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1.6 Der akademische Skandal par excellence (1960–1990)

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Mit der Auflösung der Scrollery kommt auch die intensive Arbeitsphase der Mitglieder der Scrollery zu ihrem Ende. Jordanien hat nicht die für die weitere Arbeit notwendigen finanziellen Mittel. Ist bis 1960 die Hauptarbeit erledigt worden (Konkordanz!), wird die Editionsarbeit von 1960 bis 1990 nun nur im Schneckentempo vorangehen. In DJD erscheinen bis 1990 nur sechs weitere Bände, vier davon vor 1970. Die Gründe für die Verschleppung der HerausgabeVerschleppung der Herausgabe sind vielfältig: einige Editoren bearbeiten ein zu großes Quantum an Texten (Milik ca. 200 Rollen mit tausenden von Fragmenten!). Die Alkoholabhängigkeit der zwei produktivsten und begabtesten Mitarbeiter fördert nicht die Effizienz. Mehrere Mitarbeiter treten schon früh sehr verantwortungsvolle Posten an, die ihnen nur noch kurze Forschungsaufenthalte in den Semesterferien erlauben (Cross schon seit 1954). Später werden Jordaniens Verstaatlichung des Rockefeller Museums und Israels Eroberung des Ostteils Jerusalems mit dem Rockefeller Museum und der École Biblique et Archéologique ein politisches Umdenken erfordern, das nicht allen leicht fallen wird. Die meisten Mitarbeiter haben eine stark antiisraelische Haltung, die bei einigen auch die Schwelle zum Antisemitismus überschreitet.

Doch der Hauptgrund ist wohl der Perfektionismus fast aller Teammitglieder. John Strugnell publiziert in der Revue de Qumrân 1970 eine vernichtende, doch wegweisende Rezension in Buchlänge zu Allegros mangelhafter Edition seiner Fragmente aus Höhle 4. Welche Arbeit und welcher Druck hinter der Editionsarbeit stehen, kommt im Vorwort des von Maurice Baillet edierten DJD-Bands (1982) auf erschütternde Weise zutage:

In Anbetracht seiner Unvollkommenheiten wird dieses Werk vielleicht strenge Rezensenten finden. Wenigstens werde ich die Genugtuung haben, mein Bestes gegeben zu haben. Geliebter Leser, vergesse nie, dass es unter |21|Qualen, manchmal gar unter Tränen geschrieben worden ist. Du magst erahnen, dass sein Autor, durch das Hintertürchen dem Höhle 4 Team beigetreten, froh ist, heute durch das Haupttor davonzukommen. (Baillet, DJD 7, xiv).

Bei der Eroberung des Westjordanlandes 1967 fällt Israel nicht nur das Rockefeller Museum mit den Fragmenten und den Fotos, sondern auch Bethlehem und damit der Antiquitätenladen Kandos in die Hände. Der bestens informierte Yadin entsendet ein Kommando, das die Tempelrolle konfisziert (Kando wird später mit 108000 Dollar „entschädigt“). Sie war in einem Schuhkarton unter den Bodenplanken von Kandos Haus versteckt. Leider hat das in der Zwischenzeit durchgesickerte Putzwasser die Hälfte der Rolle unwiederbringlich zerstört.

1977 veröffentlicht Yadin die Tempelrolle. Es ist die erste wichtige Qumranrolle, deren Analyse zunächst nur Forschern zugänglich ist, die Ivrit lesen. Die Publikation der Tempelrolle als WasserscheidePublikation der Tempelrolle wird sich als Wasserscheide für die Deutung der Gesamtbibliothek erweisen. Bis dato drehen sich die meisten Veröffentlichungen um die Theologie und Exegese der Besitzer der Rollen. Nun steht plötzlich die Halakha im Zentrum. Plakativ gesagt folgt dreißig Jahren christianisierender Lektüre der Rollen nun eine Epoche der „Rejudaisierung“, einer Heimholung Qumrans in die jüdischen Studien (vgl. den Titel von Schiffmans einflussreicher Einleitung).

Noch auf einer anderen Ebene läutet die Publikation der Tempelrolle eine Wende ein. Während Yadin die essenische Autorschaft der Tempelrolle befürwortet, mehren sich die Stimmen dagegen. Dies ist die erste große vorher unbekannte hebräische Rolle, die die pan-essenische Deutung in Frage stellt.

Im Jahr 1977 ertönt auch der erste wirklich laute Aufschrei über die Verschleppung der Veröffentlichung der Qumrantexte. Kein Geringerer als Géza Vermes (1924–2013), Professor in Oxford, spricht vom „akademischer Skandal par excellenceakademischen Skandal par excellence des 20. Jahrhunderts“, wenn nicht drastische Schritte zu ihrer schleunigen Herausgabe unternommen würden. Es sollte noch dreizehn Jahre dauern. In der Zwischenzeit geben die an großen Universitäten beschäftigten Mitglieder der Scrollery die Texte an ihre Doktoranden weiter. Anderen Wissenschaftlern hingegen wird Zugang zu Rollen und Fotos verwehrt. So haben Doktoranden Macht, Thesen anderer, und seien es noch so hochangesehene Experten, mit dem kurzen Hinweis auf unveröffentlichte Qumrantexte umzukippen. Diese Situation verschärft den Verdruss der außenstehenden Wissenschaftler. Immerhin wird Ende der 80er Jahre das Editionsteam hier und da um Außenstehende erweitert.

|22|Strugnell hat für die Analyse eines weiteren halakhischen, aber im Gegensatz zur Tempelrolle äußerst fragmentarischen Texts in seiner Verantwortung, 4QMMT4QMMT (Miqsat Maase Hatora = „einige Werke der Tora“), schon 1979 den jungen israelischen Linguisten Elisha Qimron als Experten für das „mischnische“ Hebräisch gewonnen. 1984 stellt Qimron auf einer Konferenz in Jerusalem erstmals den Text vor: es handle sich um einen frühen Brief des „Lehrers der Gerechtigkeit“ an seinen Kontrahenten, den „gottlosen Priester“, bevor sich beide Parteien auseinander entwickelt haben. Der Text enthält halakhische Diskussionen zu ca. zwanzig Punkten, in denen den Schreibern und Adressaten Positionen beigemessen werden, wie sie die Sadduzäer vertraten, während parallel gegen eine dritte Gruppe, die pharisäische Positionen vertritt, polemisiert wird. Dass ein so zentrales Dokument 35 Jahre lang unveröffentlicht bleiben konnte, erregt erhebliches Aufsehen, und lässt verwundert fragen, welche anderen zentralen Texte gleichfalls unveröffentlicht geblieben seien.

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