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|1|Frauen, Männer, Geschlecht und Alltag: Überlegungen zur Konzeption dieses Bandes

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Wie passt die Geschichte von Frauen und Männern im Mittelalter, einer Zeitspanne von rund 1000 Jahren, zwischen die Buchdeckel eines schmalen Bändchens? Dieses Unternehmen verlangt nach einer strikten Auswahl von Themenkomplexen, auf die sich die Darstellung konzentriert. Zugleich soll aber auf knappem Raum ein umfassender Zugang zur Gesellschaftsgeschichte unter dem Vorzeichen „Geschlecht“ eröffnet werden. Um diese Ansprüche zumindest ansatzweise einzulösen, wird hier die geschlechtergeschichtliche Perspektive mit einem alltagsgeschichtlichen Ansatz verknüpft. Dabei verstehe ich im Anschluss an den Mediävisten Hans-Werner Goetz unter „Alltag“ das menschliche Leben selbst in seinen Abläufen, äußeren und inneren Verhältnissen. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen daher die vielfältigen alltäglichen Erfahrungen, Beziehungen, Denk- und Handlungsweisen, die die Existenz von Frauen und Männern in ihrem natürlichen, sozialen und kulturellen Umfeld prägten. Nach einer Einführung in die allgemeinen Lebensumstände mittelalterlicher Menschen richtet sich der Blick auf Frauen, Männer und Geschlechterbeziehungen in verschiedenen Bereichen des gesellschaftlichen Spektrums. Einbezogen werden, soweit die Quellenlage es zulässt, alle sozialen Schichten, Gruppen und Milieus. Allerdings bleibt wenig Platz für sogenannte Randgruppen und Minderheiten, auch wenn so manche „Ausnahmefrauen“ und „Ausnahmemänner“ auftreten und Menschen am Rande der Gesellschaft mitberücksichtigt werden.

Die mediävistische Geschlechtergeschichte hat sich die Aufgabe gestellt, die Überlieferung möglichst breit systematisch neu zu lesen und auf dieser Basis Politik, Gesellschaft, Wirtschaft, Recht, Kultur und Religion dahin gehend neu zu erforschen, dass der Faktor „Geschlecht“ als eine zentrale Kategorie der Geschichtsbetrachtung zugrunde gelegt wird. „Gendering the Middle Ages“ heißt die Devise. Dieses Buch beteiligt sich daran, leistet jedoch noch keine „Geschlechtergeschichte des Mittelalters“. Ein solches Projekt erscheint gegenwärtig schwierig aufgrund der ungleichmäßigen Quellenüberlieferung und -erschließung sowie der lückenhaften Forschung, in der die „Frauengeschichte“ gegenüber der „Männergeschichte“ noch einen großen Vorsprung hat. Die vorliegende Studie versteht sich einstweilen als ein Baustein zu einer interdisziplinär angelegten Geschlechtergeschichte des Mittelalters. Sie bietet eine Synthese aktueller Forschungen mehrerer historisch arbeitender Disziplinen im Schnittfeld von Geistes- und Naturwissenschaften wie Archäologie, Anthropologie, Medizingeschichte oder Kunstgeschichte und bezieht kulturanthropologische Ansätze ebenso ein wie soziobiologische.

Die Darstellung orientiert sich daran, einerseits wegen des gesteckten Rahmens die verschiedenen Zeitabschnitte des Mittelalters eher schlaglichtartig zu beleuchten, andererseits Entwicklungslinien so weit wie möglich chronologisch nachzuzeichnen. Diese Vorgehensweise wird hoffentlich erweisen, wie vielfältig sich die Beziehungen zwischen Frauen und Männern im Lauf der Zeit veränderten – wenn auch nicht im Sinne einer linearen Fortentwicklung.

Frauen und Männer in der Gesellschaft des Mittelalters

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