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1.3 Schriftrollenfunde am Toten Meer vor 1947

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Die Entdeckungen von 1946 oder 1947 waren keinesfalls die ersten Handschriftenfunde vom Toten Meer. Der Kirchenvater Eusebios von Cäsarea in Palästina (ca. 260–340) gibt einen Bericht des OrigenesOrigenes (ca. 184–254) wieder:

In den Hexapla setzte er (Origenes) bei den Psalmen neben die bekannten vier Ausgaben nicht nur eine fünfte, sondern auch eine sechste und siebte Übersetzung und bemerkt, daß eine derselben zu Jericho in einem Krug (en pithō) zur Zeit des Antoninus (188–217), des Sohnes des Severus, aufgefunden worden sei. (Eusebios, Kirchengeschichte, VI 16, modifizierte Übers. von Kraft 1967, zur Hexapla, s.u. S. 195)

Der aus Palästina stammende Epiphanios von SalamisEpiphanios von Salamis (310–403) berichtet vielleicht vom selben Vorfall und einem anderen, wenn er schreibt:

Und in der Zeit des Severus wurde eine fünfte Übersetzung in einem Krug versteckt in Jericho gefunden, und in den Zeiten des Antoninus eine sechste Übersetzung in Emmaus, ebenfalls in einem Krug versteckt. (Nach M. Stone und R. Ervine, The Armenian Texts of Epiphanius of Salamis De Mensuris et Ponderibus 17–18 (CSCO 583, tomus 105, Leuven, 2000, 87).

Von anderen Handschriftenfunden am Toten Meer berichtet um 800 n. Chr. Timotheos I. von Seleukia KtesiphonTimotheos I. (727/729–823), Patriarch von Seleukia Ktesiphon / Bagdad in einem Brief an seinen Korrespondenten Sergius, Metropolit von Elam:

Wir erfuhren von glaubwürdigen Juden, die eben als Katechumenen im Christentum unterrichtet wurden, daß vor zehn Jahren in der Nähe von Jericho in einem Felsenhause Bücher gefunden wurden. Es heißt nämlich, daß der Hund eines jagenden Arabers einem Thiere folgend eine Höhle betrat und nicht zurückkam. Sein Herr folgte ihm und fand im Felsen ein Häuschen und darin viele Bücher. Der Jäger ging nach Jerusalem und teilte es den Juden mit. Sie kamen in Menge heraus und fanden die Bücher des alten (Testamentes) und andere in hebräischer Schrift. Und da der Erzähler |13|ein Schriftkundiger und Schriftgelehrter war, fragte ich ihn um manche Stellen, die in unserem neuen Testamente als aus dem alten angeführt, aber dort nirgends erwähnt werden, weder bei uns Christen, noch bei den Juden. Er sagte: sie sind vorhanden und finden sich in den dort gefundenen Büchern. […] Es sagte aber jener Hebräer zu mir: „Wir fanden in jenen Büchern mehr als 200 Psalmen Davids“. Ich schrieb nun an jene darüber. Ich denke jedoch, dass diese Bücher niedergelegt wurden von dem Propheten Jeremias, oder von Baruch, oder von einem andern aus denen, welche das Wort Gottes hörten und davon bewegt wurden. Als nämlich die Propheten in göttlichen Offenbarungen die Eroberung, Plünderung und Verbrennung, die über das Volk wegen seiner Sünden kommen sollten, erfuhren, da verbargen sie, fest überzeugt, daß keines der Worte Gottes zu Boden fällt, die Schriften in Felsen und Höhlen und versteckten sie, damit sie nicht im Feuer verbrennen, noch von den Plünderern geraubt werden sollten.

Oskar Braun, „Ein Brief des Katholikos Timotheos I. über biblische Studien des 9. Jahrhunderts“, Oriens Christianus 1 (1901) 299–313, hier 301–305.

Als viertes Zeugnis gelten die in mittelalterlichen Sektenkatalogen erwähnten „MagharierMagharier“ (wörtlich „Höhlenmenschen“). Der Karäer Jaqub Qirqisani aus dem frühen zehnten Jahrhundert führt ihren Namen darauf zurück, dass sie nach ihren in einer Höhle gefundenen Büchern heißen (arab. maġariya, dt. Höhle, vgl. hebr. me‘ara). Es ist nicht ganz klar, ob Qirqisani sie der Gegenwart oder der Vergangenheit zurechnet, doch stehen sie in seinem Sektenkatalog zwischen den ṣaduqiya (Sadduzäern/Zadokiten) und den Nachfolgern Jesu. Nach einer zweiten Quelle, Muhammad asch-Schaharastani (1086–1153), lebten die asketischen Magharier vierhundert Jahre vor Arius, dem „Gründer“ der Arianer (ca. 250–336 n. Chr.). Die Magharier würden also aus der Zeit des Zweiten Tempels stammen. Nach dem berühmten muslimischen Gelehrten Muhammad Al Biruni (973–1048) feierten die Magharier Neujahr und Pessach (Mazzotfest) immer an einem Mittwoch. Wir werden noch sehen, dass dies mit dem in Qumran bezeugten 364-Tage-Jahr übereinstimmt (s.u. S. 291). Die unterschiedlichen Nachrichten sind zwar nicht einfach auf einen historischen Nenner zu bringen (Golb). Allerdings wurden frühmittelalterliche Handschriften von nur aus Qumran bekannten Texten in der Geniza der Kairoer Ben Ezra-Synagoge gefunden. Die Geniza ist das fünfte Zeugnis für frühere Handschriftenfunde.

|14|Die Geniza der Kairoer Ben Ezra SynagogeGeniza der Kairoer Ben Ezra Synagoge ist die bekannteste und für die Qumranforschung wichtigste Geniza. Im Gegensatz zu anderen Genizot wurde sie über 900 Jahre lang nicht entsorgt. Auch wurde die Synagoge nie zerstört. Im Laufe der Jahrhunderte haben sich hier Hunderttausende von Dokumenten, Rechnungen, Bücherlisten, Heiratsurkunden, Einkaufslisten, Verträgen, Briefen, Notizen, kleinen und großen Fragmenten von Handschriften der Bibel, der Mischna, der Talmudim, Midraschim oder anderer theologischer, philosophischer, exegetischer, mystischer, medizinischer oder anderer wissenschaftlicher und unwissenschaftlicher Werke angesammelt. Selbst Autographen von Maimonides fanden sich hier.

Verschiedene europäische Handschriftensammler reisten im 19. Jahrhundert nach Kairo und brachten aus dieser und anderen Genizot Handschriften nach Hause. Zu ihnen gehörte Abraham Harkavy, der Karäer Abraham Firkovitch und die gelehrten Zwillingsschwestern Agnes Lewis und Margaret Gibson. Letztere machten den Cambridger Talmuddozenten Solomon Schechter auf den großen historischen Wert der Kairoer Dokumente aufmerksam. Schechter ging daraufhin nach Kairo und brachte Hunderttausende Fragmente nach Cambridge, in die größte Sammlung (heute: „Taylor-SchechterTaylor-Schechter“, abgekürzt T.-S.T.-S.). Andere besonders wichtige Kollektionen sind in St. Petersburg, Oxford, New York (Jewish Theological Seminary) und Manchester. Viele ursprünglich zusammenhängende Schriften wurden leider auf unterschiedliche Sammlungen aufgeteilt. Diese riesige Abfallhalde gibt Judaisten, Wirtschaftshistorikern, Religionswissenschaftlern, Philosophen, etc. einen unvergleichlich detaillierten Einblick in die Denkwelt, die soziale Struktur und die internationale Vernetzung einer der bedeutendsten jüdischen Gemeinden des 10.–13. Jahrhunderts. Seit jüngstem bietet das Friedberg Genizah Projekt (http://www.genizah.org) Interessierten Zugang zu Fotos, Katalogen und Transkriptionen von Fragmenten fast aller Sammlungen.

Ende des 19. Jahrhunderts wurden in dieser Kairoer Geniza einige mittelalterliche Handschriften von vier Texten gefunden, die nicht in der Hebräischen Bibel stehen und schnell den Verdacht erregten, Abschriften antiker Texte zu sein: die Damaskusschrift (CD), das Aramäische Levi Dokument (ALD), Sirach und die Genizapsalmen. Die Damaskusschrift ist sonst nur aus Qumran bekannt und daher Kronzeuge dafür, dass einige Vorlagen dieser Genizatexte vielleicht aus Handschriftenfunden aus der Zeit des Timotheos stammen.

Zum Aramäischen Levi Dokument (ALD) s.u. S. 226 und 283f Zu den beiden Handschriften der Damaskusschrift (CD), s.u. Teil 4, S. 240f Sirach, eine Weisheitsschrift, die bis dato nur aus christlichen Bibeln bekannt war (s.u. S. 180 und 340f) wird auch hier und da im Talmud zitiert. Für die nicht nur aus Qumran bekannten Texte ist daher unklar, ob die Genizafragmente auf Handschriftenfunden in Höhlen bei Qumran basieren oder ob die Texte kontinuierlich weiter überliefert worden waren. Das Alter der Genizapsalmen (s. Stec) ist umstritten, denn unter den Qumranrollen wurden keine Paralleltexte gefunden.

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