Читать книгу Rache für Dina - Cristina Fabry - Страница 5
3. Neesen, Porta Westfalica
ОглавлениеEine Mischung aus Schweiß und Regentropfen floss an Jens Carstensens Körper herab, als er die Haustür aufschloss. Bei diesem Wetter machte nicht einmal das Joggen Spaß. Schneeregen im April. Da hätte er auch gleich in Flensburg wohnen bleiben können. Aber Porta Westfalica war ja auch nicht gerade die Toskana. Nicht einmal mit dem milden Klima des Rheintals konnte der berühmte Weserbogen mithalten. Im Gegenteil: hinter dem Wiehengebirge begann die norddeutsche Tiefebene und die war im Prinzip der Wurmfortsatz Ostfrieslands. Wenn man im malerischen Bergkirchen den Kamm aus Richtung Bad Oeynhausen kommend überschritten hatte und sich in Serpentinen am Nordhang herab schlängelte, war man nicht sicher, ob es sich bei dem, was da vor einem lag um Festland oder von der Ebbe frei gelegte Salzwiesen handelte.
Der Anrufbeantworter blinkte. Jens Carstensen unterdrückte den Impuls, sich wie ein Hund zu schütteln, streifte statt dessen die Schlamm-verkrusteten Laufschuhe ab und eilte ins Bad, um die nassen Kleidungsstücke los zu werden und Schweiß, Schmutz und Verspannung unter einer heißen Dusche fortzuspülen. Als er sich abgetrocknet und frische Kleidung angezogen hatte, fühlte er sich bedeutend wohler und war bereit, der Ursache für das penetrante Blinken seines Anrufbeantworters auf den Grund zu gehen. Es war Margrets Stimme: „Hallo Jens, hier ist Margret. Du musst mich unbedingt sofort zurückrufen, auf dem Mobiltelefon. Es ist dringend.“
Was war denn da schon wieder passiert? Es war doch gar nicht Margrets Art, nicht zu sagen, worum es ging. Er drückte die passende Kurzwahltaste und nach zwei Klingelzeichen nahm die Pfarrerin ab. „Jens? Bist du das?“
„Ja klar. Was ist denn so eilig, dass du es so spannend machst?“
„Am besten, du setzt dich erst mal hin.“
„Oh Gott! Ist einer gestorben?“
„Allerdings.“
Jetzt setzte Jens sich augenblicklich auf den bequemen Sessel, der neben dem Telefon stand. Er erwartete das Schlimmste, was sich dadurch bemerkbar machte, dass ein Großteil seines Blutes in seine Beine sackte, seine Arme sich ganz kraftlos anfühlten und ein leichter Schwindel sich seiner bemächtigte.
„Also los.“, stieß er heiser hervor. „Ich höre.“
„Jemand hat Volkmann ermordet.“
„Was?“ Jens spürte eine seltsame Regung aus Entsetzen und Erleichterung in sich aufsteigen. Entsetzen über die Ungeheuerlichkeit eines Mordes und gleichzeitig Erleichterung darüber, dass es niemanden getroffen hatte, der ihm am Herzen lag.
„Ich komme eben aus dem Kreiskirchenamt. Frau Attig hat ihn gefunden. Er lag mit einem Messer im Rücken in seinem Blut und jemand hat ihm die Hosen herunter gezogen; und was ich aus dem Gestammel von Frau Attig entnehmen konnte, muss der Mörder auch im Genitalbereich ans Werk gegangen sein, da war wohl auch alles voller Blut.“
Nach einer kurzen Pause betroffenen Schweigens fragte Jens ungläubig: „Wer kastriert denn Volkmann und warum?“
„Woher soll ich das wissen?“, antwortete Margarethe Vormbrock. „Ich kann mir auch kaum vorstellen, dass eine wütende Feministin ihn kastriert hat. Er war ja nicht gerade ein Frauenheld und sexuelle Gewalt traue ich ihm eigentlich auch nicht zu.“
„Wer weiß das schon.“, wandte Jens Carstensen ein.
„Ach Unsinn!“, wies Margarethe Vormbrock ihn zurück. „Er war ein manipulativer, machthungriger Despot, ich hielt ihn für einen im Herzen säkularisierten Pseudo-Theologen, und es wundert mich nicht im Geringsten, dass er einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen ist. Aber ich schätze, sexuell hat er sich zu Hause ausgetobt.“
„Vielleicht wollte der Mörder die Polizei nur irreführen, und es gab gar keinen Grund, ihn da unten zu verstümmeln. Aber mal im Ernst, wer tut so was? Wer von den Leuten, die wir kennen, ist so kaltblütig, einen so brutalen Mord durchzuziehen?“, fragte Jens Carstensen sie.
„Oder so unendlich wütend.“, ergänzte Margarethe Vormbrock.