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8 Picknick mit Lutz

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Es war Sonntagvormittag und Lutz stand wie abgesprochen auf dem Schulhof der Wittenberger Schule, um Eleonore zum Picknick und Wandern abzuholen. Er hupte kurz. Eleonore war sehr früh aufgestanden und hatte den Unterricht für die nächste Woche bereits vorbereitet. Somit hatte sie den restlichen Sonntag frei zur Verfügung. Irgendwie freute sie sich auf das Wandern und Picknicken. Sie wusste, dass Lutz verheiratet war und sie sich einfach freundschaftlich treffen würden. Das gab dem Treffen eine gewisse Leichtigkeit, denn sie erwartete nichts von ihm und er nichts von ihr.

Als Eleonore das Hupen hörte, zog sie schnell ihre Schuhe an, griff nach ihrer Jacke, pfiff den Hund zu sich und lief mit ihm freudig die Treppe hinunter. Als beide den Schulhof betraten, wusste man nicht, wer sich mehr freute, Rusty oder Eleonore. Rusty entdeckte Lutz, rannte auf ihn zu und sprang freudig an ihm hoch. Lutz streichelte ihn liebevoll. Er hatte bereits einen großen Rucksack auf seinem Rücken und stand startbereit mit Wanderstiefeln, kurzer Hose und hochgekrempeltem Holzfällerhemd da. Belustigt fragte sie ihn:

„Sind Sie auf der Flucht?“

Er lachte herzhaft und konterte:

„Nein, aber ich habe ganz viele köstliche Picknicksachen mitgenommen.“

Er sprach dabei, als hütete er im Rucksack einen Schatz.

„Was genau, das ist mein Geheimnis. Und übrigens, wir waren schon beim Du!“

Eleonore wurde leicht rot und entschuldigte sich. Sie pfiff Rusty zu sich, er parierte sofort. Sie mochte es gar nicht, wenn Rusty an anderen Leuten hochsprang und so aufdringlich wurde. Eigentlich neigte er auch nicht dazu, nur bei Lutz schien es etwas anderes zu sein.

Es wurde ein herrlicher Tag, wie ihn Eleonore schon lange nicht mehr erlebt hatte. Sie wanderten viele Kilometer und gönnten sich an herrlichen Plätzen immer wieder Pausen. Im Rucksack hatte Lutz neben Obst und Stullen Champagner, Käse, Brötchen und sogar Servietten verstaut. Ebenso hatte er an eine hübsche grünkarierte Picknickdecke und ein Sitzkissen für Eleonore gedacht. Auch ein Fernglas hatte er nicht vergessen. Durch dieses beobachteten sie viele Tiere. Besonderer Höhepunkt war ein Adlerpaar, welches immer wieder ausflog zur Beutesuche und in kurzen Abständen wieder beim Nest landete, in dem man sogar ein Jungtier beobachten konnte.

Als es dunkel wurde, kamen Eleonore, Lutz und Rusty erschöpft aber glücklich wieder bei der Schule an. Lutz packte seinen Rucksack ins Auto. Beide schauten sich verlegen an, bis Lutz die Initiative ergriff und fragte:

„Es tut mir Leid und ich weiß, ich darf es eigentlich nicht. Aber ich muss dich das fragen.“

„Ja?“, fragte Eleonore überrascht.

Er nahm allen Mut zusammen und wusste im gleichen Augenblick, dass er es nicht fragen durfte:

„Darf ich dich küssen?“

Eleonore war total verblüfft. Damit hatte sie nicht gerechnet. Er war doch verheiratet! Aber vielleicht wollte er nur einen Freundschaftskuss? Nein, das durfte man auch als verheirateter Mann nicht tun. Außerdem hatte sie sich vor einiger Zeit geschworen, erst einmal keine Beziehung mehr einzugehen, schon gar nicht mit einem verheirateten Mann. Niemals hatte sie daran gedacht, dass Lutz eine solche Frage stellen würde. In keiner Weise war sie auf diese Situation vorbereitet. Bisher war er für sie ein Freund, mehr nicht. Sie hatte auch alle Gefühle ihm gegenüber zurückgehalten. Jetzt schaute sie ihn an. Er war ein so verdammt gut aussehender Mann und so unheimlich einfühlsam und lieb. Dennoch, ohne lange über die Antwort nachzudenken, kam es aus ihr heraus:

„Nein, du bist verheiratet. Wie kannst du nur an so etwas denken?“

Dann zögerte sie kurz und schaute sich prüfend um. Es war niemand zu sehen und somit sagte sie leise:

„Na gut, aber nur kurz.“

Mit seiner rechten Hand nahm er ihr Kinn, hob ihren Kopf leicht an, so dass sie sich in die Augen schauen mussten und küsste ganz vorsichtig auf ihre Lippen. Eleonore reagierte nicht, sie stand da, wie versteinert. Er wagte es, sie ein zweites Mal zu küssen, diesmal wesentlich länger. Langsam erwiderte Eleonore den Kuss. Sie spürte, dass sie nicht von ihm lassen konnte und er nicht von ihr. Seine kräftigen Arme umarmten sie jetzt so fest, dass sie dachte, ihr könne nie wieder etwas passieren, sie war für immer in Sicherheit. Ein so ungewöhnliches Gefühl hatte sie noch nie verspürt, auch nicht bei Bernd. Und bei dem hatte sie damals schon gedacht, etwas Schöneres könnte man nicht erleben. Nun wurde sie erneut eines Besseren belehrt. Sie legte ihren Kopf in den Nacken und konnte ein Stöhnen nicht unterdrücken. Lutz fragte nach ihrem Schlüssel. Eleonore gab ihm den Schlüssel und sie gingen wortlos Arm in Arm ins Schulgebäude, nachdem er die große Tür aufgeschlossen hatte. Gewissenhaft schloss er diese hinter ihnen wieder ab und ließ den Schlüssel im Schloss stecken. Dann wandte er sich wieder Eleonore zu, küsste sie, nahm sie auf den Arm und trug sie ohne große Kraftanstrengung die Treppe nach oben in ihre Wohnung. Dort setzte er sie im Flur ab. Rusty lief sofort in die Küche und legte sich dort auf seinen Platz, er hatte genug Bewegung für heute erhalten.

Lutz und Eleonore aber waren wie von Sinnen. Während sie sich küssten, ertasteten die Hände jeweils den Körper des anderen. Eleonore glaubte den Verstand zu verlieren. Sie sanken beide küssend in die Knie und Eleonore ließ sich nach hinten auf den blanken Boden fallen. Lutz schob sich sachte über sie und drang sehr vorsichtig in sie ein. Ihre Körper bebten unkontrollierbar.

Sie verloren das Gefühl für die Zeit, bis sie gleichzeitig zum Höhepunkt kamen. Erschöpft lagen sie anschließend nebeneinander auf dem Boden. Lutz flüsterte:

„So etwas Tolles ist mir noch nie passiert.“

„Mir auch nicht“, antwortete Eleonore.

Lutz stöhnte:

„Mein Gott, war das schön!“

Plötzlich wurde Eleonore bewusst, was sie da gerade getan hatte. Sie war zutiefst entsetzt, wie sie sich wieder auf eine solche Liebschaft hat einlassen können.

„Du musst jetzt gehen“, bat Eleonore ihn. „Ich muss mich noch auf meinen morgigen Unterricht vorbereiten.“

Lutz fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen und schaute sie fragend an. Sie versuchte entschuldigend zu erklären:

„Tut mir leid. Ich weiß mit der Situation jetzt nicht umzugehen. Ich möchte dich nur bitten, jetzt zu gehen.“

Beide standen auf und zogen sich leicht verlegen wieder an. Eleonore war noch unsicher auf den Beinen. Sie strich Lutz das Haar glatt. Er hielt ihre Hand fest, führte sie an seinen Mund und liebkoste sie. Er küsste jeden Finger einzeln und sagte:

„Du hast sehr hübsche Hände“, schaute in ihr Gesicht und stellte fest:

„Du bist eine unglaublich tolle und bildhübsche Frau.“

Er küsste ihren Mund und wanderte mit den Küssen zum Hals und anschließend zum Ohr. Er biss vorsichtig ins Ohrläppchen und flüsterte:

„Sehen wir uns bald wieder?“

Eleonore musste erneut aufstöhnen. Sie begriff die Welt nicht mehr. Wie konnte ein fremder Mann daher kommen und sie so in der Hand haben. Beide schauten sich in die Augen und es gab kein Zurück mehr. Eleonore führte Lutz ins Schlafzimmer. Obwohl sich beide dieses Mal mehr Zeit nehmen wollten, gab es für sie kein Halt mehr. Sie fielen übereinander her wie Raubtiere, umschlungen sich und krallten sich mit aller Kraft fest.

Beide zogen sich an wie zwei übermächtige Magneten. Diese Empfindung, die beide gleichzeitig füreinander spürten, wirkte wie Starkstrom. Sämtliche Beherrschung entglitt den Verliebten und sie liebten sich ein zweites Mal mit einer Intensität, die beide nie für möglich gehalten hatten.

Danach riss sich Eleonore mit allen verfügbaren Kräften los, stand auf, zog sich, während Lutz sie vom Bett aus beobachtete, an und sagte:

„Du musst nun wirklich gehen.“

Sie fragte sich, warum ihr Körper auf einmal nicht mehr ihrem Verstand gehorchte. Sie hatte immer gedacht, ihr Körper und Geist seien eine Einheit und korrespondierten und harmonierten miteinander. Dass sich ihre Vernunft so vom körperlichen Verlangen trennen konnte, war für sie unfassbar, fast schon schizophren. Lutz sah sie an, stand auf und nachdem er sich angezogen hatte, sagte er:

„Ich gehe jetzt ohne dich noch einmal zu berühren. Sonst werden wir wohl nie voneinander loskommen.“

Er warf ihr eine Kusshand zu und ging schnell und kommentarlos.

Eleonore horchte, wie Lutz unten die Schultür öffnete. Dann fiel die Tür wieder ins Schloss und es war plötzlich ganz still im Haus. Sie hoffte, dass alles nur ein Traum war und sie gleich aufwachen würde. Aber das geschah nicht, sie war wach. Keine Männergeschichten, hatte sie sich doch erst vor kurzem geschworen! Und nun das. Sie ging nach unten, schoss die Schultür ab, stieg die Treppe wieder hoch zu ihrer Wohnung und setzte sich ins Wohnzimmer in den Sessel. Noch völlig aufgewühlt und, um sich darüber klar zu werden, was soeben passiert war, nahm sie ihr Briefpapier und begann einen Brief an ihren alten holländischen Brieffreund Fritz zu schreiben.

Sie hatte vor gut drei Jahren eine Brieffreundschaft mit Fritz begonnen. Alle ein bis zwei Monate schrieben sie sich seitenlange Briefe. Fritz war für Eleonore mittlerweile sehr wichtig geworden und nicht mehr aus ihrem Leben wegzudenken. Sie konnte sich immer bei ihm ausweinen und er wusste auf jedes Problem eine Antwort. Oft genug hatte Fritz schon geschlichtet beim Streit zwischen Eleonore und ihren Eltern. Fritz konnte Eleonore überzeugen, dass Eltern immer wichtig waren und man die Beziehung nie ganz abbrechen sollte, irgendwann bräuchte man sie ganz bestimmt wieder. Auch verdeutlichte er ihr, Anna wegen auf gar keinen Fall aufzugeben.

Die Briefe an und von Fritz wurden seit dem letzten Jahr für sie immer wichtiger. Es war wie eine Art Tagebuch, das ihr antwortete. Fritz war Keramikmaler und wohnte in Holland im Ort Stolwijk, wo er in einer Porzellanfabrik arbeitete. Seine Schwester und Mutter lebten etwa 100 km weiter weg in Sassenheim an der Nordsee. Seine Briefe waren immer sehr niedlich, weil er die deutsche Sprache nicht ganz beherrschte und sich doch Mühe gab, richtig zu schreiben. In jedem Brief entschuldigte er sich für seine Fehler. Er war wie Eleonore 25 Jahre alt. Kennengelernt hatte Eleonore ihn über eine Kollegin. Die führte schon lange vor ihr eine Brieffreundschaft zu einem Holländer. Als sie Eleonore eines Tages einen Brief an ihren „Holländer“ vorlas, fragte Eleonore sie, ob ihr Holländer nicht auch einen Brieffreund für sie wisse. Gesagt, getan, ihre Kollegin fragte mit dem nächsten Brief scherzhaft an und tatsächlich hatte er einen Freund, nämlich Fritz. Der schrieb Eleonore auch prompt einen sehr netten Brief und schon war die wunderbare Brieffreundschaft zwischen ihm und ihr geboren. Beide mochten sich vom ersten Brief an.

Schon vor dieser Brieffreundschaft war Eleonore begeisterte Hollandbesucherin und suchte regelmäßig in den Ferienwochen und manchmal sogar auch nur an verlängerten Wochenenden Zuflucht in Holland. Nebenbei lernte sie immer wieder ein bisschen Holländisch und nach diversen Aufenthalten in dem Land konnte sie sich schon ganz gut mit Einheimischen unterhalten. Sie liebte das Land, die Sprache, das Essen, die Menschen, ihre Tees, die Nordsee und vor allem ihre Unterkunft. Sie fuhr immer in die Nähe von Middelburg, das direkt am Meer lag und bezog dort für die Dauer der Urlaubstage ein kleines Zimmer in einem alten Reetdachhaus, welches sich direkt in den Dünen befand. Das Haus gehörte einer älteren alleinstehenden, deutschsprechenden Dame, die eigentlich gar keine Zimmer vermietete. Aber Eleonore hatte sie in einem Restaurant in Middelburg kennengelernt und schon nach kurzer Zeit waren sich die beiden Frauen unglaublich sympathisch. Es dauerte nicht lange und Frau Schürmann bot ihr ein Zimmer im Dachgeschoss ihres kleinen Reetdachhauses an. Eleonore, auf der Suche nach einem lieblich stillen Plätzchen, nahm sofort dankbar an. Die Besitzerin bewirtete Eleonore alle Tage ihrer Anwesenheit sehr herzlich. Dieser Zufluchtsort war ihr zeitlebens so heilig, dass sie ihn mit niemandem teilte und auch niemandem je erzählte, wo sie in Holland wohnte.

Das Meer, die Dünen, der Strand und die Felder rund um Middelburg luden zu jedem Wetter und zu jeder Jahreszeit zu stundenlangen Spaziergängen ein. Eleonore liebte es, dort ausgedehnte Wanderungen mit dem Hund zu unternehmen. Immer wieder waren Rusty und sie stundenlang am Strand und in den Dünen unterwegs. Eleonore setzte sich zwischendurch gerne in den Sand, picknickte, genoss die Einsamkeit und lauschte dem Säuseln des Windes und dem Rauschen des Meeres. Sie schöpfte hier Kraft und Zufriedenheit fürs Leben in vollen Zügen. Zu gerne folgten ihre Augen den Bewegungen der Wellen und den einmal schnell und wieder langsam dahinziehenden Wolken am Himmel. Zu jedem Wolkenbild erfand sie Geschichten und lachte manchmal laut auf über ihre Fantasie. Wenn sie barfuß durch das Wasser watete, umschwammen kleine Fische ihre Füße und Krebse ergriffen die Flucht. Rusty lief den Strand entlang und versuchte Möwen zu fangen, was ihm natürlich nie gelang, weil er schon im Voraus so laut bellte, dass jede Möwe sofort das Weite suchte. Am schönsten fand Eleonore die Einsamkeit an dem weiten, nie endenden Strand. Im Herbst und Winter konnte sie manchmal Stunden gehen und traf keinen einzigen Menschen. Aber auch im Sommer war dies an einigen Orten möglich. Holland war für sie der Inbegriff der Freiheit.

Wenn sie dann nach dem langen Gassigang mit dem Hund wieder zurückkam, genoss sie ihr schnuckeliges Zimmer mit schrägen Wänden und dem kleinen Fenster, das direkt zum Meer zeigte. Die Toilette befand sich auf dem Hof in Form eines Plumpsklos. Das störte sie aber nicht weiter. Es war eine einfache Unterkunft ohne Luxus, aber immer sehr sauber und mit Liebe hergerichtet. Unter der einen Schrägwand stand ein altes gemütliches Bett, welches tagsüber immer mit einer schönen grünen Decke abgedeckt wurde. Ein kleiner runder Tisch und zwei alte, aber sehr bequeme Sessel befanden sich gegenüber dem Bett unter der anderen Schrägseite. Jeden Tag erneuerte Frau Schürmann, sie hieß übrigens mit Vornamen Hannah, die Blumen auf dem kleinen Tisch. Gab es der Jahreszeit entsprechend keine Blumen, standen Dünengräser oder auch Heidezweige in einer Vase darauf. Links neben der Zimmertür stand ein kleiner Tisch mit einer Waschschüssel. Unter dem Tisch befand sich eine große Kanne, welche Hannah Schürmann regelmäßig mit frischem Wasser auffüllte. Eleonore brauchte keinen Luxus, sie brauchte nur eine liebevolle Umgebung. Und genau das fand sie dort vor. Die Vermieterin legte täglich frisches Obst auf den kleinen runden Tisch und erkundigte sich jeden Morgen nach dem Befinden. Gerne saß Eleonore alleine in ihrem Zimmerchen in einem der Sessel und schaute einfach aus dem Fenster hinaus. Es bot sich zu jeder Tages- und Nachtzeit ein malerischer Blick auf die Dünen und das Meer. Eleonore zahlte einen verhältnismäßig kleinen Mietpreis für die Pension und obwohl sie Frau Schürmann auch schon eine höhere Miete angeboten hatte, weigerte diese sich, das Angebot anzunehmen und berief sich dabei auf ihr freundschaftliches Verhältnis. Für Eleonore war es das Schönste, mit Frau Schürmann in deren Küche zu sitzen und zu reden, gemütlich zu essen, Tee zu trinken oder einfach nur eine Flasche Rotwein zu genießen. Frau Schürmann kochte jeden Mittag sehr gut schmeckende heimische Gerichte. Morgens gab es regelmäßig frisches, selbstgebackenes Brot mit selbstgemachter Marmelade, einem frischen Ei und Milch vom Bauern. Und abends stand immer neben dem Brot, dem Gouda und der Wurst eine große Kanne Tee auf dem Tisch. Manchmal gönnten sie sich auch eine Flasche Rotwein. Frau Schürmann war im Laufe der letzten Jahre für Eleonore eine Art Mutterersatz geworden.

Lange trennte Lori Fritz' Brieffreundschaft streng von ihrem Aufenthalt in Holland. Dann aber entschloss sie sich eines Tages, als sie wieder einmal in Middelburg ihren Urlaub verbrachte, mit Rusty nach Sassenheim zu fahren, um Fritz zum erst Mal persönlich zu sehen. Sie verabredeten sich am Bahnhof in Sassenheim und ohne sich jemals zuvor gesehen oder Fotos ausgetauscht zu haben, erkannten sich beide sofort. Schnell stellten sie fest, dass sie ebenso gut miteinander reden wie schreiben konnten. Stundenlang unterhielten sie sich bei ausgedehnten Spaziergängen am Strand und merkten, dass sie sich blendend verstanden. Fritz war gleich vernarrt in Rusty und spielte bei jedem Stöckchen, welches er fand, mit dem Hund. Über alles konnten Eleonore und Fritz reden. Als Eleonore wieder in ihr Feriendomizil zurückfuhr, hatte sie das Gefühl, ihn schon immer gekannt zu haben. Sie waren nicht ineinander verliebt, nein. Aber sie hatten sich als Menschen gefunden, die einander seelenverwandt waren.

Und jetzt schrieb Eleonore sich alles von der Seele: den Besuch bei den Eltern, ihre Sorgen um Anna, die im nächsten Winter immer tagsüber draußen sein musste, das Treffen mit Lutz, die phlegmatischen Wittenberger Eltern der Dorfbevölkerung und sogar ihre Gedanken zu ihren Studienarbeiten ließ sie nicht aus. Aber am meisten beschäftigte sie das Thema Lutz. Über ihn schrieb Eleonore ausgiebig. Wie sie ihn kennengelernt hatte, wie er aussah, wie er redete, welchen Beruf er ausübte, dass sie mit ihm Picknick gemacht und auch, dass sie ihn geküsst hatte. Das überwältigende Gefühl beim Sex schilderte sie ihm allerdings dann doch nicht.

Sie schrieb ihre Briefe auf ganz dünnem Papier, damit der Versand nicht so teuer wurde. Als sie den Brief beendet hatte, sah sie auf ihre Uhr und erschrak. Es war bereits ein Uhr nachts. Das konnte ja gar nicht angehen. Sie ging ins Wohnzimmer und schaute auf die große Uhr. Tatsächlich, auch sie zeigte ein Uhr an. Schnell schrieb sie noch die Anschrift und den Absender auf den Briefumschlag, legte den Brief auf die Kommode im Flur, um morgen nicht zu vergessen, ihn in den Briefkasten zu stecken und begab sich nach dem Zähneputzen ins Bett, wo sie augenblicklich erleichtert einschlief.

Eleonore - Der verlorene Kampf

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