Читать книгу Du sollst frei sein - Cornelia Schmid - Страница 8

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Einleitung

Freiheit.

Ich liebe meine Freiheit.

Schon immer. Am Meer stehen, den Duft nach Salz und Meerwasser in der Nase spüren. Zusehen, wie sich die mächtigen Wellen am Ufer brechen. Den Horizont suchen. Vor mir nur tosende Gischt und endlose Weite.

Es gibt kaum etwas Schöneres als Freiheit.

Deshalb weigere ich mich, wenn Menschen mich in Zwangsjacken stecken wollen. Ich stelle mich taub, wenn andere mir ihre Meinung überstülpen wollen. Und wenn man mir sagt, was möglich sei und was nicht – tue ich öfter das, was scheinbar nicht geht.

Das war nicht immer so. Viele Jahre habe ich getan, was man tut: Ich habe die Kleidung getragen, die man als Christ offenbar anziehen muss, habe Traditionen gelebt, denen ich mich verpflichtet fühlte. Ich habe Lieder gesungen, Gebete gesprochen und Haltung gezeigt – weil man das eben so macht. Ich habe nicht widersprochen, wenn Menschen Regeln aufgestellt haben, deren Sinn mir eigentlich gar nicht klar gewesen ist.

Ich habe mich buchstäblich verbogen, damit Menschen mich mögen, habe den Mund gehalten, während meine Seele ein einziger Schrei war. Ich habe gelächelt, wenn ich tief drinnen nur noch weinte.

Bis ich begriffen habe, dass ich so nicht weiterleben kann.

Eine berufliche Situation, an der ich scheiterte, hat mich wachgerüttelt. Durch mein Versagen und die Reaktionen meiner Umwelt – »Das hast du falsch gemacht; dort hättest du anders handeln müssen; du hast zu wenig auf Gott gehört …« – wurde der glimmende Docht in mir plötzlich zur Flamme: »Ich will leben. Ich will frei sein!«

Ich will mich nicht länger von Menschen gängeln lassen, die neidisch auf mich sind, die mir meine Freiheit nicht gönnen, die mir sagen, was ich tun und lassen soll. Ich will kein Evangelium mit Dos and Don’ts. Keine Religion, in der ich Listen abarbeiten muss und doch nie ans Ziel komme.

Und was ist mit Gott?
Was sagt er zu meiner Sehnsucht nach Freiheit?

Gott war für mich immer eine angsteinflößende Autorität. Der Aufpasser, der jeden Regelverstoß ahndet und hart bestraft. Der Chef, der mit Abmahnung droht, wenn nicht alle Vorschriften eingehalten werden.

Nach meinem Scheitern musste ich mein Leben neu ordnen, und dazu gehörte vor allem mein Gottesbild – die tiefsten Gedanken, die ich über Gott hegte.

Ich liebe Gott, kein Zweifel, und ich will ihm schon seit meiner Teenagerzeit mit ganzem Herzen und aller Kraft dienen. Aber immer blieb da ein Restzweifel: Meint Gott es wirklich gut mit mir? Wird er im Ernstfall tatsächlich zu mir stehen? Oder wird er im letzten Moment zur Seite gehen und mich im freien Fall auf dem harten Boden aufschlagen lassen? Wie kann ich ganz sicher sein, dass auf Gott Verlass ist?

Mein Scheitern brachte mich dazu, noch einmal ganz genau hinzusehen: Wer ist Gott wirklich? Ist das, was ich bisher von ihm wusste, die Wahrheit? Oder habe ich mir ein falsches Bild von ihm gemacht, indem ich Traditionen mit meinen eigenen Vorstellungen vermischt habe?

Gott ist gut – das habe ich von Kindheit an gelernt. Doch das Evangelium, die gute Nachricht, war für mich eine »Ja, aber …«-Botschaft: Ewiges Leben bei Gott bekomme ich, weil Jesus am Kreuz für mich gestorben ist. Aber gleichzeitig muss ich treu sein, Gottes Gebote halten, den untersten Weg gehen, ein Überwinder sein, immer sofort allen Menschen vergeben, dies tun und jenes lassen. Die Liste war lang und mein Scheitern schon vorprogrammiert.

Oft hatte ich den Eindruck, ich müsste eine Leiter hinaufklettern, ohne jemals oben anzukommen: zwei Sprossen hinauf und drei wieder zurück. Ich machte einfach keine Fortschritte.

Und schließlich wurde die Frage immer drängender: Hängt die Erlösung nun von Jesus oder von meiner eigenen Leistung ab? Oder ist es fifty-fifty? Fünfzig Prozent ich – fünfzig Prozent Gott?

Was an der guten Botschaft ist eigentlich gut? Kann eine Botschaft gut sein, wenn ich mich anstrenge und am Ende doch nur auf mein Versagen schaue?

Viele Jahre habe ich mich förmlich im Kreis gedreht: Ich wusste, dass Jesus für meine Schuld gestorben ist, aber ich verzweifelte daran, dass ich trotzdem kein besserer Mensch wurde. Wo lag der Fehler? Was hatte ich übersehen?

In der Bibel lesen wir immer wieder, wie Gott eingreift, um Menschen zu retten. Und die Geschichte des Volkes Israel, das nach vierhundertjähriger Sklaverei in die Freiheit geführt wird, fasziniert mich schon lange: Gott hat die Israeliten aus Unterdrückung und Erniedrigung befreit.

Einfach so. Weil er es wollte. Weil er es geplant hatte. Weil er sich dieses Volk erwählt hatte.

Er hat das nicht getan, weil sie besonders toll gewesen wären. Sondern weil er sie lieb hatte! Weil er nicht wollte, dass sie weiterhin einem Pharao Denkmäler bauen.

Um aus der Sklaverei in die Freiheit zu gelangen, brauchte das Volk Israel lediglich Folgendes zu tun: ein Lamm schlachten, das Blut an die Türbalken streichen und warten, bis Gott in dieser Nacht den Marschbefehl gab.

In den letzten Jahren habe ich mir oft die Frage gestellt: Bin ich eine Sklavin? Und wenn ja, wer ist mein Pharao? Wem baue ich Pyramiden, und wozu tue ich das?

Ich fragte Gott, wie er sich ein Leben in Gemeinschaft mit mir vorstellt. Parallel dazu absolvierte ich eine Coaching-Ausbildung, lernte meine Persönlichkeit und mein Innerstes kennen. Dabei erschrak ich vor so manchen Gedanken, die aus meinem Unbewussten an die Oberfläche stiegen. Ich entdeckte Lebensmuster, die ich mir gestrickt hatte und die mich einengten.

Allmählich begann ich, mich äußerlich zu befreien: Ich entfernte mich von Menschen, die ihren christlichen Glauben gesetzlich-religiös, aber kraftlos lebten. Denn ich wollte mehr – ich war nicht bereit, noch länger in diesem Zustand zu verharren. Ich hörte auf, meine Arbeitskraft in christlichen Organisationen zu verbrauchen, in denen chronische Erschöpfung und Überstunden ein Zeichen besonderen Gesalbtseins darstellten.

Langsam, aber stetig löste ich mich von Bindungen, Ketten und Fesseln. Während ich Abendmahl feierte, strich ich in Gedanken das Blut von Jesus an die Türbalken meines Herzens. Ich bat ihn, die Türe zu entriegeln und meine Augen für seine Freiheit zu öffnen.

Und er hat mich erhört, denn ich bin tatsächlich meinem himmlischen Vater begegnet. Dem, der mir zugesagt hat: Wenn du mich von ganzem Herzen suchst, dann findest du mich (siehe Jeremia 29,13-14).

Eines Tages habe ich mich mit einer wunderbaren, weisen Frau unterhalten. Nachdem sie meine Fragen über Gott und meine Sehnsucht nach echter Freiheit angehört hatte, nahm sie mich in den Arm und betete Gottes Shalom1 in mich hinein. Göttliche Vollkommenheit, Liebe, Frieden, Stärke und Mut.

Und während mein Kopf an ihrer Schulter ruht und die Tränen ungehindert fließen, komme ich endlich nach Hause. Nach Hause zu meinem Vater, meinem Schöpfer, dem Gott, der mein Leben erdacht hat, der jedes Haar auf meinem Kopf kennt, jede Regung, jeden Gedanken, jede Träne, jedes Lachen. Dem Gott, der mich mit zärtlicher Liebe liebt und der sich so sehr wünscht, dass ich ihn in Freiheit liebe. Dem Gott, der in Jesus bereits die Türe geöffnet hat, mich in die Freiheit entlassen hat. Dem Gott, der mir zu Beginn der Schöpfung und beim Tod von Jesus am Kreuz zugerufen hat: »Es ist alles vollendet – vollbracht – fertig. Du brauchst nichts mehr zu tun.« Dem Gott, der mir durch Jesus Vollkommenheit geschenkt hat.

Ich bin sein Kind. Er ist mein Vater. Bei ihm muss ich keine Leistung nachweisen, keine Gebetsrekorde aufstellen, nicht besonders lieb und nett sein. Sondern bei ihm darf ich mich endlich fallen lassen – sein, leben, lieben. Ich darf mich von seiner behutsamen Hand verändern lassen. Vertrauen. Glauben. Hoffen.

Hier darf ich meinen Sehnsüchten und Träumen auf die Spur kommen, sie ohne Angst vor Neid ausleben. Ich darf ein bisschen verrückt sein, Ideen spinnen, neue Wege ausprobieren. Dieses Zuhause ist ein Ort, an dem Sorgen keinen Platz haben, Neid nicht gehört wird und Angst Hausverbot bekommt. Es ist ein Ort vollkommener Schönheit, Liebe und Ermutigung.

Der Weg nach Hause war mein Weg in eine Freiheit, die mein ganzes Leben verändert hat.

Meine neu gewonnene Freiheit macht mich stark, Stürme im Leben auszuhalten. Sie macht mich mutig, meinen Weg zu gehen, auch wenn Menschen irritiert fragen, warum ich nicht tue, was alle tun.

Diese Freiheit lässt mein Herz übersprudeln vor Liebe zu meinem Schöpfer und Erlöser. Ich muss nichts tun – er hat alles getan.

Warum dieses Buch?

Weil ich seit einigen Jahren in Vorträgen und Seminaren meine Geschichte erzähle. Ich berichte von den Narben, die mir die frommen Traditionen zugefügt haben, und entdecke, dass Menschen mir daraufhin ihre eigenen Wunden zeigen. So viele Christen sind gefangen in einer christlichen Religion und wissen doch nichts von der Liebe Gottes, ihres Vaters, und von der Freiheit eines Lebens in Christus.

Oft kommen nach meinen Vorträgen Menschen auf mich zu und sagen: »Dass Sie sich trauen, so zu leben!« – »Ich hätte auch gerne den Mut, Menschen, die mir nicht guttun, zu verlassen!« – »Ich sehne mich so nach Freiheit!«

Es waren solche Aussagen und Gespräche mit vielen Menschen, die mich dazu ermutigt haben, dieses Buch zu schreiben.

Ich erinnere mich an ein Frauenevent. Wir wollten gerade starten, da ging die Türe auf und eine große Anzahl geistig und körperlich behinderter Menschen kam in den Saal. Manche wurden in Rollstühlen geschoben, andere konnten selbst laufen. Es herrschte eine große Unruhe und ich fragte mich: Werde ich diesen Menschen etwas zu sagen haben?

Ich sprach über den Neuen Bund, Gottes Liebe zu uns, und redete darüber, dass wir in Gottes Augen wertvoll sind – ohne eigene Leistung, ohne etwas tun, einfach weil wir sind.

Am Ende der Veranstaltung rollte eine junge, geistig behinderte Frau auf mich zu. Ich musste mich sehr anstrengen, um sie zu verstehen. Sie fragte mich, ob sie meine Notizen haben könnte: Sie würde so gerne nochmals nachlesen, was ich gesagt habe.

Und dann drückte sie meine beiden Hände und bedankte sich überschwänglich und mit Tränen in den Augen. Ein ums andere Mal wiederholte sie: »Das habe ich heute gebraucht. Ich bin wertvoll, auch wenn ich nichts tun kann!«

Diese Begegnung hat mich tief beeindruckt. Und ich möchte erzählen, wie ich selbst zu dieser Erkenntnis gelangt bin.

Im Grunde handelt sich dabei gar nicht um meine Geschichte. Sondern um die Geschichte Gottes mit uns Menschen. Gott wünscht sich Intimität, Gemeinschaft und Freiheit für uns und mit uns. Er hält so viel mehr für uns bereit: vollkommenes Leben. Ewiges Leben, das bereits auf dieser Erde beginnt.

Viele Jahre hat mein Verstand das gewusst, aber mein Herz hat es trotzdem nicht gespürt. Seitdem ich jedoch begriffen habe, dass Gott in Christus wirklich alles für mich getan hat, wächst die Erkenntnis, dass mein Leben zutiefst von Gottes Liebe lebt.

Ich bin frei – weil Jesus alles für mich getan hat. Weil er mich frei gemacht hat von mir selbst, von Sünde, von Angst und Sorgen, von Neid und allem, was mich davon abhalten will, Gott mein Vertrauen zu schenken.

Und ich bleibe frei – denn nichts und niemand kann mich von Gottes Liebe trennen.

Du sollst frei sein

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