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Jakob Chrumm

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Ich wälzte gerade Bücher über Berlin. Stadtgeschichte, Sehenswürdigkeiten, ähnlich Langweiliges. Doch nichts half mir weiter. Keine Tipps, keine Anekdoten. Ich hatte Neele eine Stadtführung versprochen und suchte nach etwas Besonderem. Als ob sich Neele für das Baujahr des Brandenburger Tors interessierte! Entnervt legte ich die Bücher zur Seite. Ich seufzte. Dass es überhaupt so weit gekommen war, konnte ich mir nicht erklären. Das heißt, erklären konnte ich es mir schon, doch ich hatte es nicht beabsichtigt. Seit dem Abend der Party vor fast zwei Wochen dachte ich darüber nach, womit ich Neele überraschen konnte. Ich hätte mich eigentlich gegen diese Gedanken wehren müssen, schon alleine wegen Nina. Was nun?

Plötzlich hatte ich eine Idee: die «Hafenbar»! Die freitägliche Schlagerparty dort musste man erlebt haben. Die «Hafenbar» lag im ersten Stock eines kleinen alten Hauses im Ostteil der Stadt und war seit DDR-Zeiten unverändert. Sie war die älteste Disco der Stadt und auch bei jungen Leuten sehr beliebt. Ein hölzerner Segelmast stand in der Mitte der Tanzfläche, Fischernetze, Bullaugen und Plastikfische mit Riesenaugen hingen an den Wänden. Nachts pflegten sich die Tänzerinnen um den Segelmast zu schlängeln. Die Besucher der «Hafenbar» waren ein offenes und fröhliches Völkchen, fahrtüchtig war von ihnen meist bald keiner mehr, und so kannte nach einer halben Stunde fast jeder jeden – falls man den Namen des Gegenübers im Lärm überhaupt verstand.

Als wir die Bar am Abend betraten, tobte das Partyvolk bereits. Schlager wurden mitgegrölt, Arme flogen in die Höhe, Frauen wurden torkelnd übers Parkett gewirbelt oder kreischend in Hebefiguren gezwungen. Ein angetrunkener Gast schüttete versehentlich sein Getränk über meinen Arm aus und versuchte sich mühsam in Entschuldigungen. Ich holte zwei Bier, und Neele und ich setzten uns in eine ruhigere Ecke. Sie plauderte munter drauflos.

Es wurde immer später, die Musik langsamer. Irgendwann begaben wir uns auf die Tanzfläche. Neele lag in meinen Armen, langsam bewegten wir uns im Kreis. Ihre Hände glitten zaghaft über meinen Rücken. Ich spürte ihren Körper. Mein Herz begann zu klopfen. Sie umfasste meine Schulterblätter und ließ ihren Kopf auf meine Brust sinken. Hoffentlich spürte sie meinen Herzschlag nicht! Meine Hände wurden mutiger und suchten neue Ziele. Sie glitten ihren Rücken herab und befühlten ihren Gürtel. Ein neues Lied begann. Ich fuhr an ihrem Gürtel entlang, spürte ­keine Gegenwehr. Langsam ertasteten meine Hände ihr Gesäß. Ich zog sie an mich heran. Mein Kinn berührte ihre Haare. Ich schloss die Augen und streichelte ihren Nacken. Sie hob ihren Kopf und hielt ihre Wange an meine. Nein, das ging zu weit! Ich hatte Angst. Unsere Gesichter bewegten sich langsam aufeinander zu. Meine Lippen suchten nach ihren.

Nina!, schoss es mit durch den Kopf. Nina! Doch es war zu schön. So schön, dass ich jeden Moment erwartete, dass Neele mich plötzlich von sich stoßen und sich für ihren ­Moment der Schwäche entschuldigen würde. Ihre Lippen öffneten sich.

Nach einer gefühlten halben Stunde sahen wir uns in die Augen. War das nicht zu gut, um wahr zu sein? Ein Kuss muss schließlich nichts bedeuten. Neele konnte sich immer noch anders entscheiden. Doch was war mit Nina? Ich presste die Handflächen gegen meinen Kopf. Was war mit Nina?

Das Geheimnis der Väter

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