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Birke traf sich mit Sandro zu einem ausgedehnten Spaziergang, startend beim Hauptbahnhof St. Gallen, wo Birke schon wartete, immer ein paar Schritte gehend, hin und her, um sich warm zu halten. Sandro kam aus Konstanz angereist und trug einen dünnen, mittelbraunen Ledermantel mit breitem Kragen, den er jetzt bis über die Ohren aufgestellt hatte, und einem schmalen Gürtel, der Sandro plus Mantel zusammenhielt. Seine Schultern waren hochgezogen vor Kälte, die Hände tief in den Manteltaschen vergraben, die Zähne aufeinander klappernd und die Nase halb in den Kragen gesteckt. Das Einzige, das nicht fror, schien sein blondbrauner Schopf zu sein.

«Hier ist es saukalt», sagte er zur Begrüssung.

«Du meinst, der eine Hauch Unterschied zu Konstanz macht ’s aus?»

«Ja», kam es felsenfest, doch leicht gedämpft aus den Untiefen des Kragens hervor.

Birke, ihren wollenen Nierengurt schön anliegend unter dem dick gefüllten violetten Daunenmantel, lachte schallend.

«Ich weiss, ich sehe aus wie ein schillernder Käfer, aber dafür ist es mir wohlig warm. Wollen wir losmarschieren, damit du hier nicht festfrierst?»

Wenigstens hatte sich Sandro dazu überwunden, robuste winterfeste Stiefel anzuziehen, anstatt seiner üblichen spitz zulaufenden, lederbesohlten Indie-Country-Stiefeletten.

Sie durchquerten das Klosterviertel, ein Teil der St. Galler Altstadt, erklommen haufenweise steilste Holztreppen und erreichten die Drei Weiher, eingebettet in den Nordhang-Hügel der Stadt und darum auch schon hauptsächlich zugefroren.

Über einem der drei Weiher schwebend, entspannte sich Kaspar Senn endlich von seinem abrupten, heimtückisch inszenierten Ableben und fasste langsam, aber sicher den Entschluss, die Art und Weise seiner Ermordung ans Licht zu bringen. Alles, was er konnte, war, die Gedanken der Menschen etwas zu beeinflussen. Nur hörten die Lebendigen selten auf die Verstorbenen. Sie ignorierten die richtigen Eingebungen und taten das Falsche. Erst im äussersten Notfall hörten sie mal zu, aber auch nur, wenn sie nicht schon zu verbittert waren von all den Schicksalsschlägen, die sie frühzeitig hätten abwenden können, hätten sie nur auf die Eingebung gehört, die immer zuallererst im inneren Ohr ertönt. Jeweils nur ganz kurz, aber deutlich.

Also brauchte Kaspar ein Medium.

Darum befand er sich jetzt hier über diesem Weiher, denn hier würde gleich eines aufkreuzen.

Als er seine Seele auf die beiden richtete, die nun daherkamen, entstand ein leuchtend violetter Energiestrom zwischen ihm und der einen der beiden Spazierenden.

«Da schwebt ein Geist über einem der Weiher», sagte Birke zu Sandro.

«Ach, darum fühle ich mich so high. Ich dachte schon, ich hätte zu wenig gegessen.»

«Du bist eben ein sensibler Mann.»

«Und das ist etwas Positives?»

«Oh, ganz bestimmt. Vor allem für uns Frauen.»

«Ich heisse Kaspar Senn.»

Birke richtete ihr inneres Auge auf den Geist und sah den Ablauf seiner Ermordung in ihrem ganzen Zusammenhang in Form eines Bildes, das weitere Bilder in sich barg. Ihr wurde ein bisschen übel.

«Ich heisse Birke.»

«Ich brauche deine Hilfe, Birke, um meine Ermordung in ihrer Wahrheit kundzutun.»

«Das ist eine Riesenaufgabe, mein Lieber.»

«Ich weiss. Aber die Wahrheit ist das Wichtigste.»

«Ja, die Wahrheit ist immer das Wichtigste. Ich helfe dir.»

Mörder im eigenen Dezernat

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