenschaften und chemisch wirksame Inhaltsstoffe. Das beste Beispiel hierfür sind die zahllosen kommerziellen Produkte auf der Basis von Johanniskraut – Hypericum perforatum –, die in einer Studie des Instituts für Pharmazeutische Chemie der Universität Frankfurt unter Professor Manfred Schubert-Zsilavecz durchgefallen sind. Nur eines von zwölf getesteten gängigen Hypericum-Präparaten entsprach in der Wirkstoffzusammensetzung annähernd den gesetzlichen Anforderungen, die Wirksamkeit, Qualität und Unbedenklichkeit definieren. Alle anderen Mittel waren hoffnungslos unterdosiert. Selbst bei den hochdosierten kam es durch die Lagerung der Pillen zu einer erheblichen Veränderung der Inhaltsstoffe.
Gerade pflanzliche Heilmittel können in ihrer Zusammensetzung stark variieren, weil die Herstellung nicht nur ziemlich komplex, sondern auch von vielen anderen Faktoren abhängig ist. Manche dieser Faktoren sind mit den Mitteln der Wissenschaft einfach nicht greifbar! Selbstverständlich könnte man jetzt kontern, dass die elf in der oben genannten Untersuchung durchgefallenen Produkte eben einfach nicht genügend Hyperforin enthalten – jenen chemisch erfassten grobstofflichen Bestandteil von Hypericum, der im Gehirn die stimmungsaufhellenden Prozesse in Gang setzt, die aus dieser Heilpflanze bei leichten bis mittelschweren Depressionen, bei Nervosität und Angstzuständen einen selbst von der Schulmedizin anerkannten nebenwirkungsfreien Helfer gemacht haben. Aber darauf allein beschränkt sich die mangelnde Wirksamkeit eben nicht.
Johanniskraut hat als Sonnenpflanze, die Belenos, dem Strahlenden, geweiht ist, auch einen ganz betont energetischen Charakter. Wer einmal die Möglichkeit hatte, gegen seine winterliche Depression Johanniskraut einzunehmen, das zur Zeit des höchsten Sonnenstandes im Jahreskreis184 gesammelt wurde, wird dies ohne zu zögern bestätigen können. In der druidischen Tradition wurde Hypericum immer nur genau zu diesem Zeitpunkt abgesammelt185, in dem das feinstoffliche Element – die Pflanzenseele – aufs engste mit der Sonne, ihrem Schöpfer Belenos, verbunden ist. Diese Verbindung ist es, die die Heilkraft von Johanniskraut ganz entscheidend stärkt!
Solche Details stellten das eigentliche geheime Wissen der Druiden-Ärzte dar, die sich darauf spezialisierten, mit Hilfe von Pflanzen den Energiekörper des Patienten wieder deckungsgleich mit seinem physischen Körper zu machen. Viele davon haben sich – wenn auch oft leider nur in verfremdeter oder karikaturartiger Form – in der Volks-und Bauernweisheit erhalten. Manche, die besonders unausrottbar erschienen und im Volk einfach zu fest verankert waren, wurden gar von der christlichen Kirche in Bräuche an speziellen Festtagen integriert, um ihnen den rechten »doktrinären« Anstrich zu verpassen.
Auch wenn wir oftmals im Stillen bedauern, wie die Vertreter der römischen Kirche in ihrem Wahn vorgegangen sind, der ganz besonders von der Feindschaft gegen die Sinnlichkeit und Lebensfreude der Natur als solcher geprägt war, so macht es uns doch schmunzeln, wie viel »Heidnisches« gerade im Bereich der Heilkräuter überlebt hat. Wer sich einmal die Mühe macht, Eva Aschenbrenners »Die Kräuterapotheke Gottes« zur Hand zu nehmen oder einen Blick auf Maria Trebens fast schon legendäre »Gesundheit aus der Apotheke Gottes« zu werfen, wird dies auch für sich selbst feststellen können. Im Vorwort zu ihrem Buch schreibt Maria Treben, dass sie bei ihren Erfahrungen mit Heilkräutern das Gefühl hatte, eine höhere Macht würde sie lenken und leiten. Es ist nur wenig verwunderlich, dass sie diese höhere Kraft für sich selbst ohne zu zögern und umgehend als Maria, die Gottesmutter, identifiziert. Genauso wie Eva Aschenbrenner, die aus dem oberbayerischen Kochel am See im Landkreis Tölz stammt, war Maria Treben eine tiefgläubige Katholikin. In gleicher Weise war sie das Produkt einer Region, in der der Marienkult seit Jahrhunderten ganz besonders dominant ist. Und dieser Marienkult ist tief in der vorchristlichen Religiosität verwurzelt und ein deutliches Merkmal all jener Gegenden, in denen das einfache Volk trotz der Vernichtung der keltischen Hochkultur und der Vertreibung ihrer wichtigsten Vertreter – der Druiden – in den Untergrund nur ganz allmählich zum Christentum bekehrt werden konnte. Maria als Gottesmutter und Himmelskönigin ist hier einfach an die Stelle der keltischen Göttin, der Großen Mutter, getreten. Der Kulturanthropologe Robert Redfield188 bezeichnet diese Volkskultur im Gegensatz zur Hochkultur – »big tradition« – als die »little tradition«. Und in ihr ist praktisch die ungebrochene Kontinuität der keltischen Gebräuche und Weisheiten der Druiden bis zum heutigen Tag gewährleistet.
In den Kräutern ist die ganze Kraft der Welt enthalten. Wer ihre geheimen Fähigkeiten kennt, ist allmächtig, so heißt es bereits in den vedischen Hymnen, den ältesten Schriften der Inder. Dasselbe Leitmotiv darf auch für die Druiden Galliens gelten, die sowohl als Ärzte als auch als Kräuterkundige in der antiken Welt einen herausragenden Ruf besaßen.