Читать книгу Warum ich mich nicht als schwul bezeichne - Daniel C. Mattson - Страница 20
Pornografie: ein verdorbenes Liebesverhältnis
ОглавлениеIch habe einmal den Ausspruch gehört, dass man abhängig ist, sobald man einmal Heroin konsumiert hat.
Mein »Heroin« war die Pornografie. Meine Abhängigkeit begann auf einem Pfadfinderausflug. Einer der Jungen in meinem Zelt hatte jede Menge Hardcore-Pornomagazine aus dem Versteck seines Vaters entwendet und mitgebracht. Ich verschlang sie, als ob ich darin die Geheimnisse des Universums entdecken könnte. Lange nachdem die anderen bereits fest schliefen, blätterte ich Seite für Seite durch und saugte alles auf. Es war einer der elektrisierendsten Momente meines Lebens.
Am nächsten Tag fühlte ich mich schrecklich. Ich wusste, dass es falsch gewesen war, und ich beschloss, so etwas nie wieder zu tun. Aber ich konnte nicht aufhören, an das zu denken, was ich gesehen hatte. Ich wollte mehr sehen – und schien mehr zu brauchen.
In meiner Zeit war es für Teenager schwer, an solches Material heranzukommen – der einzige Weg war, es über einen Freund zu bekommen oder es irgendwo zu kaufen. Es gab damals noch keine Smartphones. Aber dies schreckte mich nicht weiter ab. Niemand ist so gewitzt wie ein Teenager, der an Pornohefte kommen möchte.
Eines Tages sah ich auf dem Weg zur Arbeit einen ziemlich heruntergekommenen Laden. Bisher war er mir nie aufgefallen. Irgendwie wusste ich, dass ich hier finden würde, was ich suchte. Und so war es auch. Entschlossen griff ich nach einem der Magazine, die ich auf dem Pfadfinderausflug gesehen hatte, und hoffte, dass der Mann hinter dem Tresen es mir auch verkaufen würde.
Er tat es. Nervös bezahlte ich, verließ den Laden und steckte das Magazin zwischen mein Hemd und meinen Mantel. Mein Herz klopfte vor Aufregung, als ich die Tür meines Autos öffnete, nach dem Schlüssel suchte und hastig davonfuhr.
Ich wusste nicht, dass ich gerade die Tür zu einer Gefängniszelle geöffnet hatte.
Ich habe mich oft gefragt, wie mein Leben wohl verlaufen wäre ohne die Pornografie. Jahrzehntelang war ich ihr Sklave.
Pornografie lockt und wirbt und tarnt sich mit einem Schein von Schönheit. Sie versteckt sich hinter einer beruhigenden, berauschenden Maske, die immer schmeichelnd und bezaubernd erscheint und permanent mehr und größeres Vergnügen verspricht. Tatsächlich hypnotisiert sie aber ihre Opfer, sodass diese langsam tiefer und tiefer in den matten Stumpfsinn eines bedingungslosen Gehorsams rutschen. Pornografie ist ein Parasit, der die Freude, das Lachen und das Leben langsam aus einem heraussaugt. Alles, was übrig bleibt, sind Schmutz, Asche und Schmerz.
So existierte ich: solch ein Schmerz, solch ein Aufruhr, solch eine Schuld und solch ein Leid. Ich war eine solch lange Zeit ein Gefangener. Nichts konnte mich zufriedenstellen. Die Gier nach Pornografie ist unstillbar. Da gab es immer ein Verlangen. Und dieses Verlangen muss immer mit Neuem gefüttert werden.
Das ist einer der Gründe, warum ich mich der Pornografie mit homosexuellen Inhalten zugewandt habe. Gelegentlich spürte ich den Drang nach einem größeren »Hit«, als mir das gewöhnliche Hardcore-Material einbrachte, das ich kaufte. So besorgte ich mir Pornohefte mit homosexuellen Inhalten – bis sich schließlich mein ganzes Interesse in die andere Richtung drehte. Das Pendel schwang in Richtung Männer, wobei ich gelegentlich auch an Frauen dachte. Sicher ist, dass ich mir nicht bewusst meine Neigung zu Männern ausgesucht habe. Doch ich habe mit tausend Entscheidungen dazu beigetragen, diese Neigung zu verstärken. Pornografie – und meine Fantasie – befruchteten dies noch.
Der hl. Gregor von Nyssa schreibt: »Und wir sind gewissermaßen unsere eigenen Väter, indem wir uns selbst zeugen nach unserem Willen und aus eigenem Entschluss uns bilden nach dem Bild unseres Wollens, einem männlichen oder weiblichen Bild, in Tugend oder in Laster.«1 Er schreibt an einer anderen Stelle:
»Oft aber verliert er auch ganz durch die Hinneigung und den Hang zum Unvernünftigen, indem er das Gute durch das Böse ganz verhüllt. Denn wenn einer hierzu die Vernunfttätigkeit herabzieht und den Verstand zwingt, ein Diener der Leidenschaften zu werden, so geschieht eine Verkehrung des guten Bildes in die tierische Fratze so, dass die ganze Natur hierzu umgewandelt wird, indem der Verstand die Keime der Leidenschaften gleichsam kultiviert und von wenigen zur Menge vermehrt. Denn indem er der Leidenschaft seinen Beistand leiht, macht er üppig und ergiebig das Wachstum der Torheiten.«2
Der hl. Gregor hätte das auch über mich und meine Leidenschaft nach Männern schreiben können. Ich war meinen Begierden unterworfen, denn sie drängten sich ungebeten und unvorhergesehen auf. Meine kindliche Sehnsucht nach dem Jungen in der ersten Klasse weist darauf hin. Aber in tausend Schritten und tausend Entscheidungen gab ich meinen Leidenschaften nach, weil es aufregend und zugleich tabu war. Die reichliche und massive Ernte, die sich daraus ergab, war eine hartnäckige und problematische Neigung zu Männern.
Ich glaube nicht, dass meine Neigung zu Männern eine naturgegebene Sache war oder gar nur eine Prägung, die durch meine Erziehung hervorgerufen wurde. Zum Teil existiert sie, weil ich sie fütterte und pflegte. Ich trug dazu bei, dass sie in meiner Seele Wurzeln schlagen konnte, und befruchtete sie durch meine Lust – eine Lust, die durch mein neidvolles Verlangen, jemand anderer zu sein, als ich war, angestachelt wurde. Die Pornografie wurde für mich zu einer Sammlung von Männern, die Gesichtszüge und Merkmale hatten, die ich mir für mich selbst immer gewünscht hatte. Ich spürte ein Verlangen nach Männern, die so waren, wie ich sein wollte. Dies wurde zu einem unkontrollierbaren Begehren, das, wie mir jetzt bewusst wird, aus tiefen Verwundungen meiner Psyche stammt.
In ihrem Buch Krise der Männlichkeit beschreibt Leanne Payne, die seit vielen Jahren Männer und Frauen mit gleichgeschlechtlichen Neigungen berät, die Geschichte eines gewissen Richard, der sie wegen einer Beratung aufsuchte. Seine Geschichte ähnelt meiner eigenen.
»In seinen Fantasien sah Richard den Teil seiner selbst, der ihm nicht gefiel, in idealisierter Form. Für ihn wurde dieser Teil durch einen sexuell aktiven und athletischen Typ verkörpert. Er schaute andere Männer an und liebte an ihnen den verlorenen Teil seiner selbst, seine leider nicht bestätigte Männlichkeit, die er deshalb bei sich nicht erkennen und akzeptieren konnte. Homosexuelle Aktivität ist deshalb oft nur ein verkehrter Versuch – auf die falsche Art, wie es die Kannibalen tun –, die Eigenschaften der eigenen Persönlichkeit in sich aufzunehmen, von denen man sich entfremdet hat. In Wirklichkeit ist es also eine Form von Selbstliebe oder Narzissmus. Es fiel Richard nicht schwer zu erkennen, dass dies auf ihn zutraf.«3
Payne nennt dies »kannibalische Kompulsion« aufgrund der bemerkenswerten Tatsache, dass primitive Völker das Fleisch ihrer Feinde nicht nur zur Machtdemonstration verzehren, sondern weil sie die Kraft oder Macht der Eroberer buchstäblich in sich aufnehmen möchten. Dies ist sicherlich ein unbequemer Vergleich, aber ebenso wie Richard erkenne ich diese »kannibalische Kompulsion« in meinem Leben sehr klar. Jeder Mann, der irgendwie für mich attraktiv war, hatte Gesichtszüge und Merkmale, von denen ich wünschte, dass ich sie besessen hätte. Meine Neigungen haben sich im Lauf der Zeit nicht verändert: Ich habe mich nie zu einem Mann hingezogen gefühlt, der so ähnlich aussah wie ich.
Die Schwulenbewegung scheint die Gesellschaft davon überzeugt zu haben, dass Homosexualität eine normale Variation der natürlichen Sexualität ist und nicht ein Symptom für tiefe, nicht geheilte Verletzungen der Psyche. Therapeuten, die diese Verletzungen identifizieren und Unterstützung zur Heilung dieser Wunden geben wollen, werden als rückwärtsgewandt und unwissenschaftlich dargestellt, als Therapeuten, die andere zwingen, »gegen ihre Natur vorzugehen«. Dies wird von der Schwulenbewegung als grobe Ungerechtigkeit angesehen, denn sie behauptet, dass »Schwulsein« ein natürlicher Teil der normalen Sexualität sei, so normal wie Vater, Mutter oder Kind zu sein. Unsere Körper zeigen uns aber, dass Homosexualität ein Widerspruch zur menschlichen Sexualität ist. Wir alle machen uns etwas vor, wenn wir anders darüber denken. Wir verletzen den freien Willen der Menschen, insbesondere der Jugendlichen, die auf der Suche nach ihrer wahren Bestimmung davon abgehalten werden, Hilfe zu suchen, um von ihren unerwünschten gleichgeschlechtlichen Neigungen loszukommen.
In meinem Leben ist mir der Ursprung meiner eigenen homosexuellen Neigung völlig klar: Als ich ein Junge war, habe ich zusammen mit dem Nachbarsjungen den Nährboden dafür gelegt. Die darin enthaltene Saat wuchs heran und beinhaltete ein Verspottetwerden und eine Abkapselung von anderen Jungen und einen Neid, der vom Nicht-annehmen-Können meines eigenen Körpers stammte. Hinzu kam die Erfahrung von barschen Männern und einem Vater, der mich manchmal ängstigte und einschüchterte, und von Frauen, die mich zurückwiesen, und einer Mutter, die aufgrund ihrer eigenen seelischen Verletzungen eine ungesunde und kontrollierende Bindung zu mir hatte. All das ist in meinem Leben präsent – all das, was die Experten einst unwidersprochen aufzählen durften –, ja, alles ist da.
Heute werden diese Kausaltheorien als »homophob« eingestuft oder als abwertend gebrandmarkt und als archaisches Psychogeschwätz abgetan. Aber all das ist gegenwärtig in meinem Leben wie eine Linie, die sich so klar und unerbittlich abzeichnet wie die Bahn der Erde um die Sonne. Wir leben in einer Welt von Ursachen und Wirkungen. Alles kommt von irgendwoher, alles hat seinen Anfang, jede Frucht muss zuerst gepflanzt werden. Es ist nicht schwer, die Konturen meines Lebens zu verfolgen, die mich zur gleichgeschlechtlichen Neigung geführt haben. Es gab Zeiten, da trug ich mit meinem eigenen Anteil dazu bei.
Als ich mich der schwulen Pornografie zugewandt hatte, legte ich gewissermaßen meine Hand an den Pflug, indem ich meine Sehnsucht nach Männern tief in den fruchtbaren Boden meiner jugendlichen Vorstellungskraft säte. Wenn ich auf mein Leben zurückschaue, liegt dieser Weg so klar vor mir wie die Rillen und Furchen eines gepflügten Ackers im frühlingshaften Michigan.