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Zur Technik und Buchgestaltung
ОглавлениеNicht nur hinsichtlich der künstlerischen Erfindung, auch bezüglich der Technik gelten Gustave Dorés Bilder zur „Göttlichen Komödie“ als Meisterwerke der Buchillustration. Wie bei den meisten seiner großen Illustrationswerke wählte Doré auch hier das graphische Verfahren des Holzstichs, um seine Bilderfindungen zu vervielfältigen. Der Holzstich ist, wie der Name schon besagt, eine Art Mischung aus Holzschnitt und Kupferstich, bei der der Holzstock mit den Werkzeugen und der Technik des Metallstichs bearbeitet wird. Das 1800 von Thomas Bewick entwickelte Verfahren erlaubt wesentlich subtilere und feinmaschigere Linien als der Holzschnitt und wurde zunächst vor allem als sogenannter Faksimileholzstich zur Wiedergabe von Federzeichnungen in der Zeitungsillustration angewendet. Bei den Illustrationen der „Göttlichen Komödie“ handelt es sich um eine Weiterentwicklung der Technik in Form des sogenannten Weißlinien- oder Tonstichs, der sich durch eine engere, teilweise mit der Liniermaschine ausgeführte Linienführung und damit eine differenziertere Hell-Dunkel-Abstufung auszeichnet. Damit konnte die gewünschte malerische Wirkung von Tuschzeichnungen wiedergegeben werden.
Der Holzstich war eine streng arbeitsteilige druckgraphische Technik. Ausgangspunkt war eine Zeichnung eines Malers oder Illustrators, die dieser, meist nach einer Vorlage oder Vorzeichnung, entweder seitenverkehrt direkt auf den Holzstock zeichnete oder von einem Zeichner auf den Holzstock übertragen ließ. Nach 1860 wurden die Vorlagenzeichnungen zunehmend mit Hilfe der Photographie auf den Holzstock gebracht, und auch Doré hat sich dieses zeit- und kostensparenden Verfahrens bedient. Anschließend wurde die Zeichnung von einem spezialisierten Stecher in die Holzplatte geritzt und schließlich gedruckt. Von Doré ist bekannt, dass er seine Kompositionen meist ohne eine Entwurfsgrundlage spontan direkt auf die Holzplatte zeichnete und sogar mehrere Holzstöcke parallel in Arbeit hatte, wie sein Biograph Leblanc nach einem Augenzeugen berichtet:
„Er hatte stets 15 bis 20 Platten vor sich; er wanderte von einer zur anderen mit einer geradezu wundersam anmutenden Schnelligkeit und Sicherheit des Strichs, und stellte alle an einem Morgen fertig. Wenn das Werk vollendet war, trug er die Platten zu einem Stecher, der die weißen Partien aushob und die schwarzen Partien im Holz stehen ließ. Auf diese Weise wurde die ursprüngliche Zeichnung von Gustave Doré von der Arbeit des Stechers ausgelöscht, der diese übersetzte oder verriet, je nach seinem Talent.“
An der Umsetzung der Illustrationen der „Göttlichen Komödie“ waren mehrere Stecher beteiligt, unter denen nach Wolfgang Riedl vor allem Pisan herausragt:
„Die ‚Göttliche Komödie’ verdankt den Erfolg – neben der Themenwahl – auch der hervorragenden Technik des Stechers Pisan, der es verstand, die auf den Holzblock übertragene Vorzeichnung in malerische Hell-Dunkel-Töne zu übertragen. Satten Schwarztönen im Hintergrund entwachsen unmerklich noch immer dunklere Schatten, die sich unter der Lupe als Tausende gestochener Punkte zeigen, und gehen allmählich, oder dem dramatischen Effekt entsprechend plötzlich in grelles Weiß über. [.] Mit solchen Bildern hat sich die Holzstichtechnik ein Denkmal gesetzt. Es erhebt sich sogar die Frage, inwieweit der Künstler als Entwerfer, der ja die Technik selbst nicht beherrschte, diese Anforderungen an den Stecher stellen konnte, und ob bei solchen Leistungen der Stecher nicht gleichberechtigt neben dem Entwerfer steht.“
Nach welchen Kriterien Doré die Auswahl der Szenen vornahm, bleibt vermutlich für immer ungeklärt, weil praktisch keine schriftlichen Aufzeichnungen oder künstlerischen Entwürfe vorhanden sind, da Doré seine Kompositionen wie erwähnt direkt auf den Holzstock zeichnete. Auch zur Entscheidung über die Verteilung der Bilder im Buch gibt es keine Zeugnisse. Dass die Holzschnitte als ganzseitige Tafeln in den Text interpoliert sind und nicht wie bei vielen illustrierten Büchern unmittelbar beim dazugehörigen Text stehen, war wohl eine grundsätzliche Entscheidung Dorés und seines Verlegers, da auch die späteren Ausgaben der Weltliteratur-Serie dieses Konzept aufweisen. Text und Bild erscheinen somit streng getrennt voneinander; abgesehen von den Versverweisen auf den zunächst zum Schutz zwischengeschalteten Pergamentblättern gibt es keinen direkten Bezug der beiden Ebenen. Der trennende Effekt wird zusätzlich durch die häufigen Querformate verstärkt, die eine gemeinsame Rezeption von Bild und Text ausschließen.
Aber nicht nur auf formaler Ebene, auch in inhaltlicher Hinsicht vermeidet Doré einen zu starken bzw. zu wörtlichen Textbezug. Es handelt sich bei seinen Illustrationen nicht um die Nacherzählung des Textes in Bildern, was auch durch die unregelmäßige Auswahl der Szenen, die der strengen Struktur Dantes zuwiderläuft, deutlich wird. Die Illustrationen besitzen ihren eigenen Rhythmus, der zwar mit dem Text zusammenklingt, jedoch eine besondere Dynamik entfaltet. Der Leser bzw. Betrachter begegnet im Buch also zwei Jenseitswanderungen, der visionären Jenseitsreise Dantes und der eher phantastisch anmutenden Wanderung Dorés. Beide beanspruchen einen autonomen Status, der sich in der Gesamtschau zu einem Bild-Text-Duett vereint.
Neben dem italienischen Originaltext beinhaltet die Erstausgabe eine französische Prosaübersetzung, welche als Haupttext in der oberen Hälfte der Seiten erscheint, einspaltig und in größerer Schrift gesetzt ist, während der italienische Text zweispaltig in kleinerer Schrift erscheint. Ergänzt wird der Text durch ein Vorwort des Herausgebers und einen Nachspann mit einem Inhaltsverzeichnis und einer Übersicht der Holzstiche. Auch der Ledereinband mit Goldprägung ist in den Hachette-Ausgaben ab 1868 exklusiv für die „Göttliche Komödie“ geschaffen worden.