Читать книгу Taiwan Outdoor Reiseführer - Claudius Petzold - Страница 23
3. Friedlicher Wandel und Aufarbeitung der Diktatur
ОглавлениеNach dem Tod Tschiang Kai Sheks kam dessen Sohn Tschiang Chingkuo an die Macht. Unter Tschiang Kai Shek war Taiwan eine harte Diktatur, zu seinem Glück eine antikommunistische, also gute Diktatur, was ihr lange Zeit westliche Unterstützung sicherte. Staat, KMT und Tschiang Kai Shek waren gerade zu Beginn letztlich eine Einheit, die KMT wurde durch Bereicherung eine der reichsten Parteien weltweit. Auch wenn sich Taiwans Struktur als Diktatur nicht änderte, öffneten sich die Verhältnisse langsam. Unter dem neuen Präsidenten Lee Tenghui, der noch zur Nationalistenpartei KMT zählte, setzte ab 1990 eine allmähliche Demokratisierung ein. Zunächst hob er die Temporary Provisions Effective During the Period of Communist Rebellion, Normen die die Verfassung außer Kraft gesetzt hatten, auf. Ohne die Leistungen der damaligen oppositionellen DPP-Politiker zu schmälern, ohne Lee wäre der demokratische Übergang nicht so schnell gelungen. Er wurde daher 1996 in einer freien Wahl als Präsident gewählt. Dann kam es zu mehreren demokratischen und friedlichen Wechseln von der KMT zur DPP (2000 bis 2008), KMT (2008 – 2016), DPP (ab 2016).
Hier liegt der wesentliche Unterschied zu anderen Systemwechseln, dieser erfolgte von innen von der Regierungspartei, wenn auch unvermeintlich auf inneren und äußeren Druck – aber doch freiwillig. Es gibt keinen konkreten Zeitpunkt, ab wann Taiwan zur realen Demokratie wurde, weil es einer langer Prozess war. Man kann den Zeitpunkt 2000 ansetzen, als die DPP erstmals gewählt wurde, oder auch 2008 als die KMT wieder friedlich an die Macht kam. Der Übergang zum Rechtsstaat dauerte lange, schon weil alte Eliten und ältere Personen (Polizisten, Politiker, Richter), die unter der Diktatur sozialisiert waren, noch im Amt blieben.
Die derzeitige Regierung versucht mit der Übergangsjustiz (Transitional Justice) vergangenes Unrecht wieder gut zu machen. Neben der Forschung der Geschehnisse während des Weißen Terrors und Wiedergutmachung beabsichtigt sie, der KMT unrechtmäßig erworbenes Vermögen zu entziehen. Entsprechend den deutschen Erfahrungen soll dies mit Hilfe der Beweislastumkehr geschehen. Die KMT soll beweisen, welches Vermögen rechtmäßig erworben wurde. Teils wurde Vermögen eingefroren, wodurch die KMT kurzfristig in Zahlungsschwierigkeiten kam. Man sollte nicht einfach deutsche Regelungen übertragen, weil unterschiedliche Sachlagen auch unterschiedliche Regelungen erfordern. Die KMT war sehr lange an der Macht, sie hat ihre unrechtmäßige Position Mitte der 90er verloren. 20 Jahre danach Regelungen anzusetzen, die Deutschland zeitnah nach der Wende verwendete, ist der berühmte Äpfel-Birnen-Vergleich. Eine solche Beweisführung ist faktisch unmöglich. Außerdem ist die KMT anders als die PdS eine wichtige Partei in einem Zweiparteiensystem, fällt sie weg, wird Taiwan zur ... D.h. die KMT darf schon strukturell nicht beschädigt werden, auch wenn sie aus einer historischen Sicht nicht ganz so sympathisch wirkt. Mittlerweile ist sie allerdings ein recht normale Partei geworden, die Ansichten innerhalb eines demokratischen Spektrums vertritt und den Absolutheitsanspruch aufgegeben hat. Die Übergangsjustiz hat schon einen Geschmack, weil sich die unabhängigkeitsnahe DPP nicht um das Unrecht kümmert, dass den Ureinwohnern angetan wurde und sogar die Existenz einiger Stämme bedroht. Im Gegenteil, sie beschneidet Rechte der Ureinwohner und erleichtert es vehement taiwanischen Firmen, umweltschädliche Aktionen im traditionellen Stammesgebiet durchzuführen. Grund für diese Doppelmoral mag sein, dass sich die unabhängigsnahen DPPler als die wirklichen Taiwaner fühlen, die jahrhundertelang unter Unterdrückung litten. Der Gedanke, selbst Unrecht getan zu haben (und weiterhin nicht allzu viel dagegen zu tun), passt da nicht in den Opfermythos.