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XII. Kapitel

81.

1. Basileides sagt im 23. Buch seiner Bibelerklärung von denen, die als Märtyrer Strafe erleiden, wörtlich folgendes:2500

2. „Denn ich behaupte freilich, daß alle, die in die sogenannten Drangsale geraten, sich in anderen Stücken, ohne daß es bekannt geworden wäre, verfehlt und versündigt hatten und deshalb in die für sie glückliche Lage kommen, indem sie durch die Güte Gottes, der ihr Geschick lenkt, wirklich bald der einen, bald der anderen Verfehlungen angeklagt werden, damit sie nicht auf Grund zugestandener Vergehen für schuldig erklärt werden und Strafe erleiden müssen und auch nicht wie der Ehebrecher und der Mörder, sondern nur weil sie Christen sind, geschmäht werden,2501 und das wird sie trösten, so daß ihnen ihr Leiden gar nicht fühlbar wird.

3. Und wenn einer, ohne überhaupt gesündigt zu haben, in die Bedrängnis gerät, so kommt das zwar nur selten vor; aber auch ein solcher wird nicht durch die Nachstellung einer bösen Gewalt etwas leiden; sondern er wird leiden, wie das Kind litt, das, wie es scheint, überhaupt nicht gesündigt hat.“

82.

1. Dann fährt er fort und fügt noch hinzu: „Wie also das unmündige Kind, das entweder überhaupt nicht gesündigt hat oder zwar mit der Tat keine Sünde begangen hat, aber das Sündigen (als Anlage) in sich trug, eine Wohltat empfängt, wenn es dem Leiden unterworfen wird, indem ihm dadurch viel Unangenehmes erspart wird, so erleidet auch ein Vollkommener, wenn er zuvor keine Tatsünden begangen hat und doch leiden muß, das, was auch immer er erleiden mag, in ähnlicher Weise wie das Kind; denn er hatte zwar in sich die Anlage zum Sündigen; aber weil er keinen Anlaß zum Sündigen bekam, sündigte er nicht. Deshalb ist es ihm nicht hoch anzurechnen, daß er nicht sündigte.

2. Denn wie derjenige, der die Ehe brechen will, ein Ehebrecher ist,2502 auch wenn ihm der Ehebruch nicht gelingt, und derjenige, der einen Mord nicht begehen will, ein Mörder ist, auch wenn er den Mord nicht begehen kann, so werde ich auch den Sündelosen, von dem ich spreche, dann, wenn ich ihn leiden sehe, mag er auch nichts Böses getan haben, doch böse nennen, weil er sündigen wollte. Denn alles will ich eher sagen, als daß ich zugebe, die Vorsehung sei ungerecht zu nennen.“

83.

1. Dann fährt er fort und spricht von dem Herrn geradezu wie von einem Menschen: „Wenn du jedoch alle diese Erwägungen unbeachtet lässest und mich vielleicht mit dem Hinweis auf irgendwelche Personen widerlegen willst, indem du sagst: Der und der hat also gesündigt, denn er hat gelitten, so werde ich, wenn du gestattest, erwidern: Er hat zwar nicht gesündigt; er war aber dem Kinde ähnlich, das litt; wenn du jedoch das Gespräch mit Gewalt noch weiter führen willst, so werde ich sagen, ein Mensch, wen immer du auch nennen magst, sei eben ein Mensch, und gerecht sei nur Gott; denn ‘niemand ist’, wie einer gesagt hat ‘rein vom Schmutze’2503.“

2. Aber Basileides geht eben von der Annahme aus, daß die Seele zuvor in einem anderen Leben gesündigt habe und hier die Strafe dafür erleide, und zwar die auserwählte Seele ehrenvoll durch das Martyrium, die andere, indem sie durch die ihr angemessene Strafe gereinigt werde. Wie kann aber dies wahr sein, da es doch in unserer Macht steht, zu bekennen und bestraft zu werden oder nicht? Denn die Vorsehung, von der Basileides redet, kann bei dem, der leugnet, nicht mehr bestehen.

84.

1. Ich frage ihn daher hinsichtlich des in Haft genommenen Bekenners, ob er nach dem Willen der Vorsehung Zeugnis ablegen und bestraft werden wird oder nicht; denn wenn er leugnet, wird er nicht bestraft werden.

2. Wenn er (Basileides) auf Grund des Ausganges auch behaupten wird, daß dieser nicht gestraft werden durfte (daß es von vorneherein von der Vorsehung bestimmt war, daß er nicht bestraft werden darf), so wird er damit zugleich gegen seinen Willen bezeugen, daß es eine Wirkung der Vorsehung sei, wenn diejenigen, die leugnen wollen, verlorengehen.

3. Wie soll dann aber noch der herrlichste Lohn im Himmel dem, der Zeugnis ablegte, eben wegen dieses Zeugnisablegens aufbewahrt sein? Wenn aber die Vorsehung den seiner Anlage nach zum Sündigen Geneigten nicht zum Sündigen kommen ließ, so wird sie nach zwei Seiten hin ungerecht, sowohl dadurch, daß sie den nicht rettete, der wegen seiner Gerechtigkeit zur Strafe geschleppt wurde, als auch dadurch, daß sie den rettete, der Unrecht tun wollte, wobei dieser schon Unrecht tat, indem er es tun wollte, die Vorsehung die Ausführung aber verhinderte und sich wider das Recht dessen annahm, der sündigen wollte.

85.

1. Denn wie sollte er nicht gottlos sein, wenn er den Teufel zu Gott macht, den Herrn dagegen einen sündigen Menschen zu nennen wagt?2504 Denn der Teufel versucht uns, weil er zwar weiß, was wir sind, aber nicht weiß, ob wir standhalten werden. Er versucht uns aber, weil er uns vom Glauben losreißen und in seine Gewalt bringen will. Dies zu tun ist ihm aber nur deswegen gestattet, einmal weil wir auf Grund eigener Entscheidung gerettet werden sollen, indem wir vom Gesetz den Antrieb dazu erhalten, sodann weil derjenige beschämt werden soll, der versuchte und dabei nichts erreichte, ferner wegen der Stärkung der Glieder der Kirche und wegen des Gewissens derer, die unsere Geduld bewundern.

2. Wenn aber das Martyrium eine Vergeltung durch Strafe ist, so ist das auch bei dem Glauben und bei der Lehre der Fall, derentwegen es zum Martyrium kommt; so führen also diese die Strafe mit herbei; das ist aber doch der größte Widerspruch, den es überhaupt geben kann.

3. Aber gegen jene Lehren, über die Frage, ob die Seele von einem Körper in den andern wandert, und über den Teufel wird zu seiner Zeit geredet werden; für jetzt wollen wir zu dem Gesagten noch folgendes hinzufügen: Wo bleibt da noch der Glaube, wenn das Martyrium infolge der Vergeltung für früher begangene Sünden eintritt, und wo die Liebe zu Gott, die der Wahrheit wegen verfolgt wird und standhält, und wo Lob für den Bekennenden und Tadel für den Leugnenden, und wozu ist noch nütze der rechte Lebenswandel und daß man seine Begierden abtötet2505 und nichts Geschaffenes haßt?

86.

1. Wenn wir aber, wie Basileides selbst sagt, als erste Gabe durch den sogenannten Willen Gottes es empfangen haben, daß wir alles lieben, weil alles in Beziehung zum All steht, und als eine zweite, daß wir nichts begehren, und als eine dritte, daß wir durchaus nichts hassen,2506 so werden mit Willen Gottes auch die Strafen verhängt werden; das zu denken wäre aber gottlos.

2. Denn weder litt der Herr mit Willen des Vaters, noch werden die Verfolgten mit Willen Gottes verfolgt; denn dann müßte eines von beidem der Fall sein: entweder wird eine Verfolgung etwas Gutes sein, weil sie durch Gottes Willen veranlaßt ist, oder diejenigen, die eine Verfolgung verhängen und Bedrückung üben, werden straflos sein.

3. Nun geschieht aber doch nichts ohne den Willen des Herrn der Welt. Es bleibt also nur übrig, zusammenfassend zu sagen, daß solcherlei sich zuträgt, indem Gott es nicht verhindert; denn diese Auffassung allein wahrt sowohl die Vorsehung als auch die Güte Gottes.

87.

1. Man darf also nicht glauben, daß er selbst die Bedrückungen bewirke; denn ein solcher Gedanke möge fern bleiben; es geziemt sich vielmehr, überzeugt zu sein, daß er diejenigen, die sie bewirken, nur nicht hindere und daß er die vermessenen Taten der Widersacher zum Guten kehre.

2. „Ich werde“ so heißt es ja, „seine Mauer niederreißen, und er (der Weinberg) soll zertreten werden.“2507 Und eine solche Wirkung der Vorsehung ist ein Stück seiner Erziehungskunst, bei den anderen wegen der eigenen Sünden jedes einzelnen von ihnen, bei dem Herrn aber und den Aposteln wegen unserer Sünden.

3. So sagt der göttliche Apostel: „Denn dieses ist der Wille Gottes, eure Heiligung, daß ihr euch der Unzucht enthaltet, daß jeder von euch sein eigenes Eheweib in Heiligkeit und Ehrbarkeit zu gewinnen wisse, nicht in der Leidenschaft der Begierde wie die Heiden, die den Herrn nicht kennen, daß keiner sich verfehle und niemand im Geschäftsverkehr seinen Bruder übervorteile; denn ein Rächer ist der Herr wegen aller solcher Verfehlungen, wie wir euch schon früher gesagt und feierlich bezeugt haben.

4. Denn Gott hat uns nicht zur Unreinigkeit geschaffen, sondern (zu einem Leben) in Heiligkeit. Wer nun dies mißachtet, der mißachtet nicht einen Menschen, sondern Gott, der auch seinen Heiligen Geist in euch gegeben hat.“2508 Dieser unserer Heiligung wegen ist es also nicht verhindert worden, daß der Herr litt.

88.

1. Wenn nun einer von ihnen, um seine Lehre zu verteidigen, behauptet, der Märtyrer werde zwar wegen seiner Sünden gestraft, die er begangen habe, bevor er in diesen Körper eingegangen sei, er werde aber später auch wieder die Frucht des Wandels in diesem Leben erhalten, denn so sei die Weltordnung eingerichtet, dann werden wir die Frucht des Wandels in diesem Leben erhalten, denn so sei die Weltordnung eingerichtet, dann werden wir ihn fragen, ob diese Vergeltung auf Grund der Vorsehung geschehe.

2. Denn wenn sie nicht eine Folge der göttlichen Weltordnung ist, so ist es nichts mit der erzieherischen Bedeutung der Reinigung, und ihre Lehre ist hinfällig; wenn aber die Reinigung eine Wirkung der Vorsehung ist, dann sind auch die Strafen eine Wirkung der göttlichen Vorsehung.

3. Wenn aber die Vorsehung auch, wie sie sagen, von dem Archon den Anfang ihrer Bewegung erhält, so wurde doch in die Wesen zugleich mit der Entstehung der Wesen von dem Gott des Weltalls ein Keim eingepflanzt.

4. Da sich dieses so verhält, müssen sie notgedrungen zugeben, daß entweder die Strafe nicht ungerecht sei (und dann handeln die gerecht, die die Märtyrer verurteilen und verfolgen) oder daß auch die Verfolgungen durch den Willen Gottes bewirkt werden.

5. Also kommt Leid und Furcht nicht, wie sie sagen, zu den Dingen so hinzu wie der Rost zum Eisen, sondern sie kommen über die Seele auf Grund eines besonderen Willensentschlusses.

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