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7 Gespräch mit Vati

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Kurze Zeit später wurde das Leben für Anna und ihre Eltern wirklich schöner. Eine Woche nach Eleonores Besuch in Gaarden hatte Eleonore ihren Vater zu einem Gespräch herausgefordert, in dem sie sich ihm unangekündigt nach Feierabend am Ausgang der Werft in den Weg stellte. Viele Arbeiter hatten das Gelände bereits verlassen und sie dachte schon, ihr Vater käme nicht mehr, als er endlich mit einigen Kollegen zu sehen war. Sie hatte sich zunächst hinter dem breiten Tor des Ausgangs versteckt und stellte sich blitzartig vor ihn, als er direkt an ihr vorbeiging. Er konnte ihr nicht ausweichen und war auch zu überrascht, um zu reagieren. Er schaute sie im ersten Moment ungläubig an, fasste sich aber schnell und fragte emotionslos:

„Was willst du hier?“

„Ich möchte mit dir reden.“

„Aber nicht hier und jetzt!“, antwortete er kühl.

Seine Kollegen blieben stehen, in der Hoffnung er würde gleich mit ihnen weitergehen. Eleonore versuchte sich durch seine kalte Antwort nicht aus dem Konzept bringen zu lassen. Sie hatte sich zu Hause alles genau zurechtgelegt und wusste auch bereits, was sie sagen wollte:

„Das ist mir einerlei. Ich bin nicht meinetwegen oder deinetwegen hier. Ich komme wegen deiner Tochter Anna“, gab Eleonore von sich. Das Wort „deiner“ betonte sie dabei, indem sie es sehr langgezogen aussprach.

Die Kollegen standen immer noch neben Hermann und horchten nun interessiert auf. Ein Familienstreit auf offener Straße und dann wurde auch noch der Vater von der Tochter zur Rede gestellt! So etwas gab es nicht alle Tage! Eleonore störte sich an den neugierigen Blicken der Kollegen nicht. Sie war durch die gefühllose Reaktion ihres Vaters so aufgewühlt, dass sie ihr Umfeld nicht mehr wahrnahm. Eigentlich wollte sie gerne aufbrausend reagieren. Dennoch hielt sie etwas zurück, die folgenden Sätze nicht laut auszusprechen, sondern nur drohend zu flüstern, so dass nur ihr Vater es hören konnte:

„Es ist egal, ob du der echte Vater von Anna bist oder nicht. Fest steht, dass du ihr Vater bist. Du hast die Verantwortung für sie und erkennst nicht einmal, wie sie dich liebt. Alles versucht sie, um deine Liebe zu bekommen. Aber du fühlst dich in deiner Ehre gekränkt, weil damals wahrscheinlich irgendetwas vorfiel, mit dem du nicht klar kommst.“

Nun hatte sie erstmalig angedeutet, dass sie mehr wusste, als er ahnte. Sie hob die Stimme an und wurde leicht hysterisch:

„Wie kannst du so unmenschlich sein! Was ist nur los mit dir, dass du die Liebe deines Kindes nicht spürst?“

Eleonore fiel es schwer, ihn nicht anzubrüllen, schaffte es aber knapp und flüsterte weiter:

„Was bist du nur für ein Ehemann und Vater? Ich bin dabei, meine Achtung vor dir zu verlieren!“

Ihr Vater fand keine Gelegenheit zu kontern. Er war völlig überrumpelt von ihren Worten. Woher und wie viel wusste seine Tochter von der Vergangenheit? Wer hatte ihr etwas gesagt? Das konnte ja nur seine Frau Alwine gewesen sein. Eleonore sprach nun deutlich hörbar, denn noch war sie nicht ganz fertig. Sie redete jetzt laut auf ihn ein:

„Ich habe euch bis morgen eine Wohnung in Elmschenhagen reservieren lassen. Sie ist zwar nur klein, aber mit einem Schlafzimmer, einem Wohnzimmer und sogar einem Bad. Sie hat große schöne Fenster und ist sehr hell. Und ihr seid dort umgeben von der Natur. Dort wird Anna endlich aufleben können. Sie wird Freunde finden, frische Luft atmen können und spüren, wie schön das Leben sein kann.“

Eleonore holte aus ihrer Handtasche einen Zettel, drücke ihn ihrem Vater in die Hand und sagte laut und bestimmend:

„Hier, die Anschrift der Wohnung. Sie ist nur an Flüchtlinge zu vergeben und das einzige, was du tun musst, ist dort hinzugehen und den Vertrag zu unterschreiben. Wenn du es nicht schaffst, diese euch eigentlich schon sichere Wohnung zu organisieren, werde ich bis an mein Lebensende allen Respekt vor dir verloren haben!“

Sie spürte die neugierigen Blicke seiner Kollegen, aber das ignorierte sie bewusst. Ohne ihn noch eines Blickes zu würdigen, drehte sie sich um und ging davon.

Schon eine Woche später geschah das Wunder. Ihre Eltern zogen mit Anna genau in die Wohnung, die Eleonore ihnen reserviert hatte. Sie war zwar klein, aber sehr freundlich und hell. Jedes Zimmer hatte Fenster, aus denen man in die herrliche Natur sehen konnte. Alle Zimmer waren sonnendurchflutet und aus jedem Fenstern bot sich ein wunderschöner Ausblick ins Grüne. Anna konnte endlich, endlich an der frischen Luft ausgelassen spielen. Sie nahm sogar an Gewicht zu und sah von Tag zu Tag gesünder aus. Das Gesicht bekam rote Bäckchen.

Das Paradies hatte allerdings auch einen schmerzlichen Haken. In der Wohnung und auf dem Hof durften sich keine Flüchtlingskinder aufhalten. Nur nachts war es den Kindern erlaubt zum Schlafen hereinkommen, tagsüber mussten sie draußen bleiben. Das hatte der Besitzer des Hofes beim Einzug zur Bedingung gemacht. Anna und die drei anderen Flüchtlingskinder, die dort ebenfalls wohnten, störte das aber nicht so sehr. Annas Mutter begann Mitleid für ihr Kind zu empfinden. So etwas durfte es doch nicht geben! Jetzt hatten sie ja noch Sommer und alle waren gerne draußen, aber wie sollte es denn im Winter werden? Zum Glück gab es unweit des Hofes eine alte ungenutzte Scheune. Dort hielten sich die Flüchtlingskinder oft bei schlechtem Wetter auf. Es gab auf vielen Höfen im Umfeld Flüchtlingskinder, denen es allen ähnlich erging. Sie waren nirgends willkommen und überall gehasst.

Trotzdem blühte Anna immer mehr auf. Der Vater kam jetzt jeden Abend regelmäßig nach Hause und hatte nur selten getrunken. Als er Anna neulich sogar hochhob und ihr ein zaghaftes Küsschen auf die Wange gab, wunderte sie sich. Er war in letzter Zeit viel netter zu ihr. Auch ihre Mutter schien aufzublühen. Sie lachte ab und zu. Das hatte Anna noch nie gehört. Sie dachte immer, ihre Mutter könne nicht lachen. Auch musste Anna nicht mehr so oft in der Ecke stehen, weil sie böse war. Das Schönste für sie war allerdings, dass Eleonore wieder zu Besuch kam und sich nicht mehr so oft und heftig mit den Eltern stritt.

Eleonore - Der verlorene Kampf

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