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Auf Befehl des rothaarigen Anführers mit den goldenen Augen wurden die Dionier willkürlich auf die Schiffe verteilt. So fand sich Laurion mit Nemera, Rhea und Djefer auf dem fremden Boot wieder, das Ameahim der Grenzwache zur Verfügung gestellt hatte. Auch den gefesselten Krieger mit der kostbaren Rüstung stießen die Wächter zu ihnen an Bord. Nemeras Wunsch, nicht von Zofe und Leibwächter getrennt zu werden, hörte sich der Drachenäugige nicht einmal an. Stattdessen befahl er den Aufbruch und schwang sich auf seinem Greif in die Luft, von wo er alles im Blick haben würde. Nur wenige Grenzwächter blieben am Ufer, um neben dem Fluss herzureiten, und die reiterlosen Pferde folgten ihnen von selbst. Wenigstens hielt das Schiff der Amea-Krieger Abstand. Trotzdem blieb Laurion wachsam, denn wenn sie sich anders entschieden, konnten sie jederzeit aufholen. Doch das Beunruhigendste blieb der Gefangene, der sie hasserfüllt ansah.

Während Mahanael ihre Schiffe mit magischer Brise antrieb, war es ansonsten vollkommen windstill. Die Grenzwächter hatten nicht einmal ein Segel gesetzt. Offenbar waren auch sie nur Gäste auf dem Boot. Es befand sich zwar ein Abkömmling Ameas unter ihnen, doch die beiden Elfen, die das Schiff mit Wassermagie gegen den Strom schwimmen ließen, trugen weder Waffen noch Rüstungen. Ihre blauen Gewänder wiesen sie als Tochter und Sohn Ameas aus, und im Gegensatz zu den Grenzwächtern bewegten sie sich mit größter Selbstverständlichkeit auf dem Boot. Als die Tochter Ameas am Steuer saß, lächelte sie Laurion sogar zu. Er fand es tröstlich, dass nicht alle Elfen mitleidslos waren, und in seiner blutfleckigen Robe sah er bestimmt erbarmungswürdig aus.

Mahanaels Magie und damit der Wind versiegten gegen Abend, woraufhin Drachenauge einen Lagerplatz am Ufer auswählte. Schon entbrannte mit den Amea-Kriegern ein neuer kurzer Streit, weil sie darauf bestanden, auf derselben Seite des Flusses anzulegen. Da die Grenzwächter kein Recht hatten, es ihnen zu verbieten, blieb Drachenauge nur, erneut auf Abstand zu bestehen.

»Soll das ein Scherz sein?«, empörte sich Laurion. »Das wird sie nicht daran hindern, uns heute Nacht zu überfallen!«

»Sie haben geschworen, Frieden zu halten, solange sie nicht angegriffen werden«, wehrte Drachenauge ab.

»Das haben sie in Everea auch behauptet!«

»Und dann schlugen sie Mahanael nieder und schossen auf uns!«, fügte Nemera hinzu.

»Meine Leute werden Wache stehen. Jetzt bleibt an eurem Platz und fallt mir nicht lästig, sonst lasse ich euch knebeln und fesseln wie ihn!«, drohte der Elf und deutete auf den Gefangenen, der zwar nicht geknebelt, aber mit Stricken gebunden war.

Verärgert zog sich Nemera zu den anderen zurück, und Laurion folgte ihr widerstrebend.

»Auch wenn wir keine Waffen haben, sollten wir eigene Wachen aufstellen«, riet Otreus. »Dann werden wir wenigstens sofort geweckt und können fliehen.«

Nemera nickte. »Zwei von uns sollten stets wach bleiben. Diese Grenzwächter nehmen den Befehl der Kommandantin ernst, aber wenn es zum Kampf kommt, können sie nicht überall sein.«

Laurion war es recht. Unter diesen Umständen konnte er sich nicht einmal vorstellen zu schlafen.

»Verzeihung?«, ertönte eine weibliche Stimme hinter ihm.

Überrascht drehte er sich um.

»Mein Name ist Maraya«, stellte sich die Tochter Ameas vor, die für eine Weile das Schiff gesteuert hatte. Am Mittag hatte ihr Haar beinahe farblos gewirkt, doch im Abendlicht sah es blond aus. Das dunkle Grau ihrer Augen stand in seltsamem Gegensatz zum blassen Blau ihres Kleids. »Ich möchte mich für das Verhalten meiner Verwandten entschuldigen«, sagte sie und reichte Laurion mit beiden Händen einen Stock, von dem drei große, durch die Kiemenöffnungen aufgespießte Fische herabhingen. Verblüfft sah Laurion zwischen ihr und dem schweren Geschenk hin und her.

»Kaysas Gnade! Was für ein Fang!«, rief Djefer und pflückte ihm dreist den Stock aus den Händen. Da er kein Elfisch sprach, konnte er Maraya nicht einmal verstanden haben. »Mach Feuer, Emmos! Das wird ein Festmahl.«

»Du wirst ja wohl nicht einfach über ein Geschenk für die Regentin bestimmen wollen«, schimpfte Sirkit. »Das …«

»Äh.« Laurion bemühte sich, sie zu überhören, um wieder denken zu können. »Ich danke Euch, Maraya. Das ist sehr freundlich von Euch.«

»Ich möchte nicht, dass Ihr uns alle für undankbar haltet. Ihr habt Großmut bewiesen, indem Ihr uns vor diesem Untoten gewarnt habt …« Ein Schaudern verriet, dass sie bei der Erinnerung Furcht und Abscheu empfand. »… obwohl es mein Volk war, das ihn ermordet und Euch verwundet hat.«

»Nun ja, das war doch …« Nein, er würde nicht sagen, dass er es nur aus Angst vor ihrer Rache getan hatte.

»Es war nobel«, beharrte Maraya. »Ihr habt diese Frevler beschämt, und ich schäme mich für sie. Das Sein lehrt uns die Ehrfurcht vor allem Leben. Wer grundlos tötet, befleckt seine Seele damit. Bitte vergebt meinen Verwandten. Sie sind verwirrt und zornig, weil uns großes Unheil widerfahren ist. Wenn sie wieder bei Verstand sind, werden sie ihre Unbesonnenheit bereuen.«

Bei dem gefangenen Krieger hegte Laurion Zweifel, aber er wollte ihrer ersten Freundin unter diesen Elfen nicht gleich widersprechen. »Ich, äh, wir bedauern euer Unglück und wünschten, wir wären zu einem günstigeren Zeitpunkt gekommen. Leider ließ uns das Drachenheer, das unsere Städte zerstört hat, keine andere Wahl.«

»Gerade in den schlimmsten Zeiten erweist sich, wer aufrecht ist und wer niederträchtig.« Maraya bedachte den gefesselten Krieger mit einem strafenden Blick.

* * *

Athanor wollte weitere Argumente anführen, doch Peredin winkte gähnend ab. »Ihr habt viel für uns getan. Und das obwohl wir uns nicht gerade als freundlich und dankbar erwiesen haben«, gab der Erhabene zu. »Wir stehen in Eurer Schuld, Athanor, ob das den anderen Ratsmitgliedern nun schmeckt oder nicht. Wenn die Kommandantin mir versichert, dass es sich bei diesen Flüchtlingen um Frauen, Kinder und unbewaffnete Männer handelt, sehe ich keinen Grund, warum wir ihnen nicht gestatten sollten, unter Aufsicht der Grenzwache unser Land zu durchqueren.«

»Nun, es verstößt gegen einen alten Ratsbeschluss«, wandte Mahalea ein. »Einen Beschluss, den die Grenzwache seit fast tausend Jahren befolgt.«

Und es steht ihm nicht zu, den Beschluss eigenmächtig außer Kraft zu setzen, folgerte Athanor aus ihrem Blick.

»Wenn mich der Hohe Rat deshalb absetzen will, soll er es tun«, sagte Peredin müde. »Bis die Menschen hier sind, muss niemand davon erfahren, und dann sehen wir weiter. Vielleicht hat sich der Rat bis dahin selbst aufgelöst. Wir stehen an einem Wendepunkt unserer Geschichte. Nach dem Erlöschen des Ewigen Lichts kann nichts mehr sein wie zuvor.«

Zu Athanors Erstaunen erhob Mahalea keinen Einspruch. »Dann werde ich eine Nachricht nach Everea senden und anordnen, dass alle menschlichen Flüchtlinge umgehend nach Anvalon zu eskortieren sind«, versprach sie stattdessen.

Erleichtert verneigte sich Athanor vor Peredin. Nach dem Ärger mit den Abkömmlingen Ameas hatte er viel mehr Widerstand erwartet. »Ich danke Euch, Erhabener. Und Euch, Kommandantin. Ich weiß, wie viel Überwindung Euch dieses Zugeständnis kostet.«

»Das tut es allerdings«, bestätigte Mahalea und verließ grußlos den Saal.

»Ich kann zwar nicht für die Kommandantin sprechen«, erklärte Peredin, »aber zumindest ich sehe die Parallelen zwischen dem Schicksal Eurer Untertanen und dem meines Volkes. Auch unser Land wird gerade von übermächtigen Feinden zerstört, obwohl wir sie noch nicht genau kennen. Schon morgen könnten wir Flüchtlinge sein, die Euer Land durchqueren müssen, um zu den Gebirgen des Nordens zu gelangen. Wie könnte ich Euch verweigern, worum ich Euch vielleicht bald selbst bitten muss?«

Athanor deutete eine weitere Verneigung an, um sein Einverständnis zu zeigen. Einen Augenblick lang erwog er, Peredins Worte von den übermächtigen Feinden aufzugreifen, doch es war spät geworden, und ohne die Kommandantin hatte eine Unterredung über diesen Krieg wenig Sinn. »Dann will ich Euch nicht länger von Eurer wohlverdienten Ruhe abhalten. Falls wir Euch morgen im Rat von Nutzen sein können, lasst es uns wissen.«

Akkamas und er verabschiedeten sich und traten in den nächtlichen Garten hinaus. Die Sterne und der Lichtschein aus einigen Fenstern genügten, um Orkzahn hinter seinem flachen Erdhügel zu sehen. Aus den Ritzen zwischen Grassoden und Erdbrocken kräuselte sich Rauch empor. Ein unterirdisches Feuer? Aber wozu? »Wird das ein warmes Bett für eine kalte Nacht?«

Orkzahn lachte. »Kein schlechter Einfall für den Winter. Wenn man keine Höhle hat …« Er schien ernsthaft darüber nachzudenken.

»Ich will nicht hoffen, dass du den Winter hier in Peredins Garten verbringen musst.« Es wurde wirklich Zeit zu erfahren, was den Troll hergeführt hatte. Noch waren die Elfen von ihrem schrecklichen Unglück wie gelähmt, doch früher oder später würden sie Orkzahns Umgestaltung des Anwesens wieder wahrnehmen.

»Rieche ich da gebratenes Fleisch?«, fragte Akkamas.

»Es ist eine Schmorgrube«, erklärte Orkzahn stolz. »So hat meine Mutter zerteilte Büffel gebraten. Man muss einen Tag warten, dann fällt das Fleisch von den Knochen.« Mit einem Schmatzen unterstrich er den zu erwartenden Genuss.

»Was für ein Glück, dass wir morgen hier sein werden«, sagte Athanor und ließ sich neben Orkzahn nieder. »Aber jetzt erzähl erst mal, warum du nach mir gesucht hast. Es muss Schlimmes geschehen sein, dass du freiwillig in die Elfenlande gekommen bist.«

Orkzahn brummte bestätigend, während sich auch Akkamas setzte. »Lieber hätte ich mir die Füße abgehackt. Aber das hilft nicht.« Mit schlichten Worten berichtete der Troll von Wiedergängern in seiner Heimat, von Stiernackens Opfertod im Feuer und von den Ghulen, denen die letzten Trollschamanen zum Opfer gefallen waren.

»Auch Athanor wurde von Ghulen angegriffen«, unterbrach ihn Akkamas. »Das kann kein Zufall sein.«

Athanor nickte. »Mein ganzes Leben lang hatte ich nichts von diesen Dämonen gehört, und jetzt tauchen sie in den Trollhügeln und in den Elfenlanden auf. Die Untoten, die Ghule, vielleicht auch die Drachen, das hängt alles miteinander zusammen.«

»Die Schamanen wurden den Plänen unseres Gegners zu gefährlich, sonst hätte er sie nicht getötet«, vermutete Akkamas.

»Das sagt auch dieser Oger von einem alten Elf«, fluchte Orkzahn. »Aber jetzt sind sie tot!«

»Es war nicht deine Schuld«, versicherte Athanor. »Du hast diese Schamanin vor den Ghulen gerettet. Mehr konntest du nicht tun. Gegen Geister sind wir machtlos.«

Bedrückend wahr blieb der Satz in der Luft hängen. Weder Akkamas, noch Orkzahn oder gar er verstanden etwas von dieser Geisterwelt, von der die Trollschamanen gesprochen hatten. Warum kamen die Geister plötzlich von dort zurück, statt ins Schattenreich zu gehen? Und wie schützte man sich vor Geistern, wenn Opfer und Gebete von Priestern wie Menep versagten? Wäre sein Volk noch am Leben gewesen, hätte Athanor nach einer Hexe gesandt, auch wenn jenen Frauen ein schlechter Ruf angehaftet hatte. Doch sie waren ebenso gestorben wie die Priester und Magier, die Wunderheiler und Wahrsager. Selbst die Elfen schienen ratlos. An wen also sollten sie sich wenden?

»Wir müssen diesen Omeon befragen«, stellte Akkamas fest. »Er hat angedeutet, mehr zu wissen als wir.«

»Er ist ein Oger«, warnte Orkzahn. »Wahrheit und Lügen sind für ihn eins.«

»Dennoch sehe ich keinen anderen Weg.« Athanor stand auf. Elfen schliefen nicht viel. Am besten statteten sie dem Alten gleich einen Besuch ab. »Finden wir heraus, ob er wirklich von Nutzen ist.«

* * *

Magie! Laurion schreckte auf und sah sich blinzelnd um. Er hätte geschworen, nicht geschlafen zu haben, doch seine Augen waren verquollen, und der Mond stand tief. Seine Wache mit Emmos war längst vorüber. Nun saß Djefer neben dem erloschenen Feuer und schnitzte einen Fisch aus einem angebrannten Ast. Verwirrt zog Laurion die Robe enger um sich. Was hatte ihn geweckt? Warum raste sein Herz?

Djefer schnitt eine Schnarchgrimasse und nickte grinsend in Otreus’ Richtung. Nemeras Leibwächter hockte zwischen ihnen und dem gefesselten Krieger im Gras, doch der Kopf war ihm tief auf die Brust gesunken. So viel zu seinem überragenden Pflichtbewusstsein … Doch es lohnte sich nicht mehr, Otreus zu wecken, denn bald waren die Männer von der Kaysas Segen an der Reihe.

Beunruhigt blickte Laurion zum Waldrand hinüber. Unter den Bäumen war es finster wie in einer verschlossenen Gruft. Wie sollte er einen Feind bemerken, der sich dort anschlich? Konnte er sich auf die Elfen verlassen, die Ufer und Waldrand abgingen? Die beiden Greife hatten sich zwar zusammengerollt und schliefen, aber die Pferde standen grasend oder dösend um das Lager. Sicher würden sie aufmerken, wenn sich im Wald etwas regte.

Beim Stampfen eines Pferds zuckte Laurion zusammen. Die Elfen hatten ihre beiden Toten einfach liegen lassen, als ob ihnen die Leichen gleichgültig waren. Doch wenn Mentes aufgestanden war, um Rache zu nehmen, warum sollten es nicht auch die Elfenkrieger tun? Angespannt horchte Laurion in die neblige Nacht. Bei den Schiffen unterhielten sich leise zwei Grenzwächter miteinander. Hier und dort rupften Pferde vom üppigen Gras. Djefers Messer kerbte Fischschuppe um Fischschuppe ins Holz. Kein Anzeichen für Untote. Nur das gleichmäßige Atmen der Schlafenden um ihn herum.

Magie … Im Traum hatten ihn dunkle Ahnungen bedrängt. So wie Rhea oft an seiner Robe zupfte, wenn sie Aufmerksamkeit wollte, zupfte das Misstrauen noch immer an seinen Gedanken. Argwöhnisch versuchte er, verborgene Zauber zu erspüren. Sobald er sich dafür öffnete, überwältigte ihn die Magie. Sie war so stark, dass er sich ihr mit einem Keuchen wieder entzog. Alarmiert sah er sich um. Irgendein Elf musste gerade einen Zauber wirken.

Aus Otreus’ Richtung ertönte ein krächzender Laut, aber der Wächter zuckte nur seltsam mit dem Kopf.

»Otreus!« Laurion sprang auf und stürmte über die Schlafenden hinweg. Erschreckt setzten sie sich auf, murmelten und riefen Fragen, aber Laurion hatte nur noch Otreus im Sinn. Obwohl er saß, schwankte der Wächter, als sei er betrunken. Laurion wirbelte um ihn herum und sank vor ihm auf die Knie. »Was hast du?« Fassungslos blickte er in Otreus’ Gesicht. Im Dämmerlicht war es nicht leicht zu erkennen, doch der zuvor stämmige Mann sah faltig und hager aus – als sei er gerade um Jahrzehnte gealtert. Auf den rissigen Lippen prangten dunkle Flecken. Blut. Otreus schien sprechen zu wollen, doch aus seiner Kehle drang nur Kratzen.

»Wasser!«, schrie Laurion. »Er braucht Wasser!«

Um ihn herum waren nun Menschen und Elfen in Aufruhr, riefen und eilten verwirrt durcheinander. Otreus’ Finger krallten sich in Laurions Robe wie die Klauen eines Vogels. Vor Entsetzen hatten sich seine Augen geweitet, und Laurion konnte den Blick nur erwidern. Otreus sah aus wie ein Verdurstender in der Wüste. Endlich reichte ihnen jemand einen Becher. Laurion setzte ihn Otreus an die Lippen und ließ etwas Wasser in seinen Mund rinnen. Otreus saugte es so gierig ein, dass ihn ein Hustenkrampf schüttelte.

»Langsamer«, mahnte Laurion und versuchte es noch einmal.

»Gütiger Alfar von Wey!«, erklang hinter ihm Marayas Stimme. »Es ist Ameathar! Er tötet ihn!«

»Schafft den Kerl von den Menschen weg! Sofort!«, blaffte Drachenauge.

»Wie hätten wir ahnen sollen, dass seine Magie so weit reicht?«, verteidigte sich jemand.

»Lasst mich ihm helfen«, bat Maraya. »Wenn es nicht schnell genug geht, könnte er einfältig oder ein Krüppel bleiben.«

Widerstrebend ließ sich Laurion von ihr zur Seite schieben. Noch immer klammerte sich Otreus wie ein Ertrinkender an ihn, obwohl das Gegenteil der Fall war.

»Ich kann Euch retten«, beteuerte Maraya und legte Otreus eine Hand an die Wange. »Bitte vertraut mir. Wenn Ihr Euch wehrt, kann ich mich nicht auf meinen Zauber konzentrieren.«

Er krächzte etwas Unverständliches und starrte sie zornig an, doch er schien zu entkräftet, um sie wegzustoßen oder gar nach ihr zu schlagen.

Können wir ihr wirklich vertrauen? Sie ist eine Tochter Ameas. Doch ihre Sorge klang echt, und sie berührte Otreus, ohne Abscheu zu zeigen. »Lass es sie versuchen!«, bat Laurion. »Du hast doch gesehen, wozu die Heiler im Stande sind.«

Otreus’ rauer Kehle entrang sich ein Seufzen. Endlich hielt er still und fügte sich in sein Schicksal. Maraya schloss die Augen, aber ihre Hand blieb, wo sie war. Mittlerweile hatten sie die anderen umringt. Nemera warf Laurion einen fragenden Blick zu. Er nickte beruhigend. Unter so vielen Blicken würde die Elfe Otreus sicher nichts antun.

Allmählich spürte er, wie ihre Magie sie umfloss und an Stärke gewann. Gerade hatte Otreus’ Haut noch gewirkt wie trockenes Leder, doch nun füllten sich seine Wangen wieder. Die tiefen Falten glätteten sich und verschwanden. Der ausgemergelte Körper gewann seine Masse zurück, der trübe Blick seinen Glanz. Selbst die Bartstoppeln ragten nicht mehr so weit aus der Haut.

Als Maraya zurückwich, fasste Otreus nach dem Becher und leerte ihn in einem Zug. Erleichtert jubelten die Dionier auf, Djefer am lautesten von allen. Lächelnd erhob sich Maraya, und Laurion ahmte es hastig nach. »Wie habt Ihr das gemacht? Diesen Zauber habe ich noch nie gesehen.« Und wie wertvoll wäre er für die Reisenden in der Wüste gewesen!

»Ach, das war einfach«, wehrte sie bescheiden ab. »Ich habe nur die Feuchtigkeit des Nebels in seinen Körper geholt. Es liegt in unserer Natur, den Fluss des Wassers zu lenken.«

»Dann hat er dasselbe getan, nur anders herum?« Rasch sah sich Laurion nach dem gefesselten Krieger um, den die Grenzwächter einige Pferdelängen fortgezerrt hatten.

»Fast hätte er aus Otreus einen Stockfisch gemacht!«, empörte sich Djefer.

Maraya nickte. »Ameathar darf Euch nicht mehr so nahe kommen. Es gibt keinen Weg, ihn am Zaubern zu hindern.«

»Doch«, widersprach Mahanael, »einen gibt es: Fesseln aus Blei. Aber genau deshalb werden wir keine in den Elfenlanden finden.«

* * *

Als Leones Nehora erreichte, stand die Sonne eine Handbreit hoch am Horizont. Sie waren die ganze Nacht hindurch geflogen, und während Sturmlöwe von der Anstrengung schwitzte, hatte Leones in der Kälte steife Glieder bekommen. Als er den Gruß der Wache auf dem Nordturm erwiderte, verzog er unwillkürlich das Gesicht. Sein Arm war schwer wie Stein, doch die schmerzenden Muskeln bewiesen, dass er immer noch aus Fleisch und Blut bestand. Vielleicht sollte er den Heiler doch nach seiner Schulter sehen lassen, bevor sie sich in den Kampf gegen die Orks stürzen mussten.

Aus der Ferne hatte Leones den Wächter für Die Faust gehalten. Gestalt und Steppmantel stimmten. Doch als er näher kam, bemerkte er das strohblonde Haar. Danael. »Du hattest recht!«, rief er seinem Kameraden zu. »Untote Orks!«

Danael hob noch einmal die Hand, um zu zeigen, dass er verstanden hatte, dann war Leones an ihm vorüber, und Sturmlöwe jagte in den Hof hinab. Bevor sie auf den harten Boden prallen konnten, fing er den Sturz mit einem Flattern ab.

Niemand war auf dem Hof zu sehen. Vor Sturmlöwes Unterstand entdeckte Leones im Vorübereilen den toten Hirsch. Der Kadaver lockte die letzten Fliegen des Herbstes an. Warum hatte ihn niemand in die Gewölbekeller gebracht, wo es kühler war? Verärgert hämmerte Leones an Theremons Tür. Sobald er Bericht erstattet hatte, würde er sich über den Mangel an …

»Was gibt’s denn?«, schnappte der Erste, während er die Tür aufriss. Die Falten zwischen seinen Brauen waren tiefer denn je.

»Ein Heer untoter Orks marschiert auf uns zu! Es sind Tausende!« Mit halbem Ohr hörte Leones, dass sein Gepolter die Kameraden aufgeschreckt hatte. Aus dem Augenwinkel sah er Vedsevia aus der Werkstatt treten, in der sie Bögen anfertigte. Seit Generationen übte ihre Familie dieses Handwerk für die Grenzwache aus.

Theremon wirkte einen Augenblick lang überrascht, dann rieb er sich mit der Hand über das müde Gesicht. »Tod verdammt«, flüsterte er.

Verblüfft starrte Leones ihn an. Das war alles? Ein gemurmelter Fluch? Theremon war der Erste, er musste Maßnahmen ergreifen, Befehle erteilen. Wo war die Entschlossenheit geblieben, mit der er sie sonst herumgescheucht hatte? »Habt Ihr nicht verstanden? Ich habe einen breiten Streifen des Moors abgeflogen. Sie sind überall! Morgen Nacht werden sie hier sein!«

»Morgen schon?« Erneut zuckten Theremons Brauen überrascht nach oben, bevor sie sich wieder zusammenzogen.

Leones nickte energisch. »Sie müssen Tag und Nacht unterwegs sein, sonst wären sie nicht so schnell vorangekommen.«

»Das ist das Ende«, erklärte Perian hinter ihm.

Leones wirbelte zu ihm herum. »Dreht ihr jetzt alle durch? Was ist los mit euch?«

Der Heiler und Keatos waren vom Speisesaal herübergekommen und standen nun mit Vedsevia im Halbkreis um Leones und den Ersten herum. Nur Die Faust fehlte. Wahrscheinlich schlief sie nach einer Nacht auf Wache. Leones’ Blick schweifte von einem Gesicht zum anderen. Sie hatten diesen Kampf bereits aufgegeben. In ihren Mienen fand er nur Trauer. Wie konnte das sein? Sie hatten doch gerade erst von der Bedrohung erfahren.

»Das Ewige Licht wurde zerstört.«

Leones sah Perian ungläubig an. War das ein schlechter Scherz? Der Erste würde sich bestimmt nicht daran beteiligen. Auf Erlösung hoffend drehte er sich zu Theremon um, doch der Erste blickte ebenso düster wie zuvor.

»Es ist wahr«, bestätigte er. »Die Nachricht stammt von der Kommandantin selbst.«

Der Falke aus Anvalon! Plötzlich spürte Leones den Boden unter seinen Füßen nicht mehr. Ihm war, als fiele er in einen Abgrund, doch in Wahrheit stand er vor Theremon und starrte ihn an. Seine Gedanken wirbelten durcheinander wie Funken über einem Feuer, in das der Wind fuhr. Wie hatte es geschehen können? Wer hatte es getan und warum? Wie sollte es nun weitergehen? In Theremons Blick fand Leones keine Hoffnung.

Einen Moment lang standen sie alle schweigend im Hof. Nur das Schmatzen und Reißen war zu hören, mit dem sich Sturmlöwe erneut über den Kadaver hermachte. Je mehr sich Leones’ Gedanken klärten, desto schwerer lastete die Neuigkeit auf ihm. Ohne Ewiges Licht gab es keine Zukunft. In ein paar Hundert Jahren würden die letzten Elfen ohne Nachkommen sterben. Sein Volk würde vom Angesicht Ardaias verschwinden. Wie von selbst suchte sein Blick nun Vedsevias. Ihre Ahnungen hatten sie nicht getrogen. Es war etwas Entsetzliches geschehen, das Schrecklichste, das überhaupt denkbar war. In ihren Augen flackerte wilde Verzweiflung.

»Und was tun wir jetzt?«, wandte er sich an Theremon.

»Wir sollten uns alle in Sicherheit bringen und nach Hause gehen«, forderte Perian mit einem raschen Blick zu Vedsevia. »Einer ganzen Armee sind wir doch niemals gewachsen.«

»Aber wenn wir sie nicht aufhalten, werden wir nirgends mehr sicher sein«, hielt Leones dagegen. »Sie werden die ganzen Elfenlande überrennen!«

»Wenigstens sterben wir dann nicht fern von unseren Freunden und Familien«, sagte Vedsevia.

»Wir sind die Grenzwache!«, rief Leones. »Die anderen verlassen sich auf uns.« Wollte Theremon denn nichts dazu sagen?

Keatos schüttelte den Kopf, sodass sein silbernes Haar das Gesicht umwogte. »Du hattest nur noch nicht genug Zeit, um darüber nachzudenken. Es ist vorbei. Unser Dienst ist sinnlos geworden. Wir sollten verschwinden, solange wir noch können.«

War das zu fassen? »Warum bist du dann noch hier, du Feigling?«

»Weil man Kameraden nicht im Stich lässt«, erwiderte Keatos kühl. »Selbst wenn sie dumm und anmaßend sind.«

Leones merkte, wie er vor Wut die Fäuste ballte.

»Schluss jetzt mit dem Gerede!«, fuhr Theremon auf. »Wir werden unsere verdammte Pflicht erfüllen.«

»Aber Ihr habt doch selbst ge…«

Zornig fiel der Erste Vedsevia ins Wort. »Da wusste ich noch nichts von diesem Heer. Herr des Lebens! Sollen sie alles überrennen, während wir uns davonstehlen? Wir werden auf unserem Posten bleiben, bis wir einen anderen Befehl erhalten, verstanden?«

Betreten sah sie zu Boden und nickte. Auch der Heiler zog es vor, seine Stiefel zu betrachten, während er zustimmend brummte. Nur Keatos erwiderte Theremons Blick. »Und wie gedenkt Ihr, diese Untoten zu besiegen, Erster?«

»Vom Siegen war nie die Rede. Wir müssen handeln. Perian, sende Nachricht an alle Posten entlang der Westgrenze! Ich werde nach Uthariel schreiben und Verstärkung anfordern, aber rechnet nicht damit, dass sie rechtzeitig eintrifft.«

Leones nickte. Nicht einmal ein Greifenreiter konnte die Strecke schnell genug zurücklegen.

»Vedsevia, du und Keatos werdet für den Rest des Tages Brandpfeile fertigen. Feuer ist das Einzige, was Untote aufhält. Leones, du bist der Feuermagier unter uns. Falls dir etwas zu unserer Verteidigung einfällt, lass es mich wissen. Ja?«, wandte er sich an Keatos, der vorgetreten war.

»Ich stelle Eure Befehle nur ungern infrage, aber wer sagt, dass uns diese Wiedergänger überhaupt angreifen werden? Sie könnten einfach an Nehora vorbeimarschieren.«

»Guter Einwand«, stimmte Leones widerwillig zu. »Es sind Untote. Im Gegensatz zu lebenden Gegnern wird es ihnen gleichgültig sein, ob wir ihnen in den Rücken fallen.«

Einen Augenblick lang sah es aus, als ob Theremons Eifer so jäh erlosch, wie er aufgeflammt war. Doch dann fing sich der Erste und nickte. »Ihr habt recht. Selbst wenn wir einen Teil dieses Heers hier binden, wäre es möglich, dass der Rest die umliegenden Dörfer niedermacht. Leones, geh Die Faust wecken! Sie soll Danael auf der Mauer ablösen. Du übernimmst die Brandpfeile. Perian wird dir helfen, sobald er die Botschaften geschrieben hat. Warum stehst du überhaupt noch hier?«, herrschte er den Heiler an, der gehorsam davoneilte. »Keatos, du reitest nach Norden, Vedsevia nach Osten, Danael wird den Süden übernehmen. Die Leute sollen fliehen. Macht ihnen klar, dass es um Leben und Tod geht! Bei Sonnenuntergang will ich euch wieder hier sehen!«

* * *

Omeon war verschwunden. Wen Athanor auch nach ihm fragte: Seit die Elfen nach dem Kampf mit dem untoten Giganten zurückgekommen waren, hatte ihn niemand mehr gesehen. Einige Abkömmlinge Ardas durchsuchten das Anwesen und die Umgebung nach ihm, denn angesichts seines hohen Alters fürchteten sie, dass ihn die schreckliche Nachricht über das Ewige Licht das Leben gekostet haben könnte. Aber als sie keine Leiche fanden, wandten sie sich wieder dem erbitterten Streit im Rat zu. Sie nahmen an, dass sich Omeon auf dem Weg zurück nach Ardarea befand, wo er ein Haus und Verwandte besaß. Da er stets gekommen und gegangen war, ohne jemanden von seinen Plänen in Kenntnis zu setzen, störte sich niemand daran.

Ungläubig schüttelte Athanor den Kopf. Hatte der Alte nur mit Orkzahn und ihm so eindringlich gesprochen? Warum hatte er sich noch nicht an den Erhabenen gewandt? »Nach allem, was er gesagt hat, kann er doch nicht abgereist sein, um seine letzten Abende am heimischen Herdfeuer zu genießen!«

»Nein, danach klang er in der Tat nicht«, stimmte ihm Akkamas zu. »Aber er verschwand erst, nachdem er vom Erlöschen des Ewigen Lichts erfahren hatte. Ich bin sicher, dass es einen Zusammenhang gibt.«

»Ohne den Oger sind wir besser dran«, brummte Orkzahn. »Er wäre uns irgendwann in den Rücken gefallen.«

»Du wirst deine Gründe haben, das zu glauben«, nahm Athanor an. »Trotzdem hätte ich gern erfahren, was er über diese Schamanengeschichte weiß.« Doch vielleicht bedeutete der Alte wirklich nur Ärger, wenn er sich schon jetzt als unzuverlässig erwies. »Zum Dunklen mit ihm! Wir haben genug zu tun.«

Sie saßen auf dem Rasen bei Orkzahns Schmorgrube, und Athanor rollte eine Landkarte zwischen ihnen aus. Peredin hatte sie ihm bringen lassen, damit er sich selbst ein Bild davon machen konnte, wo die Abkömmlinge Chions lebten – und wo sich demnach ein weiteres Ewiges Licht befinden musste. Die Karte war alt, aber sie stammte gewiss nicht mehr aus der Zeit des Zerwürfnisses mit den Abtrünnigen. Auch die Elfen fertigten ständig Abschriften alter Karten und Manuskripte an, damit kein Wissen verloren ging, nur weil die Originale über die Jahrtausende zerfielen.

»Sieht man da auch die Trollhügel?«, fragte Orkzahn.

Hatte jemals jemand einem Troll eine Landkarte gezeigt? Vermutlich nicht. »Ja, hier.« Athanor deutete auf das Gebiet östlich der Elfenlande und seiner Heimat. Wie klein Theroia daneben aussah. Ein unbedeutendes Königtum unter vielen, die sich zwischen den Gebirgen der Zwerge im Norden, den kargen Steppen des Westens, den Elfenlanden im Süden und den Trollhügeln im Osten zusammendrängten. »Die Karte zeigt die Zeit, bevor die Hochkönige Itharas die Menschenvölker zum Alten Reich vereinten.« Fasziniert fuhr Athanor mit dem Finger darüber und erklärte seinen Freunden, wo welches Land lag. Die ferne Vergangenheit ähnelte den Zuständen nach dem Zerfall des Alten Reichs, wie sie bis zum Feldzug Theroias und der Drachen angedauert hatten, aber damals hatte es noch mehr Fürstentümer der Menschen gegeben, als Athanor kannte.

Der größte Unterschied bestand jedoch darin, dass in den Menschenlanden elfische Siedlungen verzeichnet waren. Sie reichten gen Westen bis nach Ithara und nach Norden über Theroia und die Zwergenreiche hinaus. Es erinnerte Athanor daran, wie Elanya ihm in den Kerkern Firondils von dem alten Streit zwischen Elfen und Zwergen um den Berg Gorgon erzählt hatte. In jenen Tagen waren die beiden Völker Nachbarn gewesen, und einige Elfen hatten in Eintracht mit den Theroiern gelebt. So weit konnte er die Angaben der Karte nachvollziehen, aber darüber hinaus …

»Entweder führen alle Legenden über den eisigen Norden in die Irre, oder es herrschte damals noch keine Kälte dort«, rätselte er. Jenseits der Gebirge zeigte die Karte eindeutig Elfenstädte und Wälder. Ein Fluss wand sich durch diese Landschaft und mündete weit im Norden in ein Meer.

»Das ist möglich«, meinte Akkamas. »Auch Dion war nicht immer eine Wüste. Im zweiten Zeitalter galt es meinen Ahnen als blühendes Land, wo das Wild so zahlreich war wie an keinem anderen Ort Ardaias.«

Athanor vermochte es sich nicht vorzustellen, aber auch der Sphinx hatte davon gesprochen, und die Überlieferungen der Drachen und Elfen waren sicher zuverlässiger als Trolllegenden über allmächtige Steine. »Selbst wenn diese Karte stimmt, müssen die Städte längst aufgegeben worden sein. Nach allem, was ich je über den Norden gehört habe, liegt dort sogar im Sommer noch Schnee.«

Orkzahn nickte. »Das weiß doch jedes Kind.«

»Aber sie haben ein Ewiges Licht.« Akkamas tippte auf eine Stelle, die eine strahlende Kugel zeigte. Es war ein kleines Symbol, so versteckt, dass Athanor es übersehen hatte, doch es war da. Dorthin wollte der Erhabene sein Volk führen.

»Du meinst, dass es dieselben Auswirkungen hat wie hier?« Athanors Blick schweifte von selbst zu den Bäumen empor, deren Laub über Nacht begonnen hatte, sich zu verfärben.

»Ich verstehe nicht viel von euren Jahreszeiten«, gab Akkamas zu. »Bei uns bedeutet Winter nur, dass es an der Küste ab und zu regnet. Und wir wissen, dass er vorbei ist, wenn das Mekathochwasser aus den Donnerbergen herabkommt.«

»Bei uns wird der Winter länger und kälter, je weiter man nach Norden reist«, erklärte Athanor. »Selbst wenn er um dieses Ewige Licht herum milder ausfällt, könnte er immer noch härter sein als in meiner Heimat.«

Skeptisch blickte Akkamas auf die Karte. »Dann kann ich verstehen, dass sich viele gegen Peredins Plan stemmen. Wie soll ein Volk in Eis und Schnee überleben?«

»Das müssen sie selbst herausfinden.« Athanor verhärtete sein Herz gegen das aufkeimende Mitleid. Sie hatten nicht eingegriffen, als sein Volk von den Drachen vernichtet worden war. »Wir haben genug eigene Schwierigkeiten. Aber wenn sie tatsächlich nach Norden ziehen, durchqueren sie meine Heimat. Dann werden wir sie mit den Flüchtlingen begleiten, bis …« Mit dem Finger fuhr er die ungefähre Route entlang und hielt am Sarmander inne. »Bis sich unsere Wege in Theroia trennen.«

Als er es mit so großer Entschiedenheit aussprach, kamen ihm Zweifel. Er hatte geplant, die Flüchtlinge nach Theroia zu führen, falls es ihm gelang, den Drachen zu entkommen. Doch damals hatte er nicht geahnt, dass auch hier wieder Krieg herrschte. Ein Krieg, der mit unerwarteten Mitteln geführt wurde, von denen er viel zu wenig verstand. Er wusste nicht, welche Schrecken die nächste Nacht, der nächste Morgen bringen würde. Er wusste nur, dass dieser Kampf längst nicht ausgestanden war. Wie konnte er hoffen, sich mit den Dioniern in Theroia anzusiedeln, solange die Sonne jeden Tag mehr hinter diesem Dunstschleier verschwand? Solange sich untote Giganten erhoben, um ganze Völker auszulöschen? Hadons Fluch! Er musste etwas unternehmen.

Athanor 4: Die letzte Schlacht

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