Читать книгу Das Geheimnis der Väter - Daniel Eichenauer - Страница 10
Jakob Chrumm
ОглавлениеNeele lachte so herzlich, nachdem ich diese Geschichte erzählt hatte, dass sie sogar ihr Grübchen vergaß. «Ich war wirklich beeindruckt: ein Pool – cool!»
Wir lachten und stießen auf den Pool an.
Während wir über die alten Zeiten geplaudert hatten, hatte die Party mächtig Fahrt aufgenommen. Von drinnen sahen wir, wie sich einige Männer bis auf die Unterhose auszogen und unter lautem Gegröle ins Wasser sprangen. Die sündigen drei standen am Rand des Schwimmbeckens und sahen dem Treiben kreischend zu. Jemand fand einen riesigen aufblasbaren Wal und warf ihn ins Becken. Die Dreierbande trompetete. Da hatte endlich jemand genug von der Koketterie, schnappte sich kurzerhand die Blondine und warf sie vollbekleidet ins Wasser. Die übrigen zwei wieherten umso lauter, wodurch sich zwei weitere Männer ermutigt fühlten, sie ebenfalls ins Becken zu schubsen.
Bei diesem Anblick erzählte Neele, wie froh sie sei, dem Kleinstadtleben entflohen zu sein. Sie hatte beschlossen, ihre Arbeit als Sekretärin im Westfälischen aufzugeben und zurück nach Berlin zu ziehen. Durch Zufall hatte Kathi sie genau zu diesem Zeitpunkt in einem Internetportal wiedergefunden.
«Seit zwei Wochen bin ich nun hier, und mein Arbeitsplatz – ich versuch’s erst mal wieder als Sekretärin – ist schon vollständig eingerichtet, was man von meiner Wohnung nicht gerade behaupten kann.»
Ich konnte es nicht fassen. «Seit zwei Wochen? Und da wartest du bis jetzt, um mich …», ich stockte, «… um uns alle wiederzutreffen?»
Neele kaute auf ihrem Strohhalm herum und sah mich an. Die Wasserfreunde stiegen aus dem Pool und watschelten pitschnass zu uns ins Haus. Blondi stand mit einem der Männer tropfend vor der Toilette an, was die anderen aus der Schwimmgruppe zu zweideutigen Bemerkungen anstachelte.
Ich hätte mich noch stundenlang mit Neele unterhalten können, doch sie schaute nachdenklich aus dem Fenster. Das erste zarte Blau des Morgens zeichnete sich bereits am Himmel ab. Ein neuer Tag brach an.
«Es war ein wunderschöner Abend. Danke!»
«Er ist noch nicht zu Ende», erwiderte ich.
Sie legte ihre Hand auf meine Schulter. «Doch.» Sie sah mich nicht an. «Leider», fügte sie hinzu, bevor sie sich abwandte.
Ich wollte ihr folgen, aber Tom kam mit einer Schnapsflasche angelaufen und hielt mich fest. Hastig stürzte ich ein Glas hinunter und schob ihn zur Seite. Doch Neele war bereits im Morgengrauen verschwunden.
In dieser Nacht fand ich keine Ruhe. Ich wanderte ziellos durch meine stille Wohnung, die mir in dem fahlblauen Licht der Nacht unwirklich erschien. Erinnerungen besetzten meinen Kopf und verweigerten dem Schlaf den Zutritt. Seltsamerweise waren es nicht so sehr die Gedanken an Neele, die mich nicht schlafen ließen, sondern eher jene an meine Familie. Wieder und wieder ging mir durch den Kopf, wie meine Mutter meinen Stiefvater kennengelernt hatte.