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a) Schwangerschaften und Geburten

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Bei Überlegungen, wie belastend sich Schwangerschaften und Geburten im Leben von Frauen auswirkten, stellt sich zunächst die Frage nach den Geburtenzahlen und damit nach dem generativen Verhalten von Paaren. Brachte das Eheleben über Jahre hinweg eine Kette von rasch aufeinanderfolgenden Schwangerschaften und Geburten mit sich? Die Kinderverzeichnisse adliger und stadtbürgerlicher Familien des Spätmittelalters legen diesen Schluss nahe. Sie bilden eine recht zuverlässige Basis zur Ermittlung von Geburtenzahlen, sind aber lückenhaft hinsichtlich der Zahl von Schwangerschaften, da sie vorzeitige Fehlgeburten in der Regel nicht erfassen.

generatives Verhalten

|22|Am Beispiel ausgewählter Hochadelsfamilien im spätmittelalterlichen Reich wurde eine Zahl von durchschnittlich zehn Geburten in einem Abstand von nur je 20 Monaten errechnet. In diesem Befund spiegelt sich das Ziel des adligen Ehemodells, innerhalb der Ehe so viele Nachkommen wie möglich hervorzubringen. Erhebungen zum spätmittelalterlichen Stadtbürgertum in Deutschland, in Frankreich und in Italien ergaben Werte, die den adligen Geburtenzahlen und -abständen annähernd entsprechen. Übereinstimmungen hinsichtlich des generativen Verhaltens in den adligen und nichtadligen Oberschichten zeigen sich auch in der Praxis, Kinder von Ammen stillen zu lassen. Damit wurde verhindert, dass die leiblichen Mütter, solange sie stillten, nur eingeschränkt empfängnisfähig waren („Laktationsamenorrhoe“). Strebten wohlhabende Familien also die volle Ausschöpfung der ehelichen Fruchtbarkeit an, so regulierten sie die Kinderzahl in erster Linie durch späte Heiraten (vgl. S. 14).

Mangels schriftlicher Quellen können für die breite Bevölkerung keine durchschnittlichen Geburtenzahlen errechnet werden. Auch Skelettuntersuchungen erlauben anhand von Veränderungen des knöchernen Schambeins („geburtstraumatische Läsionen“) nur Aussagen darüber, ob eine Frau viele oder wenige Kinder geboren hat, was als Basis für eine zahlenmäßige Berechnung nicht ausreicht. Aller Wahrscheinlichkeit nach bekamen Paare der unteren sozialen Schichten weniger Kinder als privilegierte Paare. Wohl nur für die Bitterarmen, Notleidenden ist damit zu rechnen, dass – zumal in Krisenzeiten – die Fruchtbarkeit von Frauen (und Männern) in Verbindung mit Mangelernährung und einem schlechten gesundheitlichen Status herabgesetzt war. Eine breitere Wirkung auch in der Basisbevölkerung werden eher Maßnahmen zur Geburtenbeschränkung entfaltet haben. Achteten schon niederadlige Familien mit geringem Besitz nachweislich darauf, ihren Nachwuchs zu begrenzen, so dürften erst recht arme Paare die Geburtenzahlen den Ressourcen angepasst haben. Für die frühe Neuzeit ist eine solche Familienplanung armer Haushalte beobachtet worden.

Verschiedene Formen der Empfängnisverhütung kamen dabei in Betracht: sexuelle Praktiken, die eine Empfängnis ausschließen, Enthaltsamkeit, ferner die Verwendung von kontrazeptiv und abortiv wirkenden Mitteln, deren Rezepturen aus dem Mittelalter überliefert sind. Es lässt sich allerdings nicht mit letzter Gewissheit klären, welche Kenntnisse und welche Techniken in der Bevölkerung verbreitet waren. Im Dunkeln bleibt auch, ob Ehepaare gemeinsame Entscheidungen trafen, ob Frauen aufgrund ihres Körperwissens und größerer heilkundlicher Erfahrungen für die Geburtenplanung zuständig waren und welche Freiräume ihre Männer ihnen dabei ließen.

Welche Rolle eine innereheliche Geburtenbeschränkung in der Praxis auch gespielt haben mag, sie wurde mit Sicherheit zum einen von der hohen Kindersterblichkeit beeinflusst. Angesichts dieser Gefahr zeugten vermutlich selbst weniger vermögende Paare mehrere Kinder in der Hoffnung, dass wenigstens einige von ihnen überlebten. Zum anderen waren die weibliche Fruchtbarkeit und die männliche Zeugungsfähigkeit der Angelpunkt der Institution Ehe mit ihrem prokreativen Zweck. Kinderlosigkeit bedeutete für verheiratete Frauen und Männer einen sozialen Makel. Auch in Anbetracht des Umstands, dass im Mittelalter nicht anders als heute eine beträchtliche Anzahl von Ehen unbeabsichtigt kinderlos blieb, stellte die |23|eheliche Fruchtbarkeit im Denken der meisten Menschen ein besonderes Gut dar.

Das Ehepaar Elisabeth Störkler († 1440) und Burkard Zink (1396 – 1474 / 1475) bekam in 20-jähriger Ehe neun Kinder, von denen sechs im Kindesalter starben. Burkard Zink hatte aus vier Ehen und aus nichtehelichen Beziehungen insgesamt 16 leibliche Kinder sowie zwei Stiefkinder:

1420 Juni 2 1421 Juli 4 1423 April 4 (10) 1425 Dez. 21 1429 Jan. 25 1429 Dez. 26 1431 (vor Nov. 18) 1431 Nov. 18 1432 Sept. 4 1432 Nov. 9 1434 Mai 23 1436 Juli 22 1436 Juli 24 1438 Nov. 3 1438 Dez. 12 1440 Okt. 20 1450 Nov. 24 1. Heirat mit Elisabeth Störkler Geburt des 1. Kindes Anna Geburt des 2. Kindes Johannes Geburt des 3. Kindes Dorothea Geburt des 4. Kindes Konrad Tod des 1. Kindes Anna Tod des 3. Kindes Dorothea Geburt des 5. Kindes Dorothea Geburt des 6. Kindes Anna Tod des 6. Kindes Anna Geburt des 7. Kindes Wilhelm Geburt des 8. Kindes Jakob Tod des 8. Kindes Jakob Geburt des 9. Kindes Barbara Tod des 4. Kindes Konrad Tod der 1. Ehefrau Elisabeth Störkler Tod des 9. Kindes Barbara

Die Tabelle basiert auf Klaus Arnold: Kindertotenbilder – Neue Zugänge zu Leben und Tod von Kindern im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit, in: Kinderwelten, hg. von Kurt Alt und Ariane Kemkes-Grottenthaler, S. 208 – 222, hier S. 217f.

Unter den Faktoren, die für die hohe Sterblichkeit von Frauen im Alter zwischen 20 und 40 Jahren verantwortlich waren, rangierte die Belastung durch Schwangerschaften und Geburten gewiss weit oben. Allerdings wird vor allem aus soziobiologischer Sicht bestritten, dass Schwangerschaften und Geburten in der Vormoderne einen so stark lebensverkürzenden Effekt hatten, wie gemeinhin angenommen wurde. Insbesondere darf die eigentliche Wochenbettsterblichkeit, so befinden anthropologische und geschichtswissenschaftliche Untersuchungen seit den 1990er-Jahren, nicht überschätzt werden. Der Tod durch Kindbettfieber ist eher eine Erscheinung der Neuzeit mit ihren anfangs hygienisch problematischen Geburtskliniken.

Lebensumstände schwangerer Frauen

Zum Risiko wurden Schwangerschaften und Geburten, wenn es an Hygiene fehlte, wenn Frauen mangelhaft ernährt waren, wenn sie schwere körperliche Arbeit leisten mussten und insgesamt überbeansprucht waren, zum Beispiel durch eine rasche Abfolge von Schwangerschaften, zwischen denen sie sich nicht genügend erholen konnten. Vor allem schwangere Frauen, die körperliche Schwerarbeit verrichteten – dazu gehörte unter anderem das Schleppen von Lasten, das bei der Wasserversorgung, der Wäsche und anderen Frauenaufgaben anfiel –, waren Komplikationen und Fehlgeburten ausgesetzt. Vermutlich hatten gerade sie auch in anderer Hinsicht (Hygiene, Ernährung, Versorgung) keine guten Voraussetzungen. Besser |24|gestellte Frauen hingegen erfuhren während der Schwangerschaft, Entbindung und im Wochenbett intensive Fürsorge und Pflege. Für adlige Familien ist dokumentiert, dass sorgfältig ausgewählte Hebammen, Pflegerinnen und andere Heilkundige einbestellt, die Räume für die Niederkunft mit feinem Bettzeug, Pelzdecken und Waschgefäßen behaglich und hygienisch ausgestattet sowie kräftigende Speisen und Getränke eingekauft wurden. Dank so günstiger Ernährungs- und Versorgungsbedingungen konnten viele Frauen der Oberschicht zehn, zwölf oder mehr Geburten überstehen, auch wenn es bei einigen von ihnen Hinweise darauf gibt, dass sie nach einer Kette von Schwangerschaften erschöpft und schwach waren.

Zwar gefährdeten und belasteten Schwangerschaften Frauen in verschiedenen Milieus in unterschiedlichem Maß. Allen Frauen gemeinsam war aber die Furcht, eine Geburt nicht zu überleben. Auf den Leib gelegte oder sonst wie berührte Amulette und Reliquien sollten ebenso wie Gebete in allen Bevölkerungsschichten zu einer glücklichen Entbindung verhelfen, Testamente für den Todesfall vorsorgen. Die schwangere Königin Blanca von Aragon (1283 – 1310) etwa setzte im Alter von 25 Jahren, nachdem sie neun Kinder geboren hatte, ausdrücklich aus Furcht vor der bevorstehenden nächsten Entbindung ihr Testament auf. Tatsächlich starb sie 27-jährig bei der Geburt ihres zehnten Kindes.

Von den Ehemännern wurde erwartet, dass sie die Sorgen und Strapazen ihrer Frauen teilten, indem sie sich den Schwangeren gegenüber feinfühlig verhielten und bei den Geburtsvorbereitungen mitwirkten. Tatsächlich, das lassen Briefe und Familienaufzeichnungen erkennen, wichen manche Ehemänner um die Zeit der Niederkunft nicht von der Seite ihrer Frauen. Sie verschoben anfallende Reisen oder kehrten eigens von Geschäftsreisen zurück und standen wie Ludwig von Diesbach (1452 – 1527) und Thomas Platter mit nassgeschwitztem Hemd ihren Frauen während der Wehen bei bis zu dem Moment, in dem die Hebamme übernahm. Bei Komplikationen riefen sie die Heiligen an und legten Gelübde ab, wobei ihnen das Überleben ihrer Frauen noch mehr am Herzen lag als das der Kinder. Schwangerschaft und Geburt waren zwar Frauenwerk, doch die Männer waren in dieses Geschehen unmittelbar einbezogen. Selbst wenn sicher nicht alle Ehemänner dem Ideal des rücksichtsvollen Partners entsprachen, waren die meisten wohl auch im eigenen und Familieninteresse bemüht, die Geburtsrisiken zu mildern. Es ist anzunehmen, dass über die Lebensgefährdung und Gesundheitseinbußen hinaus, denen Frauen als Gebärende ausgesetzt waren, ein „Verschleiß“ im Sinne einer sozialen Vernachlässigung nicht in Kauf genommen wurde.

Frauen und Männer in der Gesellschaft des Mittelalters

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