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Wie die Nadel im Heuhaufen

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Judah Folkman ließ sich von den Kritikern nicht unterkriegen. Er verlor auch nie das Vertrauen in die Fähigkeit seiner Kollegen, seine Theorie anzuerkennen, sobald sie genug Beweise gesehen hatten. Wahrscheinlich dachte er an den Ausspruch von Schopenhauer, wonach jede Wahrheit drei Stadien durchläuft: Zuerst wird sie verhöhnt, danach wird sie gewaltsam bekämpft, zuletzt wird sie als selbstverständlich akzeptiert. Und so machte er sich daran, die Existenz der Substanzen zu beweisen, die verhindern können, dass neue Blutgefäße wachsen.

Aber wie sollte man sie unter den Tausenden von Proteinen erkennen, die das Krebsgewebe bildet? Das erinnerte an die sprichwörtliche Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Nach vielen Jahren und zahlreichen Rückschlägen war Judah Folkman kurz davor aufzugeben. Aber dann hatte er doch noch Glück.

Michael O’Reilly, ein junger Chirurg und Forscher, der seit Kurzem in Folkmans Labor arbeitete, hatte die Idee, im Urin von Mäusen, die resistent gegen Metastasen waren, nach Angiostatin zu suchen. Michael war so hartnäckig wie sein Chef. Zwei Jahre lang filtrierte er unzählige Proben mit Mäuseurin. (Eine ziemlich »anrüchige« Aufgabe, wie er später meinte). Schließlich fand er ein Protein, das die Bildung von Blutgefäßen blockierte, wenn man es bei einem Hühnerembryo anwandte (wo sich Blutgefäße normalerweise sehr schnell entwickeln). Der Augenblick der Wahrheit war gekommen. Dieses potenzielle Angiostatin konnten die Forscher nun an Labortieren testen und so herausfinden, ob es die Entwicklung von Krebs in einem lebenden Organismus verhinderte.

O’Reilly nahm 20 Mäuse und transplantierte einen virulenten Krebs auf ihren Rücken, dessen Metastasen sich aggressiv verbreiten und nach der Entfernung des Primärtumors rasch in den Lungen heranwachsen. Direkt nach der Entfernung des Tumors injizierte er der Hälfte der Mäuse Angiostatin, bei der anderen Hälfte ließ er die Krankheit ihren Lauf nehmen. Einige Tage später zeigten einige Mäuse erste Krankheitserscheinungen. Nun musste sich die Theorie in der Praxis beweisen.

Judah Folkman wusste, dass niemand ihm glauben würde, selbst wenn die Ergebnisse positiv ausfallen sollten. Daher lud er alle Forscher auf seinem Stockwerk ein, das Ergebnis zu begutachten. In Gegenwart der versammelten Zeugen öffnete O’Reilly den Brustkorb der ersten Maus, die nicht behandelt worden war. Die Lungen waren schwarz und von Metastasen zerfressen. Dann öffnete er die erste Maus, die Angiostatin erhalten hatte. Ihre Lungen waren perfekt rosa und zeigten keine Anzeichen von Krebs. Er wollte seinen Augen kaum trauen. Alle Mäuse, die kein Angiostatin injiziert bekommen hatten, waren vom Krebs befallen. Und alle, die Angiostatin erhalten hatten, waren völlig geheilt. Nach 20 Jahren der Schikanen und Rückschläge wurde das Ergebnis 1994 in der Fachzeitschrift Cell veröffentlicht.50 Von einem Tag auf den anderen wurde die Angiogenese zu einem der wichtigsten Forschungsthemen der Krebsforschung.

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